RasPUTIN, TRUMPolin & Co. – Ein Selbstgespräch

 

 

Ein Ausreißer. Ich schreibe einen Blog, der weder systematisch noch monothematisch sein will, er ist auch nicht das neumodische „puzzle“, sondern schlicht ein Selbstgespräch. Am Ende erklär ich einiges. Aber die ernste Einleitung kann ich mir und Ihnen nicht ersparen: wenn man die letzten 24 Stunden Revue passieren lässt und aus Müdigkeit keine disziplinierenden Strukturen einzieht, der zerfließt die Beobachtung des sich abzeichnenden fortgesetzten Schreckens in Mosaiksteiunchen, die einer inneren Logik – meiner – folgen, aber nicht den Erscheinungen der Welt in einer gleich verständlichen Ordnung. Und so habe ich, inmitten schwerer Arbeit, eben dies aufgezeichnet und schlage vor, jede® Leser*in nimmt sich einen oder zwei Absätze und spinnt das Garn fort.

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Ich will nicht witzig sein. Angesichts der Appeasement-Politik und der mangelnden Selbst-Kritik der agierenden Demokratien gegenüber den Diktatoren und Autokraten könnte einem die Lust an der Satire vergehen, von der gebotenen ironischen Distanz zu schweigen. Aber es ist notwendig, auf einige Grundsätze zu verweisen, die auch diesen meinen Blog bestimmen:

  • Wir kritischen Intellektuellen dürfen und müssen eine Sprache pflegen, die bis an die Grenzen aushaltbarer Wahrheit gehen kann: einen Wahnsinnigen wahnsinnig nennen, einen Faschisten einen Faschisten heißen und einen Verbrecher als das bezeichnen, was er ist: ein Verbrecher.
  • Das müssen die Regierenden unserer Demokratien nicht, weil sie mit all diesen grotesken Gewaltherrschern sprechen müssen und das geht natürlich nur mit unseren Sprachformen und nicht im Ton der hysterischen Kaczinskys, Erdögans und Trumps.
  • Aber wenn wir – als republikanisches „System“ zu Recht auf die Unerträglichkeiten von anderen hinweisen, müssen und können wir fast automatisch den Reformbereich in den gleichen Politikfeldern aufrufen: der kann demokratisch bewältigt werden, wo andere Gewaltanwenden, aber wir sollen nicht überheblich sein.

Polen katapultiert sich mit der klerikofaschistischen Gewalt einer reaktionären Wohlfahrtspolitik aus der europäischen Zivilisation heraus, solange Kaczynski den Pöbel hinter sich versammelt. Sein Angriff auf die Justiz bestellt die republikanische Gesellschaftsform in Frage, das ist weit schlimmer als undemokratische Fehltritte. Zu Recht droht die EU mit dem Entzug des Stimmrechts – schwierig durchzusetzen. Geld kann man den Polen schon vorher entziehen, aber dann leiden die, die gar nicht wissen, wie viele Eisenbahnen, Straßen und Brücken sie der EU in den letzten Jahren zu verdanken haben. Nur: wie demokratisch sind unsere Ergänzungen zu den obersten Gerichten in Karlsruhe? Hier gibt es durchaus noch Verbesserungsbedarf.

Russland schaut genüsslich zu wie sich die neuen Gewalttäter zur „kleinrussischen Republik“ erklären. Russland kann seine Vasallen und Satrapen zwingen, diese Diktaturen anzuerkennen, weil die ja von Putin abhängig sind. In Kleinrussland gibt es Konzentrationslager. Was kann und muss der Westen machen? Auf jeden Fall drohen und verhandeln. (Jedenfalls kein G20 als Fassade irgendeiner Gemeinsamkeit herstellen). Aber auch seine Fehler bedenken, die bei der Ausgrenzung Russlands nach dem Kalten Krieg objektiv begangen wurden. Das wäre AußenPOLITIK, und nicht nur Außenvertretung.

