Finis terrae XXXVII: geht doch weiter!

Die Glückwünsche sind meist verfrüht oder unehrlich. Ein Tag schwerster Bedenken gegen die Selbstverherrlichung des Weiterso. Ihr könnt darüber hinweglesen, ich möchte es selbst. Wenn nicht, denkt daran, dass man auch in größter Not feiern kann, glücklich sein oder lieben, oder auch nichts tun. Für den Augenblick  ist nichts, fast nichts verboten, aber dann beginnt der Tag neu, an dem wir handeln müssen – nicht als verherrlichte Arbeit als Schicksal der Menschen, sondern darüberhinaus „handeln“ , etwas tun und es nicht nur bedenken.

In Bosnien verhungern tausende Flüchtlinge, oder sie verhungern. Sie erfrieren so wie die Flüchtlinge in Griechenland. Sie werden misshandelt und abgeschoben in den Krieg, in Gefahr und Not, wie in Deutschland und Österreich. Das alles geschieht bei uns. Sind wir nicht ein Land, ein Europa, manche faseln von einer Welt?

NEIN. Sind wir nicht. Politisch sage ich: noch nicht oder vielleicht nie, weil der KLIMAWANDEL uns gar keine Zeit mehr lässt.

Das globale „Abendland“ leistet sich den Luxus, aus seinem materiellen Überfluss heraus den Untergang als Zuschauer zu erleben, mit-zu-erleben. Verallgemeinern möchte ich den Satz, der Eisler zugeschrieben wird: „Gut, gut, die Bourgeoisie stirbt, aber welch ein Sonnenuntergang“; geht doch Skifahren am Wochenende…in diesem Fall bedeutet zuschauen, dass wir handeln können, wenn wir es wollen und uns zusammenreißen.

Die 2000 Flüchtlinge von Bihac und die 6000 Flüchtlinge von Lesbos und Moria können wir ohne Mühe allein dort unterbringen, wo Wohnanlagen und ganze Stadtviertel leer stehen, außerhalb der Spekulanten-Immobilien. Ohne mühe selbst für den Finanzkasper Scholz, der nicht-rückzahlbares Geld verteilt, um Oberkasper zu werden, selbst für den Flüchtlingstöter Seehofer, der sich allmählich Sorge um sein Seelenheil im CSU Himmel machen muss, selbst für den späten Protodiktator Kurz, den man ruhig  einmal hungern und frieren lassen kann. Von den faschistischen Regimen in der EU rede ich gar nicht…WIR KÖNNEN DAS.

Immerhin, das ist ein positiver Ausblick aufs nächste Jahr.

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Ich rege mich, entgegen dem äußeren Anschein nicht auf. Aber ich bin auch nicht auf Luthers Apfelbäumchentrip. Wenn schon die Welt untergeht, dann brauchen wir für die Erde ohne Menschen keine Erinnerungen hinterlassen. Wenn das Paradies am Ende ist, wie Bloch sagt, dann handeln wir JETZT. Dann wünschen wir uns alles Gute und machen morgen trotzdem weiter. Zum Beispiel versorgen wir die paar Flüchtlinge in Deutschland und geben den Schreibtischtätern weniger Chancen. Unfromm heißt noch lange nicht unlustig, unlustig meint aber auch nicht unernst. 1,5° kann ja auch sein, dann kommen weniger Flüchtlinge.

Pompeji statt Pompeo

Das sollte uns eine Lehre sein…

Auch die Bewohner von Pompeji gönnten sich vor der Zerstörung der antiken Stadt offenbar hin und wieder Fastfood. Archäologen haben bei Ausgrabungen einen Schnellimbiss gefunden, der überraschend gut erhalten ist. (ARD 26.12.2020)

Eine durchaus ideologische Kommentierung. Der Imbiss muss keineswegs „fast“ sein, im Gegenteil: die Erfahrungen des Wiener Würstelstands sind, dass man da lange stehen kann, auch einmal eine zweite Flasche Bier bestellt, selbst für ein gut zu kaschierendes Rendezvous ist der Schnellimbiss geeignet, man kann sich ja zufällig dort getroffen haben, um sich für anderswo zu verabreden…

Immerhin: zwischen lauter T&C Meldungen ein Anflug von sozialem Realismus der ARD, eine solche Meldung in der Tagesschau zu bringen, mit prachtvollen Fresken und Graffiti.

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Warum soll in Pompeji nicht die Esskultur als Zeichen einer entwickelten Zivilisation schon zum Schnellimbiss als Alternative zu den großen Gastmalen mit Pfauenfedern als Kotzanreiz geführt haben? Die Evolution davor hatte jedenfalls 25.000 Jahre mehr bewirkt als die lächerlichen 2000 seither, zumindest was die Gastronomie betrifft.

Lieber in Pompeji leben und zum Imbiss gehen als sich vorzustellen, Mike Pompeo hätte noch eine Amtszeit vor sich. Billiger Wortwitz, aber beim Lesen seiner Berufsgeschichte ist er doch eine Mischung aus Scheuer, Seehofer, Maassen und Goldfinger, und Trump brauchte ihn nicht zu begnadigen, weil er sich selber nicht ins Gefängnis gebracht hatte (CIA, NSA).

