100 Jahre Faschismus, und seine Zukunft

Mussolini in aller Munde. Der Wahlsieg der Faschistin Meloni belebt das Geschichtsbewusstsein, dessen Verlust unter anderem zum Fortbestehen faschistischer Programme und Einverständnisse führt. Dazu hat klug Durs Grünbein in der SZ (28.10.22) geschrieben. Viele, auch Sekundärschreiber, zeigen zu diesem Wahlergebnis zwei Hauptseiten: den Unterschied der neuen Faschisten zum Nationalsozialismus und die Frage, wie man mit diesem Pack, das ja parlamentarisch legitimiert ist, umgehen soll. Fast allen ist eine seltsame Contenance eigen, als hätte MAN ohnedies mit einem Erstarken des Faschismus und einer rechten Hegemonie gerechnet, ohne Vorschau auf das Wie?

Man kann vieles erklären, das man nie richtig verstehen wird, zB. den Sie der Faschisten im ehemals sozialdemokratischen Schweden oder die Demokratiefeindlichkeit des ehemaligen DDR-Sektors der Bundesrepublik. (Ja, ich rechne das auch für eine Vorstufe faschistoider Grundhaltungen). Es gibt überraschend viele stimmige oder erwägenswerte Teilerklärungen für diesen Gesamttrend der so genannten westlichen Hemisphäre und seine Parallelen im globalen Süden.

Ich stecke für einige vereinfacht ausgedrückte Grund-Sätze Kritik ein, selten aber die Möglichkeit, sich in der Erwiderung ebenso kritisch auszutauschen; dazu gehören u.a.

  • die bewusste und nachdrücklich Analogie Hitler und Putin, und weitere strukturelle Hierarchien mit Xi und den anderen Diktatoren
  • die Zusammenhänge und Differenzen von Nationalsozialismus und den Faschismen
  • die Vermutung, dass es nicht die jeweilige soziale Lage ist, die die faschistoiden Trends befördert, sondern eher die Situation in Kultur und Politik (das ist mir wichtig, weil sich die Kapitalismuskritik auch verändert hat und verändern muss, zB. Wachstum vs. Klimapolitik).

Hier geht es nicht um mehr oder weniger nachweisbare Expertise versus Laienverstand, sondern um das Bewusstsein von praktischer Theorie. Praktisch, weil ich, weil wir uns ja verhalten müssen zu diesen Phänomenen des sich faschistoid verhärtenden „Westens“ und der relativen Hilflosigkeit gegenüber einem „Osten“, der noch weniger fassbar erscheint als früher (die Gabe auch von WissenschaftlerInnen und Intellektuellen, bei warnenden oder alarmierenden Texten wegzuschauen, ist einen eigenen Blog wert. Die Kassandrisierung der Warnungen, solange die Temperatur bei 20° liegt, habe ich immer als ärgerlich empfunden, und oft wurde ich selbst eben deshalb aus dem Diskurs genommen, was mich bis heute nicht beleidigt, aber ärgert).

Tenor: man wird sich irgendwie mit den Faschisten arrangieren („müssen“, sie sind ja in der EU, in der NATO, im Weltkirchenrat usw.). So gelingt es Kaczynski und Orban, so gelingt es den faschistischen Parteien, sich im Gewebe demokratischer Grundregeln festzusetzen, manchmal mit mehr, bisher meist mit weniger Erfolg.

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Die Medien wissen oft genau, was „die Politik“ mit diesen Phänomenen anfangen soll. Ich kann das bedenken, dazu zustimmen oder kritisieren. Aber die Frage ist, wie gehe ich, wie gehen wir damit um. Nicht mehr in diese protofaschistischen Länder auf Urlaub fahren? Familienstreit bei vielen vorprogrammiert. Bestimmte Produkte nicht mehr kaufen? Wenn wir wüssten, was von „dort“ wo drin ist. Cancel Culture zuspitzen, ausladen. Die Diskussion um russische Kunst und Kultur ist gespenstisch. Lest Sorokin. Natürlich ist die Frage falsch gestellt. Wie gehen wir damit um bedeutet eine Antwort nach der politischen (Neu)verortung von jeder/m von uns in der Zivilgesellschaft und gegenüber dem Staat. Wer nur sich antifaschistisch fühlt, ist kein Antifaschist, (Paraphrase Erich Fried), das antifaschistische Verhalten darf ja nicht taktisch angemessen sein, sondern sollte etwas mit unserer Wahrnehmung von Gesellschaft und Lebenswelt zu tun haben.