Über den Verbrecher Erdogan wurde schon zu Recht viel und kritisches gesagt. Aber gemacht wurde wenig, weil man ja Firmen in der Türkei hat, weil man dieses Land in der NATO halten will – falsch! Solange dieser Diktator herrscht, brauchen wir keine NATO mit der Türkei, sondern müssen militärische Operationen ohne die Türkei unternehmen. Trotzdem reden und verhandeln, trotzdem das Flüchtlingsabkommen weiter entwickeln (vielleicht auch es zurücknehmen). Aber die Samthandschuhe gegenüber den türkischen Religionsvereinen ausziehen, wenn die – Ditib und Konsorten – bis in den Verfassungsschutz eindringen und vor allem Kinder verschrecken und belästigen. Religion ist immer nachrangig gegenüber dem Rechtsstaat. Aber auch hier: der Verfassungsschutz war ja schon bisher kein verlässliches Organ, sondern vielfach eine Vorfeldorganisation rechter Gewalt (à NSU u.a.), weshalb er natürlich auch Nährboden gewalttätiger Gesinnung sein kann – in Teilen, nicht pauschal, aber nachweisbar.

  • Nein, ich falle jetzt nicht in die Falle der groben Beschimpfungen und guten Ratschläge; ich möchte mit den drei Beispielen nur darauf hinweisen, dass AMBIGUITÄT immer auch einen Bezug zu den eigenen Praktiken und damit Fehlern hat. Das bedeutet nicht: Relativierung. Aber zwischen Verhandeln und Appeasement ist ein großer Unterschied. Appeasement ist in nicht-konfrontative Vorleistung gehen (Erdögan darf verhaften, Trump darf abschieben, Putin darf hacken lassen etc.)

Mir geht es heute um etwas anderes. In „meinen Kreisen“, d.h. der politischen Kommunikation, werde ich oft gescholten, weil meine Attacken auf Putin und Osteuropa so viel häufiger als die Angriffe auf den wahnsinnigen amerikanischen Präsidenten sind. Und meine Antwort, wenn sie sich mir entringt, ist regelmäßig, dass es einen verständlichen und berechtigten Überhang an Trump-Kritik und –verachtung gibt, eben weil er einer „Sphäre“ entstammt, die irgendwie als „unsere“ betrachtet wird, während man leicht verächtlich von denen da im Osten ohnedies nichts oder nicht so viel erwartet. Es gibt sozusagen eine unbewusste Loyalität zum eigenen Lager, wobei genau das das Problem ist: zu diesem Lager will man ja gerade nicht gehören, wenn es von Trump repräsentiert wird. Die AMBIGUITÄT in diesem westlichen Lager besteht ja gerade  darin, dass wir den USA nach 1945 fast alles an Freiheiten, aber auch an Habitus, Protestagenda, Kulturformen usw. zu verdanken haben, ihre andere Wahrheit aber nicht erst seit Trump der Exzeptionalismus, die Ausnahmestellung gegenüber Völkerrecht und normalen bürgerlichen Tugenden besteht (dass diese Lust an der öffentlichen Hinrichtung, am Lynchen, am übermäßigen Geld anhäufen, am Demütigen der Abhängigen zur Unvereinbarkeit mit unserem Tugendkatalog gehört, darf nur beanspruchen, wer den kritischen Einwand unserer moralischen Überlegenheit – siehe oben – in praxi akzeptiert.

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Das Verhältnis von relativ gefestigten demokratischen Gesellschaften zu nicht gefestigten Demokratien und Diktaturen ist etwa 40:170. Die Verteilung deckt sich nicht ganz mit dem demokratischen globalen Norden versus Süden. Aber die Last der Vergangenheit, die die Mehrzahl der Staaten zu abgehängten gemacht hat, soll nicht ausgeblendet werden. Mich treibt ein einfacher Hinweis um: würde man diese Vergangenheit immer dekonstruieren, wenn es um konkrete Politik gegen einen Gegner, einen Diktator geht, dann könnte man ihn besser verstehen, ohne ihn zu entschuldigen. Das spricht für unsere trans-disziplinäre Forschung und unser Aussprechen, was die Politik selbst nicht darf und kann.

