Jüdischer Einspruch LXI: AntiAntiAnti Semitimus

Manchmal will ich etwas schreiben, dann kommt mir jemand zuvor, und meist ist das besser.

LEST BITTE „IGNORANZ AUS SCHAM“ von Susan Neiman, ZEIT 22, S. 55

Susan Neiman ist Direktorin des Potsdamer Einstein Forums und eine wichtige jüdische Stimme in Deutschland. Aus ihrem in Gänze lesenswerten Artikel nehme ich zwei kurze Passagen heraus:

„Vor allem darf die deutsche Vergangenheit nicht die Israelisch palästinensische Gegenwart überschatten“.

Und: in einem genau beschriebenen Kontext sagt sie „Für linksliberale Juden klingt daher die Unterstellung, dass Netanjahu das jüdische Volk vertritt, ungefähr so, wie es für Deutsche klänge, dass die AfD Deutschland repräsentiere. Wer das übertrieben findet, weiß gewiss nicht, dass Netanjahus Lieblingssohn Jair für die AfD wirbt. Die AfD versucht, alle anderen Parteien an Philosemitismus zu überbieten“.

Für mich ist das seit Langem eine geradezu fundamentale Abneigung gegen die deutsche Variante von Philosemitismus, die im Übrigen mit der Aneignung eines bestimmten kulturellen Sektors, von Klezmer bis zum Stetl, vor 50 Jahren schon begonnen hat. [1]

Über die derzeitige Diskussion im israelisch-palästinensischen Konflikt stimmt sie David Shulman und seinen Verbündeten zu: “Sie fürchten mit Recht, dass eine Politik, die zunehmend auf rechte Parteien baut, langfristig den israelischen Staat selbst gefährdet“. Was ich befürchte, und was mir „nahe geht“.

Natürlich ist es nicht einfach, die Schwierigkeiten im Umgang mit der deutschen Öffentlichkeit tiefgehend zu analysieren, aber mich fasziniert auch der Begriff der „normalen linksliberalen jüdischen Positionen“, die zu vertreten in der deutschen Öffentlichkeit schwierig sei.

Da sind ja zwei Elemente enthalten: ja, die linksliberale Position müsste in unserer und jüngeren Generationen „eigentlich“ normal sein, d.h. die Diskurse zum Thema bestimmen. Normalismus geht über die individuelle Meinungsbildung hinaus. Aber der Philosemitismus der beschriebenen Art hat eine Fassade ganz anderer Normalität, bis hin zur Staatsräson der Beziehung zu Israel, aufgebaut, gegen die zu verstoßen unangenehm und kontrovers wirkt – bei uns, nicht in Israel. Und: die deutsche Öffentlichkeit. Der Hinweis auf die Öffentlichkeit ist auch gewichtig: denn die Schamkultur wirkt auch immunisierend gegen die Analyse der Legitimation von Vergleichen: das ist ein Hauptanliegen von Neimans Artikel. Dessen letzten Absatz zitiere ich nicht, denn er sollte von euch gelesen und diskutiert werden, auch in Bezug auf all das, was uns täglich begegnet. Was mir begegnet.

Ich sage hier nicht, mit welchen Aussagen dieses Artikels ich persönlich nicht übereinstimme oder eine „dritte“ Position vertrete, weil es darauf weniger ankommt als auf die Erkenntnis, „wie viele jüdische Positionen“ (Neiman) es gibt. Das macht uns schon beweglich in einer gefrierenden Welt.

Judentum ist nie fertig (Delphine Horvilleur, die Rabbinerin, erläutert das (Horvilleur 2020)) und es beharrt nicht auf ikonischen Identitäten. Da fällt mir, nicht nur spontan, der Satz meines langjährigen Hauptphilosophen ein: „Ich bin, aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst“(Bloch 1963, 11).

Zum Nachlesen:

Vergleiche dazu: Bloch, E. (1963). Tübinger Einleitung in die Philosophie 1. Frankfurt, Suhrkamp.

Daxner, M. (1995). Die Inszenierung des guten Juden. Kulturinszenierungen. S. M.-D. u. K. Neumann-Braun. Frankfurt, Suhrkamp.

Horvilleur, D. (2020). Überlegungen zur Frage des Antisemitismus. Berlin, Hanser.


[1] Daxner, M. (1995). Die Inszenierung des guten Juden. Kulturinszenierungen. S. M.-D. u. K. Neumann-Braun. Frankfurt, Suhrkamp.

Ich wiederhole mich: Finis terrae XL – wie vor dem Krieg

Die Nachtigallen singen, Waschbären kreuzen den Weg im Park und die Hunde freuen sich, dass die Menschen wieder mehr an die frische Luft gehen. Die Umgebung macht optimistisch, meinen viele, zumal Corona sich anscheinend wieder einmal zurückzieht. Und es ist ja nicht schlecht, wenn es besser wird…

So denkt man gerne, als hätte sich eine dauernde Gabe von beruhigenden Drogen endlich bezahlt gemacht.

Auffällig ist ein anderes Zeitsyndrom: die Wiederentdeckung des globalen Wirkens von Autokraten, Tyrannen, Selbstherrschern, oder wie man sie nennen mag, über die Zeiten, und ihre Wirkung auf die gegenwärtigen Politiker…das Genre ist nicht neu. Aber mit Trump, Putin, Xi, ist neue solide Lage von Gewaltherrschern aufgetreten, die eine unübersehbare Fülle neuer Diktatoren nach sich zieht. Der wichtige Autor Ariel Dorfman (* 1942) bespricht ein Buch von Ruth Ben-Ghiat: Strongmen: Mussolini to the Present. Dorfman, (https://de.wikipedia.org/wiki/Ariel_Dorfman) hier auch bekannt durch sein Stück Der Tod und das Mädchen, rezensiert nicht einfach die Anordnung der Diktatoren nach Einfluss und ideologischer Abstammung, sondern macht Beziehungen sichtbar, die – meine Worte: – das Böse auch verstehen lassen, nicht nur wissen. Gabriel Marquez spielt da eine Rolle, weil er für die Autorin das Wesen solcher Tyrannis im Herbst des Patriarchen zusammenfasst. Manchmal ist die Geschichte der vergangenen, auch der kurzfristig vergangenen, Tyrannis interessant. Mich aber bewegt zur Zeit mehr, wie sich das Rhizom, das Wurzelgeflecht, der gegenwärtigen Diktaturen mit einer gleichzeitigen Marginalisierung demokratischer Selbsterneuerung ausbreitet, fast wie ein Flächenbrand. Die Rezension heißt zu Recht „A Taxonomy of Tyrants“ (NYRB 27.5.2021), und Dorfman listet auch auf, welche Namen fehlen: man hat den Eindruck, die Liste sei unendlich, und niemand kann sie abschließen und zugleich Konsequenzen aus ihr ziehen. Ich lese diese Liste und ihre Genealogie eher strukturell. Wie kommt es zu Trump, wie werden die Analogien zu früheren Diktatoren plötzlich evident, – und was an dieser Fokussierung ist zu eng? Die Hierarchie der Tyrannen birgt eine Gefahr: bei Gewöhnung an Gewaltherrschaft und Lüge als Mainstream wirken manche dieser Verbrecher plötzlich „nicht mehr so schlimm“ und treffen gar oft auf die ebenso seit langen kritisierten Schwächen der Demokratie. Diese erscheinen ein wohlfeiles Mittel, sich mit den Tyrannen abzufinden – nicht sie zu akzeptieren, aber eben: so ist es ,,,und man kann nichts machen.

