Eigentlich wollte ich aus meinem abgeschiedenen Refugium zwei Wochen lang gar nichts schreiben. Aber es hält mich nicht, weil einen die üblen Nachricht bis ins letzte Tal verfolgen. Wer es nicht glaubt, soll einmal die Debatte über österreichische Staatsbürgerschaft für südtiroler Italiener genauer studieren. Aber es gibt auch andere Nachrichten:
Der Nazi Kickl (=Österreichischer Innenminister) möchte kritische Presse über den Sicherheitsapparat verhindern. Dass er kein Demokrat ist und die Grundrechte nicht achtet wissen wir. Jetzt will er sich kritische Kommentare zu seiner Reichssicherheitshauptagenda vom Hals schaffen. Es gibt Aufmerksamkeit und Proteste. Aber noch ist nicht klar, wie man diesen Schurken statt auf den roten Teppich ins Gefängnis bringt.
Der BND, der bisher vor allem durch Unwissen, schlechte Analysen und Prognosen und ein gewisses Wissensdefizit aufgefallen ist, möchte bestimmten Medien keine Auskünfte erteilen müssen. Das ist zwar auch gegen das Gesetz und die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, aber nicht schade, denn Auskünfte des BND sind ohnedies selten zu gebrauchen (obwohl es spannend ist, welche Quellen die Spione zu ihrer Selbstrechtfertigung sich aneignen.
Salvini, der Faschist aus Italien (Innenminister) verfolgt weiter Flüchtlinge im Mittelmeer und bevorzugt deren Folter oder aber gewaltsame Rückführung in ihre Herkunftsländer.
In Polen wird die Justiz zerstört. Wenigstens gibt es ein Verfahren.
In Ungarn werden die Grundrechte zerstört. Wenigstens gibt es ein Verfahren.
Deutschland schiebt weiter Afghan*innen ab, in ein auch mit deutscher Hilfe nicht-sicheres Land. Die offizielle Sicherheitsbeurteilung durch AA, BMI, BND etc. ist mangels Wissen über die Zustände in diesem Land wenig brauchbar und nicht gerichtsfest.
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Ich setze das Lamento nicht fort. In einigen der genannten Fälle, die ideologisch zusammenhängen und nicht zufällig sich zeitlich konzentrieren, sind Politiken erkennbar, wie sie die Nazis vor 1933 angewendet haben. Das lässt sich im Detail beweisen: wenn die Strategie die gleiche ist, kann es schon in den Erscheinungsformen Unterschiede geben – zB. auch bzgl. der neuen Medien – aber die Strukturen sind unverkennbar.
Darüber werde ich jetzt nicht schreiben, weil es zu umfangreich und zu aufwändig wäre. Aber aus selbstgewählter Distanz – Medienberichte, Zeitungen, keine politischen Gespräche und Recherchen – kann ich die Muster vielleicht weniger detailgetreu, dafür schärfer profiliert erkennen. Natürlich werde ich von den Nazivergleichen keinen Abstand nehmen – selbstkritisch: haben wir 68er zu pauschal und an falscher Stelle das Weiterleben der Nazi-Realität propagiert, heute kann man das differenzierter. Was mich bedrückt und ständig alert macht, ist dass dort, wo keine Nazis am Werk sind, zB. in der Bundesregierung oder den Parteivorständen der demokratischen Parteien, kaum Zusammenhänge zwischen der dreisten Autonomie der Kickls, Salvinis, Maaßens, und anderer Autokraten und dem Bemühen, der Mitte eine demokratische Basis zu geben gesehen werden und deshalb wird auch fast nicht gehandelt. DAS ist es, was die demokratischen Politiker daran hindert, die Vorfeldorganisationen der Nazis, Faschisten und anderer Nationalisten nicht nur abzulehnen – das geschieht ja – sondern anzugreifen und in unüberwindliche Schranken zu weisen.
Hat da jemand einmal „wehrhafte Demokratie“ gesagt?
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Ich beuge mein Haupt vor einer kleinen Gruppe namhafter Journalisten, Zeitungen Sender, die genau diesen Aspekt immer wieder und hartnäckig aufgreifen. Es sind mehr, als dass ich sie hier aufzählen wollte, es sind zu wenige, um sich nur auf sie zu stützen. Aber die haben ja auch Leser*innen, Hörer*innen, Seher*innen…
Lest Prantl.
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Warum ist es gleich die Morgenröte der neuen Nazis? Es wäre historisch und systematisch falsch, die Sozialpolitik oder Auswüchse unseres Kapitalismus (zB. Autoindustrie oder Energiewirtschaft) oder Diskussion um die Abhängungsideologien in direktem Zusammenhang mit der drohenden Gefahr einer Machtteilhabe von Nationalsozialisten und Faschisten zu sehen. Dieser Zusammenhang spielt sich immer und zuerst auf dem Feld von Gleichheit, Freiheit und der Fähigkeit politisch zu handeln und zu verhandeln ab, und da werden die Einschläge täglich heftiger.
Vielleicht sollte man z.B. bei der Bildungspolitik anfangen einzusehen, dass wir keine Generation – jung, mittel, alt – hinreichend auf die Erkenntnis hin gebildet haben, dass niemand immun ist gegen das Versprechen, bei Abgabe seiner Denk- und Kritikfähigkeit an der Garderobe der Volksgmeinschaft von dieser geschützt zu werden, nicht zuletzt vor sich selbst.