RasPUTIN, TRUMPolin & Co. – Ein Selbstgespräch

 

 

Ein Ausreißer. Ich schreibe einen Blog, der weder systematisch noch monothematisch sein will, er ist auch nicht das neumodische „puzzle“, sondern schlicht ein Selbstgespräch. Am Ende erklär ich einiges. Aber die ernste Einleitung kann ich mir und Ihnen nicht ersparen: wenn man die letzten 24 Stunden Revue passieren lässt und aus Müdigkeit keine disziplinierenden Strukturen einzieht, der zerfließt die Beobachtung des sich abzeichnenden fortgesetzten Schreckens in Mosaiksteiunchen, die einer inneren Logik – meiner – folgen, aber nicht den Erscheinungen der Welt in einer gleich verständlichen Ordnung. Und so habe ich, inmitten schwerer Arbeit, eben dies aufgezeichnet und schlage vor, jede® Leser*in nimmt sich einen oder zwei Absätze und spinnt das Garn fort.

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Ich will nicht witzig sein. Angesichts der Appeasement-Politik und der mangelnden Selbst-Kritik der agierenden Demokratien gegenüber den Diktatoren und Autokraten könnte einem die Lust an der Satire vergehen, von der gebotenen ironischen Distanz zu schweigen. Aber es ist notwendig, auf einige Grundsätze zu verweisen, die auch diesen meinen Blog bestimmen:

  • Wir kritischen Intellektuellen dürfen und müssen eine Sprache pflegen, die bis an die Grenzen aushaltbarer Wahrheit gehen kann: einen Wahnsinnigen wahnsinnig nennen, einen Faschisten einen Faschisten heißen und einen Verbrecher als das bezeichnen, was er ist: ein Verbrecher.
  • Das müssen die Regierenden unserer Demokratien nicht, weil sie mit all diesen grotesken Gewaltherrschern sprechen müssen und das geht natürlich nur mit unseren Sprachformen und nicht im Ton der hysterischen Kaczinskys, Erdögans und Trumps.
  • Aber wenn wir – als republikanisches „System“ zu Recht auf die Unerträglichkeiten von anderen hinweisen, müssen und können wir fast automatisch den Reformbereich in den gleichen Politikfeldern aufrufen: der kann demokratisch bewältigt werden, wo andere Gewaltanwenden, aber wir sollen nicht überheblich sein.

Polen katapultiert sich mit der klerikofaschistischen Gewalt einer reaktionären Wohlfahrtspolitik aus der europäischen Zivilisation heraus, solange Kaczynski den Pöbel hinter sich versammelt. Sein Angriff auf die Justiz bestellt die republikanische Gesellschaftsform in Frage, das ist weit schlimmer als undemokratische Fehltritte. Zu Recht droht die EU mit dem Entzug des Stimmrechts – schwierig durchzusetzen. Geld kann man den Polen schon vorher entziehen, aber dann leiden die, die gar nicht wissen, wie viele Eisenbahnen, Straßen und Brücken sie der EU in den letzten Jahren zu verdanken haben. Nur: wie demokratisch sind unsere Ergänzungen zu den obersten Gerichten in Karlsruhe? Hier gibt es durchaus noch Verbesserungsbedarf.

Russland schaut genüsslich zu wie sich die neuen Gewalttäter zur „kleinrussischen Republik“ erklären. Russland kann seine Vasallen und Satrapen zwingen, diese Diktaturen anzuerkennen, weil die ja von Putin abhängig sind. In Kleinrussland gibt es Konzentrationslager. Was kann und muss der Westen machen? Auf jeden Fall drohen und verhandeln. (Jedenfalls kein G20 als Fassade irgendeiner Gemeinsamkeit herstellen). Aber auch seine Fehler bedenken, die bei der Ausgrenzung Russlands nach dem Kalten Krieg objektiv begangen wurden. Das wäre AußenPOLITIK, und nicht nur Außenvertretung.

Über den Verbrecher Erdogan wurde schon zu Recht viel und kritisches gesagt. Aber gemacht wurde wenig, weil man ja Firmen in der Türkei hat, weil man dieses Land in der NATO halten will – falsch! Solange dieser Diktator herrscht, brauchen wir keine NATO mit der Türkei, sondern müssen militärische Operationen ohne die Türkei unternehmen. Trotzdem reden und verhandeln, trotzdem das Flüchtlingsabkommen weiter entwickeln (vielleicht auch es zurücknehmen). Aber die Samthandschuhe gegenüber den türkischen Religionsvereinen ausziehen, wenn die – Ditib und Konsorten – bis in den Verfassungsschutz eindringen und vor allem Kinder verschrecken und belästigen. Religion ist immer nachrangig gegenüber dem Rechtsstaat. Aber auch hier: der Verfassungsschutz war ja schon bisher kein verlässliches Organ, sondern vielfach eine Vorfeldorganisation rechter Gewalt (à NSU u.a.), weshalb er natürlich auch Nährboden gewalttätiger Gesinnung sein kann – in Teilen, nicht pauschal, aber nachweisbar.