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     Unlösbares: Netanjahu, ein rechtsradikaler israelischer Nationalist, für den „jüdisch“ nur ein Etikett ist, bekämpft George Soros, den jüdischen Ungarn, genauso wie Orban, der rechtsradikale ungarische Nationalist. Die Gründe und Ursachen dafür kann man unschwer nachverfolgen. Lesen Sie: http://www.taz.de/!5427086/ oder http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-viktor-orban-benjamin-netanyahu-und-die-anti-soros-kampagne-a-1157229.html Dass Netanjahu dabei Antisemiten in Schutz nimmt, gehört zu den offenen Wunden rhetorisch beschworener Wertegemeinschaften, wo es um Taktik und Geschäfte geht. Nur muss uns das wiederum in der umso schärferen Kritik an Netanjahu und einer etwas anderen Herangehensweise an Israel bestärken, das eben aus jüdischen und anderen Israelis besteht.

  • RasPUTIN und TRUMPolin. Die beiden sind weder geistes- noch politikverwandt, außer in einer gewissen Skrupellosigkeit. Putin ist im Sinne der Psychopathologie keineswegs wahnsinnig, er zeigt nur alle Eigenschaften von Diktatoren und weiß sich so zu verhalten, wie es die, die ihn stützen, erwarten. Macht ist wissen. Trump ist unbehandelbar narzisstisch, die Störung ist nicht lateral, sondern er ist die Störung. Würden beide durch ein Attentat beseitigt, wären die Folgen unabsehbar. Die alte Rechtfertigung des Tyrannenmordes würde niemandem weiterhelfen, weil sie im russischen Fall eingebettet wäre in ein Gespinst von bestehenden Machtbeziehungen, also nichts würde sich ändern, kurzfristig. In den USA gibt es einen Rechtsstaat, der müsste die meisten Mitglieder des Kabinetts und der Beraterstäbe ja im Amt lassen. Ein Alptraum, Pence, Sessions, de Vos…Diese Gedankenspiele sollen die hilflose Wut etwas dämpfen, schimpfen hilft wirklich nur lokal. Das Kabarett und die Satire sind allerdings gegen beide und alle bisher genannten gute Waffen, nur wer kommt denn da noch mit dem Schreiben nach?

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Würden wir bei uns mit einer Reform der offenen Flanken unserer Demokratie ernst machen, könnte das unsere Politik gegenüber den Tyrannen verbessern…Nur so ein paar Hinweise:

  • Befreit die Regierung von der Autolobby, Glyphosatlobby, Kohlelobby, àwie dann mit der Opposition der Industrie und Wirtschaftsverbände umgehen?
  • Befreit die Umweltdiskussion von der Rhetorik der Mülltrenn-Vegan- Lederverzicht-Neubürger. Das 2 Grad Ziel von Paris verlangt Politik, nicht Meinungen: d.h. die –> „Time of Useful Consciousness“ wird immer kürzer, und da muss endlich über eine Verzichtethik und eine Umstellung der Ethik – Gutes Leben – verhandelt werden und nicht über nachhaltige Wohlstandsanhäufung bei immer weniger Superreichen.
  • Befreit uns und andere von der Vorstellung, man könne mit antikapitalistischen Rhetorik den Kapitalismus als ersetzbar und die Ersatzkonstrukte als realistisch an die Wand pinseln: Noch immer wurden die besten Sozialprogramme im Kapitalismus verwirklicht. Hej, spinnt der Daxner? Nein, die gelungene Sozialstaatspolitik wurde, teilweise mit Gewalt, innerhalb des Kapitalismus erkämpft, während die Alternativen, wenn sozialistische Staaten eine gewesen waren, an sich selbst gescheitert sind.
  • Dazu den von Ernst Bloch maßgeblich formulierten Hinweis: –> Hoffnung ist nicht Zuversicht.
  • Gebt ein Beispiel, dass schwer vorstellbare Maßnahmen „in praxi“ gar nicht so schwierig sind, z.B. 2-3 Millionen Flüchtlinge aufnehmen und integrieren. Ich habe nicht gesagt, alle 60 Millionen aktuelle Flüchtlinge einladen. Aber ich sage: wer um 200.000 feilscht, muss ein Problem über lange Zeit in Kauf nehmen wollen. Ethno-nationalistische Politik auf dem Rücken der Ärmsten.
  • Keine Kompromisse mit den identitären Leitkulturblökern: von de Maizières dummdreisten Phantasien bis hin zum Kulturschutzgesetz der durchaus ungebildeten Kulturstaatsministerin geht hier das Land einen Weg, wie wir ihn schon weiter fortgeschritten in anderen rechtsnationalen Gesellschaften beobachten (Übrigens: warum ist der Schreibtisch von Friedrich II ein identitätsstiftendes Objekt (Grütters)?).