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Ein auf den ersten Blick seltsamer Ratschlag. Ich komme gerade aus Südtirol zurück, war da häufig und jetzt, bis zur Wahl am letzten Sonntag, wieder einige Wochen. Ich habe die Geschichte des Verhaltens der Südtiroler seit Tolomei 1906 über die Pariser Verträge 1919-23, über die Zeit Mussolinis, Hitlers, nochmals Mussolinis, dann die Nachkriegszeit (De Gasperi und Gruber), Attentate und Bomben, Kreisky, UN und Moro, nachgelesen. Auch was deutsch-freundlich, was österreichisch, was verlogen und was aufrichtig war…Nein, es geht hier nur wenig um Analogie bis heut, bis auf die Folgen der Wahl Melonis und die Schwächung der SVP. Es geht darum, wie die Menschen, Familien und Gruppen mit den verschiedenen Stadien der Faschismen, der Nazis, des Widerstands umgegangen sind.

Das Problem der „politischen“ Lebensführung hat uns 1968 +/- sehr bewegt und zu viel Unsinn in der Praxis geführt. Aber die Grundfrage war nicht falsch. Damals ging es auch stark um die Geschichte der Eltern und Großeltern. Scheinbar hat sich die friedlich umhegte spät- und Postmoderne davon emanzipiert, solange MAN ordentlich mit einander umgeht. SOLANGE, fein, aber WIE LANGE? ist das, war es, ist es? Hier geht die Antwort in das Detail, das sich in der persönlichen Diskursumgebung tatsächlich auswirkt, mit den Kindern, Freunden, Gruppen und Partnern….Kurz: Meinungen sollten überwunden werden, wenn wir nicht tatenlos uns überwältigen lassen wollen vom Dialog der Guten (Demokraten) mit den Bösen (Faschisten).

Man kann diese Frage kritisieren; u.a. weil ich ja hier NICHT darauf verweise, was für kluge Ratgeber und Anweisungen zur nicht protofaschistischen Lebensführung es gibt bzw. welche davon auf dem Markt sind. Aber das ist ja der Zweck dieser Überlegungen gewesen. Im Aufsuchen des Widerstands kann man auch lernen, sich zu entscheiden.

Betreten, Durchgang, Durchfall verboten…

Salzburger Elegie, möchte man sagen. Aber endlich regnet es, wenigstens für Minuten, und der Himmel entzieht dem Blau den Farbstoff. Ich bin auf der Durchfahrt und hab an sich wenig mit der Stadt zu schaffen heute, aber als Salzburger Staatsbürger (ja, da schauen die Wiener, wie der Wiener am Meldeamt vereinnahmt wird, obwohl bei vielen Einkäufen die Frage kommt: Sind Sie Wiener?). Man kann sich und seinen Dialekt halt nicht ablegen.