  • Nein, ich falle jetzt nicht in die Falle der groben Beschimpfungen und guten Ratschläge; ich möchte mit den drei Beispielen nur darauf hinweisen, dass AMBIGUITÄT immer auch einen Bezug zu den eigenen Praktiken und damit Fehlern hat. Das bedeutet nicht: Relativierung. Aber zwischen Verhandeln und Appeasement ist ein großer Unterschied. Appeasement ist in nicht-konfrontative Vorleistung gehen (Erdögan darf verhaften, Trump darf abschieben, Putin darf hacken lassen etc.)

Mir geht es heute um etwas anderes. In „meinen Kreisen“, d.h. der politischen Kommunikation, werde ich oft gescholten, weil meine Attacken auf Putin und Osteuropa so viel häufiger als die Angriffe auf den wahnsinnigen amerikanischen Präsidenten sind. Und meine Antwort, wenn sie sich mir entringt, ist regelmäßig, dass es einen verständlichen und berechtigten Überhang an Trump-Kritik und –verachtung gibt, eben weil er einer „Sphäre“ entstammt, die irgendwie als „unsere“ betrachtet wird, während man leicht verächtlich von denen da im Osten ohnedies nichts oder nicht so viel erwartet. Es gibt sozusagen eine unbewusste Loyalität zum eigenen Lager, wobei genau das das Problem ist: zu diesem Lager will man ja gerade nicht gehören, wenn es von Trump repräsentiert wird. Die AMBIGUITÄT in diesem westlichen Lager besteht ja gerade  darin, dass wir den USA nach 1945 fast alles an Freiheiten, aber auch an Habitus, Protestagenda, Kulturformen usw. zu verdanken haben, ihre andere Wahrheit aber nicht erst seit Trump der Exzeptionalismus, die Ausnahmestellung gegenüber Völkerrecht und normalen bürgerlichen Tugenden besteht (dass diese Lust an der öffentlichen Hinrichtung, am Lynchen, am übermäßigen Geld anhäufen, am Demütigen der Abhängigen zur Unvereinbarkeit mit unserem Tugendkatalog gehört, darf nur beanspruchen, wer den kritischen Einwand unserer moralischen Überlegenheit – siehe oben – in praxi akzeptiert.

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Das Verhältnis von relativ gefestigten demokratischen Gesellschaften zu nicht gefestigten Demokratien und Diktaturen ist etwa 40:170. Die Verteilung deckt sich nicht ganz mit dem demokratischen globalen Norden versus Süden. Aber die Last der Vergangenheit, die die Mehrzahl der Staaten zu abgehängten gemacht hat, soll nicht ausgeblendet werden. Mich treibt ein einfacher Hinweis um: würde man diese Vergangenheit immer dekonstruieren, wenn es um konkrete Politik gegen einen Gegner, einen Diktator geht, dann könnte man ihn besser verstehen, ohne ihn zu entschuldigen. Das spricht für unsere trans-disziplinäre Forschung und unser Aussprechen, was die Politik selbst nicht darf und kann.

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     Unlösbares: Netanjahu, ein rechtsradikaler israelischer Nationalist, für den „jüdisch“ nur ein Etikett ist, bekämpft George Soros, den jüdischen Ungarn, genauso wie Orban, der rechtsradikale ungarische Nationalist. Die Gründe und Ursachen dafür kann man unschwer nachverfolgen. Lesen Sie: http://www.taz.de/!5427086/ oder http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-viktor-orban-benjamin-netanyahu-und-die-anti-soros-kampagne-a-1157229.html Dass Netanjahu dabei Antisemiten in Schutz nimmt, gehört zu den offenen Wunden rhetorisch beschworener Wertegemeinschaften, wo es um Taktik und Geschäfte geht. Nur muss uns das wiederum in der umso schärferen Kritik an Netanjahu und einer etwas anderen Herangehensweise an Israel bestärken, das eben aus jüdischen und anderen Israelis besteht.

  • RasPUTIN und TRUMPolin. Die beiden sind weder geistes- noch politikverwandt, außer in einer gewissen Skrupellosigkeit. Putin ist im Sinne der Psychopathologie keineswegs wahnsinnig, er zeigt nur alle Eigenschaften von Diktatoren und weiß sich so zu verhalten, wie es die, die ihn stützen, erwarten. Macht ist wissen. Trump ist unbehandelbar narzisstisch, die Störung ist nicht lateral, sondern er ist die Störung. Würden beide durch ein Attentat beseitigt, wären die Folgen unabsehbar. Die alte Rechtfertigung des Tyrannenmordes würde niemandem weiterhelfen, weil sie im russischen Fall eingebettet wäre in ein Gespinst von bestehenden Machtbeziehungen, also nichts würde sich ändern, kurzfristig. In den USA gibt es einen Rechtsstaat, der müsste die meisten Mitglieder des Kabinetts und der Beraterstäbe ja im Amt lassen. Ein Alptraum, Pence, Sessions, de Vos…Diese Gedankenspiele sollen die hilflose Wut etwas dämpfen, schimpfen hilft wirklich nur lokal. Das Kabarett und die Satire sind allerdings gegen beide und alle bisher genannten gute Waffen, nur wer kommt denn da noch mit dem Schreiben nach?

