„Deutschland ist für mich im Sinkflug unterwegs, ein Absteigerland“ , sagt Günther Oettinger, und der ist von der CDU. Schöne Begriffsbildung, immerhin.
Eine Demokratie, die sich nicht demokratisch weiterentwickelt, bleibt keine. Das ist mit solchen Triggerworten so, wie Antifaschismus, Solidarität, Wohlstand…Immer wieder, nicht nur viel früher, gibt es Niedergangsideologien, manchmal Mythen. Oswald Spengler ist nur ein berühmtes Beispiel. Viele folgten, klügere und dümmere. In allen steckte eine kleine Wahrheit: nichts kann so bleiben, wie es gerade ist, bzw. wie es gerade wahrgenommen wird.
Dass Deutschland innerhalb Europas abrutscht, gehört zum üblichen kapitalistischen Wettbewerb. Dass deutsche Qualität keine Selbstverständlichkeit, kann man erklären. Dass das Bildungswesen klassenspezifisch schlecht ist und nachlässt, dass Verkehr, Versicherungen, Geszundheitswesen, Digitalisierung etc. typisch UNDEUTSCH sind, ist der Arroganz des gepäppelten Nachkriegslandes mit geschuldet, das wirklich meint, sehr viel sei auf eigene Leistung zurückzuführen, und nicht auf vielfältige Abhängigkeit.
Ich schreibe das als Doppelstaatsbürger. Als „Deutscher“, der meist hier wohnt, halte ich mich an Gesetze und die Regeln allgemeinen Verkehrs, aber nicht mit Kritik zurück, und schon gar nicht mit der Differenz zu Österreich, das ich als „Österreicher“ genauso, vielleicht schärfer, kritisiere. Dies ist wichtig, weil Deutschland weniger Jagd auf Nestbeschmutzer frönt als vielmehr ein schwer durchschaubares Selbstbewusstsein entwickelt hat, bei dem vieles – wie etwa die Folgen des Absturzes von öffentlicher Leistung an Bürgerinnen und Bürger, – schlicht ausgeklammert wird. Über Österreich ein andermal, nicht weniger kritisch, aber doch ganz anders.
Zurück zum deutschen Abgang, der kein Niedergang ist, sondern endlich auf das Plateau herabsinkt, wo „man“, gemessen an der globalen Machtverteilung und an den verschiedenen Wirkungsradien hingehört. Das ist eine Konstruktion, keine ideologische oder gar ethnische Forderung. Warum ich das heute schreibe: wenn ich an den verheerenden Einfluss der neoliberalen Betonköpfe Lindner und Wissing denke, wenn ich Frau Faesers Mitwirkung an der Abwehr hilfsbedürftiger Menschen nicht verstehen, gar billigen kann, wenn ich das Festhalten am Föderalismus bei gesamtstaatlichen Agenden – Bildung, Kriminalität, Gesundheit, Digitalisierung – für anachronistischen Irrsinn halte, dann wirft das auch kein gutes Licht auf mich, ich weiß. In diesen Tagen wüte ich, weil nur eines die an sich zerstrittenen Sektionen eint: das Bashing der Grünen, die Blindheit gegenüber Menschenrechten und Klima, und die Dummheit eines längst überwunden gegalubten staatlichen Selbstverständnisses. Ob es der Sportwagentaumler Lindner oder der cumex schweigende Scholz oder der faschistoide Aiwanger oder… sind, alle dürfen alles, solange sich nichts wesentliches ändert. Erinnert mich an Lampedusa im „Leopoarden“: „Man muss die Dinge ändern, damit sie die gleichen bleiben“.
Das heißt überhaupt nicht, dass alles falsch oder ungenügend ist. Das hat es nie geheißen, und dass es besser ist als unter der SPDCSUCDUGlocke bestreite ich nicht. Aber „besser“ heißt nicht, dass die kritische Marke der Änderung erreicht wäre. Das Bessere im Schlechten ist nur ungenügend. Das bedeutet auch den Aufschwung der Neonazis, teilweise unterstützt von den zerfallenden Linksradikalen, weil sich diese Extreme ganz notwendig beim Kampf gegen das System treffen müssen. Der Kampf gegen die AfD bleibt ein Narrativ, zeigt sich aber nicht im Handeln, das nicht nur die Bedürfnisse von Menschen erreicht, sondern ihnen auch Grenzen setzt, die der Pöbel eben nicht überschreiten darf, indem man ihn gewähren lässt, gar durch Grundrechte geschützt. Wozu, frage ich euch, hat man denn beides: einen Staat, um das zu veranlassen, und eine Zivilgesellschaft, um das durchzusetzen?
Dieser Zustand erinnert an vergangene Tage, wo die außerparlamentarische Opposition sich mit Wahrheiten der institutionalisierten Wirklichkeit gegenüberstellte. Oft Unrecht hat bzw. Unrecht tat, aber diese Wirklichkeit auch für so, SO, nicht tragbar erscheinen ließ.
Natürlich haben sich Mittel und Umstände gegenüber damals geändert. Natürlich ist die innenpolitische Konfrontation kein Kampfgebiet. Aber nicht nur die AfD neigt hier dazu, das Wort „noch“ einzufügen. .
PS: Zur Flüchtlingspolitik: man lässt hunderte Geflüchtete im Mittelmeer absaufen und biedert sich den Autokraten an, aber für 5 Verrückte in einem Titanic Uboot wird die Weltmacht aktiviert.
P.S. Was die Nähe zu den faschistoiden Populisten belegt, sind Aussagen des Urdeutschen Generalsekretärs der FDP: „FDP-Generalsekretär Djir-Sarai warnt vor „Gefahren von Sicherheitsrisiken“ im Afghanistan-Aufnahmeprogramm. Er sagt, wie er Pull-Faktoren für Migranten abschaffen würde und drängt die Grünen, endlich der Einstufung Moldaus und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten zuzustimmen.“ (21.5.2023). Man sollte ihm eine geistige Erholung in Afghanistan widmen, oder ihn in Moldau im russisch dominierten Raubgebiet als Berichterstatter installieren.