Wir, „Wir“ ? und die „Anderen“ ?

Es ist schon sehr begründungsbedürftig, warum es dem Bund in der Coronakrise binnen weniger Tage gelingt, mehr als 170.000 Urlauber aus allen Teilen der Welt heimzufliegen und es zugleich nicht gelingt, die Geflüchteten auf Lesbos aus ihrer unerträglichen Situation zu befreien und nach Deutschland zu holen“, sagt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Sollte die Bundesregierung weiter untätig bleiben, will das Land in „eher Stunden als Tagen“ aktiv werden und gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen 500 bis 1.500 Menschen ausfliegen. 20.000 Geflüchtete sitzen aktuell auf Lesbos fest – unter unmenschlichsten Bedingungen. (Tagesspiegel online 31.3.2020)    

HÖRT NICHT AUF DAS ZU FORDERN – FLIEGT DIE FLÜCHTLINGE AUS LESBOS UND SAMOS AUS.

Das Verhalten Deutschlands ist alles andere als weitherzig und humanitär großzügig (die paar Kranken aus Italien und Frankreich zu versorgen ist gut – aber der Propagandawirbel um diese wenigen Maßnahmen entwertet sie angesichts dessen, was wir tun können und uns leisten können – keineswegs nur der Staat, auch Private und die Zivilgesellschaft, das oft beschworene „Wir“. .

<<Eigentlich wollte ich heute einen ganz anderen Blog schreiben, weit ab von Corona und der faschistoiden Machtergreifung von Viktor Orban und dem starren Schweigen der EU dazu…aber dann habe ich mich von der Aktualität selbst hinreissen lassen>>

Vieles ist ist unseren Nachbarländern und fast überall in der EU und fast weltweit ähnlich, fast nie eindeutig kopiert oder schlicht von außen aufgezwungen, und doch ist der Trend, sind die Zeitläufte nicht notwendig so, wie sie offenbar sind: eher zum Abbau von Demokratie, zur Einschränkung von Grundrechten und Freiheiten, zur Versammlung um Führer und Institutionen neigend als zum eigenen, verantwortungsbewussten und solidarischen Handeln. Nicht einfach der Staat wird wieder in eine mächtigere Position eingesetzt, sondern ein bestimmter Typus von Staat.

Dazu Yuval Harari: „Wer glaubt, dass Diktaturen besser mit dieser Art von Krisen umgehen können als Demokratien, liegt falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Eine gut informierte Bevölkerung, die versteht, was getan werden muss und die mit den Behörden freiwillig kooperiert, ermöglicht eine viel effizientere Abwehr als eine schlecht informierte Bevölkerung, die von der Polizei überwacht werden muss. Man kann ja nicht in jede Wohnung einen Polizisten abkommandieren, der kontrolliert, ob man die Hände gut genug wäscht.“ (Handelsblatt 1.4.2020)

Ein kluger Freund vom andern Ende der Welt schreibt mir: Es sei festzustellen, dass „die autoritären Reflexe bei uns noch funktionieren und viele Mitmenschen gar nicht genug Staat bei der Lösung der Probleme haben können“. Es geht dabei nicht um den Rechtsstaat, den Sozialstaat, den Versorgungsstaat oder den Gewährleistungsstaat, sondern um den Anordnungsstaat. Es geht vielen darum, dass Verantwortung von den Menschen abgezogen und höheren Instanzen zugesprochen wird, wo nicht Gott – der sich beharrlich weigert zugunsten von Menschen einzugreifen – so doch denen, die scheinbar legitim anordnen dürfen, was man auch genauso gut und genauso schnell verhandeln hätte können. (Das wird bestritten, mit dem Argument, dass erst wenn autoritär durchgegriffen wird, die Leute parieren; dreht die Logik um, dann wird ein Schuh draus: wir – in der übergroßen Mehrheit – wir, fast alle, würden den wichtigsten Maßnahmen, Intensivmedizin – Kontaktbeschränkung, Abstandhalten, Hygiene, Quarantäne für Infizierte oder unklare Fälle – ohnedies folgen, wenn diese Maßnahmen nicht im Duktus und der Rhetorik der Ausnahme erfolgen würden, sondern eben Ergebnis dessen sind, was wir von einer Regierung erwarten dürfen – dass sie regiert und das wäre Normalität und nicht Ausnahme. Dafür, dass eine Regierung handelt, muss man weder dankbar sein, noch ein quid pro quo nach dem andern geben). Ist aber nicht so: die Regierung hat jahrelang nicht gehandelt (in der Seuchenprävention nachweislich nicht seit 2012), sie hat weder bei den Flüchtlingen noch den Renten verantwortungsbewusst gehandelt, sie hat aber die Grenzen geschlossen (nicht die deutsche Regierung allein…aus Brüssel kommt nur fast nichts einigendes mehr).

Also, nochmals klar: wir, das sind die, die sich aus Vernunft und Einsicht so verhalten, wie die Fachleute empfehlen und der Staat anordnet. Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit.

(Ich kanns nicht abdrucken, weil es zu lang ist, aber lest das nach: Gesine Palmer: Über die Einsicht in die Notwendigkeit. DLF https://www.deutschlandfunkkultur.de/ueber-die-einsicht-in-die-notwendigkeit.1005.de.html?dram:article_id=224662#top Ein Text von 2012).

Und wer sind die Anderen? Die Seehofers, Kurz‘, vor allem die Orbans und Kaczynskis, bei uns in Europa (ich rede jetzt nicht von den Irren und Diktatoren in anderen Weltgegenden). Nein, bei uns in Europa. Und damit auch in Deutschland. Ein ganz und gar nicht einfacher Gedanke: die, die oben vom Freund zitiert, nach dem Staat lechzen – unterwerfungssüchtig oder autoritär- und die, die dem Staat sein republikanisches Recht geben, zu regieren nach den Regeln der Demokratie, – sind zwei Gruppen, die bei gleichen Handlungen unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wenn diese Krise – die Anlasskrise Corona – vorbei ist, fürchte ich, dass die Grenzen geschlossen bleiben, dass viele Einschränkungen von Rechten und Freiheiten weiter bestehen, und wenn die Flüchtlinge in Lesbos noch leben sollten, was wir wünschen, werden sie trotzdem im Elend des ungeschützten Verlassenseins von den Nationalisten in der EU behalten, als das Außen, das wir durch Schutz der Außengrenzen von uns, vom Innen fernhalten. Nochmals klar: ich sage nicht, dass ein Land alle Flüchtlinge aufnehmen muss, ich sage nicht, dass es nicht Regeln für die Rettung von Menschen geben muss, außer bei unmittelbarer lebensgefährlicher Not, ich sage nicht einmal, dass alle Geretteten bleiben müssen – Migration ist komplizierter – aber ich sage, dass die Menschenleben und ihre Verteilung auf alle Mitglieder der EU Vorrang vor allen nationalen Interessen, einschließlich des nationalen Vorrangs der Staatsbürger vor der Bürgerschaft in der EU, Citizenship, haben sollte. Bislang demonstriert man dies bei den LKWs, die sogar an der polnischen und ungarischen Grenze durchgewunken werden, um die Lieferketten nicht zu unterbrechen. 1994 hat Klaus Bade bei Beck das Manifest der 60: Deutschland und die Einwanderung herausgegeben. Seit damals spätestens kann niemand sagen, er wüsste nicht, worum es wirklich geht.

Die Ursachenkrise der EU ist auch eine Moral, der Kultur und der Menschlichkeit.

Wenn sich die meisten Reichen, Deutschland, Niederland, Österreich, gegen Eurobonds wehren, dann ist das hart an der Grenze von jener autoritären  Unterwerfung unter die Ökonomie, die bei denen, die ich oben als die Anderen bezeichnet habe, zur Unterwerfung unter den Staat führt. Wenn die Grenzen geschlossen bleiben, genauso.

Die Grenze zwischen Loyalität und Widerstand ist keine Berliner Mauer. Sie wird täglich neu gezogen.