Dass es kaum eine Diktatur gibt, in der nicht ein guter Teil des so genannten Volks, die Leute also, der Pöbel, wenn ihr wollt, und die dienstfertigen Handreicher aller Schichten, aller: bis in die höchsten Intellektuellenkreise, dem Diktator als jeweils kleineres Übel sich unterwerfen, – das wird oft übersehen. Keine Diktatur ohne Follower. Keine. Und die Diktatur wird auch nicht weniger diktatorisch, wenn die Demokratien um ihre Reformen kämpfen oder Kompromisse schaffen. Das ist mein Punkt: vergleicht nicht dauernd die Missstände hier mit denen in Ungarn, Polen, Russland, China usw.

Warum jetzt, und jetzt alle gleichzeitig und sie treiben alle aus ähnlichen Wurzeln und scheinbar unkoordiniert, aber doch einander bis in die Details ähnlich. Die einfachste Erklärung ist, dass angesichts der Klimakrise hier eine letzte Generation von Abstaubern noch einmal die Macht auskosten möchte. Das muss auch dann nicht falsch sein, wenn andere Erklärungen genauer wären, etwa, dass mit der Selbstunsicherheit von Demokratie es einfacher ist, medial und mit Gewalt eine Zangenbewegung gegen normale Bürgerinnen und Bürger zu unternehmen, bevor diese wegen des einen, des Überlebens-Ziels sich alle zusammentun.

Wenn es um ein symbolisches oder apokalyptisches Szenario ginge, könnte man hier endlos über die Globalisierung der Tyrannentätigkeit und die Hilflosigkeit der unterworfenen Gesellschaften nachdenken oder lästern. Aber die Wirklichkeit ist anders: Wo diese Diktatoren herrschen, wird gefoltert und gemordet, hungern die Menschen und müssen ihre Gedanken und Beziehungen einschränken. Also fast überall.

*

Es wird zur Zeit nicht besser.

Wenn die „letzten Tage der Menschheit“ angebrochen sind, dann müssen sich die Gewalttäter nicht mehr maskieren oder tarnen. Aber wir müssen das auch nicht.

(Ich meine das Drama von Karl Kraus und nicht den Weltuntergang. Obwohl der Unterschied für viele nicht so deutlich und wichtig ist…für die Opfer nämlich).

*

Ich bin nicht verrückt geworden, und ich gehe nach wie vor in den Park und freue mich des Frühlings. In unserer privilegierten Weltecke geht das noch, gerade für unsere Schichten und sozialen Gruppen.  Der Preis, dass die Generationen nach uns dies alles auch können, steigt. Anderswo ist er schon unbezahlbar.

Während ich dies niederschreibe, an dem Tag, an dem wir das Gesicht von Lukashenkos Folteropfer sehen, an dem wir die Taxonomie der Gewaltherrscher für uns immer neu anordnen, wie jeden Tag politischer Überlegung, frage ich mich, warum ich Fragen stelle, die SO nicht zu beantworten sind.

Die Antwort ist Politik, und sie kann nicht nur im Reden und im Miteinanderredenwollen bestehen; wie können und sollen wir aber handeln? Das ist wieder Politik. Oft denke ich darüber nach, worüber die Menschen in solchen Grenz-Zeiten geredet haben, was sie getan haben, obwohl sie ziemlich genau wussten, was demnächst auf sie zukommt und was sie nicht würden vollenden können. Aber vielfach wussten sie, wissen wir, schon, was zu tun ist. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich lasse es Ingeborg Bachmann sagen:

Alle Tage

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

https://www.lyrikline.org/de/gedichte/alle-tage-265

Schildkröten sind wir

Schildkröten sind wir uns Geister

WENN: Wenn sich Gefahren abzeichnen, verkriechen sich Schildkröten in ihren Panzer und entgehen so den meisten Angriffen. Natürlich, wenn ein Raubvogel sie aufgreift und dann von weit oben auf den Klippenzerschellen lässt, ist alles vorbei.

AUCH: Auch kann man, wenn sich nichts Rettendes naht, auch weil die Gefahren so zahlreich und mächtig sind, die Geister anrufen. Mit der Bitte einzugreifen und das erledigen, wozu wir zu wenig Kraft, Phantasie oder auch Macht haben.

*

Allein das Aufzählen der unerhörten Ereignisse der letzten Tage und Wochen ist aufwändig und erlaubt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Übersicht. Noch schwieriger ist es, Ordnung und Wertigkeit in diese Liste zu bringen, obwohl wir mit dem Begriff der Priorisierung ja schon überfordert werden. und die Kommunikation darüber ist noch einmal schwierig, weil sich verschiedene Prioritäten unterschiedlich auswirken, auch noch mehr mehrprivate, mehr öffentliche usw. so ungefähr könnte eine Vorlesung zum Thema beginnen. Und in der Tat, ich lese mir vor: Israel, Afghanistan, Antisemitismus, Coronachaos, die Liste ist unendlich.

Mir kommt das vor wie die Bibliothek von Babel des Jorge Borges, die ja auch das Universum ist: egal, wieviel die Häretiker an Büchern vernichten, sie bleibt unendlich. Also, was tun? Ordnung schaffen kann man nicht einmal als Gedankenexperiment. Alles lassen, wie es scheint, hieße dem Elend Vorschub leisten oder hoffen, dass sich ohne Aktion alles irgendwie zum Besseren fügt.

Ihr seht, alle diese Vorschläge und Überlegung gleiten in die altbackene Philosophie oder die zeitlose Esoterik ab.

*

Da gab es aber doch andere Entwicklungen, zugegeben nicht so viele und viele nicht so deutlich, aber doch: weit früher der Völkerbund, der Nansenpass, die Gründung der VN, der österreichische Staatsvertrag von 1955…nichts davon fehlerfrei, alles aber mit überwältigend positiven Auswirkungen. später dann Abrüstungsverträge, der Atomvertrag mit dem Iran, das Pariser Klimaabkommen…und je weiter nach unten in lokaler oder zeitlicher Hinsicht, umso mehr derartiger Eingriffe in die gewalttätige Unordnung gibt es. Dazu musste jedesmal etwas getan werden, das die Normalität der geltenden Regelanwendung durchbricht.

HIER BRECHE ICH AB UND SETZE NEU AN

Man kann sich lange über dystopische kurzfristige Zukunftsszenarien austauschen oder gar neue entwerfen. das geht im Kollektiv, in der Institution schwerfällig vor sich als im Arkan der eigenen Gedankenwelt, wo man soviele tolle Lösungen hat für Probleme, die nie größer sind als die eigene Vorstellungswelt. Es macht keinen Sinn, die eigenen Vorstellungen, die ich durchaus habe, zu verbreiten. Die Schildkröte in mir zieht sich zurück, der Panzer besteht darin, wie wenig ich zur Zeit tun kann, weshalb diese Weltkonflikte sich auch nicht direkt auf mich stürzen, nur indirekt. Ich konzentriere mich auf die Aktionen zur Rettung der afghanischen Ortskräfte, vergleicht den BLOG vom 14. Mai 2021, da kommt noch einiges.

Das ist keine große Aktion, aber sie zeigt, wie weltweit vieles mit vielem verknüpft ist, und wie stark sich diese Vernetzung auf die eigene Vorstellungswelt auswirkt. Aus dem Kopf geht es mir nicht, wen es nicht auch, sondern vorrangig zu retten gilt: ist es der Koch…

Cäsar schlug die Gallier.

            Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

            …

            Jede Seite ein Sieg.

            Wer kochte den Siegesschmaus?

            …

            (Bertolt Brecht, 1935)

Der Fahrer, der Übersetzer, die Sekretärin, die Übersetzerin?

Aus der ambivalenten Rolle Deutschlands bei den militärischen Interventionen, an denen es beteiligt war und ist – Afghanistan als Beispiel – und an denen es sich nicht beteiligt – Syrien als Beispiel – kann man die Verbindung zwischen uns und der globalen Politik gut herstellen, aber nicht mit dem Selbstbewusstsein voller Souveränität, auch nicht über die eigene Weltkultur.

Von oben betrachtet, kann man alles kommentieren, aber nicht handeln. Von unten sieht es nicht so übersichtlich aus, aber wir können immer wieder anfangen, etwas zu tun.

Sorge und Lüge

Wer sorgt sich um die Menschen in Israel und Palästina? wer argumentiert dazu und wie? Lesarten meiner Befindlichkeit dazu, ohne gewichtete Reihenfolge.

Lesart 1:

Die gegenwärtige Konfrontation nützt fast allen Akteuren.

  • Die Hamas wird die PLO und die palästinensische Verwaltung ausbremsen, bzw. mit mehr Macht weiter über den Gaza herrschen, auch weil Abbas die Wahlen abgesagt hatte;
  • Netanjahu wird weiterregieren und sogar eine Mehrheit im Land hinter sich wissen, weil die Raketenangriffe auf Tel Aviv, Ashkelon, Ashdod und andere Orte die Verwundbarkeit Israels belegen, nicht nur die Verteidigungskraft des Iron Dome;
  • Die Siedler fühlen sich sicherer als je zuvor, weil sie unter der Konfrontation wegtauchen;
  • Die ultra-orthodoxen jüdischen Religiösen tauchen ebenfalls darunter weg und machen ihre Corona- und Sicherheitsvergehen vergleichsweise unsichtbar;
  • Die israelischen Araber (ca. 20%) sehen sich durch die Hamas zu einer innen politischen Konfrontation ermutigt, die ihren Status nicht mehr durch Verhandlungen verbessern kann;
  • Im Iran stehen Wahlen an, die Radikalen Gegner des Nuklearabkommens fürchten einen Sieg der Gemäßigten;
  • Erdögan kann sich islamistisch profilieren und von den eigenen Problemen ablenken;
  • Für sehr viele politische und kulturelle Stimmen ist die Situation eine Gelegenheit sich zu positionieren: das Existenzrecht Israels wird beschworen als Ausweis korrekter historisch und humanitärer Einstellung.

Über die Toten auf beiden Seiten, über die absehbaren Folgen dieses Konflikts, über seine Anlässe und Hintergründe und Ursachen wird vergleichsweise wenig gesagt.

Lesart 2:

  • Unter den wenigen anhörbaren Stimmen ragt empfehlenswert besonders Micha Brumlik im DLF, 16.5.2021 8.10, hervor. Zu den antisemitischen und antiisraelischen Aktionen findet er die richtige Differenzierung und vor allem dekonstruiert er die Deckungsgleichheit von Israelkritik und Antisemitismus. Sehr klar: Antisemitismus ist Antisemitismus. Wo und wie auch immer.
  • Hannah Arendt: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“ (1964), in Variationen.
  • Was soll verteidigt werden? Der jüdische Staat (Existenzrecht, ungefährdete Lieblingsvokabel), der jüdische Staat (das geht nicht ohne Geschichte, und hier ist die Shoah nur ein Element), die Zweistaatenlösung (auch das geht nicht ohne Geschichte und die Wahrnehmung der Einmischung von außen), die Demokratie in Israel (die von außen und innen gefährdet ist), eine Verhandlung palästinensischer Autonomie und Staatlichkeit (was ist das Äquivalent zum og. Existenzrecht?), das Ende von Besatzung…die Liste ist unvollständig.

Über die Toten auf beiden Seiten, über die absehbaren Folgen dieses Konflikts, über seine Anlässe und Hintergründe und Ursachen wird vergleichsweise wenig gesagt. Manche Kommentare sehen so aus, als hätte man den Ausbruch des Krieges ohnedies erwartet, und bei der Schuldfrage scheint es, als hätten sich die stereotypischen Vorurteile nur vertieft, wenig verändert.

3. Lesart

      Seit vielen Jahrzehnten ist das jüdische Leben – säkular, religiös, ethnokulturell,      sozial – eines meiner Themen. Singular: Leben. Dazu gehört eine besondere Zuneigung zu Israel,  so etwas wie die Liebe zum Land (s.u.) ebenso einschließt wie die Kritik an der Politik und an den Ursachen politischer und religiöser Verirrungen.

  • Die Shoah ist eine Ursache und Wurzel des Staates Israel, es gab vor seiner Gründung schon andere. Und es gibt immer wieder neue Begründungen seiner Existenz.
  • Ich kann mit einer vergleichsweisen Position zum palästinensischen Leben nicht aufwarten. Was eine bestimmte Solidarität und Empathie natürlich nicht ausschließt, aber ebenso natürlich auch nicht die Kritik an der Politik der auf arabischer, palästinensischer, islamischer Seite vertretenen Macht und der Israel umgebenden, anfeindenden und bedrohenden Staaten, für die Palästinenser*innen oft wie Geisel oder Faustpfänder behandelt werden bzw. ihre Politik legitimieren sollen.
  • Nach wie vor schätze ich die kritische und produktive tentative Überwindung der Konflikte in Kunst und Kultur, sowohl zwischen den ethnischen Herkunftsgruppen (das ist kein oberflächlicher Dialog, wie oft bei uns im Westen) als auch in den Beziehungen nach außen. Es drängt mich jetzt eine Namensliste der Menschen in diesem Bereich hinzuschreiben, mach ich aber nicht, weil wir nicht im Feuilleton der Kulturkritik sind. Diese gelebte Solidarität wird schwieriger werden, aber es kommt immer wieder.

Über die Toten auf beiden Seiten, über die absehbaren Folgen dieses Konflikts, über seine Anlässe und Hintergründe und Ursachen wird vergleichsweise wenig gesagt. Manche Kommentare sehen so aus, als hätte man den Ausbruch des Krieges ohnedies erwartet, und bei der Schuldfrage scheint es, als hätten sich die stereotypischen Vorurteile nur vertieft, wenig verändert. Die Toten werden, wie so oft, Elemente der künftigen Politik rechtfertigen, darüber wird ihr Leben und Sterben rasch vergessen werden.

4. Lesart

–     Ich sagte, ich liebte das Land Israel. Auf Schritt und Tritt sind mir immer die drei obigen Lesarten begegnet, wenn mit befreundeten Reisegefährt*innen, Kindern, im wissenschaftlichen Bereich, bisweilen politisch, touristisch oder in Erinnerung an meinen Vater, der den Krieg teilweise im britischen Gefängnis in Attlit, teilweise gegen die Deutschen kämpfend überlebt hatte. Das Worte „Liebe“ ist selbst dann ironisch, wenn man etwas meint, was zur Zeit in den verschiedenen Diskursen zu Identität, Heimat und Belonging durcheinander geht. Ich begnüge mich damit, es nicht begründen zu müssen, aber es aufrecht zu erhalten, inmitten von Kritik, Resignation, Trauer oder Zorn.