Der Kalauer der Namensähnlichkeit ist erschöpft, tut mir leid. Pompeo und seine deutschen Brüder brauchen keinen Kommentar, man wünscht sie zum Teufel und damit gut. Auch Vergiftungen über fast food sind für die meisten Geheimagenten zu kompliziert, Novichok ist einfacher.

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Mich hat die Meldung aus der Archäologie wirklich gefreut. Man stellt sich vor, nach vollbrachtem Tagwerk am Tresen zu hängen und römische Bockwurst mit importiertem Feldsalat zu essen, Rotwein zu trinken und mit dem Nachbarn auf die Regierung zu schimpfen.  Man muss die Dinge ändern, damit sie die gleichen bleiben, sagt Lampedusa.

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So resigniert bin ich nicht. Aber Pompeo beweist, dass auch in Demokratien die Segmente autokratischer und destruktiver Politik eingesetzt werden können, und dann kommt es nicht darauf an, ob wir sie missmutig, widerständig oder resigniert hinnehmen.  Das erfordert bei uns mehr Politikverständnis (die Israelpolitik der USA verstehen, um sie kritisieren zu können),  mehr multiple Gegnerschaft (kann man mit China oder dem iran freundschaftlich sich verbunden fühlen? nein) und die Fähigkeit, mit Gegnern zu kommunizieren, mehr Einsicht in die Tatsache, dass auch bei uns, auch in Deutschland oder Österreich der Schoß faschistischer Potenziale fruchtbar bleibt, nur die Befruchtungsmethoden und medien haben sich natürlich geändert.

Das alles ist kein Anlass zur Resignation, aber zum Innehalten bei der Idee, man könne das wichtigste zuerst erledigen, um raum und zeit für die nachhaltigen Problemlösungen zu haben. Das Gegenteil scheint mir die richtige Politik zu sein – und uns zu ermöglichen, ganz bedeutende Sachverhalte auch am Schnellimbiss unter dem Vulkan zu diskutieren. Beispiel.  Heute haben die Grünen, wer sonst? die Bahnreform gefordert. Das vor dem nächsten Vulkanausbruch in Angriff zu nehmen, kann auch etwas bewegen, wenn es nur die hinhält, die im ewig Gleichen verdämmern. Pompeji statt Pompeo ist auch ein Zeichen für Kultur…

Ambig am 24.12.

https://orf.at/stories/3194948/ zuerst anschauen.

Draußen köchelt der Streit, ob man heute in den Kirchen Gott zur Ansteckung brauchen könne oder dies im kleinen Familienkreis, gar allein, selbst bewerkstelligt. Vokabel, die sonst im Vollbesitz der Kitschbrüder oder der Spätromantiker schwirren oder als höhnisches Attribut den Abgehängten angehängt werden, machen todernst die Runde: Alleinsein, Einsamkeit, Verlorenheit…

Ich halte das nur aus, indem ich spotte, aber nicht mildes Comedianlächeln, sondern eine verzerrte Grimasse entstellt meine edlen Gesichtszüge, wenn ich das Geflöte höre.

Ob Deutsche in die sonst eher verstaubten Gotteshäuser gehen, um als disloziert kauernde Gottesanbeterinnen nicht zu singen, sondern zu summen, ist so egal wie die Frage, was hilft, wenn einmal im Jahr beten nicht hilft.

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Habt ihr jemals Liebesgeschichten aus Auschwitz gelesen, wenigstens davon gehört?

Habt ihr jemals die Weihnachtsfeiern in den Schützengräben von Verdun in der Literatur verfolgt?

Sicher, das kennt man ja.

Ich rege mich nicht auf, sondern verstricke mich in das, was mein gelehrter Freund Florian K. als Ambiguität in der Wissenschaft bearbeitet und mich damit stark angeregt hatte. Nicht Ambivalenz, man kann es so oder verstehen, nein: Ambiguität. Zwei unvereinbare Tatbestände bestehen doch gleichzeitig. Glück im Angesicht des Sterbens, Solidarität in Gegenwart tödlicher Feindschaft. Mit dem Feiern inmitten von Schrecken, mit dem kurzfristigen Abschalten der Wahrnehmung von Prioritäten, mit dem Lachen inmitten von Trauer löscht man den Schrecken nicht aus, setzt man keine unwürdigen neuen Prioritäten und behält man die Trauer bei, aber eben nicht als Verhaltenskonstante. Solange man niemanden mit diesen scheinbaren Paradoxien kränkt oder verletzt, spricht nichts gegen eine solche ambige Herangehensweise, die mir in diesen Tagen besonders deutlich wird: solange man sich informiert an die Coronaregeln hält, muss man nicht dauernd darüber reden oder gar von ihnen träumen…

ABER. Ich habe ja den Hinweis von Sascha van der Bellen auf die Flüchtlinge und die griechischen Lager nicht zufällig vornweg geschrieben. Dort hungern, frieren und fiebern tausende Menschen, die EIGENTLICH ZU UNS, nach Deutschland, Österreich, Europa kommen wollten, um zu ÜBERLEBEN. Und unsere christlichen, sozialen,  sozialdemokratischen, liberalen Politiker sülzen vom Geist der Weihnacht, beschwören den so genannten lieben Gott und die leuchtenden Augen der lieben Kinder, und keiner von denen würde mehr als eine Nacht von Ratten angebissen in den durchweichten Zelten überleben. 

