Schlechte Laune hilft dem Feind

Man kann sich natürlich ärgern. Aber das ist nicht förderlich der Kritik, die sich besser nicht auf Gefühle stützt. Wenn man den Irrsinn von Rütte, von der Leyen und Ben Ali in Tunesien gegen Zentralafrikanische Flüchtlinge wahrnimmt, dann sind Emotionen vielleicht eine Abschwächung dieses Irrsinns: mit unserem europäischen Geld die Misshandlung von Flüchtlingen fördern, nur damit sie nicht zu uns kommen…das födert nur die Ablehnung der EU durch die AfD und es fördert die Politikverdrossenheit der Kleinbürger, die nicht über den Tellerrand ihrer Vorurteile hinausschauen. „Ruhig Blut!“ reicht natürlich nicht, aber die Ärgerkaskaden sind für politische Aktionen auch nicht hilfreich. Man muss eben nicht nur ein Beispiel als Anlass für Ärger erkennen, sondern wissen, dass es sehr viele gibt, und das eigene Nervennetzwerk da gar nicht mitkommt.

Reg dich nicht auf! Natürlich regen wir uns auf, aber die Übung in zurückhaltender Kommunikation kann schon hilfreich sein. Wenn, ja wenn man etwas zu sagen hat und nicht nur daherredet. Zu sagen hat man etwas, wenn dahinter Macht steht oder vielleicht ein Verhandlungsangebot oder vielleicht eine Überzeugung, die andere mitreißt. Das ist die richtige Taktik nicht nur der Fridays for Future, sondern auch von Annalena Baerbock. Deren Außenpolitik zeigt auch dort Wirkung, wo sie nicht unmittelbaren Effekt hat, zB. im UN Sicherheitsrat. Soweit können mir wahrscheinlich viele folgen. Aber ich gehe einen Schritt weiter. Ich würde mich nicht an die Straße oder an Bilderrahmen kleben, aber ich täte mir nicht leicht mit der Begründung, warum ich diesen Protest nicht mit mache. Denn die Reaktionen darauf rechtfertigen, was man an sich nicht mitmachen würde. Darüber können Ethiker, Philosophen und Journalisten monatelang diskutieren. Aber wir können das abkürzen: was sich in den Attacken des Pöbels auf die Klimakleber und im Inhalt seiner Beschimpfungen offenbart, geht nicht nur in die AfD hinein, sondern oft über sie hinaus. Klar, dass die Aktionen für viele, auch anscheinend unschuldige Menschen unangenehm, gar hinderlich sind. Ich sage „anscheinend“, denn als Mitglieder dieser Gesellschaft sind wir alle, ausnahmslos, selbst bei fortschrittlich-kritischen Positionen, in der Wirklichkeit des Klimasterbens mitgefangen. Nur können wir, anders als die Kleber, politisch dagegen halten, wir können, nicht wir tun es alle.

Ich habe Annalena Baerbock da eingefügt, es geht ja nicht nur um Klima, es geht auch um Krieg und Konflikt, es geht um Hunger, es geht um Freiheit. Aus ihren Worten hörte man zurecht ZORN, aber nicht Ärger. Natürlich muss man zornig sein, wenn man die Diktatoren und Menschenschänder nicht fortwünschen und wegdenken kann. Darum geht es, sich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen und weg von Eigentlichkeit. Eigentlich ist die EU demokratisch und menschenrechtlich vorbildhaft, eigentlich ist friedliche Kooperation besser als Konfrontation, eigentlich … Aber wenn es keine durchsetzbaren Wahrheiten gibt und man mit den Henkern sogar verhandeln muss, um selbst handeln zu können, dann kann man vielleicht sogar den Zorn zeigen, aber nicht den Ärger, denn der bietet eine Angriffsfläche.

Die Übung besteht darin, die morgendlichen DLF Nachrichten anzuhören und sich nicht so zu ärgern, dass man sie gleich wieder abdreht. Genauso: man kann bestimmte Politiker durchaus und mit recht verachten, aber das kann man ihnen nur zeigen, indem man sich gerade nicht über sie ärgert, so wichtig sind sie ja nicht, wenn man sie verachten kann.

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