Wenn das alles nicht wahr ist

Wenn ein Bahnwärter ruft: Lieber Eilzug, verschieb dich,
wenn die Köchin den Braten beschwört: Sei doch gar!
Wenn ein Jäger sagt: Häslein, ich schieß nicht, ergib dich!
Und wenn du immer wieder beteuerst: Ich lieb dich!
Das ist alles nicht wahr, das ist alles nicht wahr,
das ist alles gar nicht wahr.

Georg Kreisler 1958

Was sein wird, wenn die Kurve abflacht und wir wieder mehr Kontakte haben dürfen, wenn die Alten stärker abgeschottet werden als die arbeitsfähigen Menschen unter 65, wenn die Wirtschaft boomt, um die Verluste aufzuholen, wenn die Krisengewinnler, die es massenhaft gibt, sich weigern, nachzuzahlen und ihre Extra-Profite zu vergesellschaften, wenn die in der Krise Beschädigten und Verarmten ihre Nachkriegszeit erleben und einen Wiederaufbau ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Status machen müssen, dann aber im Stich gelassen werden vom Staat – wir haben genug getan – und von den weniger betroffenen Überlebenden – wir müssen doch wieder aufbauen, was abgebrochen worden ist.

was also dann sein wird, ist schwer abzusehen. Wenn andere Konstellationen eintreten, als die die ich befürchte und vermute, ist auch nicht gesagt, ob sie sehr viel besser sein werden als dieses Szenario.

Zunächst schaut in die USA… (es gab vor 50 Jahren eine österreichische Satiresendung, da hieß es immer: In Österreich geht das ja nicht, aber bei uns in Bagdad…Heute würde niemand Bagdad sagen).

„March 28, 2020, 12:40 PM GMT+1 Jim Watson/AFP/Getty

Shortly after the U.S. death toll from the coronavirus pandemic reached 1,500 on Friday, President Donald Trump took to the podium at a White House press briefing and complained that certain state’s governors  are not “appreciative” enough of the federal government’s help—so much so that he said he’d told Vice President Mike Pence, the leader of the coronavirus task force, to skip calling governors of some hard-hit areas. Trump singled out the Democratic leaders of Washington and Michigan, noting that he had advised Pence not to call them as the healthcare crisis plagues their states and people fall sick and die. “He calls all the governors,” Trump said. “I tell him, I mean, I’m a different type of person. I say Mike, don’t call the governor of Washington, you’re wasting your time with him. Don’t call the woman in Michigan.” 

“If they don’t treat you right, I don’t call,” Trump said.  Michigan’s health department is reporting 3,657 COVID-19 cases and 92 deaths. In Washington, there have been 3,700 cases, according to the state, and 175 deaths.  “We have done a hell of a job,” Trump said. “The federal government has really stepped up.” Trump’s message to governors was that he wants “them to be appreciative.” (https://news.yahoo.com/trump-says-told-pence-ignore-233921228.html?.tsrc=daily_mail&uh_test=1_04) 29.3.2020”

Ja, Dankbarkeit erwarten manche, zB. für die Schönfärberei vor drei Wochen, wie gut Deutschland gerüstet sei…Und für die hunderten Milliarden, die in deutsche Wirtschaft gesteckt werden, und in den Ausblick, wie wir handeln werden, wenn die Kontaktsperre gelockert und die Wirtschaft wieder angekurbelt sein würde…Di mi quando, di mi when…

Zur Zeit

  • Zahlen auch die reichen Großunternehmen keine Miete mehr (adidas u.a.)
  • Setzen die betrügerischen Abrechnungskriminellen bei der Altenpflege munter ihr Handwerk fort (DLF 28.3.2020)
  • Muss man mit Vorständen großer Unternehmen verhandeln, um sie zur Rücknahme von Boni und überhöhter Gehälter zu bewegen (verhandeln, da kann man nichts anordnen, Freiheit!)
  • Schaut man bei den Flüchtlingen weg; als potenzielle Landarbeitskräfte spielt man sie gegen ausgesperrte Saisonarbeiter aus, soll die Landwirtschaft doch verrecken, in drei Monaten können wir ja wieder importieren…
  • Haben die Nationalisten hohe Zeit (die Grenzschließungen sind ja nicht nur Seehofers und anderer „Deutscher“ Erfindungen, da machen ja Faschisten, Anti-EU Politiker und sonstige Autoritäre in und außerhalb der EU mit. Ohne jeden Effekt, die Hauptsache, das Virus beeinträchtigt den Warenfluss nicht – das ist Dialektik. Dass dabei wertvolle Polizeitätigkeit schwer behindert wird, schert den Innenminister nicht)
  • Wir nicht europäisch, sondern deutsch gedacht: jetzt will Minister Altmayer eine deutsche Pharmaindustrie wieder nach Deutschland holen. Wenn man europäisch hilft, will man „appreciation“, siehe oben.
  • Haben die Versicherheitlichungs-Fanatiker hohe Zeit (ich hab den vertrottelten Begriff nicht erfunden, der ist offiziell im Jargon gelagert): man hat ja gute Vorbilder. Bitte lest alle den Zusammenhang zwischen innerer Sicherheit und Sozialsystem: Julia Friedrichs und Andreas Spinrath: Alibaba überall (ZEIT Magazin #14, 26.3.2020) über die vollständige Steuerung der Menschen durch Überwachung…nicht hier, aber bei uns in China.
  • Denkt man zwar über die Zeit nach dem Ende der Restriktionen nach, aber nicht darüber, wie Art 14 des Grundgesetzes und die Grundrechte wieder in ihre Normalform – Freiheit und Solidarität – zurückgeführt werden können.

Ach jammern Sie doch nicht, die machen das doch alle so gut sie können…von Trump lernen, heißt vielleicht den Ausnahmezustand ausnutzen lernen. Aber das wollen wir doch nicht, wirBürgerinnen und Bürger, die sich an die Anordnungen des Staates ja halten (Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung). Das ist weder dankbar noch widerwillig, aber auch das muss von den Regierenden verstanden werden.

Warum ist es so schwer einzusehen, dass es nicht um Corona geht. Die Seuche ist ein Anlass, aber nicht die Ursache des Umsteuerns.

Einerseits, ich wiederhole mich gern, sind die Ursachen Klima, Hunger, Umwelt, Armut, Krieg und Flucht; anderseits treffen die Folgen der Politik und die Bewältigung des Anlasses ja nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem unsere Zivilisation, die Kultur (nicht nur die großen Theater und Konzertsäle, sondern  hunderttausende Künstlerinnen und Künstler – die lt. Statistik jetzt noch ein Monatseinkommen von 1200 netto im Durchschnitt haben, Musikschulen, städtische Aufträge, und schlicht selbständige Kunstproduktion). Auch das ist zumindest ein EUROPÄISCHES Problem, wenn kein globales, und nicht nur ein deutsches.

Dass sich u.a. die Reichen, Deutschland, Österreich, die Niederlande gegen Coronabonds sperren, ist ein Zeichen denkfaulen Nationalismus, der Beifall der Nazis ist ihnen sicher (AfD, FPÖ etc.). Italy, Spain, France will not appreciate…

Die Millenials werden ärmer sein als wir. In Deutschland, Österreich etc. wird es noch eine Generation vor dem Klima-Zusammenbruch geben, wo man, verglichen mit dem Großteil der Erdoberfläche ziemlich sehr gut leben wird. Aber: Auch in dieser Zeit der Wohllebe wird es (hoffentlich gerechte) Einschnitte in diesen Wohlstand geben (ohne die Hamsterkäufe des nationalistischen Kleinbürgertums. Dieser Zusammenhang muss schon klar werden, dass die Raffgier der randständigen Mitte auch gesellschaftlich etwas von dem „Deutsche zuerst“ an sich hat).