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Werte Blog Leser*innen: Wie ich eingangs sagte: dieser Blog ist kein Tagebuch, das führe ich altmodisch nur für mich selbst. Ich habe hier die politisch gesellschaftlichen Assoziationen aufgelistet, die mich gestern und heute neben, vor allem unter einer sehr anstrengend Arbeit verfolgt haben, sozusagen unabweisbare „Trigger“ in Form eines Selbstgesprächs, das sich um die Arbeit gelegt hat wie ein Ring, der langsam sich zuzieht. Ich weiß, es gibt noch mehr. Die Überfülle, nicht vervielfältigt auch noch durch social media, ist eine heimtückische Attacke der Feinde ordentlichen Denkens. Und man muss nicht über alles reden, aber das was im Selbstgespräch sich à engrammatisch festsetzt, will ich doch der virtuellen Resonanzgemeinschaft anbieten…bevor ich zu murmeln beginne.

Letzter Punkt: das Wortspiel RasPUTIN ist fast schon fad. Aber Rasputin hatte ja auch eine gewisse Faszination über eine gewisse Zeit in einem sehr bestimmten Milieu gehabt, und als Gegenkaspar zum Verrückten in Washington taugt er schon. TRUMPolin ist ein Spielgerät für autistische Adoleszente, dessen Erfinder, hätte er keine Macht, an seiner Grenzwertigkeit längst verreckt wäre. Er ist nicht schlimmer als die, die ihn an die Macht gebracht hatten, deshalb springt lieber auf denen herum als auf ihm, er merkt es nicht. Ich gehe wieder an die Arbeit.

Nachsatz: am Abend dieses selbstredenden Tages traf ich eine Runde von angenehmen Konservativen. Weitab vom Reaktionären, verkörpern sie die Sparringpartner der gelungenen Republik.

G Null

 

Ich kann nicht anders, als meinen Senf zu dieser Wurst entstellter Ereignisse zu geben.

Ob solche Gipfel nötig sind, entscheiden nicht wir. Richtig ist, dass demokratische Regierungen – legitim, kompetent, fehlerbehaftet – mit Diktatoren, Wahnsinnigen und Autokraten reden müssen, das ist klar. Dass sie nicht alle Verdammten dieser Erde dazu einladen, ergibt sich aus den global etablierten Regimen. In Hamburg saßen die Obervögel auf der Vertikale der Macht, und für manche ekelhafte Gestalten war es wie der unverdiente Blick auf eine vergleichsweise harmlose Pausenlandschaft im Fegefeuer. Aber es waren eben nicht nur die Geier dabei, auch die Eulen und Raben.

Die damit verbundenen Rituale gehören so sehr zur Regierungsführung von Staaten wie die Kritik daran. Ich kann verstehen, dass einem diese säkularen Messen, mit obligaten Diners und Konzertbesuchen, so absurd vorkommen wie nur irgendein überkommener Brauch. Ich kann weniger verstehen, dass diese Pantomimen bei den Polonaisen und Quadrillen der Repräsentanten von Herrschaft für die Erscheinungen des Kapitalismus, wahlweise des globalen Wirtschaftssystems, der Umweltvernichtung, der schlechten Gesellschaft schlechthin, genommen werden.

Mancher Protest, nicht nur der gewalttätige, ist genauso symbolisch-abstrakt wie das Gehabe der G20 Teilnehmer und ihrer 6000 (!) Satrapen, die angeblich hinter den Kulissen (welchen) verhandeln. Deshalb ist er nicht legitim, weil er den konkreten Protest und Widerstand gegen das Unheil, das die Gipfeltiere anrichten, diskreditiert.

Es ist richtig, notwendig und klug, gegen die Politik, die „Agency“,  vieler dieser Herrschaften zu protestieren. Es ist richtig, gegen das zu demonstrieren, was sie immer stärker festzuzurren anstehen. Das muss in der demokratischen Republik nicht nur Bürgerrecht sein, sondern steht sozusagen unter dem Gewaltmonopol des Staates, gegen den – stellvertretend für alle, die sich da versammeln – demonstriert wird.