Am Morgen gehe ich mit den beiden Hunden meines gastgebenden Freundes durch die Wiesen und Villen am Stadtrand, entlang der Hellbrunner Allee und über die bis in die Universität hineinreichenden Freisaalgründe: ich nenne das, weil es fußläufige Empfehlungen sind. Bei fast jeder Hauseinfahrt eine Tafel: BETRETEN VERBOTEN! DURCHGANG VERBOTEN! EINFAHRT FREIHALTEN, AUCH GEGENÜBER (!, SALATSCHÜSSL FÜR MEINE KUH, KEIN KLO FÜR IHREN HUND,,,): das ist nicht so ungewöhnlich, die harschen Strafandrohungen schon eher, und die Wandersperre für Wiesenquerungen auf schönen Wegen ganz absurd. Salzburg hat 1803 mit dem Ende des liberalen Kirchenstaates (Fürsterzbischof, Primas Germaniae) seine Liberalität abgelegt und wurde ernsthaft konservativ bis ganz braun, konterkariert durch etliche Kulturgrößen, die das 20. Jahrhundert, abschnittweise glänzen ließen. Die so genannten Festspiele sind eine Mischung aus all dem. Und weil mein coming of age mit den Sommern in dieser Stadt ebenso verbunden ist wie spätere Kulturschizophrenie, gehe ich mit größerem Interesse durch die nicht von Touristen- und Parkplatzsuchenden verstopften Bezirke. es ist ja eine der schönsten Städte überhaupt, aber unheimlich durch die Salzburger, die Besucher, die Verunstaltungen (kein Wortspiel, Veranstaltungen gibts angeblich auch woanders).

Warum ich das überhaupt schreibe? weil mich die Verbotstafeln so genervt haben, die hier die Idylle noch mehr stören als anderswo, aggressive Kleinhäusler.

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Für meine Forschungen zum demnächst erscheinenden Buch über Mythos, Sex und Gewalt, setzt Salzburg sozusagen einen Legendeneintopf frei, aus dem sich Mythen herausfischen lassen, man glaubt gar nicht, wie viele sich da anordnen, als ob die vielen, die meisten Touristen darauf ausrichten. Warum wurden die Protestanten vertrieben? (Potsdam hat davon profitiert. https://www.sn.at/wiki/Protestantenvertreibung#), wie wurde Morat (wieder) zum Mythos (https://mythos-mozart.com/de/ueber-mythos-mozart)? Und wir rechts waren die Salzburger unter Dollfuss und Hitler? Und es ist dieses angeklebte Vergangene, das mich fast überall einholt und zu Salzburg wird es noch Gedanken geben müssen.

Die holen mich jetzt, eine Woche später, in den Bergen, im Ahrntal ein. Aus dem Gastzimmer sieht man auf den Friedhof und den südlichen Kircheneingang einer gotischen Kirche. Der Parkplatz ist vor der Sonntagsmesse ganz voll, und viele gehen, im Regen, an die Familiengräber, Kerzen auswechseln. Kaum jemand bleibt länger als eine halbe Minute, das Ritual ist der Grablichtbesuch vor der Messe.

Das hat mehr mit den Gedanken zur Geschichte von Salzburg zu tun als es den Anschein hat. Südtirol, dieses tirolisch-bairisch-österreichisch-italienische Alpinprezios erlaubt ähnliche Ausflüge in die politischen Kulturabgründe, nicht nur zwischen Italien und Österreich im ersten Krieg und danach, bis Bruno Kreisky die Autonomie über die UNO befestigen konnte. Die nostalgischen Österreicher vergessen ihre imperiale, vielleicht nicht koloniale, Geschichte als Herrschaft über Oberitalien, sie vergessen Bündnisse und Verrate und Niederlagen, die Alpen und der Isonzo, und wie es war, hat Karl Kraus besser als andere in den Letzten Tagen der Menschheit festgehalten, und heute noch findet man aufgetaute Leichen im schmelzenden Marmolada Gletscher. Und die „deutsch-österreichischen, tirolischen“ Terroristen der Nachkriegszeit, Georg Klotz u.a. (https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Klotz) und es hatte seit meiner Schulzeit immer neue Deutungen gegeben, und an der Oberfläche merkt man nichts. Oder doch, dass die Wahlplakate für die fascista Meloni runtergrissen und wieder angeklebt werden. Das Tal war ja auch für die jüdische Geschichte über den amerikanischen Sektor Österreichs für eine kurze Zeit ganz wichtig: https://www.sn.at/wiki/Krimmler_Judenflucht . (warum die Briten und Franzosen die Juden nicht rausgelassen haben…). Über Triest gings dann nach Palästina. An der Oberfläche merkt man nichts. Oder doch, in der Hotelbibliothek, und ab und an eine Gedenktafel, und die SVP (Südtiroler Volkspartei) ist heute nicht so rechtsdeutsch wie die Rechten in Deutschland, man kann die Dolomiten täglichen lesen. Das liegt alles unter den guten Wandertagen hier, unter der guten Kulinarik, der reichhaltigen EU Förderung der autonomen Provinz, unter der Gegenwart.