Nachtrag 30.3.2020 Tagesspiegel online

Guten Morgen,

zu den vielgelesenen Büchern dieser Tage zählt „Die Pest“ von Albert Camus, 1947 veröffentlicht. Manches darin klingt erschreckend aktuell – hier ein Auszug (Rowohlt Verlag):

Breitet sich die Epidemie zu schnell aus?“, fragte Rambert.

Rieux sagte, das sei es nicht, die statistische Kurve steige sogar weniger schnell an. Nur seien die Mittel gegen die Pest einfach nicht ausreichend.

Es fehlt uns an Material“, sagte er. „In allen Armeen der Welt wird der Mangel an Material im Allgemeinen durch Menschen ersetzt. Aber uns fehlt es hier auch an Menschen.“

Es sind doch Ärzte und Sanitätspersonal von außen gekommen.“

Ja“, sagte Rieux. „Zehn Ärzte und etwa hundert Mann. Es ist scheinbar viel. Es ist kaum genug für den gegenwärtigen Stand der Krankheit. Es wird unzureichend sein, wenn die Epidemie um sich greift.“

Soviel zu und von Albert Camus. Es gibt tatsächliche viele Gründe zur Besorgnis, aber es wird auch viel dafür getan, dass es nicht zum Schlimmsten kommt – politisch und gesellschaftlich. Alles in allem ist es beeindruckend, wie solidarisch und verständnisvoll die Berlinerinnen und Berliner mit der Situation umgehen – und vor allem miteinander. Trotz alledem.

Na endlich!

Manchmal komme ich mir arrogant vor, wenn ich ein Thema zwei Tage vor der Medien-Verbreitung selbst angreife (weil ich Zeit habe, kein Gegenlesen durch eine Redaktion brauche, die Zensur nicht fürchte und – ich bin). Jetzt freue ich mich mehrfach: Kurt Kister hat in seiner wöchentlichen SZ-Rubrik das Decameron aufgenommen und sehr lebensnah ausgelegt. Und mein dauerndes Beklagen, wie wenig Corona – Panik oder Ignoranz – mit den wichtigen mittel- und langfristigen Zeilen gesellschaftlicher Veränderung in Verbindung gebracht wird – Klima vor allem – hat der prominenteste Klimaforscher unseres Landes, John Schellnhuber, aufgegriffen:

+++ Pressemitteilung +++

Generationengerechtigkeit auch beim Klimaschutz

(Berlin, 26. März 2020) Der Bundesverband Geothermie unterstützt den Appell von Hans Joachim Schellnhuber zur Einführung eines Klima-Corona-Vertrags. Der Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hatte am Donnerstag in der Frankfurter Rundschau gefordert, auch bei der Bekämpfung des Klimawandels Generationengerechtigkeit walten zu lassen. Der Präsident des Bundesverbandes Geothermie, Dr. Erwin Knapek, verweist zudem auf die ökonomischen Chancen der Energiewende.

Statement des BVG-Präsidenten Dr. Erwin Knapek:

„Professor Schellnhuber trifft absolut ins Schwarze. Die exponentiell nach oben gehenden Zahlen der Corona-Patienten erinnern mich täglich an die ähnlich exponentiell verlaufende Kurve der anthropogenen CO2-Emissionen, die weitgehend unterschätzt bereits Klimakrisen in einigen Regionen der Erde hervorrufen und ebenfalls Menschenleben kosten.

Wir müssen den jungen Menschen dankbar sein, dass sie Rücksicht auf die älteren und durch Corona gefährdeten Menschen nehmen. Sie erdulden nicht nur deutliche Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung, sondern auch Einbußen beim Verdienst, Kurzarbeit und Existenzsorgen. Im Gegenzug zu dieser Solidarität können sich ältere Menschen damit revanchieren, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um den jungen Menschen ein lebenswertes Weltklima zu hinterlassen. Auch hier wird Verzicht nötig sein. Doch die Chancen sind weitaus größer. Gerade Deutschland als rohstoffarmes Land kann davon profitieren, dass Energieimporte ersetzt, regionale Wertschöpfung gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Klima-Corona-Vertrag kann Generationen näher zusammenbringen und so auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.“

Wörtlich hatte Professor Schellnhuber der Frankfurter Rundschau im Interview gesagt:

 „Mir schwebt eine Art ‘Klima-Corona-Vertrag‘ vor, der insbesondere das Verhältnis der Generationen zueinander symbolisiert. Derzeit wird sehr zu Recht von den jüngeren Teilen der Bevölkerung Solidarität mit den Älteren eingefordert, die ja viel stärker durch das Virus gefährdet sind. Umgekehrt sollten die Älteren beim Klima Solidarität mit den Jüngeren üben, denn Letztere werden die Folgen der Erderhitzung in ihrem Leben viel stärker spüren. Die Solidarität muss also wechselseitig sein.“

Quelle: https://www.fr.de/wissen/coronavirus-klima-niemand-ueber-positiven-klimaeffekt-freuen-klimaforscher-schellnhuber-13615225.html 

Dem ist nur hinzuzufügen, dass wir es sind, wir alle, die politischen Druck und wenn nötig Widerstand gegen die überholte Ökonomisierung der aktuen Krise ausüben müssen, wenn wir wollen, dass etwas geschieht, das uns nicht nur die Krise normalisiert, sondern ihre vorgebliche Überwindung in ein paar Wochen die Politik nicht in die Klimapassivität zurücksinken lässt.

Solidarisch UND kritisch – eine Momentaufnahme

Ja so ein Räuscherl is mir lieber als wiara Krankheit, wiara Fieber.

(Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, IV/13)

Der Kontext betrifft auch die täglich wiederholte, und UNSINNIGE Aussage, „seit dem Zweiten Weltkrieg“ oder „wir sind im Krieg“, (Vgl. auch https://books.google.de/books?id=EDs7DwAAQBAJ&pg=PT438&lpg=PT438&dq=A+so+a+R%C3%A4uscherl,+das+ist+mir+lieber+-+Karl+Kraus+Die+letzten+Tage&source=bl&ots=iOj86ToahG&sig=ACfU3U2dLCN5vBWbHs5l3NqnYsVYXQMrqA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjj66z2qbXoAhUPuaQKHcPOBrQQ6AEwBXoECAwQAQ#v=onepage&q=A%20so%20a%20R%C3%A4uscherl%2C%20das%20ist%20mir%20lieber%20-%20Karl%20Kraus%20Die%20letzten%20Tage&f=false). Der Hinweis ist so lang und tut mir leid, aber der Kontext dieses Verses ist erhellend. Die Kriegsmetapher ist so unpassend wie kaum etwas anderes.

Manchmal ist man gerne Österreicher.

Aber im Ernst: es gibt auch hier in Deutschland Bemühungen („das wird noch ein paar Tage/Wochen dauern“) Materialien zu beschaffen. Aber die Konkretheit der Erfolge, wie in Österreich, lässt auf sich warten. Und natürlich hätte man selber gern eine Maske, wenn man in eine Arztpraxis geht, und dort im auf ein Rezept warten muss – zum Beispiel.

Ikea Österreich hat heute 50.000 chirurgische Schutzmasken gespendet. 20.000 gingen an die Salzburger Landeskliniken SALK, 30.000 Stück an die Wiener Ärztekammer für die niedergelassenen Ärzte. Die Masken stammen aus den Beständen, die während der Vorbereitung auf die Vogelgrippe vor mehr als zehn Jahren beschafft worden waren.

Mehr dazu in wien.ORF.at
In Wien-Schwechat sind heute Nachmittag zwei AUA-Maschinen aus China gelandet, die 130 Tonnen Schutzausrüstung an Bord hatten. Das Material soll morgen von einem zivilen Frächter in Begleitung von Polizei und Militärpolizei nach Tirol und in weiterer Folge teilweise zur Grenze nach Südtirol gebracht werden, wo es den italienischen Behörden übergeben wird. (Orf.at)
Was bedeutet das, wenn Russland und China helfen, während andere verhandeln, um die nationalen Rechte (auch innerhalb der EU) nicht einzuschränken?