ABER: Die Politik, die wir deshalb machen MÜSSEN, die Gelder, die wir dafür auftreiben MÜSSEN, die Missetäter, die wir dafür verfolgen MÜSSEN, – all das kann nicht warten, aber das heißt nicht, dass wir jetzt, zwischen 15 und 24 Uhr etwas machen KÖNNEN, das einigermaßen wirksam ist.

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Das ist keine Abschwächung, sondern eine Art Konzentration auf unsere Bedürfnisse, die nicht nur mit anderen zu tun haben, sondern auch mit uns. Frohes Fest also, guten Rutsch, und morgen geht es weiter. Solange es weiter geht. Nur vertraut nicht darauf, dass es den Flüchtlingen besser geht, wenn ihr euch beim Weihnachtsgottesdienst ansteckt oder beim Festtagsbraten in rhetorischen Übungen zur Weltrettung ergeht.

ABER. Auch das erfordert einige Übung. Reiss dich zusammen…

Österreich. Der Witz mit Österarm ist nicht mehr lustig.

Den zahlreichen Appellen zur Aufnahme von Flüchtlingen von der griechischen Insel Lesbos schließt sich nun auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen an. „Wir haben Platz genug“, sagte Van der Bellen in der „Kleinen Zeitung“ in Richtung Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

„Setzen wir eine humanitäre Geste im Sinne Erster Hilfe. Die kann nur heißen, prioritär Familien mit Kindern dort herauszuholen“, sagte Van der Bellen. Das könnten Familien sein, denen bereits Asylstatus zuerkannt wurde, und solche, deren Verfahren erst in Österreich durchgeführt werden müsste.

„Ist es uns wirklich egal?“

Zur Befürchtung der ÖVP, das könnte weitere Flüchtlingsströme auslösen, weshalb man lieber „Hilfe vor Ort“ leiste, erwiderte der Bundespräsident: „Erstens funktioniert die Hilfe vor Ort nicht, und zweitens: Weihnachten ist die Zeit der Herbergssuche, wie es der Kardinal gesagt hat. Ist es uns wirklich egal, wie es den Leuten dort geht, obwohl wir helfen könnten? Wir haben Platz genug.“

Zuvor hatten unter anderen Spitzen der katholischen und evangelischen Kirche A.B. einen eindringlichen Appell an Kurz gerichtet, seine Haltung zu überdenken.

red, ORF.at/Agenturen 22.12.2020

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Die Flüchtlingspolitik des populistischen, prinzipienlosen österreichischen Kanzlers ist so schlimm wie die von Seehofer & Co. Lass die Menschen draußen sterben, dann kommen sie nicht zu uns, um hier zu leben. So einfach ist das wirklich.

Van der Bellen, der beste Präsident, den Österreich je hatte, hat das beste Argument: „Wir haben Platz genug“. Die Erste Hilfe tritt vor die Moral. Und Platz haben wir wirklich in Österreich. Der leerstehende hochklassige Wohnraum in vielen Gebieten, in die mich meine gegenwärtigen Forschungen führen, ist so zahlreich, dass wir dem Bevölkerungsschwund gut etwas entgegenhalten können. Und Österreich ist in fast allen Bereichen reicher und sozial besser strukturiert als Deutschland.

Dass ein großer Teil, nicht aber die Mehrheit, der Bevölkerung, den ausländerfeindlichen, rassistischen, islamophoben, antisemitischen, balkanfeindlichen, fremdenfeindlichen Ideologien des Kanzler-Clans folgt, ist eine Folge jahrzehntelanger Abtrennung des vorbildlich demokratischen Kulturstaats von der politischen Ökonomie der Krisengewinnler nach 1989,  (zuletzt in der Koalition FPÖ ÖVP).

Manches können die Grünen in ihren Ressorts durchsetzen, aber in diesem Politikbereich haben sie nichts zu melden. Man muss auch Österreich nicht gleich aktuell mit den klerikofaschistischen und faschistischen Regimen in Polen, Ungarn und der Türkei gleichsetzen. Es reicht, die Wunde im konkreten Punkt auf den Punkt zu bringen. Deshalb ist es gut zu wissen, dass es auch Widerstand gibt und tatkräftige Hilfe für Geflüchtete.

Ein Beispiel: https://omasgegenrechts.at/bundeslander/omas-gegen-rechts-oberoesterreich/1106-2/ Oder: https://omasgegenrechts.at/omas-gegen-rechts-fuer-menschen-in-not-rettet-die-menschen-vor-den-ratten-und-der-kaelte/ (20201222).

Wir haben Platz genug, auch in Deutschland. Versetzt euch in diesen Tagen in die Situation der Zentralfiguren des Krippenkitsches und erklärt euren Kindern, dass das liebe Jesulein im offenen Stall natürlich nicht gefroren hat. Und dass es in Moria und anderen Fluchtgefangenen-Lagern so etwas wie Einsamkeit genauso gibt wie bei den Abgehängten in Deutschland und Österreich. Wo die die Fremdenfeindlichkeit (und widerständige -Freundlichkeit) des alpenländischen Mischvolks der Österreicher liegt, lohnt sich auch zu studieren…wir sind halt keine „Deutschen“.

Dazu muss man keine Geschichten erfinden, sondern nur Nachrichten hören oder lesen.