5. Lesart

–     ich halte mich mit Ratschlägen, wer denn jetzt mit wem verhandeln soll, USA, EU, Deutschland oder…zurück. Eine Meinung zu haben reicht nicht, und die Verurteilung der Trumpschen Politik oder des Mordes Rabin oder…hilft jetzt wenig, weil Urteile immer auch Revisionen, Amnestien etc. nach sich ziehen, die in einem anderen Rahmen geschehen.

–    Krieg, Bürgerkrieg, Aufstandsbekämpfung, Existenzsicherung, Ermächtigung und Entmachtung. Die Begriffsbildung birgt schon die Beeinflussung der Adressierten, auch uns.

–    Auch bedrückt mich, wie schnell der Konflikt um Israel die anderen Brennpunkte globaler Konflikte degradiert und verkleinert. Aber es zeigt, dass viele hinter dem Geschehen in Israel etwas „Größeres“, meist zu Recht, vermuten, es aber nicht äußern, sei es aus Korrektheit oder Taktik. Z.B. ideologische und ethno-identitäre Argumente Legitimation von Machtpolitik und Unterdrückung von Minderheiten; z.B. Religion als Instrument zum gleichen Zweck, manchmal auch verbunden mit einer einseitigen, aber nicht haltbaren Geschichtsdeutung. Z.B. Ablenkung von eigenen, anderen Problemen…etc.;

Über die Toten auf beiden Seiten, über die absehbaren Folgen dieses Konflikts, über seine Anlässe und Hintergründe und Ursachen wird vergleichsweise wenig gesagt. Manche Kommentare sehen so aus, als hätte man den Ausbruch des Krieges ohnedies erwartet, und bei der Schuldfrage scheint es, als hätten sich die stereotypischen Vorurteile nur vertieft, wenig verändert. Manche lügen oder heucheln eine politische Überzeugung, die sie selbst durch ihre Praxis fragwürdig gemacht haben. Das schmerzt dort, wo man es durchschaut.

ORTSKRÄFTE IN AFGHANISTAN SCHÜTZEN – HERHOLEN UND UNTERSTÜTZEN!!!

LIEBE BLOG-LESERINNEN UND LESER!!! Sie lesen hier einen sehr dringenden Aufruf zur Unterstützung von Ortskräften in Afghanistan.

Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


1
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan: Afghanische Ortskräfte in Sicherheit bringen!
Der Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan hat begonnen und soll voraussichtlich Anfang Juli
2021 beendet sein. Das Bundesverteidigungsministerium hat erklärt, dass es in der Abzugsphase zu
einer größeren Gefährdung der Soldatinnen und Soldaten kommen könne. Medien zitierten unter
Berufung auf einen vertraulichen Bericht des Auswärtigen Amtes und des
Bundesverteidigungsministeriums, dass die Bundesregierung eine weitere erhebliche
Verschlechterung der Sicherheitslage nach dem Abzug erwarte. Während die Truppe unter
verstärkten Sicherheitsvorkehrungen längst bei den Vorbereitungen zur Rückkehr ist, wachsen die
Befürchtungen der afghanischen Ortskräfte, die oft viele Jahre für die Bundeswehr, die deutsche
Polizeiausbildungsmission, diplomatische Missionen und die staatlichen Zwecke der
Entwicklungszusammenarbeit u.a. tätig waren – als Dolmetscherinnen und Dolmetscher,
qualifiziertes Fachpersonal, Wachleute und Hilfskräfte. Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben

  • wie auch um das ihrer Familienangehörigen.
    Wir fordern eine unbürokratische und schnelle Aufnahme der Betroffenen in Deutschland parallel
    zum Abzug!
    Die Taliban haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie diese Ortskräfte als Kollaborateure des
    Westens begreifen, die sie als Unterstützer eines militärischen Besatzungsregimes zur Verantwortung
    ziehen wollen. Über Anschläge auf und Morde an Ortskräften wird seit Jahren berichtet, u.a. aus
    britischen, deutschen und US-amerikanischen Quellen. Letztere berichten von etwa 300 getöteten
    US-Ortskräften. Viele Ortskräfte haben versucht, sich Bedrohungen durch Umzug in andere Regionen
    Afghanistans zu entziehen, was aber nur selten eine dauerhafte Lösung und das Ende der
    Gefährdung ist.
    Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Mitte April von einer tiefen
    Verpflichtung der Bundesrepublik gesprochen, die afghanischen Ortskräfte jetzt nicht schutzlos
    zurückzulassen. Zu befürchten ist aber: Genau das geschieht. Wer die effektive Aufnahme wirklich
    will, der kann in den verbleibenden Wochen nur eine unbürokratische Prozedur für all die Ortskräfte
    und ihre Angehörigen umsetzen, die für deutsche Stellen gearbeitet haben: Öffentliche Bekanntgabe
    des Aufnahmeprogramms, Registrierung, Vorbereitung der Ausreise, die möglichst geschehen muss,
    solange die Bundeswehr noch im Lande ist, ggf. Durchführung von Charterflügen.
    Der Verweis auf das bisherige Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte mit Abgabe einer
    individuellen Gefährdungsanzeige bei Vorgesetzten, in der nachgewiesen werden muss, dass für
    Bedrohungen durch die Taliban die Tätigkeit für deutsche Stellen entscheidend ist, ist angesichts der
    neuen Sicherheitslage nicht mehr zielführend. Das bisherige Verfahren ist viel zu zeitintensiv,
    insbesondere seit die Kapazitäten des deutschen Kontingentes im Lande mit dem beginnenden
    Abzug Woche für Woche schwinden.
    Seit 2013 wurden nach Zahlen des Verteidigungsministeriums knapp 800 Ortskräfte (plus
    Familienangehörige) in Deutschland aufgenommen, fast alle jedoch innerhalb eines kurzen
    Zeitraums, nachdem das Programm diese Chance eröffnet hatte. Zwischen 2014 und 2021 sind dann
    gerade einmal 15 zusätzliche Aufnahmen hinzugekommen – trotz einer in diesem Zeitraum immer
    weiter sich verschlechternden Sicherheitslage. Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte

2
Zügige Aufnahme statt untauglicher Vorschläge
Das Bundesinnenministerium verweist wenige Wochen vor dem Truppenabzug die Ortskräfte auf das
alte Prüfungsverfahren mit seinem bürokratischen Aufwand, was in der Kürze der Zeit nicht
praktikabel ist. So steht zu befürchten, dass es kein effektives Aufnahmeprogramm, sondern lediglich
ein Pseudo-Prüfungsprogramm geben wird. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages
Reinhold Robbe hat schon vor Jahren den Umgang mit den Ortskräften als „beschämend“ und
„unwürdig“ bezeichnet (vgl. bundeswehr-journal v. 17.10.2014). Diese Diagnose gilt bis heute. Wer
seinen Dienst als Ortskraft vor mehr als zwei Jahren beendet hat, der soll von der Aufnahme in
Deutschland ausgeschlossen bleiben. Im Ernstfall werden sich die Verfolger bei den Taliban wohl
kaum an dieser Frist orientieren. Und noch nicht einmal die zuletzt beschäftigten ca. 500 Ortskräfte,
die nicht pro forma bereits wegen dieser Ausschlussregelung aus dem Programm herausfallen,
sollten sich darauf verlassen, dass aus der Ankündigung der Bundesverteidigungsministerin und guter
Absicht praktische Hilfe wird.
Ein Büro für afghanische Ortskräfte in Kabul und evtl. an einem anderen Ort, so das BMI, soll
eingerichtet werden, wo das umständliche Prüfungsverfahren zur Aufnahme stattfinden soll – als ob
man sich nicht in einem Land befände, in dem längst ein Großteil der Regionen nicht mehr von der
Regierung kontrolliert wird, Reisen riskant sind und selbst die deutsche Botschaft nur noch
eingeschränkt operieren kann. Zu befürchten ist, dass ein solches Büro für die Taliban ein
vorrangiges Anschlagsziel werden könnte, insbesondere wenn sich die Sicherheitslage weiter
verschärft.
Waren die Ortskräfte in den Jahren 2014/15, als der größte Teil derer nach Deutschland kamen, die
eine Aufnahmezusage erhalten hatten, eine Gruppe, die unter den Geflüchteten hierzulande oft
übersehen wurden, so haben sich in den Jahren danach Solidaritäts- und Unterstützungsstrukturen
herausgebildet, nicht zuletzt auch ein Patenschaftsnetzwerk der Bundeswehr. Denn auch dort
vertraten viele die Auffassung, dass denen, die die Einsatzrisiken mit deutschen Soldatinnen und
Soldaten geteilt hatten und ohne die insbesondere die Verständigung in Afghanistan kaum möglich
gewesen wäre, in bedrängter Situation geholfen werden müsse. Und für deren Integration wollte
man sich einsetzen.
Anlässlich der Vorstellung eines Buches der Bundeszentrale für Politische Bildung im Dezember 2019,
in dem die Rolle der afghanischen Ortskräfte dargestellt und gewürdigt wurde, brachte es einer der
Mitautoren des Buches und langjähriger Bundestagsabgeordneter auf den Punkt: “(…) die
Schlüsselrolle der afghanischen Ortskräfte: Ohne sie wäre der Einsatz unmöglich und von
vorneherein aussichtslos gewesen. Mit ihrem Dienst für deutsche Einsatzkräfte meinten viele, ihrem
Land am besten dienen zu können. Sie nahmen dafür hohe Belastungen und Risiken in Kauf. Dafür
gebührt ihnen von deutscher Politik und Gesellschaft Aufmerksamkeit, Dank, Anerkennung nicht nur
verbal (…) sondern auch praktisch. Wo Ortskräfte von sozialen und existenziellen Einsatzfolgen
betroffen sind, an Leib und Leben, oft zusammen mit ihren Familien, da steht die Bundesrepublik
Deutschland (…) in einer selbstverständlichen Fürsorgepflicht. Das ist ein Gebot der Verlässlichkeit,
der Glaubwürdigkeit und auch der politischen Klugheit.“
Ähnlich sehen es auch US-Militärs: Ex-US-General David Petraeus hat sich zusammen mit der
Nichtregierungsorganisation No One Left Behind Ende April in einem Brief an US-Außenminister Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


3
Antony Blinken dafür eingesetzt, alle notwendigen Ressourcen aufzubieten, um die afghanischen
Ortskräfte aus Afghanistan herauszuholen, bevor die letzten US-Truppen das Land verlassen.
Zwar haben einige andere Truppenstellerstaaten, die z.T. schon vor langer Zeit aus Afghanistan
abgezogen sind, ihre Fürsorgepflicht für die Ortskräfte ebenso verstanden und einigen „ihrer“
Ortskräfte Aufnahme gewährt. Demgegenüber waren andere Staaten zögerlich und stehen nun
ebenfalls, wie die Bundesrepublik, vor der Situation, von Absichtserklärungen, die nicht eingelöst
wurden, zu wirksamen Verfahren zu kommen. Jetzt, wo der vorzeitige und bedingungslose Abzug der
US-Armee wie des deutschen Kontingentes die Risiken dramatisch erhöht hat, wäre ein anständiges
und großzügiges Verhalten der Bundesregierung mehr denn je nötig. Wie sollten sonst diejenigen,
die Unterstützerinnen in gefährlicher Situation zurücklassen, künftig erwarten können, als verlässliche Partner in allen Bereichen der internationalen zivilen und militärischen Zusammenarbeit angesehen zu werden? Angesichts der akuten Bedrohung bisheriger Ortskräfte an Leib und Leben und bezugnehmend auf die Wertegebundenheit deutscher Krisenengagements (s. Leitlinien „Krisen verhindern“ der Bundesregierung 2017) erheben wir eindringlich die folgenden Forderungen: Zügige und unbürokratische Aufnahme afghanischer Ortskräfte und ihrer Familienangehörigen parallel zum laufenden Abzug des deutschen Kontingentes. Öffentliche Verbreitung von Informationen über ein zu diesem Zweck vereinfachtes Verfahren für (ehemalige) Ortskräfte in Afghanistan. Verzicht auf Prüfungsprozeduren, die in der Praxis weitgehend unmöglich oder für die Antragstellerinnen unzumutbar sind.
Verzicht auf Ausschlusskriterien, die der Realität nicht gerecht werden, wie die Beschränkung auf
Personen, die in den letzten zwei Jahren als Ortskräfte tätig waren.
Berlin, 11.05.2021
Erstunterzeichnende
• Prof. Dr. Michael Daxner, Berater des afghanischen Hochschulministers 2003-2006, Leiter des
Afghanistan-Projekts im SFB 700 FU Berlin bis 2018
• Bernd Mesovic, Mitarbeiter von PRO ASYL a.D.
• Winfried Nachtwei, MdB a.D.
• Thomas Ruttig, Afghanistan-Analyst, UNSMA/UNAMA 2000-03, Stellv. des EUSondergesandten für Afghanistan 2003/04Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


4
• Pfr. Albrecht Bähr, Sprecher der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in
Rheinland-Pfalz
• Prof. Dr. Ingeborg Baldauf, Afghanistan-Forscherin an der Humboldt-Universität zu Berlin
• Dr. Hans-Peter Bartels, MdB 1998-2015, Wehrbeauftragter 2015-20
• bee4change e.V., Hamburg
• Hannah Birkenkötter, Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Prof. Dr. Thorsten Bonacker, Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
• Eberhard Brecht, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Dr. Doris Buddenberg, Leiterin des UNODC-Büros Afghanistan 2004-06
• Hans-Jörg Deleré, Neustadt-Pelzerhaken, DIPL.Bau-Ing. Straßenbau, als Sohn eines deutschen
Beraters des afgh. Ministeriums für Öffentl. Arbeiten in Kabul aufgewachsen (1951-57) und
2006-09 im Auftrag der GIZ und des AA in Afghanistan tätig
• Bernhard Drescher, Oberstleutnant a.D., Bundesvorsitzender Bund Deutscher
EinsatzVeteranen e.V.
• Detlef Dzembritzki, MdB i.R., Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Stefan Feller, Senior Adviser Auswärtiges Amt zur Kleinwaffenkontrolle, Leiter
Polizeiabteilung im Rat der EU 2008-12, Leitender Polizeiberater des Generalsekretärs der
Vereinten Nationen 2013-17
• Botschafter a.D. Dr. Karl Fischer, Stabschef United Nations Assistance Mission in Afghanistan
2001-04
• Marga Flader, für Afghanistan-Schulen e.V.
• Freundeskreis Afghanistan e.V., der seit 1982 Selbsthilfeinitiativen im Land fördert
• Alexander Gunther Friedrich, UN Executive Secretary (rtd)
• Thomas Gebauer, Mitglied im Kuratorium der stiftung medico international
• Rainer L. Glatz, Generalleutnant a.D., Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr 2009-13
• Kristóf Gosztonyi, Forscher und Berater internat. Organisationen in Afghanistan, z.Zt. Univ.
Osnabrück
• Angelika Graf MdB a.D., Ehrenvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, Vorsitzende
des Vereins „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen rechts“ und Ombudsperson der
Hilfsorganisation HELP
• Antje Grawe, UNAMA 2006, 2008-10 und 2018/19
• Marcus Grotian, Erster Vorsitzender Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte
• Heike Hänsel, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Matthias Heimer, Militärgeneraldekan, Leiter des Evangelischen Kirchenamtes für die
Bundeswehr
• Generalleutnant a.D. Norbert van Heyst, 3. Kommandeur der International Security
Assistance Force (ISAF) in Kabul von 10.02. – 11.08.2003
• Dr. Haschmat Hossaini, Literatur- und Sprachwissenschaftler (Iranistik), Berlin
• Prof. Dr. Klaus Hüfner, Präsident a.D., Deutsche UNESCO-Kommission
• Dr. Margret Johannsen, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
• Jürgen Kanne, 2. Vorsitzender Afghanic e.V.
• Hans Peter von Kirchbach, General a.D. und ehem. Generalinspekteur der Bundeswehr
• Dr. Anne Koch, Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
• Susanne Koelbl, Journalistin „Der Spiegel“, Initiatorin des Poetry Project mit afghanischen
FlüchtlingenInitiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