Aber da gibt es auch Parallelen zum Altreich:

Klopapierproduktion rund um die Uhr

Die Ausnahmesituation führt bei vielen zu Hamsterkäufen, besonders Toilettenpapier ist gefragt. Um die gestiegene Nachfrage bedienen zu können, laufen die Maschinen beim Hygienepapierhersteller Essity in Ortmann in Niederösterreich auf Hochtouren.Mehr dazu in noe.ORF.at

In Österreich arbeiten jetzt die Staatsanwaltschaften gegen die Verursacher der Katastrophe von Tirol. Mehr als hoffen kann man noch nicht…


Aber auch: Eine Medienmeldung:

Wir haben Menschen gefragt, warum sie tonnenweise Klopapier kaufen

„Wenn du glaubst, dass die Welt untergeht, warum brauchst du dafür einen sauberen Arsch?“ (ich vermute, damit man im Paradies sauber ankommt… MD)

von Eddy Lim16 März 2020, 5:03pm Ein Virus, das die Atemwege befällt, bringt das öffentliche Leben nach und nach zum Erliegen. Was tun die Menschen? Sie horten Klopapier. Und das nicht nur in Dresden, sondern auf der ganzen Welt. In Duisburg kam es wieder zu handfesten Streitereien in einer Drogerie, aus Hongkong gibt es Berichte über bewaffnete Klopapier-Räuber, in Japan werden Klopapierrollen auf öffentlichen Toiletten nach Diebstählen jetzt mit einer Kette gesichert.

Keine Fake-News, nur etwas verschleiert:* aus einem Krankenhaus wurden Atemmasken und Handschuhe entwendet* Ärzte mussten eine Maske für zwei Personen verwenden* es fehlt in Kliniken an Schutzanzügen* getestet wird oft nicht Symptomen und Risikogruppen, sondern nach Vorhandensein von Test-Kits
…Kann ja sein, dass es irgendwo nicht klappt, weil man nicht vorbereitet war. (Keine Verallgemeinerung von Schuld-Zuweisung, eher Systemkritik). Warum  eigentlich? Report Mainz (ARD:  24.3.2020) berichtet, dass man seit 2012 eigentlich hätte vorbreiten müssen und können, und dass wirkungsvolle Arzneimittel – die in Deutschland mit öffentlichen Geldern erforscht werden – ohne staatliche Förderung bei der Umsetzung  in Pharmaprodukte bleiben – da greifen andere von außen zu.

Und Nächstenliebe im Alltag:

Mangelware : Jägermeister liefert Alkohol für Desinfektionsmittel

Pflegekräfte schlagen Alarm: Sie fühlen sich in Zeiten des Coronavirus nicht gut genug geschützt, vor allem Masken fehlen. Für Widerspruch sorgt eine Empfehlung des RKI, Masken mehrfach zu verwenden.

Von Edgar Verheyen, SWR (25.3.2020)

Nun ist man bekanntlich hinterher klüger. Aber vollmundig vorher die Vorbereitungen zu loben, ist politisch falsch, teilweise offensichtlich gelogen und untergräbt langfristig das Vertrauen:

Klare Pandemiepläne – Spahn zu Coronavirus: „Wir sind gut vorbereitet“

Datum:27.01.2020 15:07 Uhr ZDF ist noch in der Mediathek aufrufbar:  Klare Pandemiepläne zu Coronavirus: „Wir sind gut vorbereitet“, sagt Minister Spahn

*

Dass man viele Maßnahmen (des Staates“, der Behörden, anderer Autoritäten) gutheisst und befolgt, bedeutet nicht, dass die Kritik der Unterwerfung geopfert werden darf. Sowenig, wie die individuellen Hamsterkäufe irgendeine Rechtfertigung erfahren dürfen, sowenig darf das beruhigende Reden als alternativlose Therapie gegen Panik einfach hingenommen werden.

(Dass und was man „alles richtig macht, bis es zu spät ist“, zeigen die Beispiele Ischgl und St. Christoph in Tirol, an letzterem Ort waren viele Ärzte mitbeteiligt).

Trump ist verrückt und gefährlich. Aber er versteht es, Notbremsen publikumswirksam zu ziehen. Wenn er jetzt Südkorea um Hilfe bittet, ist das wirtschaftlich begründet und wahrscheinlich notwendig, weil die USA mit ihrem maroden Sozialsystem gar nicht anders können. Wir müssen es ihm nicht nachmachen, aber wir können das was gut läuft UND das was schlecht läuft und gefährlich ist, für unsere Verhältnisse besser kommunizieren.

Ich habe diese Sachen gesammelt, weil ich mit all diesen Ansichten ohnedies nicht allein bin und die Medien ein wenig aus der Duldungsstarre erwachen.

Die Ausgangssperre hat wenig mit der Einschränkung von Freiheit zu tun, sie ist sinnvoll und wird eingehalten.  Unscharfe Ränder gibts immer. Andere Probleme sind wirklich gefährlicher: In vielen Ländern nutzen autoritäre Politiker die Krise zum Abbau von Demokratie, Beispiel Ungarn, und Tendenzen gilt es bei uns zu begegnen (die Grenzregime sind zT überflüssig, zum Teil lösen sie  jetzt nationalistisch ein, was sie noch vor zwei Monaten nur gegen erhebliche Widerstände geschafft hätten) und was die sinnvolle Lockerung bestehender wirtschaftlicher Regulierung bedeutet, so ist ihr Rückbau jetzt zu planen, und nicht erst zu verhandln, wenn wieder alles ruhig und normal scheint. Da scheinen mir viele Freiheiten und soziale Errungenschaften tatsächlich gefährdet.

Für mich das Wichtigste kann vielleicht eine echte Wende bedeuten. Es ist nicht schwer, erhebliche Kredite und Finanzsicherungen jenseits der schuldenbremse und der Verschuldungsgrenzen zu erwirken – weil es schnell gehen muss und weil man sich sorgt, dass nach der Krise der Absturz erst wirklich erfolgt. Das ist weitgehend richtig. Und jetzt nehmt die gleichen Argumente und macht bei den Klimamaßnahmen genauso ernst, denn das muss auch schnell gehen, wenn euch das Überleben eurer Enkel und Urenkel lieb. Ich denke nicht, dass für Deutschland Klimaneutralität bis 2030 oder 2035 mehr als 600 Milliarden € kosten wird – das ist der heute beschlossene „Schirm“…
Und für die Gesundheit kann man auch noch vorsorgen, die meisten Pläne hat man in der Lade…immerhin.

Freiheit bleibt

Was für ein Unsinn. Noch „nie seit dem Zweiten Weltkrieg hätte es so schwere Eingriffe in die persönliche Freiheit gegeben…“ so oder so ähnlich tönt es rund um die Uhr aus den Medien. Und was das mit den Menschen macht bzw. machen wird, und wie man es wieder zurückfahren kann, wenn die Krise vorbei sein wird, und wann das geschieht.

Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Das ist ein vielfach verwendeter und gewendeter Satz von Hegel, dessen Auslegung einem die Stunden in Quarantäne vertreibt. Man kann z.B. die Vorrede zur Philosophie des Rechts von 1820 lesen, da steht viel vom Verhältnis zum Staat in diesem Kontext und zur Vernunft. Man muss aber nicht…

Täglich, rund um die Uhr, werden die durch Ausgangssperre und Bewegungseinschränkung und Kontaktbegrenzung bewirkten Folgen beschrieben, erklärt, interpretiert. Wer sich an die Erlasse des Staates nicht hält oder sie scharf kritisiert oder auch nur öffentlich bezweifelt, wird als unmoralischer Mensch, Leichtfuß, unsolidarisch und gefährlich gebrandmarkt, als ob für die allermeisten ein Nichtbefolgen durch Wenige oder Einzelne der geltenden Anordnungen – außer bei nachweislicher Unkenntnis – den Kampf gegen die Krise nachhaltig schädigen würde. Dabei reichen Information und Strafandrohung offensichtlich. Und all das hat wenig mit Freiheit zu tun, ein paar Grundfreiheiten werden nicht genommen, sondern eingeschränkt, ein paar unsinnige Maßnahmen allerdings gefährden Autorität und Glaubwürdigkeit der anordnenden Exekutive, aber alles in allem ist der Vergleich mit Zweiten Weltkrieg, das heißt: mit der Nazizeit, oder auch anderer Diktaturen eine ungehörige, freche Analogie.