Seehofer lässt wieder töten

Freuet euch, ‚s Christkind kommt bald. Seehofer weiß nur noch nicht, mit wem er die heilige Nacht verdämmert und auch der Wiener Kanzler Kurz brütet noch in Vorfreude auf die Erlösung. Die beiden und andere Schreibtischtäter werden für ihre Tötungspraxis an Flüchtlingen und Abschiebehäftlingen nie vor ein Gericht kommen, das hat deutsche Tradition (so wenig wie der Kunduzgeneral jemals für schuldig befunden wurde). 
Die Fakten sind klar. Abschiebungen und Flüchtlingspolitik hängen zusammen, in beiden Fällen sterben Menschen auch durch die Schuld der Innenminister.

Zur ersten Information

https://thruttig.wordpress.com/2020/12/15/zur-bevorstehenden-34-deutschen-sammelabschiebung-ein-gedicht-uber-die-flucht-aus-afghanistan-mit-weihnachtsgeschenk-tipp/

https://www.foreigner.fi/articulo/world/european-countries-resume-deportation-flights-to-afghanistan/20201216090713009581.html

https://wien.orf.at/stories/3080912/

https://www.flightradar24.com/data/flights/p67885/#26522d91

Zuletzt wurden Protest und Fakten DLF 12.30 berichtet.

Ich hatte gestern noch an einige sensible und demokratische Abgeordnete geschrieben, sie sollen schnell intervenieren, bis her ist nichts bekannt. Natürlich müssen sie auf mich nicht reagieren – aus Staatsräson. Aber manche wurden sofort aktiv. Macht euch eines klar: wer heute nach Afghanistan abgeschoben, hat beste Chancen, dort umgebracht zu werden. Es gibt keine Zone oder Region, die sicher ist. Der Rundfunkt meldet, die deutsche hätte das mit der afghanischen Regierung abgesprochen – die aber hat Probleme, im eigenen Land etwas zu sagen zu haben. Und was heißt abgesprochen – was geschieht vom Augenblick an, da Abgeschobene den Boden ihres Landes betreten. Unabhängig davon, ob sie in Deutschland eine Strafakte oder eine Verdachtsakte haben, ist ihr Leben in großer Gefahr – oder aber sie sind gut genug vernetzt, um ein Monat später ohnedies wieder in Deutschland aufzukreuzen.

Seehofer lässt gut christlich-sozial Menschen sterben und kann das so wenig begründen wie die Aufhebung des Abschiebestopps nach Syrien oder die Verweigerung der Aufnahme von ein Paar Flüchtlingen mehr. Seine Unmenschlichkeit beschleunigt vielleicht seine Demenz, aber noch ist er strafmündig und noch sind es seine Gehilfen im BMI.

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Das kann man netter schreiben gewiss, aber ich bin ja keiner, mit dem man über Flüchtlinge und Abschiebungen verhandelt. Protest organisieren ist kein Samthandschuh aufs Hirn von coronabenebelten Verdunklungsstrategien – die glauben echt, man merkt es nicht, weil jeder nur an den Impftermin denkt (was auch ein Hinweis auf die verheerenden Folgen der Pandemie in Afghanistan ist). 

BITTE VERBREITET DIE NACHRICHT, SUCHT KONTAKT MIT DEN ABGEORDNETEN, MIT HUMANITÄREN NGOs UND DENKT DARAN: HIER GEHT ES NICHT UM SCHULD UND STRAFE; SONDERN UM STERBEN UND GESTORBEN WERDEN – DURCH DEUTSCHE, ÖSTERREICHISCHE UND ANDERE SCHULD.

Als ob man ein paar  Straffällige und Gefährder nicht auch bei uns sicher unterbringen könnte…

Heute, 17.12.2020 kommt das herein:

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 Wo endet die Nächstenliebe? An den Grenzen Europas? Wenige Tage vor Weihnachten haben 245 Bundestagsabgeordnete in einem Schreiben an die Bundesregierung eine verstärkte Aufnahme Geflüchteter von den griechischen Inseln gefordert.

„Die humanitäre Situation im neuen Übergangslager Kara Tepe ist (…) schlechter als im Camp Moria: Die Unterkünfte sind nicht winterfest, immer noch gibt es keine ausreichende sanitäre Versorgung – Duschen und Toiletten fehlen vielfach. Gewaltsame Übergriffe auch gegen besonders Schutzbedürftige sind an der Tagesordnung“, heißt es darin. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, den mehr als 200 Kommunen und Ländern, „die eine menschenrechtswürdige Unterbringung ermöglichen können und wollen, eine Zusage für die Aufnahme zu erteilen“.

Unterzeichnet wurde der Aufruf von allen Grünen (67), fast allen Linken (64 von 69), einigen SPDlern (75 von 152), manchen FDPlern (27 von 80) und wenigen CDU/CSUlern (12 von 246). Das Mitmischen Letzterer kommentiert FDP-Frau und Erstunterzeichnerin Gyde Jensen so: „Wir sind als Abgeordnete nur unserem eigenen Gewissen verpflichtet. Ich bin froh, dass das viele Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungskoalition auch so sehen.“ Die Unterstützung sei „ein wichtiges Signal“.

wenigstens ein paar Christen in der Politik denken nach.