5
• Tom Koenigs, MdB i.R., UN-Sondergesandter für Afghanistan 2006-07
• Karin Kortmann, Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZDK)
• Gerald Knaus, Gründungsvorsitzender European Stability Initiative (ESI), Wien/Berlin
• Prof. Dr. rer.pol. Dr. h. c. theol. Klaus Leisinger
• Dr. Kerstin Leitner, Beigeordnete Generaldirektorin, WHO, Genf
• Dr. Thomas Loy, Oriental Institute, Czech Academy of Sciences, Prag
• Daniel Lücking, Redakteur ND.Der Tag, Offizier ISAF Kunduz/Masar-e-Sharif, 2005-08
• Klaus Ludwig, Bundespolizeibeamter a.D., langjährige Erfahrung am Flughafen Ffm; seit 2016
ehrenamtliches Engagement in der Betreuung afgh. Flüchtlinge
• Eckhard Maurer, Kriminalhauptkommissar i.R., Garbsen, leitete 10 Jahre lang khyberchild e.V.
mit Projekten in Afghanistan
• Kerstin Müller, MdB 1994-2013, Staatsministerin im Auswärtigen Amt 2002-05
• Botschafter a.D. Bernd Mützelburg, Leiter Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik im
Bundeskanzleramt 2002-05, Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für Afghanistan und
Pakistan 2009-10
• Nanette Nadolski, Marketing- und Kommunikationsberaterin u. Afghanistan-Netzwerk bei
matteo e.V., Weichs
• Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam
• Dr. Hannah Neumann, MdEP
• Prof. Dr. Christine Nölle-Karimi, Wien, Stellvertretende Direktorin, Institut für Iranistik,
Österreichische Akademie der Wissenschaften
• Karin Nordmeyer, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
• Dr. med. Thomas Nowotny, Arzt, Stephanskirchen, Initiator http://www.change.org\nodeportation
• Johannes Pflug, MdB i.R., stellv. Sprecher für Außenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion sowie
Vorsitzender der SPD Task Force Afghanistan/Pakistan 2009-13
• Maximilian Pichl, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Fachbereich
Rechtswissenschaft Goethe-Universität Frankfurt am Main
• Ruprecht Polenz, MdB 1994-2013, Vors. des Auswärtigen Ausschusses 2005-13
• Nadia Qani, Inhaberin des kultursensiblen Pflegedienstes in Frankfurt/Main und Autorin
• General a.D. Egon Ramms, Oberbefehlshaber Allied Joint Force Command der NATO in
Brunssum 2007-10
• Generalleutnant a.D. Friedrich Riechmann, erster Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr 2001-04
• Reinhold Robbe,MdB 1994-2005, Wehrbeauftragter 2005-10
• Dr. Lutz Rzehak, Privatdozent, Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin
• Narwan Sayed, Hamburg
• Klaus-Hermann Scharf, Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte im Bundesvorstand des
Deutschen BundeswehrVerbandes
• Niklas Schenck, Autor und Filmemacher
• Prof. Dr. Conrad Schetter, Professor für Friedens- und Konfliktforschung, Universität Bonn,
und Direktor des Bonn International Center for Conversion (BICC)
• General a.D. Wolfgang Schneiderhan, 14. Generalinspekteur der Bundeswehr 2002-09
• Wolfgang Schomburg, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und den UN-Tribunalen für
das frühere Jugoslawien und Ruanda
• Georg Schramm, Kabarettist (ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“)
• Ulrike Schultz, Journalistin, Mitarbeiterin der Hanns-Seidel-Stiftung Islamabad und Kabul
2001-09
• Dr. Hans-Ulrich Seidt, Deutscher Botschafter in Afghanistan 2006-08
• Dr. Anja Seiffert, Bundeswehr-Forscherin, Leiterin für die sozialwissenschaftliche Begleitung
des Afghanistaneinsatzes seit 2009
• Kava Spartak, Berlin
• Dr. Rainald Steck, Deutscher Botschafter in Afghanistan, 2004-06
• Andrea Thies, European Police Mission in Afghanistan, 2008-15Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


6
• Uwe Trittmann, Studienleiter Evangelische Akademie Villigst / Berlin (Villigster AfghanistanTagung)
• Verband afghanischer Organisation in Deutschland e.V., Berlin
• Dr. Kira Vinke, Sprecherin des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der
Bundesregierung
• Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW (2002-15) a.D., Vorsitzender der Bund-Länder
Arbeitsgruppe Internat. Polizeimissionen (AG IPM) 2002 -20
• Thomas Wiegold, Journalist, Berlin
• Dr. Almut Wieland-Karimi, Leiterin des Landesbüros Afghanistan der Friedrich-Ebert-Stiftung
2002-05
• Kathrin Willemsen, Unterstützer:innen-Initiative Oranienburg
• Ronja von Wurmb-Seibel, Autorin und Filmemacherin
• Oberstleutnant Andre Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes
• YAAR e.V., Berlin
• ZAN e.V., Frankfurt am Main
• Massieh Zare, Bremen
• Prof. Dr. Christoph Zöpel, MdB a.D., Staatsminister im Auswärtigen Amt, 1999-2002

Stand 13.5.2021, 18:00

WIR HABEN DIES AN DIE ZUSTÄNDIGEN MINISTERIEN UND PARLAMENTARISCHEN STELLEN GESCHICKT UND DIE MEDIEN INFORMIERT:

MELDUNG IM DEUTSCHLANDFUNK HEUTE UM 9:30 an ERSTER STELLE:

Nach dem Beginn des internationalen Truppenabzugs aus Afghanistan wächst die Sorge um den Schutz der afghanischen Ortskräfte.