Ein kluger Freund vergleicht die Ausgangssperre dann doch mit der Verdunklung während der Bombenangriffe. Das ist konkret, das ist richtig, und wer sich daran nicht hält, gefährdet in der Tat andere (nicht viele, die halten sich ja an die Beschränkungen) und sich selbst.

Unsere Meinungsfreiheit ist nicht geringsten  durch die staatlichen Maßnahmen beschränkt, sie leidet höchstens durch die Art der Rezeption von Informationen;  man muss nicht alles glauben, was in den Medien verbreitet wird, und man muss auf die Politik schauen, und nicht nur auf die Wissenschaft. Die Autorität der beiden ist ja unterschiedlich:

„Ich sehe meinen Job nicht darin, die Wahrheit zu verkürzen, sondern darin, die Aspekte der Wahrheit zu erklären, aber auch Unsicherheiten zuzulassen und zu sagen: Das weiß man so nicht – und dass dann eine politische Entscheidung nötig ist. Und solange es als politische Entscheidung kommuniziert wird, finde ich das in Ordnung.“ Das sagt Christian Drosten[1], den ich für eine Autorität in der Wissenschaft halte und anerkenne, zu Recht fordert er von der Politik beides, Handeln und Erklärung. Ersteres funktioniert ziemlich gut, letzteres weniger. „Ziemlich“ gutes Handeln bedeutet, dass es immer noch Nebenschauplätze (partikuläre Interessen, nicht nur ökonomische) oder Vernachlässigung anderer überlebenswichtiger Bereiche gibt (Klima, Kriegseinsätze, Hunger, Flüchtlinge, Zensur etc.). Aber das kann man überwinden. Die Kommunikation aus der Politik zu den Menschen im Land ist vielfach defizient. Unwillentlich, zugegeben, wir die Krise zur Normalität hochgeredet, und zwar zur Normalisierung des Ausnahmezustands. Da kommt es auf jedes Wort, jeden Begriff an. Es wird u.a. diskutiert (DLF 222.3.2020), dass man Bewegungsbeschränkungen anordnen soll/werde,  aber den Begriff „Ausgangssperre“ vermeiden, weil er falsche Befürchtungen und Assoziationen auslöse. Zu spät…Und die klare Ansage fehlt, dass die Wirkung einer Verlangsamung der Ausbreitung des Virus nur sein kann, ab einem bestimmten Zeitpunkt das Virus als normal – weil irgendwie beherrschbar – zu behandeln, also genügend Kapazität  zur Intensivtherapie für die dann weniger, aber kontinuierlich vorhandenen Fälle zu haben. Dann wird es wieder normal,  Kinder gehen zur Schule, Arbeitskräfte kehren an den Arbeitsplatz zurück, Restaurants sind offen – und Menschen stecken sich weiterhin in einer bestimmten Größenordnung an. Das ist nicht lustig oder beruhigend, weil es ja schwere und schwerste Fälle und Sterbefälle geben wird, nur nicht so viele, aber für einen langen Zeitraum.  Dann darf natürlich der Ausnahmezustand nicht mehr gelten, und darauf bereitet uns die Politik nicht vor. Das aber können die Wissenschaftler nicht, weil sie eine andere Autorität haben, soziales Handeln zu regulieren. Wenn die Politik das ziemlich richtig macht, ist das nicht angenehm, d’accord, aber doch kein Eingriff in die Freiheit…verharmlost nicht die Zwangssituation der Diktatur, die das Virus instrumentalisiert um ihre Herrschaft zu legitimieren!

Noch etwas, indirekt hängt es zusammen: China und jetzt auch Russland  helfen direkt und unmittelbar den Italienern. Die EU hat noch immer keinen europäischen einheitlichen Rahmen gefunden, oder wie ein deutscher MdEP gestern im Ersten sagte: Die Gesundheit bleibt Ländersache…China und Russland haben vielfältige Motive so zu handeln, aber die ethnozentrische Häme gegenüber anderen Ländern, denen es schlechter geht, soll der Kommentierung im Hals stecken bleiben. Drosten: Handeln und Kommentieren. Handeln heißt: EU weit, europäisch handeln. Kommentieren: es geht nicht um Deutsche, es geht um Menschen. Und dabei nicht vergessen, dass an den Außengrenzen tausende Hilfsbedürftige darauf warten, weiter leben zu dürfen mit unserer Hilfe.

P.S. Zur Zeit schreibe ich an einem Essay zur derzeitigen politischen Rhetorik. Susan Sontags aufregender Essay von 1978 sollte wieder aufgerufen werden: New York Review of Books:

“Nothing is more punitive than to give a disease a meaning—that meaning being invariably a moralistic one,” wrote Susan Sontag.

We published her essay Disease as Political Metaphor in our February 23, 1978 issue. As we grapple with a global health crisis, it’s hard not to look for meaning in the pandemic. We’ve unlocked Sontag’s essay for subscribers and non-subscribers to revisit her essential perspective on illness. 

“The medieval experience of the plague was firmly tied to notions of moral pollution, and people invariably looked for a scapegoat external to the stricken community. (Massacres of Jews in unprecedented numbers took place everywhere in plague-stricken Europe of 1347-1348, then virtually stopped as soon as the plague receded.) With the modern diseases, the scapegoat is not so easily separated from the patient. But much as these diseases


[1] https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-03/christian-drosten-coronavirus-pandemie-deutschland-virologe-charite 20.3.2020

Im Schatten der blauen Blume

Mi son alzato
O bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Una mattina mi son alzato
E ho trovato l’invasor

O partigiano, portami via

Ché mi sento di morir

E se io muoio da partigiano

Tu mi devi seppellir

E seppellire lassù in montagna
Sotto l’ombra di un bel fior

Quelle: LyricFind

In diesen Tagen spricht man viel von Lebensgefahr und Sterbensgefahr. Oder man spricht so auffällig NICHT davon, dass die andern wissen, man denkt gerade daran.

Beschwörungen der realen Gefahr nützen nichts, die Risiken sind klar benannt und man könnte sich den Problemen zuwenden, die durch das Virus nur verdeckt sind. CoVid ist eine schöne Blume, in deren Schatten so manche Politik begraben wird, nachdem sie gestorben ist, ich sags ja Klima, Flüchtlinge, Diktaturen.

In den 68ern hat uns der Kitsch von Bella ciao durchaus ernste Momente im Geist durchleben lassen, wenn und wie wir als oder wie Partisanen oder Guerilleros unter den schönen Blumen begraben werden, nachdem uns die Schöne (Bella) dorthin verfrachtet hat, Begräbnis halber. Wenn ich als Partisan sterbe, soll mich die angesungene Schöne begraben.

Nun binich kein Partisan mehr, und wenn ich mit meinem Hund durch den Park gehe, sehe zu Frühlingsbeginn hunderttausende blauer Stiefmütterchen, in deren Schatten bestenfalls ein kleines Virus mit Familie begraben werden kann. Ach so, allegorisch…ein Freund hatte mir dazu den Endvers von Matthias Beltz übermittelt:

Parmesan und Partisan, wo sind sie geblieben?

Partisan und Parmesan, beide sind zerrieben.