Zur Gewalt, zur Wahl der „Waffen“ komme ich, unabweislich. Aber später.

Erstmal zu den Umständen. Wahl des Ortes? Hamburg so gut wie jeder Ort in einem Land gleichmäßiger Geltung von Freiheitsrechten und Gesetz. Über Ort im Ort kann man streiten: es ist als, hätten die jetzt lautstarken Hassredner der CDCSU, Spahn und Konsorten, das Ergebnis provozieren wollen. Pragmatisch? Vielleicht nicht taktisch klug, aber vielleicht auch gerade angemessen: eine der schönsten Städte Deutschlands mit der kulturellen Fassade, an denen einige der versammelten Unholde schon auch bürgerschaftlichen Sinn studieren könnten. Aber dorthin dürfen sie gar nicht. Die von den Partys erholten Polizisten haben vorrangig sie beschützt und nicht die Bürger.

Die Inhalte dessen, was die G Leute besprochen haben, sind höchst unabhängig von dem, was sich Hamburg, im Schanzenviertel und anderswo „ereignet“ hat. Was aber dort geschah, hat einige dieser Inhalte im Focus. Zum Abschlusskommuniqué sage ich nichts wirklich wertendes, aber eines ist ganz wichtig: dass bestimmte Formen der Kommunikation leidlich von den Teilnehmern anerkannt werden; die Ausnahmen liegen bei der oben angesprochen Teilgruppe der Diktatoren und Wahnsinnigen. Aber sollte man sie austauschen; gar nicht einladen? Krieg erklären, eisigen Blicks sie verachten und strafen, öffentlich durch Juncker und Merkel beschimpfen lassen? Alles, was einem so einfällt, bleibt im Privaten. Die Res Publica, die öffentliche Sache ist im Verfahren ganz gut legitimiert, auch wenn sie nicht unbedingt und unmittelbar positive Folgen zeitigt. So, wie die G 20 in Zukunft geplant ist, hat sie schon vor allen Inhalten ihr Format verloren. In Saudi-Arabien zu tagen ist so wie im Vatikan eine Agnostiker-Konferenz abhalten. Aber siehe oben: Das ist nicht das Problem.

Zum wichtigsten Merkmal dieser Folgen des republikanischen Verhandelns gehört die Angstlust, die gewalttätigen Krawalle weit intensiver und dilettantischer zu diskutieren als das Gipfeltreffen mit seinen Ergebnissen.

BITTE VERGLEICHEN SIE DEN BLOG „Meine Sorgen möchte ich haben – und das Geld von Rothschild“

Mit dieser nicht nur medialen Aufmerksamkeit rechtfertigt man geradezu – paradox bis peinlich – die Gewaltargumentation des Schwarzen Blocks, der ja das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen will, während wir meinen, dass jeder es in diesem Staat anerkennen muss. Nur, wenn Konflikte nicht eingebettet sind, dann kann man sie nicht herkömmlich auflösen. „Eingebettet“ heißt, dass alle Konfliktparteien bestimmte Regeln teilen, bis hin zur Handhabung von Gewalt, aber auch weit davor (dazu vgl. Georg Elwert). Nur, wer das nicht einsehen oder gar praktizieren will, kann sich nur beschränkt auf die Regeln berufen, unter denen in zivilisierten Gesellschaften Konflikte geregelt werden, um immer wieder Frieden zu schaffen.

Aber ich bin ja kein Mildredner, mir gefällt das Ganze auch nicht – politisch nicht, aber auch als kritischem Bildungsbürger nicht –  wie sich Trump und Erdögan und Putin und und und…aufführen. Nein, für die Reflexion dessen, was in Hamburg geschah, bedarf es der Kunst oder der Gewalt. Es wird durch einen Teil der Gipfelteilnehmer Gewalt ausgeübt, die ganz anders begründet und dimensioniert ist als die der Randalierer. Endgültig entziehen sich die Straßentäter der Bezeichnung „links“, so wie sich die G20 Nicht-Demokraten der unverschämten Behauptung entziehen, sie würden mit den Demokraten bei diesem Gipfel eine Wertegemeinschaft bilden. Da haben Altlinke leicht spotten: Mehrwertgemeinschaft…Aber ist es nicht egal, wie man die bezeichnet, die objektiv das Geschäft der Spahns, Hermanns und de Maizières betreiben? Ist es nicht, weil in der Genealogie des Protests „links“ schon noch etwas bedeutet. Die Linkenhatz aus der äußersten rechten Ecke der Union, also von der bayrischen Hetzmeute und den willigen Hetzern bei der Union, ist nicht allgemein. Sie verstärkt nur die Ressentiments der Unbelehrbaren auf beiden Seiten, nützt objektiv der AfD und stürzt die Sprachgehemmten auf der virtuellen Linken in wirkliche Probleme.

