Es gibt eine alltägliche Meinung, dass Meinungsfreiheit zu den herausragenden Freiheiten unserer Gesellschaft zählt. Das kann „man“ so sehen, wenn „man“ eine Hohe Meinung von der Meinung hat. Welche Meinung nun jemand, ein einzelner Mensch hat, erfährt man, wenn dieser Mensch sich äußert. Das darf und kann fast jeder. Und? Schon die Äußerung ist eine niedrige Hürde, aber immerhin erspart sie den anderen zu rätseln, welche Meinung denn der Eine hat, der jetzt seine Meinung kundtut. Das alles ist verfassungsrechtlich gut verankert, und erfreut uns, nicht wahr?
Kein Seminar zur Meinungsäußerung oder Kommunikation. Aber ich muss einen folgenreichen Ärger loswerden. In den letzten Wochen wurde die Meinung zu Kanzler Scholz‘ folgenreicher Ukraine-Panzer-Politik wie ein Mosaikschirm über dem Land verteilt. Ich hatte natürlich auch eine „Meinung“ dazu, ABER.
Das Haben einer Meinung ist nebbich. klar, jeder kann zu allem eine oder mehrere Meinungen haben. Auch darf sie jeder äußernm, in sehr weiten Grenzen, und nur ganz wenige Auffassungen dürfen nicht oder nicht so, wie sie unserem Hirn wuchern, geäußert werden. Gut so. ABER: muss man sagen, was man sagen kann, und zu wem und wie und zu jeder Zeit, vor allem, ohne dass auf einen selbst zurück geschlossen wird, und die Folgen der eigenen Meinungsäußerung haben ja auch eine politische und mentale und andere Wirkung. „Sind Sie jetzt für die Panzerlieferung in die Ukraine, an die Ukraine?“.
Kann man sagen, ja, und kann man sagen, nein. Dafür oder Dagegen. Meinungsumfragen geben dann ein Bild dazu ab. Jetzt erst wird es spannend: warum haben manche die pro-Meinung, andere die kontra-Meinung? und schon bei den einfachsten Differenzierungen der jeweiligen Meinung verwirrt sich das Bild. Da geht es nicht nur um Krieg und Frieden, und in wessen Hände die Panzergehören, da geht es um komplizierte ethnische, ethische, politische, aber auch finanzielle Urteile. Ist doch gut, wenn das aus Meinungsfreiheit sich so entwickelt, ein bunter Strauß von Meinungen, das nenn ich frei. Seit Wochen denke ich darüber nach, was die Meinungsträger über die Panzer wissen, was ich weiß. Ich kann mich informieren. Wirklich? Was wissen wir vom Krieg, in dem wir uns schon befinden, Leo hin, Leo her.
Schon die medialen morgendlichen Pressespiegel zerpflücken den Strauß, aber was können wir daraus lernen? Was sollen wir wissen, um unsere Meinung in die Politik einzubringen, angesichts der Tatsache, dass das VERTRAUEN allein in solchen Situationen vielleicht zu wenig ist (In anderen reicht es, gut so). Vertrauen in wen? in Scholz, in die Regierung, in die Bundeswehr, in die Amerikaner etc.? Der bunte Strauß ist ja ein Zeichen dafür, wie frei unsere Meinungsbildung ist, aber, darauf will ich hinaus, Meinungen sind oft weit weg vom Wissen, und selbst wenn man viel weiß über Strategie, Taktik und die Funktionalität des Panzers – selbst dann ist es nicht leicht, ein Urteil zu fällen, und kommt es auf mein, unser Urteil überhaupt an?
Doch, ja. Aber wem sage ich dazu was und wo, wenn mein eingegrenzter themenbezogener Verstand noch ziemlich laienhaft ist, weil ich ja noch nicht einmal die nicht kriegerischen Aspekte des Kriegs am eigenen Leib, in meiner Umgebung so richtig wahrnehme. Ja, da sind Geflüchtete, meiste Frauen, Kinder, Ältere aus der Ukraine. Ja, da kann man sich karitativ entlasten. Gekämpft, gestorben, getötet wird woanders. Das zeigt auch die Vergleiche auf, die wir gegenüber den unterschiedlichen Kriegen je nach Kriegsort und beteiligten Ethnien und politischen, religiösen Akteuren unentwegt ziehen und daraus unsere Meinungen formen und umformen und unterschiedlich gewichten.
Bedeutet das, dass wir – gesellschaftlich – dass viele Einzelne doch eine Menge von den Kriegen der Gegenwart wissen? oder gar in der Lage sind, mit Kriegen der Vergangenheit zu vergleichen? Und dass sich daraus, jenseits einzelner Meinungen, Strömungen, nationale oder lokale, klassenmäßige oder Umgebungs-bestimmte Ansichten, vor allem Einstellungen zu bestimmten Kriegen ergeben, die durch Religion, Indoktrination, zT. durch Bildung, durch Medieninformation etc. zusammen gesetzt sind und dann eine gewisse WIRKUNG entfalten, die oft gar nicht beabsichtigt und bewusst ist.
Das alles geht mir bei der Frage nach Scholz‘ Politik durch den Kopf. Und darum äußere ich mich nicht zu den Panzern.
Damit nicht genüg. Würde meine Meinung zum Leo-KOMPLEX etwas an meiner Auffassung zum Krieg der Russen gegen die Ukraine, zur Verteidigung der Ukraine zur Verteidigung des Westens gegen Russlands etc. beitragen, und sei es nur für mich und meine Gesprächspartner? Und ist diese Auffassung für irgendjemanden oder gar gezielt für die Politik mitteilbar und mitteilungsbedürftig? Ist die Auffassung nichts weiter als eine reflektierte Meinung? Das ist wichtig, zB. für parteiinterne Meinungsbilder oder folgenreiche Abstimmungen, oder für Konfrontationen innerhalb der folgenreichen Politik.
Damit bin ich ungewollt dort, wohin ich nicht wollte. Jetzt fängt das Auflösung der Meinung nicht nur in Haltung, Stil und Wahrnehmung an, sondern auch in Praxis, in Handeln? Aber ich werde ja nicht zu den Waffen gerufen, ich sowieso als Alter nicht, aber auch andere, Jüngere nicht. Aber ist es richtig, in diesem konkreten Krieg Ukrainer am Panzer auszubildenden. Ich habe auch dazu eine Meinung, aber kommt es auf sie an? In welchem Kontext?
Der Krieg macht eine bestimmte Form von Bildung, eine Anlage von Wissen notwendig, wie andere große, globale Probleme, bei denen die Grenze von Expertentum und Laienkultur eher nicht gilt, wie im kleinteiligen Alltag.
Und da sind die Meinungen vielleicht geschützt und frei, aber auch nicht so wichtig, solange sie nicht zu wirksamen, begründbaren Auffassungen werden, die andere erreichen.