Es lohnt, Bella ciao bei Wikipedia genauer nachzulesen. https://de.wikipedia.org/wiki/Bella_ciao

Da ist auch eine deutsche Übersetzung, die schmerzt, weil ein altes italienisches Arbeiterlied auf Italienisch umgedichtet werden kann, aber in unserer Sprache eher nicht…Die Aufmerksamkeit des begrabenen Widerstandskämpfers wird von den Grabpassanten geweckt, die Blume ist schön, aber wer liegt denn da?  Beim Begräbnis des von mir geschätzten Dario Fo (2016) wurde das Lied wieder einmal gespielt, und Hit ist es geblieben.

Habe ich in diesen viralen Zeiten nichts Besseres zu tun als mich der Bella zu erinnern, ciao ciao? Eigentlich nicht. Denn so deutlich wird die Differenz zwischen dem Tod als Konstruktion aller Heldenlegenden und dem Sterben eines Co-Partisanen selten unterschieden. Gestorben für die Freiheit…wenigstens für die Freiheit der Erinnerung an den Kampf um sie, und dazu brauchte es immer Partisanen. Widerstand spielt sich nicht am Brett ab. Widerstand wurde und wird regelmäßig zerrieben, wenn sich die Kontrahenten zu einer höheren Sache zusammenschließen (Oder wenn eine Partei zerrieben wurde und nicht mehr existiert). 

Was aber die höhere Sache ist? Verhalten – Widerstand nachdem man in gebührendem Abstand zum Mitmenschen sich die Hände gewaschen hat und den Nachbarn nicht anniest. Falsch geraten: dies ist nicht ironisch, sondern eine Beschreibung der Bedingung von politischem und ethischen Widerstand: nur wer sich so verhält wie beschrieben, darf wieder an Widerstand denken. So kommt das Höhere in die Niederungen unseres jetzigen Lebens.

Finis terrae XXXIII: Apokalypse – now and again

Wer meint, ich mache Panik, irrt. Lest die heutige Titelseite der ZEIT 13, 19.3.2020. Caterina Lobenstein: Die Zeit läuft ab.

Deutschland nimmt keine Flüchtlinge mehr auf. (DLF ab 16 Uhr, 18.3.2020)

Seehofer & seine geschichtsvergessenen Kollegen stehen fest auf dem Boden der Bleichen Mutter Deutschland.

Und wer gibt den Vorwand? Corona.

Wie beschränkt muss man eigentlich sein, um der Argumentation von Seehofer und dem BAMF zu folgen: weil andere Länder ihre Grenzen dicht gemacht hätten, kämen ohnedies kaum mehr Flüchtlinge im Zuge des Resettlement-Abkommens. (Womit man ein unmoralisches Ziel Dank eines zeitgerechten Virus billig erreicht hätte).

Nur Deutschland hält seine Grenzen vernünftigerweise offen… Natürlich nicht, jetzt hätte es auch keinen Sinn mehr. Wie ich im letzten Blog sagte: diese Politik zerstört Europa (die solidarische Seuchenbekämpfung KANN man organisieren; das Leben von Flüchtlingen RETTEN hat eine kürzere Halbwertzeit. Mal schauen, was die Innenpolitiker und Nationalisten machen, wenn die akute Krise vorbei ist…

Dem Virus sind Grenzen und völkische Beschränkungen egal, den Flüchtlingen nicht.

Das alles an einem Tag, wo die Rhetorik der Bundesregierung wieder einmal gegen Rechts ausholt. Klar, verbal kostet das nichts, und die Spitzen der Eisberge ins Gefängnis abzuschmelzen lässt genügend Raum darunter, die Volkssele zu befriedigen.

Gerade weil Corona eine echte Krise bedeutet, gerade deshalb, müssen die wirklichen Probleme – die ja keine Krisen sind, sondern Zustände, weltweit und in manchen Regionen besonders, nicht durch den Alarmismus der immer gleichen Beschwörungen verdeckt werden.

Schon rücken Polen, Tschechien und andere vom Green Deal ab, – dabei ist der ohnedies etwas schmal.

Schon erwarten die Hilfsorganisationen, dass Corona jetzt – ab jetzt – in den Flüchtlingslagern in Griechenland zuschlägt; aber zwischen dem NATO Partner Erdögan, der gemästet wird wie ein Kapaun, und dem NATO Partner Griechenland, das den Weg anderer rechtsradikaler EU Mitglieder geht, werden tausende Flüchtlinge an den Rand des Todes getrieben. Auch von Deutschland. Vom Innenminister und vom Außenminister. Erdögan wird nachgeben, jetzt erhält er mehr Geld.

*

Ich wollte mich ja in die Coronadiskussion nicht mehr einschalten, außer vielleicht satirisch, weil das andere kompetenter und genauer tun. Aber das Leben derer, die meinen, bei uns besser überleben zu können, ist mir wichtiger als jede Loyalitätsbekundung an die Regierung in Zeiten der Krise.

Merkel hat ja gut geredet gestern. Aber wenn es ihr um MENSCHEN geht, um jeden einzelnen Menschen, dann sind die, die zu uns kommen wollen – manche müssen – auch dabei.

*

Warum Apokalypse? Die Situation offenbart eine gewisse Stagnation der menschlichen Evolution und damit ihrer ethischen Voraussetzungen zur Bewältigung dieser und kommender Krisen. Wartet mal, bis der Sommer uns wieder austrocknet und  die Klimakatstrophe merh Flüchtlinge auf den Weg schickt…Grenzen sind etwas für Beschränkte, in dieser Hinsicht wenigstens.

Grenzen ruinieren Europa

Ich bin nicht der Erste, dem das einfällt:

Wo ist das Europa, das schützt?

Im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie lassen EU-Länder die Schlagbäume herunter. Dabei könnte eine europäische Antwort viel effektiver sein als diese Kleinstaaterei.

Ein Kommentar von Ulrich Ladurner, Brüssel, und weiter: „Die Bürger wollten ein starkes Europa, das sich gegen seine Feinde wehren kann, die Feinde im Inneren wie im Äußern. Dann breitet sich das Coronavirus aus, und es schützt nicht Europa, sondern der Nationalstaat – das wird jedenfalls mit den Grenzschließungen jedenfalls suggeriert. Wie erfolgreich wird diese praktizierte Kleinstaaterei im Kampf gegen Corona sein?

Wir wissen es nicht. Früher oder später wird das Virus unter Kontrolle gebracht werden. Natürlich werden diejenigen, die die Schlagbäume niedergehen ließen, sagen: Es waren die Schlagbäume. Gewissheit werden wir darüber nicht haben können. In diesen Tagen sehen wir mit wachsendem Entsetzen, dass Europa schwach ist.“ ZEIT Online 2020/03/17)“.

Recht hat er, wie so oft. Aber dahinter steckt leider noch mehr:

Und das gedemütigte Italien leidet zu Recht unter Deutschland:

Matthias Rüb in der FAZ (19.3.2020):

Den tiefsten Schock verursachte aber der Entschluss Berlins, verstärkte Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, Frankreich und der Schweiz vorzunehmen. Der Leitartikel der linksliberalen, europafreundlichen Tageszeitung „La Repubblica“ vom Montag trägt den Titel „Es war einmal ein Europa“. Darin heißt es unter anderem: „Den Entschluss, die Schengen-Grenzen zu schließen, hat Berlin im Alleingang gefasst, nach Maßgabe einer nationalen Logik. Er wurde nicht mit den Partnern besprochen, er wurde nicht auf die Außengrenzen des Schengen-Raumes begrenzt. Stattdessen zog man es vor, den eigenen Grenzzaun Stück für Stück hochzuziehen, um die unruhig gewordenen Wähler zu besänftigen.“ Derweil erhalte Italien medizinische Hilfe von „den klugen Chinesen statt von den zaghaften europäischen Freunden“. Das Virus habe „die Heucheleien zerfressen“. Es bleibe nur noch „Rhetorik“, schreibt die Zeitung.