Afghanen, die als Dolmetscher, Wachleute oder Helfer unter anderem für die Bundeswehr tätig gewesen seien, fürchteten um ihre Sicherheit und ihr Leben, heißt es in einem Offenen Brief an die Bundesregierung, der dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vorliegt. Zu den Unterzeichnern gehören rund 80 frühere Diplomaten, Bundeswehr-Führungskräfte, Politiker und Wissenschaftler. Sie fordern, diese Menschen und ihre Familien zügig und unbürokratisch in Deutschland aufzunehmen. Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hatte in dieser Frage bereits eine unbürokratische Lösung zugesagt. Sie empfinde es als tiefe Verpflichtung, diese Menschen nicht schutzlos zurückzulassen, erklärte die CDU-Politikerin per Twitter.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan hatte offiziell am 1. Mai begonnen und soll bis spätestens 11. September beendet sein. Bis dahin sollen alle internationalen Truppen das Land am Hindukusch verlassen haben.

Diese Nachricht wurde am 14.05.2021 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

BITTE LEST AUCH

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1694

UND ALLE AKTUELLEN MELDUNGEN BEI https://www.afghanistan-analysts.org/en/

Wir dürfen Afghanistan und den deutschen Anteil an der situation dort nicht vergessen. WEITERE INFORMATIONEN FOLGEN.

Augenblick

Gefällt Ihnen, was Sie sehen?

So entstehen Umfragen von Influencern. Erst die private Geschichte: der Hund war leicht an der Pfote verletzt, ich bin eine halbe Stunde durch dichten SCHNEEFALL zur Tierärztin und dann eine weitere halbe Stunde durch dichten SCHNEEFALL wieder zurück. Jetzt machen wir beide Lockdown. Die Ingredienzien für ein Stillleben sind wie zufällig angeordnet. Ich wollte, Vermeer hätte sich der Komposition angenommen. Ungewollt privat? Da ich das seit Jahren im Blog vermeide, warum hier? Im Lockdown habe ich gelernt, die Dinge meiner Umgebung genauer und weniger eilig als sonst wahrzunehmen. Bevor ich eingeschlafen bin, habe ich das entdeckt:

Vorschnelles Urteil: eine herrliche sienesische Trüffel. Real: ein über lange Zeit in einer vergessenen Holzschüssel gewachsener Pilz, da war wohl ein Stück Teig vergessen. Durchmesser ca. 20 cm. Nur das Bild konserviert die Erinnerung und die Assoziationen.

Mir geht die Privatisierung der Gesellschaft in den vielen Kommentaren der Medien – Kommentare zu covid und zum Lockdown, in diesem Fall, in ihrer Eindimensionalität auf die Nerven. Vom Kirchenbfunk bis zum Essay bespricht man wohlwollend die positive Seite der Situation, dass die Menschen nun mehr Zeit, ausreichend Zeit für ihre nähere und nächste Umgebung etc. haben. So, wie ich das im ersten Absatz beschrieben habe. „Serendipity“, ungewollter. Unerwarteter Gewinn aus der Situation, oder einfach Nachholen dessen, was nun bloßgelegt wird, aber auch in „normalen Zeiten“ richtig gewesen wäre?

*

Ich nehme die beiden Bilder zum Anlass, einen gegenläufigen Gedanken zu verfolgen. Die so genannte Welt, also auch Geopolitik und ein Stück Raumfahrt und Konflikte – Afghanistan, Israel, Syrien… und Naturkatastrophen, Vulkanausbrüche…und milliardenschwere Beziehungskrisen, Gates etc. umgeben uns. Nicht anders als vorher, aber verschieden davon. Man hat den eindruck, wenn man sich nicht dagegen wehrt, wird man stärker denn je zum empfangsgerät, zur Satellitenschüssel, eines Weltberichts. Dessen Grundlage hätte ja sein können, dass wir eingreifen wollen, dass wir mit unseren Kommentaren aktivieren können, dass wir Politik machen können…und was bleibt un sjetzt vielfach: nachzudenken, was am uns entgegen Gebrachten wahr und zutreffend ist, was man tun sollte. Der Gegeneinwand: aber es geschieht doch so viel um dich herum…Parteitage, Rassismusdiskurse, ministerielle Lügen und Programmkorrekturen, große und kleine Verbrechen…ich sollte vielleicht schreiben: ES GESCHIEHT SO VIEL, und der EIGENE ANTEIL muss neu justiert werden.

Es geschieht eine Art virtueller Vergesellschaftung, geometrisch könnte man das beschreiben mit der selektiven Aussendung von Urteilen und Wahrnehmungen aus einer individualisierten Mitte heraus. Und dann kam mir ein gänzlich unkorrekter Gedanke: nicht viel anders müssen politische, kritische Köpfe in Gebieten der Zensur und Unterdrückung viel von der Welt wahrnehmen. Es wird einem klargemacht, was die Öffnung der Kontakte für Risiken birgt, hier weniger rabiat als dort, das macht schon einen Unterschied. Hongkong.

*

Was hat das mit meinen schönen Zufallsbildern zu tun? Nichts. Aber das Nichts ist auch Etwas, hat schon Ernst Bloch gesagt. Ich wäre z.B. in anderen Zeiten nicht auf die Idee gekommen, diese Wahrnehmungen im Blog mitzuteilen, sondern eher im Tagebuch und in Briefen, oder ich hätte es nach kurzer Zeit vergessen, so wichtig ist das nun nicht. Diese objektive Bedeutungsarmut der Erzählung vom Zeitverbringen dringt in unsere individuellen Gewohnheiten ein. Dabei geht es nicht nur um das persönliche Erleben, sondern um die steilere These, dass mit diesem etwas auch wieder Gesellschaft in das private Leben hereinkommt, man sich also nicht komfortabel dauerhaft in seiner ausgepolsterten privaten Sphäre einrichten kann. Denn  beide Bilder zeigen das privilegiertere Leben unter den Umständen, dass gleichzteitig viele andere dazu wenig Anlass, Lust und Grund haben. Wie ich schon einmal schreib, sagte meine Tante immer: deine Sorgen möchte ich haben und das Geld von Rothschild.

*

Und man kann aus diesen beiden bildern, wie aus allen anderen kleinsten anlässen der aufmerksamkeit, die Linie zur Gesellschaft herstellen, sich sozusagen aus der individuellen Vereinzelung herausbegeben – und lernt sich sozial kennen, durch Wissen oder Schnittstellen zur Praxis.

Ein lang verstorbener guter Freund wandte immer mit großem erfolg und einigen ergebnissen,die entsubjektivierung bei allen Wahrnehmungen an, die ihm so unbterliefen – Auswahlkrierium war wohl nur was ihm auffiel nicht so sehr was ihn ohne dies interessierte.

Was erinnerte mich an eine Trüffel, oder war der Pilz nicht einer Morchel näher? Wäre es eine Trüffel, sie würde unsagbar viel kosten, und wäre so wertvoll, dass eine Küche allein mit diesem riesengewinn nichts anfangen könnte. So, wie Kollegen von mir vor mehr als 30 Jahren einen besonders guten Fang einer sehr großen Trüffel gemacht hatten und dann, beim auspacken und anschneiden merkten – sie war verdorben. Aus der Überlistung der scheinbar Überlisteten kann man auch einige politische Ökonomie beziehen. Aber warum ist die Trüffel so begehrt zur Verfeinerung von speisen – die Geschichte des Geschmacks wäre hier so naheliegend wie die Preisbildung von Leckerbissen. Aber das war ja nur ein großer Schimmelpilz. Schon, ja, aber wie konnte der so groß werden. Wegen Corona. Wir hatten lange keine Gäste, die uns die große Salatschüssel aus Olivernholz hätten hervorholen lassen, da hatte der Nährboden des Schwammes schon seine Ruhe zu reifen. Unter den hunderten Bildern im Internet habe ich nicht eines gefunden, das meinem Schwamm auch nur ähnlich sah. Trüffel, Morchel, Lorchel nicht…in meiner Schüssel wuchs ein Kunstwerk bis gestern heran, dann wurde es entdeckt, fotografiert und vernichtet. Vielleicht habe ich Wissenschaft damit um eine Entdeckung gebracht, oder mich vor einer Vergiftung mit Sporen geschützt, oder es war eine Halluzination…das Muster ließe sich in der Modebranche sicher verwerten? Gar eine Halluzination, die durch den Pilz selbst hervorgerufen wurde. Würde ich nun meine persönlichen Nachforschungen über den Pilz, hätte ich sie überhaupt angestellt, hier mit fußnoten und verweisen anführen, dann wäre das ein Rekurs auf meine, persönliche und private, Position. Ich kann aber das Ganze auch einreihen in die Periode der Gästelosigkeit, der besonderen Werthaltigkeit seltener speisen, und in die Herstellung ästhetischer Analogien, die immer das Individuum überschreiten. Mich also vor der entgesellschaftlichung solcher einzelereignisse wappnen.