Nachtrag:

Lager in Bosnien geräumt: 1.300 Menschen auf der Straße

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat heute bei tiefwinterlichen Verhältnissen das Aufnahmelager Lipa in der Nähe der bosnischen Stadt Bihac geschlossen. Rund 1.300 Flüchtlinge würden nun auf der Straße stehen, sagte Natasa Omerovic, die Koordinatorin des Lagers, dem Nachrichtenportal Klix.ba. Die IOM hatte die Schließung des Lagers bereits früher angekündigt, weil es dort trotz einsetzenden Winters keinen Anschluss an das Stromnetz und die Wasserversorgung gibt.

Dicke Rauchwolken über dem Lager

Im Lager brach ein Brand aus, der Zelte und Container erfasste. Gelegt wurde er mutmaßlich von obdachlos gewordenen Bewohnern. Eine dicke schwarze Rauchwolke war weithin sichtbar. Zu dem Zeitpunkt sei das Lager bereits fast leer gewesen, schrieb Peter Van der Auweraert, der IOM-Vertreter in Bosnien, auf Twitter. Es sei niemand verletzt worden. Feuerwehren konnten den Brand löschen, berichtete Klix.ba.

Brand im bosnischen Aufnahmelager Lipa

Das Lager Lipa liegt in einem unwirtlichen Gelände 25 Kilometer südöstlich von Bihac. Es war im September errichtet worden, nachdem die bosnischen Behörden die Schließung des Lagers Bira am Stadtrand von Bihac erreicht hatten. Die Flüchtlinge und Migranten sollten durch diese Maßnahme aus dem Stadtbild der 60.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Bosniens verschwinden.

Menschenunwürdige Zustände

Ihr Versprechen, Lipa an Strom und Wasser anzuschließen, lösten die Behörden nie ein. Flüchtlingshelfer kritisierten die menschenunwürdigen Zustände in dem Lager. Die österreichische Organisation SOS Balkanroute bezeichnete es als das „Moria vor unserer Haustür“, in Anspielung auf das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, das im September abbrannte.

Wegen der unmittelbaren Nähe zum EU-Land Kroatien üben Bihac und der Kanton Una-Sana eine große Anziehungskraft auf Flüchtlinge und Migranten aus. Die EU unterstützt Bosnien mit Finanzhilfen, nahm aber keine Flüchtlinge auf. Durch Bosnien verläuft ein Ableger der Balkan-Route, über die Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei nach Westeuropa zu gelangen versuchen.

Das Lager Lipa diente als vorübergehende Maßnahme zur Bewältigung der Covid-19-Situation im Sommer und war für die winterlichen Verhältnisse völlig ungeeignet. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, hatte im Vorfeld vor der Schließung von Lipa gewarnt, das sei ein „Akt der Grausamkeit, den wir schwer tolerieren können“.

red, ORF.at/Agenturen 23.12.2020

W1(-s)8N ohne T und C

Die kommenden Feiertage ohne das T Wort, ohne das C Wort zu begehen, ist einfach, wenn man sich ausklinkt aus den Spiralen: zu früh zu spät, nicht streng genug zu sehr von oben, einsam partymäßig oberflächlich gesellig besinnlich. Und weil das T Wort damit anscheinend nichts zu tun hat, schauen wir dort schon gar nicht hin.

Kommt die Neurofee zu mir angeschlichen: hast du denn gar keine Themen? Doch, sag ich, zuviele. Blogs müssen aber kurz sein. Sagt sie: fang an, zum Beispiel mit …

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T+C haben anscheinend die Vielfalt unserer Weltwahrnehmung verengt, weil sie ja wirklich sind, und wirklich wichtig, aber doch eben der Scheinriesenwelt angehören (das war Jim Knopf, der gesehen hat, um wieviel kleiner der Riese wurde, je näher er ihm kam).

Es ist wahrscheinlich, dass es eine globale Verarmung geben wird, die lange anhält, vergleichbar der Zeit nach dem 30jährigen Krieg, oder den großen Pestepidemien am Ausgang des Mittelalters, und für manche noch erinnerbar, den Nachkrieg ab 1945. Nie das Gleiche, aber vergleichbar. Die Krisengewinner sehen wir schon heute, aber wer von ihnen sich in der künftigen Restriktion wird reich halten können, ist ungewiss.

Jetzt, in der Zeit, da wir Privilegierten noch nicht betroffen sind von der allgemeinen Beschränkung, können wir nur Spenden, ehrenamtlich tätig sein, und uns darauf vorbereiten, dass es auch uns treffen wird, auch wenn wir nicht sagen können, wie stark und schmerzhaft. Aber wir können schon Vorboten in anderen Ländern und Regionen erkennen. Das wäre ein realistisches, ungutes Bild der Zukunft. Ausgeblendet von der T und C Fixierung werden Klima, Flucht, Hunger, Armut und eine Vielzahl von Begleiterscheinungen der abnehmenden Bindungskraft zivilisierter Weltgesellschaft. Das ist realistisch, aber nicht pessimistisch.

