Kritik an meinem Gebrauch der Worte Faschismus und Neonazi für die globale, europäische, deutsche und lokale Entwicklung, an der Zuordnung von Aiwanger, Manfred Weber, Meloni, Orban und Erdögan, neben vielen anderen in die diversen Faschismen, ebenso wie diese Zuordnung zu Ereignissen und Politiken.
Auffällig an diesen Kritiken ist, dass mir keine Alternative angeboten wird, wenn nicht „faschistisch“, dann „…“, ja was: autoritär, diktatorisch, populistisch… all das kann Faschismus auch sein, KANN, muss aber nicht.
Ich habe keine Lust, der tausendbändigen Geschichte der Faschismen und des Nationalsozialismus noch ein langen Exkurs hinterherzuschicken, aber die Kritik verfolgt mich, weil sie mich begriffsarm machte, wäre sie berechtigt.
Ich habe viele Jahre an dem Wissen über und der Entäußerung zum Faschismus gearbeitet, immer stärker auf Bloch, Arendt, Paxton, Bataille, usw. beruhend, und mich scharf gegen den ideologisch verkürzten Antifaschismus des Realsozialismus gewehrt. Das Thema motiviert mich nicht als laienhafte allgemeine Bildung, sondern gehört zum Verständnis der späten Zivilisation – also mit der Überschreitung der Klimaschwelle. Die allerdings ist neu im Vergleich zu früheren Faschismen, während Fluchtbewegungen, Kolonialismus und Ethnophobie schon damals dazu gehörten. Alles ganz spannend zusammengefasst Faschismus – Wikipedia. Das ist aus einem bestimmten Punkt für mich besonders spannend, weil es nach dem Überblick über viele europäische und globale Faschismen die Frage gibt, ob der „Austrofaschismus“ (1933-1938) auch dazu zählt, der war ja gegen den deutschen Nationalsozialismus orientiert.
Diese Einleitung brauchte ich, um klarzumachen, warum ich der Meinung bin, dass wir in einer Renaissance von Faschismen sind, europaweit und in anderen Ländern, u.a. den USA und Israel; dass diese Faschismen nicht überall dominant sind, aber auch nicht marginal; dass das Erbe des Nationalsozialismus nicht deckungsgleich mit dem der anderen Faschismen ist. Und ganz wichtig: die teilweise künstlichen gegenseitigen Relativierungen von Faschismen und der Stalinismuspolitik sind sekundär.
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Die Frage ist, wie sich die neuen Faschismen durchsetzen, auf Populismen aufbauen und Terrain erobern, natürlich unter Benutzung neuer Kommunikationsformen, die es früher nicht gegeben hatte. Und für die „Bearbeitung“ des Themas ist es wichtig, die Begriffsbildung so weit voranzutreiben, dass sie der Kritik und der politischen wie kulturellen Bearbeitung zugänglich wird.
Nun wird nicht nur mir entgegengehalten, dass die Neuortung von Faschismen „neben“ der politischen Realität der Gegenwartsanalyse läge.
Diese Neuortung ist wichtiger als vieles. Die Analyse der Faschismen bedeutet nicht, dass wir eine Wiederholung in den alten – für Deutschland Weimarer und Naziformen – fürchten, sondern die Einpassung in die neuen Probleme bedenken müssen: „Weimar ist 90 Jahre entfernt, 2,5 Grad Erderwärmung fünfzehn Jahre“ (Hedwig Richter, FAZ, 21.6.2023). Das ist richtig, und ihre Kritik an der Kritik an der AfD weitgehend auch. Aber das ändert wenig daran, dass die antidemokratische Farce des Faschismus sich nicht auf die AfD beschränkt, sondern sich in der Hetze gegen die Grünen, gegen das Heizungsgesetz, gegen die Fahrradwege und alles, was zum Umsteuern = Überleben im Klimawandel – notwendig ist, manifestiert. Und da erscheint mir, neben dem Problemdruck der AfD, ihre Verweigerung der Problem-Lösungen die Gefahr des neu aufgelegten Faschismus.
Man kann zu Hedwig Richter hinzufügen:
a( die Selbstverkleinerung: die Protagonisten verzwergen sich selbst in harmloser Unscheinbarkeit („Ich bin kein böser Mensch“, sagt Aiwanger in der ZEIT vom 29.6.)
b) das Anlegen des Nazi-Vernichtsungsmaßstabs von 1933 bis 1945, der natürlich alle Schritte dahin unvergleichbar macht
c) der Widerstand gegen jede Faschisierung des Populismus – nicht alles, einem politisch nicht passt, ist schon deshalb faschistisch (das war ein Problem der 68er auch)
d) Unkenntnis und falsche Assoziationen der jungen Generation. Dazu bald mehr.
Georges Bataille hat früh darauf hingewiesen, dass Faschismus – der ja nicht eigentlich „Inhalte“ außer der Gegnerschaft zur Demokratie vertritt, die Verbindung von einander sonst gegnerischen Klassen herstellt, zB. nach dem 1. Weltkrieg die von funktionslos gewordener Aristokratie und subproletarischen Veteranen. Eine Fortführung dieses Gedankens findet sich überzeugend bei Stephan Malinowski (u.a. Lesung aus „Die Hohenzollern und die Nazis“, mit ausführlicher Diskussion, Potsdam, 29.6.2023):