Es tut gut, sich an das zu erinnern, was in der Kindheit schon zur Erinnerung angeboten und nicht verstanden worden war, einschließlich des ultrakonservativen Andreas Hofer, der sogar dem Kaiser zu radikal war, und einschließlich der Wirklichkeit. Aber wenn man bestimmte Wege geht, ist das nicht nur Erinnerung. Und so gehts mir in Salzburg und in St. Jakob. Eben nicht „überall“.

Reisen & Urlaub & = nicht NICHTS aber

Liebe Blogleserinnen und -leser,

wenn ich in der nächsten Zeit nicht soviele Blogs schreibe, dann wegen beruflicher und urlauberlicher Reisen, die manchmal IT-dünner sind. Man wirtd sehen. Meine Bitten:

  • kommentieren Sie bitte die Blogs der letzten Wochen
  • schreiben Sie Themenvorschläge für meine nächsten Blogs
  • schauen Sie bitte auf jede4n Fall ab 28.9. wieder in meine Blogbox hinein. Dann weiß ich schon, dass es Überraschungen gibt.

UND HABEN SIE ES GUT UND GESUND.

Ihr/Euer Michael Daxner

Pullover & Angst

Jene Galaxie ist von der Erde etwa soweit fort wie die Empfindungen der Nächstenliebe von Wladimir Putin. Dieser wiederum ist Verursacher einer weiteren Sorge in diesem Land, nämlich im Winter aufgrund der Heizkosten daheim einen Pullover tragen zu müssen. Auf der Suche nach Energiequellen sind manche auf die noch herumstehenden und nicht abgeschalteten Atomkraftwerke gekommen“ (SZ, 3.9.2022).

Besser hätte ich Gemütslage des Groszen Deutschen Volkes nicht beschreiben können. Dass dieser Befund zu einer Verspottung der Grünen missbraucht wird, ist nicht weiter schlimm: so sind sie halt, die Liberalen. Aber die vom Pöbel geschürte Hysterie macht nicht nur denkschwach, sondern erst recht handlungs- und empathieunfähig.

Angst macht gefügig, weil man sich von der starken Stimme Hilfe und Rettung erwartet. Die Medien schüren die Angst, vor allem wenn sie fake news verbreiten; das schafft auch Abhängigkeiten von Verängstigten und Gefügigkeit bei ich-schwachen PolitikerInnen.

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Das Gegenteil von Angst ist nicht unbedingt Mut, schon gar nicht Übermut. Es ist die besonnene Abwägung der Wirklichkeiten, auch wenn man nicht alle Wahrheiten zur Hand hat. Man kann nicht alle Zusammenhänge wissen, verstehen und auf sein eigenes Leben hin konzipieren. Aber man kann Sektoren dieser Wirklichkeit sehr wohl verstehen und aneignen. Es kommt schon darauf an, die jetzige Situation verstehen zu wollen. Schließlich haben viele daran mitgewirkt, nicht nur bei Wahlen. Das geht nicht abstrakt. Wenn eine Ukrainerin sagt, ihr betrauert euren Wohlstand und wir unsere Toten, dann stimmt das SO nicht, aber es geht in die richtige Richtung. Außerdem sollte man wissen, worüber man sich aufregt.