Dass wir den vier apokalyptischen Reitern nichtgenügend entgegensetzen, kann auf eine Verbindung von zwei Monstren zurückgehen, die nie ganz weg waren, aber Jahre vor T und C sich schon angekündigt hatten und wuchsen: zivilisierte Weltgesellschaft, d.h. Abnahme demokratischer, republikanischer, öffentlicher, politischer Gesellschaftsformung, d.h. Teilnahme von Menschen an eben dieser Formung. Warum es so weit gekommen ist, darüber rätseln unsere gescheitesten WissenschaftlerInnen, aber nicht die politischen Bewahrer früherer Erfolgsmodelle. Das andere Monster ist unbequemer, der Stillstand der evolutionären Entwicklung unserer Zukunftsfähigkeit: Die Behebung der Probleme von Klima, Flucht, Hunger, Armut erfordert ja gerade eine Neuorientierung von jedes Menschen Stellung in der Gesellschaft, anstatt um das CO2 Ende 2030 oder 2050 zu feilschen oder sich in die post-C und T Urlaubsziele 2021q wieder einzukaufen, wenn alles normal wird. Es wird nicht normal, weil und wenn wir, die Gesellschaft, nicht normal im Sinne des Überlebens, also des Siegs über vier Reiter werden.  Es gibt keine Erlösung. Die Lösung von Problemen wird nicht begünstigt, wenn wir eine Auszeit in die Vergangenheit nehmen. Und das Gerede der Politik, ob und wieviel Weihnachten dem Volk zusteht, ist ein Zeichen der Vertauschung von Ursache und Wirkung.  Die Evolution der Aufklärung ist im Stillstand. Vor vier Wochen ist der bedeutende Philosoph Klaus Heinrich gestorben. Thomas Assheuer schreibt im Nachruf: „Heinrich hatte Freuds Rede vom „Selbstvernichtungstrieb der Gattung“ stets verteidigt; deren heimlicher Wunsch, „die Welt selbst aus der Welt zu schaffen“, war für ihn eine drohende Wahrheit. Behalten die Mythenerzähler am Ende also doch recht? Nein, Heinrichs Pointe ging anders: Anstatt gegen sich selbst die Kräfte der Kritik zu mobilisieren, verleugnet die Zivilisation die Natur und macht den Fortschritt zum Mythos – die Aufgeklärten waren nicht aufgeklärt genug.“ (Zeit, 26.11.2020). Nur mit Aufklärung kann man die vier Reiter nicht besiegen, aber in der Bekämpfung der jeweiligen Gewalt kann eine Befreiung der gehemmten Weiterentwicklung so nahe an der Abbruchkante der Zivilisation gelingen, das ist Fortschritt gegen die Wirklichkeit, gegen die Illiberale Demokratie der Orbans, gegen das Flüchtlingstötungsprogramm von Innenministern im Wahlkampf, gegen die Frauenverachtung der Klerikofaschisten in Polen, gegen…tut nicht so ungeduldig-unschuldig: ihr kennt alle die nach ob offene Liste. Positiv denken kann unter diesen Umständen auch heißen: negativ handeln. Gegen, das kann auch Gewalt, Selbstbeschränkung, Verweigerung bedeuten. Nicht im Untergrund, sondern im hellen Licht der Weihnachtsbeleuchtung, die hoffentlich menschenleer Innenstädte so zeigt, wie sie vielleicht bald als Wirkung der vier apokalyptischen Reiter aussehen werden, die den Begriff Einzelhandel noch nie gehört haben.

Seehofer in den Knast

Die Polizeiakademie Münster darf untersuchen, wer Polizisten wie und warum angreift, und warum Menschen überhaupt Polizisten werden.

Seehofer weigert sich weiterhin zu untersuchen, wie rassistisch wie viele Polizisten sind, warum sie es sind, und warum das Bundesinnenministerium sie beschützt.

Eine Antwort ist klar: wenn jemand Polizisten angreift, handelt es sich wahrscheinlich um die verdeckte Übergabe von Drogen:

Ein Drogenskandal bei der Münchner Polizei zieht immer größere Kreise: Mittlerweile stehen 30 Beamte unter Verdacht. Sie sollen vor allem Drogen konsumiert und an Kollegen weitergegeben haben…Nach früheren Erkenntnissen sollen die Beschuldigten mindestens seit 2018 in die Drogenszene verwickelt gewesen sein. Die Vorwürfe kamen nur ans Licht, weil ein mutmaßlicher Drogendealer über seine mutmaßlichen Kunden in Uniform auspackte.

red, ORF.at/Agenturen (8.12.2020)

Sonst greift ein normaler Mensch ja keinen Polizisten an. In fast allen Bundesländern sind die Polizisten, wie auch Soldaten und Geheimdienstler, in rassistischen und rechtsradikalen Netzwerken aktiv und werden von Seehofer gegen Vorwürfe abgeschirmt. Deshalb ist der Generalverdacht angemessen, notwendig und so lange erfolgreich, bis die menschlichen Polizisten sich vom Treiben ihrer rechten Kollegen distanzieren und diese der Justiz zuführen.

Seehofer ist kein „Feind“, sondern eine wirkungsvolle Attrappe der zunehmend undemokratischen, unrepublikanischen Verachtung des Grundgesetzes. Er ist wahrscheinlich auch juristisch nicht mehr zurechnungsfähig und wird wie viele Schreibtischtäter vor ihm unbeschadet davonkommen.

Ich gebrauche diese harten Vokabeln, weil die schwammigen Distanzierungen vom Kurs des Innenministers oft auf die Person und nicht mehr die Sache gerichtet sind. Die Abschiebeposse mit Syrien ist ein Ablenkungsmanöver: nach  Afghanistan und andere gefährliche Länder wird durchaus abgeschoben, und zwar in Verhältnisse, die nicht nur die Menschenwürde gefährden.