Zur Erinnerung: Vor einer Woche waren die pöbelhaften Partypolizisten in den Schlagzeilen, nicht wegen ihrer dämlichen, aber wahrscheinlich sozialisationsadäquaten Untaten, sondern weil sie einen unnötigen Autoritätsverlust des staatlichen Gewaltmonopols provoziert hatten. Ein paar Tage später waren ihre Taten nicht einmal mehr disziplinarrechtlich relevant, und jetzt lobt man den „heldenhaft“ (ja, wirklich) Kampf der Polizei. Ströbele sagt das Richtige: die Straftäter aburteilen und einsperren. Nicht weniger, nicht mehr. Was am Einsatz heldenhaft war, wissen nur die Veteranenvereine. Der Einsatz war nicht oder dilettantisch geplant, dann sind natürlich die Polizisten die Opfer und nicht die Polizeipräsidenten, aber ansonsten: business as usual, und bei den letzten Krawallen in Hamburg, Frankfurt u.a. wars auch nicht anders. Aber jetzt solls ja den Linken an den Kragen gehen, der Roten Flora, den Autonomen etc. Hier schließt sich der Kreis: wenn bestimmte Gruppen das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen, kann sie dieser Staat nicht durch Umsiedlung überzeugen.

(Spahn und seine Kumpanen sollten einmal bedenken, wie nett sich dieser Staat den Reichsbürgern bisher gegenüber verhält….und die Vorfeldorganisationen der Nazis und des NSU, die sich im Verfassungsschutz und bei den Sicherheitskräften gebildet haben, sollten nicht auf „Links“ einschlagen, das ist schon mehrfach anders gelaufen, als von den quasi identitären Staatsorganen erhofft. Nur, es wird Gewalt provozieren). Es kommt auch die alte Leier. Wir Demokraten sollen uns von der Gewalt und den Tätern distanzieren. ICH DISTANZIERE MICH NICHT. Ich hätte ja auch nie mich auf die Wahl eingelassen, ob ich bei diesen Gewalttaten mittäte oder sie rechtfertigen wollte.

Mehr werde ich zu diesem Hamburger Skandal nicht mehr schreiben oder sagen, es gibt wichtigeres.

Aber ein P.S. ist nötig, zur Gewalt.

Der Innenminister und seinesgleichen fördern objektiv Gewalttätigkeit und relativieren, was sie zu schützen vorgeben. Sie fördern die Gewalt, indem sie die Untaten von politisch verhetzten Gewalttätern in einen Kontext setzen, als wären diese von breiten Massen von Sympathisanten umgeben und geschützt. Das ist nicht nur eine dreiste Lüge, es verkehrt die Situation in ihr Gegenteil.

(Und wenn ein Transparent des Schwarzen Blocks einen richtigen Satz sagt, so bedeutet das nicht, dass sein Träger richtig handelt. Wenn man also diesen Satz zustimmend wiederholt, kommt es nach Rechtsordnung und gesellschaftlicher Moral auf den Kontext und die Handlungen des Sprechers an, und nicht auf die Wahrnehmung eines parteilichen Beobachters).

Gewalt war zu erwarten gewesen, und die Prävention hätte besser sein können, aber nie vollkommen. Der Vorteil anomischer Gewalttäter ist immer, dass sie von vornherein die Regeln der Institutionen unterminieren, das ist ihre Stärke. Es verharmlost nicht, wenn ich diese Täter nicht Terroristen nenne, weil diese andere Ziele und Methoden haben. Gerade das unpolitische Element des Schwarzen Blocks und weiter Teile der Antifa sollten uns zu denken geben. Sie wenden linkes anti-kapitalistisches Vokabular so gedankenlos und sinnlos an, wie Maiziere und andere der AfD die rhetorischen Vorlagen liefern. Wenn sich das aufschaukelt, wird es mehr Gewalt geben.