Herfried Münckler hat heute im DLF eine beneidenswert klare Politikanalyse geliefert, die sowohl Widerstand als auch Abbau von Illusionen gut begründet. (DLF 4.9., 17.00-17.30). Darüber nachdenken und sich dann zum Handeln zu entschließen und sich etwas von Glaubensartikeln der eigenen Gesellschaft und Geschichte etwas zu distanzieren, je mehr Russland und China das Gegenteil aktiv betreiben. Plötzlich wird Oswald Spengler wieder aktuell, das hätte meine Generation nicht im Entferntesten angedacht. Und: man müsse den Preis für die gewalttätige Politik Russlands und Chinas höher und immer höher schrauben. Hört das an, bedenkt es.

Und: Annalena Baerbock hat Recht.

PAUSE.

In den Zwischenräumen kann man statt sich an die Stelle der haftenden Politik zu setzen, auch sich kräftigend reproduzieren: denken, essen, lieben und lesen und…nebbich? Gar nicht. Um sich zu ertüchtigen, bevor man die großen Singulare Mut und Widerstand schmiedet, muss man lebendig bleiben und nicht vor Angst zur Salz-Eule zu erstarren.

Es gibt den Krieg ja. Und der besteht nicht nur aus Kampf, Toten allenthalben und Verwüstung. Die Logistik, die Etappe, das Hinterland, die Schutzzonen….da sind wir, und nicht in den Kommentarkammern.

Das ist keine Lebensphilosophie und kein Rückzug ins Private, sondern Teil der Aufbauleistung. In diesem Krieg wird mehr von uns verlangt werden als höhere Steuern, mehr soziales Engagement, mehr Aufklärung und weniger wehleidiges Tragen der Pullover vom vorigen Jahr.

Zeit des Pöbels…

Als hätten sie drauf gewartet, die plebejischen, klassenübergreifenden Zukunftsfeinde. Jaha, jetzt hetzen wir Habeck und Baerbock. Stefan Aust von der Welt, immer gut für Absenken des Medienniveaus … gibts den überhaupt noch?“ und bei Baerbock will der Pöbel natürlich glauben, was die Putin-Fake-Produktion da verbreitet. Nicht nur den schlichten Oberschlicht-Liberalen Lindner wirds freuen, auch die ganzen Zögerer der alten Großparteien. Wie schön war doch die große Koalition, man hatte weder das Parlament noch die Kritik zu fürchten und hat sich russisch geölt und amerikanisch angebiedert. Das ist der Stoff für Politsatire, gewürzt durch das neue Bündnis von Linkspartei und AfD.

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Deutschland, erwackle.

Gegenthese: Habeck hat handwerkliche Fehler gemacht und sich unklug verteidigt. auch wenn das seine Ministerialfachleute waren, und auch wenn es keine optimale Lösung gibt, er hat sie schlecht vermittelt. Baerbock muss damit rechnen, dass ausländische Geheimdienste, die inländische Hetzpresse und natürlich die politischen Gegner ihre Worte nicht auf die Goldwaage, sondern auf den Augenschein legen. Und Lindner tut nichts anderes als seine Partei und alle Marktliberalen, nämlich die Reichen schützen und Freiheit für die Ärmeren zu deren Lasten und Verantwortung predigen. Hat man gewusst, als man diesen Inselfürsten in die Koalition nahm.

Deutschland, wackle.

Mir ist egal, welche Lesart jetzt „stimmt“. Meine Überschrift zum Pöbel bleibt. Denn beide Varianten sind unwürdig Anlass für hysterische Erregungsdebatten zu sein.

Wenn erst Angst geschürt wird und dann Staatsvermögen zur Besänftigung ausgehandelt wird, ist das fragwürdig. Dass Russlands Angriffskrieg auch unsere Ökonomie schwächen wird, hat man vom ersten Augenblick an gewusst, zumal im Energiesektor wir an Russlands Politik mit schuldig sind UND dazu im Inland viel versäumt haben (Seitenhieb: vor allem im dumpfdeutschen Baiern).