Die Bundeswehr untersteht nicht dem BMI, aber auch dort geht es rechts her:

Rechtsextremisten bei der Bundeswehr Sorge vor enger Vernetzung https://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-rechtsterroristen-101.html 25.11.2020faz.net, sueddeutsche.de 30.11.2020
tagesspiegel.de, spiegel.de 4.12.2020

Das müsste Anlass  für Seehofer sein, wenigstens bei der Polizei die Rassismusuntersuchung in Auftrag zu geben, und zwar nicht bei seinen eigenen Truppen, die in Offizierskameradschaft sich üben und die Verfolgung von Polizisten erforschen wollen, zugleich mit einer Motivenanalyse, warum jemand überhaupt zur Polizei geht. Aber dieser Untersuchung widersetzt sich der Bundesinnenminister, weil er berechtigte Sorge vor dem Ergebnis hat. Die Münsteraner Polizeiakademie hat das Ergebnis ihrer Unterwerfung unter die armen, angegriffenen Polizisten schon in der Schublade.

(Wennjamnde sich strafwürdig macht, indem er oder sie Gewalt gegen Sicherheitskräfte anwendet, dann soll der Rechtsstaat ohnehin sofort in Kraftctreten, das muss man nicht „untersuchen“).

Mehr Verlogenheit geht nicht.

https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/gruppe-s-109.html

6.8.2020 Tagesspiegel online

 Schaut auch in de Blogs seit August 2020.

Da man Seehofer nicht abschieben kann -welche Demokratienimmt so einen? – und auch für ihn gilt, dass Syrien aus menschenrechtlichen Gründen nicht in Frage kommt, muss er bei uns vorsorglich in den Knast. Er und alle Gefährder – das wäre konsequent und auf seiner Linie; die Innenminister der Länder könnten dann vernünftige Lösungen finden.

P.S. Ich soll den armen Seehofer in Ruhe lassen, das Problem geht ja weit über ihn hinaus….raten mir Freunde. Richtig. Und es geht über Deutschland hinaus: in Österreich weht der gleiche Ungeist. Heute kommt diese Nachricht:

NGO Asylkoordination kritisiert Abschiebung nach Afghanistan

Die Asylkoordination kritisiert eine für den 15. Dezember geplante Abschiebung nach Afghanistan. Diese soll gemeinsam mit Schweden durchgeführt werden. Die NGO forderte heute in einer Aussendung wegen der „prekären Sicherheitslage“ an Ort und Stelle den sofortigen Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan.

Aus Österreich Abgeschobene würden dort Gefahr laufen, entweder zum Objekt von kriminellen Übergriffen wie Entführung bzw. Raub zu werden oder durch Zwangsrekrutierung direkt in lokale Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Zudem hätten viele keinerlei familiäre Netzwerke in Afghanistan, weil sie den Großteil ihres Lebens im Iran verbracht hätten, argumentierte der Sprecher der Asylkoordination, Lukas Gahleitner-Gertz.

red, ORF.at/Agenturen

W 1(-s)8N kommt, so oder so

Greane Felder greane Wiesn

Ebenseer Krippenlied. Jetzt ist es im Winter auch grün.

Grad frage ich mich ob ich einen virtuellen Weihnachtsmarkt erdenken und dann besuchen soll, da lese ich im ORF Pressespiegel:

Karmelitinnen übernehmen Steyler-Hostienbäckerei

Die Karmelitinnen in Maria Jeutendorf (Niederösterreich) werden laut der Kirchenzeitung „Kirche bunt“ die Agenden der Steyler Missionare in Mödling übernehmen, die ihre Hostienbäckerei mit Ende 2020 aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. Die Ordensfrauen seien gegen Produkte „made in China“, hieß es heute in einem Bericht.

Mehr dazu in religion.ORF.at 4.12.2020

Na, Gott sei Dank. Endlich ins richtige Leben gegriffen; nur keine chinesischen Hostien,  die schmecken dann wie  Glückskekse und man kommt auf dumme Gedanken. Ich habe an der Uni Osnabrück einmal Schwierigkeiten mit Kollegen der katholischen Theologie bekommen, weil ich für die Einrichtung einer päpstlichen Hostienbäckerei und eine Weihwasser-versuchsanstalt anstatt für wissenschaftliche Lehrämter in der Uni-Exklave Vechta eingetreten bin.

Die Kirchen sind hoffnungsfroh: Menschen, die sonst nichts zu tun haben, suchen plötzlich Trost und Gemeinschaft in (ihren) Gemeinden oder bei Seelsorgern, und manche Kirche hofft, den Schwund an Gläubigen coronabedingt bremsen zu können, auch wenn man nicht beim Singen ins Gebetbuch des Nachbarn husten darf und auch von der Hostie nicht abbeißen lassen soll.

Es ist erstaunlich, was jetzt, Anfang Dezember, die Menschen umtreibt. Wie denn Weihnachten wird, wie es werden soll, wie man mit dem leichten Lockdown umgeht,  ob man ihn verschärfen soll oder einfach ignorieren, Hauptsache, alle sind zusammen.

Damit ihr lieben BlogleserInnen euch nicht täuscht:  wie alle andern bedenke auch ich das alles und viele in meiner Umgebung tun das.  Aber was mich auf die Palme treibt, ist die Thematisierung des Weihnachtsverhaltens in diesem Jahr, seine Ver-Öffentlichung (dazu hatte am Weihnachtsmarkt und Glühweinstand weniger Gelegenheit). Und der Satz einer geistlichen Person, dass es ja im nächsten Jahr wieder so wird wie es vor einem Jahr und früher war. Dahinter steht die nackte Angst und die Ahnung, dass es im nächsten Jahr und danach nie mehr so sein wird wie früher.