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Würden wir bei uns mit einer Reform der offenen Flanken unserer Demokratie ernst machen, könnte das unsere Politik gegenüber den Tyrannen verbessern…Nur so ein paar Hinweise:

  • Befreit die Regierung von der Autolobby, Glyphosatlobby, Kohlelobby, àwie dann mit der Opposition der Industrie und Wirtschaftsverbände umgehen?
  • Befreit die Umweltdiskussion von der Rhetorik der Mülltrenn-Vegan- Lederverzicht-Neubürger. Das 2 Grad Ziel von Paris verlangt Politik, nicht Meinungen: d.h. die –> „Time of Useful Consciousness“ wird immer kürzer, und da muss endlich über eine Verzichtethik und eine Umstellung der Ethik – Gutes Leben – verhandelt werden und nicht über nachhaltige Wohlstandsanhäufung bei immer weniger Superreichen.
  • Befreit uns und andere von der Vorstellung, man könne mit antikapitalistischen Rhetorik den Kapitalismus als ersetzbar und die Ersatzkonstrukte als realistisch an die Wand pinseln: Noch immer wurden die besten Sozialprogramme im Kapitalismus verwirklicht. Hej, spinnt der Daxner? Nein, die gelungene Sozialstaatspolitik wurde, teilweise mit Gewalt, innerhalb des Kapitalismus erkämpft, während die Alternativen, wenn sozialistische Staaten eine gewesen waren, an sich selbst gescheitert sind.
  • Dazu den von Ernst Bloch maßgeblich formulierten Hinweis: –> Hoffnung ist nicht Zuversicht.
  • Gebt ein Beispiel, dass schwer vorstellbare Maßnahmen „in praxi“ gar nicht so schwierig sind, z.B. 2-3 Millionen Flüchtlinge aufnehmen und integrieren. Ich habe nicht gesagt, alle 60 Millionen aktuelle Flüchtlinge einladen. Aber ich sage: wer um 200.000 feilscht, muss ein Problem über lange Zeit in Kauf nehmen wollen. Ethno-nationalistische Politik auf dem Rücken der Ärmsten.
  • Keine Kompromisse mit den identitären Leitkulturblökern: von de Maizières dummdreisten Phantasien bis hin zum Kulturschutzgesetz der durchaus ungebildeten Kulturstaatsministerin geht hier das Land einen Weg, wie wir ihn schon weiter fortgeschritten in anderen rechtsnationalen Gesellschaften beobachten (Übrigens: warum ist der Schreibtisch von Friedrich II ein identitätsstiftendes Objekt (Grütters)?).

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Werte Blog Leser*innen: Wie ich eingangs sagte: dieser Blog ist kein Tagebuch, das führe ich altmodisch nur für mich selbst. Ich habe hier die politisch gesellschaftlichen Assoziationen aufgelistet, die mich gestern und heute neben, vor allem unter einer sehr anstrengend Arbeit verfolgt haben, sozusagen unabweisbare „Trigger“ in Form eines Selbstgesprächs, das sich um die Arbeit gelegt hat wie ein Ring, der langsam sich zuzieht. Ich weiß, es gibt noch mehr. Die Überfülle, nicht vervielfältigt auch noch durch social media, ist eine heimtückische Attacke der Feinde ordentlichen Denkens. Und man muss nicht über alles reden, aber das was im Selbstgespräch sich à engrammatisch festsetzt, will ich doch der virtuellen Resonanzgemeinschaft anbieten…bevor ich zu murmeln beginne.

Letzter Punkt: das Wortspiel RasPUTIN ist fast schon fad. Aber Rasputin hatte ja auch eine gewisse Faszination über eine gewisse Zeit in einem sehr bestimmten Milieu gehabt, und als Gegenkaspar zum Verrückten in Washington taugt er schon. TRUMPolin ist ein Spielgerät für autistische Adoleszente, dessen Erfinder, hätte er keine Macht, an seiner Grenzwertigkeit längst verreckt wäre. Er ist nicht schlimmer als die, die ihn an die Macht gebracht hatten, deshalb springt lieber auf denen herum als auf ihm, er merkt es nicht. Ich gehe wieder an die Arbeit.

Nachsatz: am Abend dieses selbstredenden Tages traf ich eine Runde von angenehmen Konservativen. Weitab vom Reaktionären, verkörpern sie die Sparringpartner der gelungenen Republik.

Ein Gedanke zu “RasPUTIN, TRUMPolin & Co. – Ein Selbstgespräch

  1. aber richtig schreiben solltest du die herren trotzdem (oder gerade deshalb…) 😊

    Kaczynski (eigtnl: Kaczyński)

    Erdogan (eigentl: Erdoğan) – aber kein „ö“

    Thomas Ruttig
    Co-director, Afghanistan Analysts Network (AAN)
    Phone (Kabul): 0093 795 479 479
    Phone (Germany): 0049 3301 539029
    E-Mail: thomasruttig@hotmail.com
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    Websites: http://www.afghanistan-analysts.org and https://thruttig.wordpress.com/

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