Solidarität besteht nicht einfach darin, Flüchtlinge aufzunehmen und die richtigen Waffen im Kampf gegen Russland zu liefern. Sie muss auch darin bestehen, die eigenen Lebensformen, den Wohlstand, vielleicht unsere Errungenschaften zu prüfen, – nicht wieweit sie verdient sind, das nehmen wir einmal an, nein, wieweit sie eingesetzt werden können, um im Verteidigungskampf – nicht nur der Ukraine, da gibts noch mehr bedrohte Gesellschaften – einen Beitrag zu leisten, den wir auch spüren. Wir müssen nicht „leiden“, aber Empathie und Mit-Leiden haben auch ihren Preis. Solange man es sich leisten kann, unverändert weiterzuleben, obwohl man hilft, solange hilft man zu wenig.

Das heißt natürlich, dass die Reichen und Wohlhabenden mehr Steuern zahlen müssen und dass die Armen entlastet werden müssen. Ein Lufthansapilot verdient 280.000 € und verlangt 16% mehr im Tarifvertrag für die nächsten Jahre: diesen Kampf müssen wir genauso aufnehmen wie den Schutz derer, die wir nicht durch Steuerentlastungen und Almosen absichern können. Krieg und Sozialpolitik sind enger verknüpft, als man gemeinhin von oben deklariert.

Und das bedeutet, dass man sich den vielfachen Diskursen des Pöbels entgegenstellen muss, anstatt allen ihre Freizügigkeit am Heruntermachen zu gönnen.

Zu den Anlässen: Welche der obigen Varianten richtig ist, steht auf einem Blatt. Welche schwer zu heilenden Angriffe auf Menschen hier aus den ideologischen Schreibstuben des Pöbels getätigt werden, steht auf einem andern.

Bitte umblättern.

Rechtsstaat, nicht Rechts-Staat

100 Milliarden für die Bundeswehr, damit wir ein Land verteidigen können, das ohnedies die 1,5° nicht einhalten kann und wie alle anderen zugrunde geht.

Unfähig Patientendaten zu digitalisieren, aus Datenschutzgründen.

Unfähig, Windräder zu installieren, angeblich aus Gründen der Rechtssicherheit und der Genehmigungsprozeduren.

Unfähig, innerhalb von Tagen eine Nachfolge für das 9 Euro-Ticket zu kreieren, angeblich aus … einem Knäuel von föderalen Gründen und wirtschaftlichen Erwägungen einzelner Akteure.

Nun kann man sagen, dass es in der Zeitenwende vor dem Untergang egal ist, mit welchen dummen Gründen NICHT gehandelt wird. Rechtstaat und Datenschutz sind, wie bei den beiden Beispielen zu Beginn, vorgeschoben. Das Recht verlangt lebende und überlebende Menschen, und nicht die Einhaltung von Bestimmungen untergeordneter rechtlicher und funktionaler Bedeutung. Natürlich muss das „JEMAND“ entscheiden. Zum Beispiel der so genannte Bundeskanzler Scholz mit seiner Richtlinienkompetenz.

Datenschutz, Verfahrenssicherheit, Transparenz…alles gute und richtige Elemente von Demokratie, aber ihre Verknüpfung muss an mehr gebunden sein als an die demokratischen oder auch sachzwingenden Verfahren, die es eben so gibt, weil es sie eben so gegeben hat, als vielleicht die Situation eine andere war.

Eine These: die Wahrheiten, die sich in den genannten Sektoren bis zur Erschöpfung analysieren, ausbreiten und kritisieren lassen, haben viel Studienmaterial produziert, sie haben nur leider mit der Wirklichkeit dann wenig zu tun, wenn man kausal die Herkunft ihrer Wirkungslosigkeit untersucht. (Mein Beispiel: seit 20 Jahren (!) hinkt Bayern mit der Bahnstrecke Rosenheim-Kufstein hinter her…die Enzyklopädie der Einsprüche und Hinhaltepolitiken zerstört alle Hoffnungen, die Alpen vom LKW Verkehr zu entlasten).