Eine kleine These: die meisten wollen es gar nicht so genau wissen, wie die Schlingfallen des Heiligen Abends, der Zeit davor und der Feiertage danach wirklich gelegt und sich um uns zusammengezogen haben. Im Lügendetektor wird die Frage, worum es am 24. Dezember wirklich geht, zu einer gezackten Linie.

Trotzdem  kann es in vielen Fällen einfach schön, würdig, lustig, familiär, vertraut oder festlich gewesen sein. (Oder es war schrecklich, langweilig, streitvoll, unbehaglich…egal?). Und man muss nicht alles analysieren…richtig. Warum dann aber auf allen Kanälen und in vielen Druckwerken immer die Fragen, wie sich der lockere Lockdown nach dem 22.12. auswirken wird, auf die Familienfeiern, auf die Komposition der Geschenke, auf Gespräche und Lieder und Spiele und das Essen.

Eine weitere kleine These: weil Weihnachten, Chanukka, Jul (auch Muslime feiern Weihnachten…) eben kein religiös übermäßig ausgestaltetes Fest ist, sondern eher Anlass zur kulturellen Identifikation, also eine Art „Vergesellschaftung einer höchst privaten Angelegenheit“, gewinnt es in Krisenzeiten eine solche Bedeutung (Kriegsweihnacht, Hungerweihnacht, …); das bedeutet nämlich, dass man von der schönen Weihnachtsgeschichte, der Geburt des Kindes, den Legenden drumherum  nicht wirklich auf seinen Glauben und die Folgen für das irdische, gar jenseitige Leben getestet wird.

Blasphemisch ist allenfalls das kommerzielle Hypermodell Weihnachten (ab September eingestielt, und jetzt zur Blüte auflaufend); aber da zahlt ja die Regierung tüchtig in die Umsatzreduktionen hinein.

Was ich aber durchaus nachvollziehen kann: anhand von Weihnachten sich aus dieser Form gesellschaftlicher Gleichschaltung, an der die Kirchen auch einen Anteil haben, herauszuhalten, herauszuziehen.

Ein Einschub: Habt ihr einmal die Weihnachtsgeschichte von Saramago: Das Evangelium nach Jesus Christus (1991) gelesen? Keine Kirchengeschichte, aber eine, die zeigt, was aus der Geburtslegende alles werden kann.

Also: In diesem Jahr wird die angeblich familienfreundliche Lockerung der Corona-Restriktionen zu einem Anstieg der Erkrankungen und wahrscheinlich der Todesfälle führen (wenn ich mich irre, dann wunderbar!). Warum nicht vor dem 22.12. anfangen, sich um die Einsamkeit anderer zu kümmern, Kommunikation  ohne Anfassen auszuüben, auch mit Familienmitgliedern und Freunden….Warum nicht für die etwas mehr spenden,  die jetzt alles verlieren (also mehr als ihren Glauben und die Hoffnung auf ein Wunder)….Warum nicht die erste These ernst nehmen und einmal darüber nachzudenken, was Weihnachten uns als Kindern bedeutet hatte, bevor wir es unseren Kindern antun…

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Wenn man daran denkt, merkt man, wie viel oder wie wenig sich in den letzten Jahrzehnten geändert hat. Ist das nun gut oder schlecht?

Ein zweiter Einschub: aus mehreren persönlichen Gründen hat mich Bodo Kirchhoffs „Weihnachtsfrau“ (1997) sehr eingenommen, immer wieder beschäftigt. Egal, wie erfahrungshaltig sie ist, egal, wieviel nachgetragene Vorstellungskraft in ihr ist: ohne den Rahmen von Weihnachten wären die Berichte von Sex und sozialer Ungleichheit und Moral nicht weiter interessant: wir wissen es ja…

Als ich den Titel „Weihnachtsfrau“ im Internet aufrief, schauten mich seitenweise Angebote zur weihnachtlichen Prostitution an. Das war eine Überraschung.

Nicht überraschend ist freilich, dass das Problem gespalten bleibt: Man, ich, möchte niemanden seine oder ihre Vorstellung von Weihnachten nehmen, hier „endet“ sozusagen die Gesellschaft; diese aber schiebt sich unerbittlich zwischen die einzelnen Menschen, in die Familien, in die Diskurse um Weihnacht, Ochs und Esel, um Bethlehem und den etwas vernachlässigten Papa Josef. Religion mischt sich hier meines Erachtens oft ungebührlich ein. Damit meine ich nicht die Messen und Gebete und Lieder der Gläubigen, sondern die Vorstellung, mit dem Weihnachtsaufruf könne man Krieg und Katastrophen für ein paar Stunden bannen.

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Weihnachten wird nach Corona für viele Jahre nicht mehr sein, was es davor war, und viel, viel später erst recht nicht. Vielleicht behält man die Krippe bei, und diskutiert die Bedeutung, die sie dann haben wird. Oder freut sich an Hirtenliedern,  die auch dann Freude auslösen, wenn man die Zukunft Jesu einmal nicht mitbedenkt.