NATIONALISTEN NUTZEN DAS VIRUS

Das ist keineswegs übertrieben: Schneller als erwartet käme das Problem der Außengrenzen der EU in ein sinnvolles Licht, wenn es nicht gegen Flüchtlinge und andere Menschen geht, sondern um eine koordinierte Maßnahme zur Verlangsamung der Ausbreitung des Virus. Hier aber kommt der übelste NATIONALISMUS, diese Mischung aus lokaler Beschränktheit und planmäßiger Zerstörung der Idee und der Wirklichkeit von Europa zum tragen.

Ohne CoVid zu verharmlosen: WAS BEWIRKEN DIE GRENZKONTROLLEN?

  1. Nichts
  2. Die Bundespolizei wird von ihren wichtigen Aufgaben abgezogen, weil sie die Einreise des Virus weder erkennen noch stoppen kann (Vgl. dazu die richtigen Aussagen von Fiedler, dem Chef der Bundespolizeigewerkschaft, DLF 17.3. 17.15)
  3. Die Deutschen werden zurückgeholt, egal, ob sie infiziert sind oder nicht; die meisten andern müssen „draußen“ bleiben. (Da andere Länder das auch so machen, gibt es eine Kaskade von Draußen-Draußen…bis zu den elenden Lagern, wo die Menschen mit unserer Politik verrecken, in Hunger Not und meist ohne das Virus…noch ohne das Virus. Jedenfalls haben die andere Sorgen. Und die EU ist nicht in der Lage 5000 Kindern zu helfen).
  4. Der Nationalismus wird gestärkt. Beeindruckend, wie die hilflosen Uniformträger sich an echten Menschen an den Grenzen vergreifen: was wollen Sie in Deutschland? Einkaufen – gibt’s nicht. Tourismus – gibt’s nicht. Geht Sie nichts an – gibt’s nicht. Pendeln und Kommerz gibt’s schon. Husten Sie die LKW-Fahrer nicht an! Das ist keine Vorsichtsmaßnahme, sondern ein Akt der nationalistischen Entsolidarisierung mit den Ankommenden, die weniger gut gerüstet sind. AfD, Seehofer, Deutschnationale: – Ursachenforschung, WARUM diese Ankommenden weniger gut gerüstet sind, können wir später machen. Es geht um das Jetzt und Hier, nicht nowhere sondern Now Here.
  5. Die rechte antieuropäische Front wird gestärkt – das ist NICHT NUR Seehofer, das sind die Regierungen etlicher europäischer Länder, die endlich einmal nicht europäisch sein müssen. Ausdrücklich: Nur Italien und Spanien müssen hier anders, ganz anders, gesehen und behandelt werden. Ladurner greift auch das auf und richtig.
  6. Im übrigen. Wer, infiziert oder noch nicht, die Grenze passieren will, kann das ohnedies tun (es gibt keine dichten Grenzen mehr, außer man schießt: das wird man nicht ohne weiteres tun), nur nicht zwischen Griechenland und der Türkei – das haben wir mit zu verantworten. Die Loyalität und Glaubwürdigkeit auch unseres Staates IN EUROPA UND IN DER EUROPÄISCHEN UNION wird beschädigt. Das ist schon deshalb schade, weil viele Maßnahmen, Kontakteinschränkungen usw. durchaus sinnvoll sind und wir – von Steinmeier bis Merkel bis zu den Nachbarn mehr gegen die rasche Ausbreitung des Virus tun als manche Landespolitiker, die sich Zeit für etwas lassen, was sie nicht mehr kontrollieren können.
  7.  Das GRENZREGIME gehört NICHT zu den SINNVOLLEN POLITIKEN, DIE GLOBALE REISEWARNUNG SCHON.

Wir müssen nicht nur Schengen wieder herstellen,  sondern noch mehr für EUROPA tun und weniger für die Deutschen, Österreicher, Tschechen, Franzosen….NUR WENN WIR WIRKLICH WIE und ALS EUROPÄER HANDELN, können wir die gewünschten Effekte zur Seuchenbekämpfung erzielen.

Gegen die Markttrottel

Auch wenn es zunächst so aussieht, dies wird kein Blog über Corona. Es fängt nur so an:

Die bisherigen Maßnahmen offenbaren eine weitere Tücke von Sars-CoV-2: Je erfolgreicher der Kampf gegen die Krankheit ist, desto länger wird er dauern. Stoppen lässt sich Corona nicht mehr. Das Ziel ist es, die Kurve flach zu halten, also die Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten unter der Kapazitätsgrenze der Intensivmedizin zu halten – Betten und Beatmungsgeräte sind nicht unbegrenzt verfügbar. Die Virusverbreitung zu verlangsamen, bedeutet deshalb auch, sie zu verlängern. Welche Folgen das für das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben hat, lässt sich nur ahnen„. (Tagesspiegel online 16.3.2020).

Mit einem Wort, der Prozess der NORMALISIERUNG einer anwesenden Krankheit, gegen die allmählich Therapien entwickelt werden, hat eingesetzt (HIV, Grippe und viele andere Infektionskrankheiten haben sich so normalisiert).

Noch ein Zitat:

„In einer globalen Krise wie der aktuellen Coronakrise müsse es eine Zusammenarbeit geben und nicht einen neuen Egoismus, sagte FDP-Chef Christian Lindner im Dlf zu Berichten, dass sich die USA einen Impfstoff exklusiv sichern wollten. So etwas verbiete sich, da dürfe keiner auf den eigenen kleinen Vorteil schauen“. (15.3.2020, DLF, FDP Lindner im Gespräch mit Klaus Remme).

Ausgerechnet Lindner, der sonst jede Einschränkung der Märkte bekämpft, wird plötzlich moralisch. Und die Wirtschaft leidet ja wirklich.  Der Staat als Stützstrumpf für die Unternehmen ist plötzlich wieder gefragt und anerkannt. Weg von der Pandemie, hin zur Weltpolitik:

Dass die wirklichen Probleme der Menschheit – Klima, Hunger, Krieg, Menschenrechte, Asyl, Umwelt – in den Hintergrund gedrängt werden, ändert auch das diskursive und kommunikative Verhalten der Menschen. Nicht klar ist, in welche Richtung, das ist eigentlich eine gute Botschaft. Die Aktivierung von Politik-Bewusstsein, Empathie, Wertekorrektur usw. kann Solidarität, kollektives Handlungsbe- wusstsein, Öffentlichkeit bewirken, – oder einen lange Zeit ungeahnten Nationalismus,  Abschottung etc. Hier liegt ein Paradox: einerseits muss man – das ist evident, aber nicht leicht zu machen – die globalen Lieferketten unterbrechen, diversifizieren, die Auslagerung von aufwändiger Produktion in Billiglohnländer zu regulieren;  andererseits muss man den globale Solidarität mit den Menschen in armen Ländern und die Hilfe für Menschen in schwächer ausgebauten Gesundheitssystemen stärken, und das betrifft Corona bestenfalls als Exemplar, aber nicht für die oben genannten wirklichen Probleme.

Die Markttrotteln kommen an nicht an ihre Grenzen, sondern an unsere. Gegenstrategien sind in der Tat global, also lokal. Glokaler Humanismus ist keine ganz neue Perspektive, im Gegenteil. Aber er reibt sich an den verinselten lokalen Egoismen oder an nationalistischen Begründungen – so einfach wie der Seehofer die Grenzschließungen darstellt, ist es eben nicht (und man muss sich gegen Gemeinheiten wappnen, wenn man das wagt).  Womit ich sage, dass oft nicht die Maßnahme, sondern ihre Begründung wirklich Verhaltensänderung bewirken kann und soll.

Wenn den Italienern nicht geholfen wird (kein Export von Schutzmasken, kein Eingriff in die kriminellen Budgetraubritter etc.), geht es nicht um die Pandemie (die alten Menschen in diesem Land werden bis auf weiteres hohe Mortalität zeigen). Sondern es ist ein Hinweis auf Systemprobleme innerhalb der EU, und die müsste man jetzt stärken und politisieren – endlich.