(Und dann hat man diese Gedanken wieder einmal nicht gehabt).

Schmonzes

„Schmonzes“ hat eine fast so große Vielfalt an Bedeutungen wie „Nu“. Ich verwende das Wort in familiärer Beziehung zu Kitsch. Kitsch muss muss nicht moralisch oder ästhetisch verwerflich sein, oft ist er eine populistische Variante des Erhabenen, und wer sich zu sehr über ihn erhebt, zeigt nicht selten auf sich selbst. Bei Schmonzetten ist es nicht viel anders.

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In Potsdam findet zum 23. Mal das JÜDISCHE FILMFESTIVAL statt. Eine hervorragende und vielfältige Veranstaltung, an 14 Spielorten in Berlin und Brandenburg präsent.

Die Eröffnung ist diesmal ein Rede- und Animationsmarathon, manchmal launig, manchmal eher fad. Im letzten Jahr wars großartig und spannend, in diesem Jahr eher fad. 90 Minuten, 5 Reden, dazwischen eine herrliche Stimme, aber vielleicht nicht die Lieder zum Aufmerken. Viel Prominenz im Saal, manche sieht man immer wieder gern. Bevor ich zum Film komme, ein Einbruch von Wirklichkeit ins launige Warten: Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, hielt eine kleine Rede. Er wählte sich die neue Antisemitismusdebatte zum Thema, musste er eigentlich zu diesem Anlass nicht, aber es ging ja um den von Arte und ARD erst abgesetzten, dann doch gezeigten Film „Auserwählt und ausgegrenzt“ …Ich sag zu dem Film und der Diskussion darüber gar nichts. Aber Schuster belehrte das Publikum, warum Israelkritik einmal antisemitisch und einmal nicht ist. Ich weiß nicht, ob er den Konflikt, an dem wir seit Jahren, Jahrzehnten arbeiten, wirklich verstanden hat. Egal, die Rede war nicht gut, aber dann machte er etwas gut: er sagte sinngemäß, an Kritik an der israelischen Politik und Regierung aus und in Israel könne man sich das Beispiel nehmen, wie man so etwas ohne Antisemitismus macht. Da hatte er Recht. Dieses Argument, diese Tatsachenfeststellung, sollte man der antisemitischen Linken immer wieder sagen, den populistischen Rechten sagt sie leider nichts.

Ich halte mich bei dieser Kleinigkeit auf, weil das – wie gesagt – jahrelang mein Thema war und ist, und ich beim Zentralrat hier tiefer gehendes Nachdenken vermisse. Nun aber endeten die Reden, und launig wurde der Film angepriesen, den wir sehen sollten:

DIE GESCHICHTE DER LIEBE.

Ich erzähl den Film jetzt nicht. Ich sage erst einmal das Gute: sehr gute Schauspieler*innen, allen voran Derek Jacobi. Einige ergreifende und einige filmisch schöne Szenen, und wenn man die Handlung auch nicht gänzlich verstehen oder nachvollziehen konnte, gab es verständliche Sequenzen und Einfälle. Nebbich. Man hat Gefühle angekündigt. Ja, die gabs, als wär das Herz der Gegenspieler der Vernunft. So ein idyllisches Schtetl hätte man gern in der Erinnerung derer gehabt, die von dort kamen und es überlebt haben. Bei Roman Vishniac schaut das anders aus. Ein so liberales Coming of Age hätte man sich in den orthodoxen Dörfern gewünscht, von einem schönen klugen Mädchen angeführt, angesichts drohender Deportation, Flucht, Vernichtung. Soll sein, ein wenig magischer Realismus und es muss ja nicht alles pathetisch auf Tod und Verzweiflung gestimmt sein.

Einschub: das alles geht auf Nicolle Krauss‘ Buch von 2005 zurück, ein Buch um ein Manuskript, ein Manuskript, das verwickelte und verbundene Schicksale, Beziehungen, Trennungen, Rettungen und Tod, begleitet: vom jüdischen Dorf bis zum New York von heute. Nu, nichts so wirklich Neues, aber Lebensgeschichten wären immer gut. Hier: zu viele lose Enden, zu viele Einschübe, ein Film ist kein Buch (und selbst das mutet laut Rezensionen den Leser*innen zu viel zu).