*

Ähnlich beim Stilleben der Erschöpfung. Wenn es bei vielen solcher Bilder, ohne Mensch darin, nicht Blumen, sondern Gegenstände sind, dann können aus ihrer künstlerischen und künstlichen Anordnung Schlüsse auf die Umgebung, Status, Habitus etc. gezogen werden. Hier ist das einfacher, Hund, Handy, Brille, Sportgerät und eine Broschüre über Geld geben einen momentanen Einblick, aus dem gerade nicht weitreichende Schlüsse auf Status und Habitus gezogen werden können – bis auf die bereits erwähnte Einbettung in eine privilegierte Situation in komplizierter, für viele dürftiger Zeit.

Zu diesem Augenblick sage ich nicht, er möge verweilen.

Nazifrage…im Keller

Was wir wissen: Herr DFB Keller hat gegen Herrn DFB Koch den Vergleich des letzteren mit Roland Freisler vorgebracht. Aufregung und Widerstand bei den meisten Funktionären, Rücktrittsforderungen und eine Flut von Medienkommentaren. Soweit ich die mitbekommen habe, wurde eine Frage nicht gestellt, jedenfalls nicht öffentlich: WARUM  hat Keller diesen Vergleich gezogen?

Nazivergleiche sind manchmal sinnvoll, notwendig, unangebracht, leichtfertig, skandalös…was davon zutrifft ist abhängig vom Kontext, von der Situation, und von der absehbaren oder nicht absehbaren Wirkung. Das VERBOT gegen diese wie alle anderen Vergleiche gibt es so wenig wie das Gebot, Nazivergleiche anzustellen, wo sie zutreffen –  man kann es trotzdem unterlassen.

Was jetzt geschieht, ist fatal, nicht nur weil es die Meinungsäußerung verschiebt, sondern weil im Wortsinn das Medium die Botschaft ist, und was dahinter steckt, interessiert niemanden, weil der DFB insgesamt in einer Krise steckt, seit Jahrzehnten.

Natürlich verwende ich auch personalisierte Nazivergleiche, und natürlich verurteile ich solche Vergleiche aufs schärfste – es kommt darauf an.

Und das wollen wir in diesem Fall schon wissen

Glaubt es nur…werdet schon sehen

Der große Satiriker ist das geliebte Stiefkind Gottes – sein Stiefkind, da es ihm nicht bestimmt ist,…die göttliche Liebe zu predigen, sondern den göttlichen Hass, und eben um des Opfers willen, immer wieder verkannt zu werden, besonders vom Schöpfer geliebt… „Witz und Glaube wurzeln beide im größten Kontrast. Denn einen größern als den zwischen Gott und Gottes Ebenbild gibt es nicht.“

Heinrich Fischer im Nachwort zu Karl Kraus: die letzten Tage der Menschheit, Fassung 1926, dtv 1964, S. 309)

Nicht jeder Witz ist gut, nicht jeder Witz wird verstanden. Das ist nicht das Gleiche.

Die Covidzahlen von

  • Indien, der Tod ist allgegenwärtig -https://www.tagesschau.de/ausland/asien/corona-indien-151.html
  • Brasilien, -https://www.dw.com/de/hunger-und-covid-19-pandemie-millionen-in-brasilien-leiden/av-57219356
  • auch bei uns, https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-karte-deutschland-101.html
  • vor allem die Sterblichkeit durch die Pandemie weltweit laden zur Empathie ein, zu zielgerichteten Spenden, zu politischer Unterstützung – und zu Widerspruch.

Die Toten beim ultraorthodoxen Lag ba Omer Fest in Israel desgleichen. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-massenpanik-101.html, https://zeitung.sueddeutsche.de/webapp/issue/sz/2021-05-03/page_2.467276/article_1.5281970/article.html

*

Daraus sollte man keine Satire machen – richtig, sagt der gute Mensch, es gibt Themen, über die lacht man nicht. Wer aber sagt, dass man bei Satire lacht, so wenig wie bei Ironie oder Pathos, die Geschwister der Satire.

Wenn ein indischer Minister die Hindugläubigen ermuntert, sich zu Millionen (!) massenhaft in Fluten des Ganges zu werfen, dann ist das Realsatire. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/hindu-fest-kumbh-mela-findet-ohne-corona-beschraenkungen-statt,SUYYgVM, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/hindu-fest-und-corona-in-indien-superspreader-ereignis-befuerchtet-17293445.html

Und Israel? „Laut israelischen Medien hatte sich Innenminister Aryeh Deri von der ultra-orthodoxen Schas-Partei dafür eingesetzt, alle Gläubigen auf das Gelände zu lassen. Und Amir Ohana, Minister für öffentliche Sicherheit von der Likud-Partei von Benjamin Netanyahu, erfüllte ihm diesen Wunsch.“ Und weiter: Ohana war Stunden vor der Katastrophe vor Ort. Er sah, wie voll es war. In israelischen Medien ist in diesen Tagen von einer Autonomie der Ultra-Orthodoxen die Rede. Der Staat schaue weg. Und Netanyahu, der wegen Korruption angeklagte Premier, unternehme nichts gegen die rechtsfreien Räume, weil er auf die ultra-orthodoxen Parteien angewiesen sei.

So sieht es auch Gilad Malach vom israelischen Institut für Demokratie: „Die Vorgaben in einem Stadion oder auf einem Rockfestival wären viel strenger gewesen. Dass der Staat mit zweierlei Maß misst, haben wir bereits in Sachen Corona gesehen…“ (Benjamin Hammer, og. Sendung) 

Die Haltung der Regierung ist wiederum Realsatire.

*

Der Staat, auch der liberale Rechtsstaat, schützt die Religion, die unter dem Deckmantel der Glaubensfreiheit navigiert. Religionsgemeinschaften sind keine Glaubensgemeinschaften, sondern politisch, genauer polit-ökonomische und politisch-kulturelle Interessenvertretung im Machtspiel. Das Ergebnis jeder durch Religionsausübung erfolgten Katastrophe ist für die Überlebenden und Funktionäre die Berufung auf einen Gott oder eine Göttin. Den Gestorbenen und ihren Angehörigen nützt das nichts.

Alle Ultra-Orthodoxen Bekenner sind Blasphemiker. Sie verdienen eigentlich keine Satire. Aber der letzte Satz in Karl Kraus‘ Drama des 1. Weltkriegs ist die Wahrheit:

Die Stimme Gottes: Ich habe es nicht gewollt.