Ist es tatsächlich ein Makel an Demokratie, wenn man z.B. die Einsprüche gegen Windräder begrenzt oder das Bahnticket bundesweit verordnet. JA und NEIN. Ja, wenn die Maßnahme aus einem Machtanspruch heraus verordnet wird, nein, wenn sie dem übergeordneten Anspruch der Menschen dient und diese Überordnung vermittelt wird. Das ist m.E. einer größten Fehler des jetzigen Machtgefüges, dass die Vermittlung oft nicht einmal versucht wird. Der bloße Hinweis, dass so etwas rechtlich festgelegt sei, ist schon in der Syntax falsch.

Es gibt nicht wenige (hauptsächlich aus den ökologisch orientierten Wissenschaften und aus der Sicherheitspolitik), die vermuten, dass das Überleben – siehe oben – also 1,5° und Wasser und Nahrung und…etc. – nur mit eindeutig erlassenen Vorschriften und begrenzten Handlungskorridoren individueller Entscheidungen möglich sei, – wichtig: wenn überhaupt. Da also das Überleben auch bei richtigen, machtvoll erlassenen Handlungsverordnungen nicht zwingend, sondern nur wahrscheinlich gesichert werden könnte, wendet sich die neoliberale Freiheitsvariante erfolgreich und vehement dagegen, nach dem Muster: der/die Einzelne weiß unter diesen Umständen am besten, was richtig ist.

Und die daraus erfolgenden Handlungsoptionen, ggf. Anweisungen haben nichts mit dem Wettkampf der wissenschaftlichen Analysen zu tun, sondern mit der Frage, ob der Stand unserer gesellschaftlichen Evolution mit den Grundlagen unseres Zusammenlebens – zu diesen zählt die Überlebenswahrscheinlichkeit unserer nachfolgenden, wenigen Generationen – vereinbar ist. Ob also die Vorstellungen von solidarischer, republikanischer Demokratie mit Bedürfnissen und Ordnungsformen zusammengehen. Eine Frage, die beantwortet werden kann, ethisch, moralisch, alltagspraktisch, aber nicht aus den Analysen der bestehenden Systeme herausgelesen werden kann, weil es ja nicht um die schlechte Unendlichkeit der Fortschreibung des Vergangenen geht (wenn bei den Raketen von Elon Musk sich Menschen – reiche Menschen – auf andere Planeten „retten“ können, wenn das möglich wäre, dann wahrscheinlich zu spät).

Anders gesagt, einfacher und teilweise gegen die minutiös darstellende Zunft: wir WISSEN sehr viel genauer, was jetzt zu tun ist, als es uns die BISHERIGEN Regeln der Demokratie umzusetzen erlauben. Stattdessen wird jedem Gefühl, jeder Angst, jedem vereinzelten Einspruch nachgegangen, um dieses Handeln angeblich widerspruchsfrei und mehrheitsfähig auszudiskutieren, bevor es stattfindet.

Nehmen wir nur die Windräder und die Solardächer, nehmen wir nur die digitale Krankenakte. Wenn man sich die Argumente gegen ihre SOFORTIGE Umsetzung ansieht, dann wird man mit der rechtsstaatlichen Blockade der Verfahren konfrontiert, die im Geschichtssinn „rechts“ ist, dem Bestehenden Vorrang vor dem Möglichen zu geben.

Wenn die Anordnung von Windrädern im Wald schon „Diktatur“ ist, was ist dann der Krieg, in dem wir uns befinden, was ist dann das Asylrecht, das überall brüchig ist, was ist dann das Verhungern ganzer Völker, die wir unterstützen, indem wir ihre Feinde noch mehr isolieren als sie selbst? Die Wirklichkeit braucht auch neue Wahrheiten.

Nicht wissenschaftlich, aber doch: https://mail.yahoo.com/b/folders/1/messages/APpx-vUNrlXwYxGQ8QcYaB8zoKc?.src=ym&folderType=INBOX&offset=0&unblockNow=false (SZ von heute morgen).