Mich stört das Melodram nicht. Mich stört der Kitsch  nicht. Mich stören Zufälle nicht, wenn sie nicht überhand nehmen und die Figuren lächerlich machen. Mich stört es nicht, wenn und weil es menschlich ist. Ich muss ja nicht in die Anthropologie einsteigen. Warum muss solches aber durch die „jüdische“ Linse zusammengefasst und gebündelt abgestrahlt werden? Im Historienzoo werden wir wieder vorgeführt. Furcht und Mitleid zu erwecken, und das Glück und Unglück der Überlebenden exemplarisch – und dann schon typisch – zum Überdecken seines Grundes, der Shoah, zu verwenden.

Jeder möchte „seinen“ Leo Gursky haben, sich auf ihn berufen können – hier die Hauptfigur. Der ist schon liebenswert, und man ahnt, dass er durch das Leben so gehärtet worden ist, ein Schrat mit spätem Glück. Bleibt ihm ja gar nichts andres übrig, den andern Figuren auch. Man ver(sch)wendet den Witz an uns jüdische Menschen. Es hätten kleinere Unglücke als die Shoah ausgereicht, um die Wechselfälle der Liebe zu beschreiben. Wenn schon jüdisch, dann Woody Allen oder wirklich die israelischen Filme.

Die Juden als Pandabären des schlechten Gewissens. Im Zoo der Vorurteile ausgestellt, den Toten zur Ehr, den Lebenden zur Lehr, den Antisemiten zur Wehr…da vermisch ich jetzt wohl etwas.

Ich möchte da keine Filmkritik veranstalten. Die schreckliche Geschichte des jüdischen Sterbens und des nachfolgenden Leidens auch der Überlebenden darf, kann, soll man im Kontext auch ironisieren, pathetisieren, verkitschen, komplizieren dürfen. Die Biographien der zweiten und dritten Generation nach der Shoah kann man auch als Verarbeitung der Kultur- und Sozialgeschichte im Vorfeld der Shoah lesen. Man muss das nicht, wie Schuster es getan hat, mit Israel und den jetzigen Konflikten verknüpfen, so einfach hängen die nicht zusammen. Man kann, dann wird so etwas wie Dorit Rabinyan oder Yali Sobol draus, und es gibt soviele anrührende Parallelgeschichten, die auch durchaus ein Element von Kitsch enthalten können, dann als Trost.

Schaut euch die andern Filme des Festivals unbedingt an. Auch die Geschichte der Liebe kann man verfilmen, aber es muss nicht so ein Schmonzes sein. SO ein großer Titel…mehr geht nicht.

Macht uns nicht so klein, so groß sind wir nun auch wieder nicht. Anhand dieser Überlegungen sollte man sich fragen, was „jüdisch“ bedeutet. Dass jüdische Menschen in einer Geschichte , in einer Situation vorkommen? Oder dass es eine speziell „jüdische“ Form der Verarbeitung von Geschichte in der Kunst gibt? Von hier  aus kommt man zum Gedenken, zum Filmfestival und zu meinem Unbehagen an einem Film.

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Ein wenig Nachklapp:

Michael Daxner: Die Inszenierung des guten Juden. In Müller-Doohm und Klaus Neumann-Braun (Hg): Kulturinszenierungen, Ffm 1995 (Damals hatte man das Interesse am Schtetl und an Klezmer neu entdeckt als Verlust der Deutschen)

Roman Vishniac. Verschwundene Welt, New York 1983 (Photographien, Einleitung Elie Wiesel).

Michael Daxner: Der Antisemitismus macht Juden, Hamburg 2007 (merus)

Schauen Sie selbst unter Schmonzes nach – man findet eine derartige Vielzahl von Bedeutungsvarianten, von „wertlos“ bis „konfus“, von „unerheblich“ bis „beiläufig“, dass man die eine oder andere schon auf den Film anwenden kann. Ich kenne den Begriff oft als Synonym für Kitsch.

Suchen Sie die Kontroversen um Rabinyan, Sobol, Grossmann…dabei werden Sie auch fündig, was die Einsicht von Schuster und unsere Sprachhemmung betrifft.