Markttrotteln wie Trump und seine kleinen Adepten hier wie dort sind Gegner, keine vom Weg abweichenden Verbündete. Das ist wichtig, weil die hohle globale Ordnung immer weniger als Kulisse unserer Selbstbeschreibungen taugt.  Früher hätte man nach Revolutionen gerufen, heute haftet diesem Begriff so wenig Hoffnung wie dem Gegenbegriff Reformismus; es ist wichtiger, die Politik daran auszurichten, was wirklich wichtig istKlima, Hunger, Krieg, Menschenrechte, Asyl, Umwelt – dann und nur dann werden wir auch bei CoVid19 und den nächsten Pandemien präventiv und sicher überleben.

Freitag 13. März überstanden

O Ihr Abergläubischen! Am Freitag, dem 13….rasseln die Aktienkurse weiter den Bach hinunter, verlässt noch ein Regierungsmitglied hustend die Sitzung, ist niemand daheim, wenn ich nach Hause komme; am Freitag, 13.3. gilt, was ich schon die letzten Tage beobachtet habe. Dass nämlich nichts gilt, wenn es nicht mit dem Coronavirus zu tun hat.

Lest bitte noch einmal den Blog VERGESSEN VERDRÄNGT VERGEIGT und den früheren VerFLUCHT.

*

Seehofer, wenn auch auf dem Weg zur letzten Ruhe, bringt es auf den Punkt: (Mehrfach in den Nachrichten am 11. Und 12.3. zitiert).

„Erst Ordnung schaffen, dann Humanität“

Wenn der Satz nicht so dumm wäre, dann könnte man ihn an das aufblühende Kabarett verkaufen, oder an Frau Ministerin Lamprecht, die gerade das Strafgesetz von unmöglichen Formulierungen reinigt – danke. Seehofer hat natürlich ganz pragmatisch recht: Ordnung wird an der türkisch-griechischen Grenze und  auf Lesbos und Samos in einigen Monaten, vielleicht Jahren geschaffen werden; das bedeutet, dass Humanität sich durchaus schon an einigen Punkten ereignen kann, bevor die Ordnung nachhaltig wird: man kann vorher um erfrorene oder verhungerte Kinder trauern, man kann auch von EU Grenzposten, griechischen und türkischen Grenzsicherungen be- und gehinderte Flüchtlinge unter Druck setzen, sich in die Sicherheit ihrer ehemals verlassenen Heimat zu begeben („so schlimm wird es schon nicht gewesen sein…und wenn: so schlimm wird es nicht wieder werden, verglichen mit dem da hier“). Demographisch war das natürlich auch ein guter Punkt : nachdem die germanische Zeugungskraft in Deutschland nachlässt, soll man die der zu uns kommenden Migranten nicht künstlich hoch halten. Obwohl, da wir grad mit dem lieben Erdögan wieder verhandeln,  würde die Visafreiheit ungefähr so viele türkische Nichtdeutsche bringen, wie durch die Flüchtlingsbekämpfung Deutschland nicht erreichen. Vielleicht können wir auch ungarische Abschreckungslager finanzieren? Oder dem Drängen der Nazis von der FPÖ nachgeben und endlich auf Flüchtlinge schießen lassen? Ordnung muss sein. Dann aber, ja dann aber sollte doch die Humanität zu ihrem Recht kommen.

  • Viele europäische Länder haben sich bereit erklärt, vor allem unbegleitete Kinder, Kranke, Frauen und Alte (Vorsicht: Corona!) aufzunehmen. Das kann innerhalb von 24 Stunden geschehen und würde viele deutsche
  • Ordnungskräfte einer sinnvollen und würden Ausgleichstätigkeit zuführen, wenn nötig, mit der Gewalt staatlicher Verordnungen.
  • Sollten sich zum Zeitpunkt des Beginns der Humanität noch amerikanische Staatsbürger auf unserem geheiligten Boden befinden, sind dieser einer unentgeltlichen Pflege und – Hilfsarbeit von mindestens einer Woche zuzuführen; sie sind dabei ordentlich zu ernähren. Den Rückflug in die USA müssen sie sich durch öffentlich kontrollierte humanitäre Hilfsarbeiten natürlich selbst verdienen, es gilt aber der Mindestlohn;
  • Jede deutsche Familie soll einen arischen Ausländer oder eine Ausländerin bei sich aufnehmen, dafür sind die deutschblütigen Kinder und Enkel bei der Grenzkontrolle dienstverpflichten, sollen erst einmal arabisch oder Suaheli lernen, die germanischen Gfraster;
  • Kochkurse für Immigranten und Asylsuchende werden auch empfohlen, am besten bei den heimischen Schützenvereinen, dann hängt das Wild nicht so lange herum;
  • mir fällt noch mehr ein, aber….

SO LUSTIG WIE SEEHOFERS SPRUCH SIND MEINE MÜDEN WITZE NOCH LANG: Wenn er sich auf sein Ressort konzentrierte, Heimat, dann könnte er dem Coronavirus den Grenzübertritt außerhalb des Schengenraums verbieten, aus Polen nur getaufte und aus Ungarn nur paprizierte Virusarten über Grenze lassen und amerikanische Varianten auf die Basis Rammstein konzentrieren. Aber sein blöder Satz bleibt leider bestehen.

Die EU schafft zur Zeit weder Ordnung noch Humanität

Damit meine ich zweierlei:

1) die lächerliche Unfähigkeit, aus Angst vor dem rechten Pack auch nur 5000 Kinder innerhalb von fünf Tagen einreisen zu lassen und auf zivilisierte Länder in der EU zu verteilen. Sieg der AfD – und des Seehoferschen Ordnungsgedankens.  Hängt noch mehr Kreuze in den Amtsstuben auf und schickt den Überschuss an Kruzifixen  in die Flüchtlingslager, dort gibt es noch Residuen des Glaubens an einen – ?Gott?

2) die ebenso gefährliche wie achtlose Nichtpolitik gegenüber den großen Krisenherden, die neue Flüchtlingswellen produzieren werden – Afghanistan vor allem, nicht nur der Syrienkrieg, die politisch Verfolgten  im erneuerten Verhandlungspartnerland Türkei…die Regierungen tun so wenig, dass man fast von Nichts sprechen kann.

Man muss die EU erneuern … gerade jetzt, wo man sich die Hysteriker durch ihre Panik vor Corona vom Leib halten kann. (Nicht, dass ich das Virus unterschätzte oder die Konflikte daraus klein redete. Aber wenn der Möchtegernkanzlerkandidat Scholz prahlt, wir hätten so viel Geld im Überfluss, dass wir von Banken bis hin zu den Menschen alle Folgen des Virus ausgleichen können, dann bleibt doch mehr übrig für 5000 Kinder als die Brosamen…und das gilt für die zivilisierteren Mitgliedsländer der EU auch.

Die EU jetzt erneuern? Gar nicht so schwierig, weil vieles besser funktioniert als in den meisten „National“staaten. Aber wenn es um die vom Röschen dauernd beschworenen Werte geht, empfehle ich einmal nachzulesen, was Umberto Eco 2012 zum Jubiläum des Vertrags von Nimwegen gesagt hatte:

„Im Verlauf unseres gemeinsamen Krieges gegen die Intoleranz muss es möglich sein, jederzeit zwischen Tolerablem und Intolerablem zu unterscheiden (Anmerkung MD: das geschieht gegenüber vielen Regimen innerhalb der EU und in unserem Land nicht), Es muss möglich sein zu entscheiden, wie wir einen neue Pluralität von Werten  und Gewohnheiten und Gewohnheiten akzeptieren können, ohne dabei auf das Beste unseres europäischen Erbes zu verzichten (Anmerkung MD: Das hatten wir uns nach 1989 vorgenommen, und jetzt schaut an die unmenschlichen Grenzen und die Toleranz gegenüber dem neuen Faschismus in und außerhalb der EU)“ (Umberto Eco:Der ewige Faschismus, München 2020, S. 66)

Glaubt ihr, wir schaffen das?