Morgens, um 6.30, im feuchten Gras des Parks. der Hund freut sich, es ist kühl, sie kann sich wälzen und es riecht an jeder Ecke nach der Löwin – nein, nach dem Wildschwein, oder nur nach dem Reh, oder gar nur dem Waschbären, vielleicht nach dem Dachs. So geht man, trifft so gut wie keine Menschen, nur ein paar Jogger. Aber selbst die bellt mein Hund heute nicht an. Abseits der Spazierwege gibt es unbearbeitete Pflanzeninseln, leicht sumpfig, Brennnesseln und Bodenefeu, keine Spuren von Raubtieren oder wilden Campern. Mitten in der Stadt, man muss nicht mit dem verspäteten Zug rausfahren oder sich chauffieren lassen, man steht also in keinem Stau. Ein schöner Sonntagmorgen. Mittlerweile ist es 7 Uhr, noch immer kaum Vogelstimmen, keine Stechmücken oder Gelsen, ein Schmetterling. Triumph der Glyphosatverbrecher, darf man sagen, auch wenn es Bayer und die Großchemie sind, auch wenn die EU es für gesund hält. Die Löwin würde ja nicht hierher gehören, aber die Insekten schon. Das Wildschwein ist ohnedies hier, zeigt sich aber nicht. Renaturierung, sagen manche. Das ist kein Plan, das erzählt man Kindern, so wie man ihnen früher Sagen und Märchen erzählt hat. Da war am ganzen Körper zerstochen. Da mussten wir aufpassen, weil im Gras doch einige Schlangen waren. Da hat mein Freund seine Vogelkunde praktisch werden lassen und erkannte mehr als fünf Arten an ihrem Gesang. Der Hund zieht mich ins Unterholz. Für sie riecht es meistens nach Fuchs. Die vermehren sich wie die Sperlinge wie die Krähen. Sagt ein Idiot: siehst du, die Natur stirbt ohnedies nicht, sie verändert sich nur.
Zu früh wieder zuhause, deshalb die Achtuhrnachrichten gehört. Schade. Kaum ist die Löwin weg, gehts wieder um die Wirklichkeit. Merz betet die AfD an, mit einem blasphemischen Gebet, das andere gar nicht brauchen. Sich mit Nazis beschäftigen, um ja nicht sich selbst auf den Prüfstand zu stellen. Jetzt aber bekomme ich widerspruch: Merz und alle andern, die zu Wort kommen, beten doch nicht die Nazis an, sie distanzieren sich. Ob ich das Wort nicht kenne? Liebe Leserin, lieber Leser: sie kennen doch die Worte Lebensgefahr und Todesgefahr. Sie bedeuten das Selbe, und wenn man sich mit Augumenten der AfD von der AfD distanziert, ist das so ähnlich.
Noch bevor heute Nacht Spanien auch faschistisch wird, sagt schnell, wo in Europa Faschisten nicht mitregieren oder an der schwelle zur Macht stehen. Das muss man nicht herbeibeten, sondern zunächst einmal nur zur Kenntnis nehmen. Die seit den 1920er Jahren ungebrochene faschistische Tradition haben einige Kluge, wirklich Kluge, auch darauf zurückgeführt, dass es keine ordentlichen und gescheiten Konservativen gibt. Das ist zu wichtig, als dass man Minderbemittelte und Gauner wieder ins schiefe Licht der Gegnerschaft rückt. (Lindner, Wissing, Linnemann, Aiwanger etc.), die wären noch fast bis 1933 nur reaktionär gewesen, und danach…Aber nehmt Merz ernst, gerade wenn man ihm NICHT folgt. Demokratie bedeutet, gewählte Neonazis in ihren Funktionen und Positionen nach den Regeln der Demokratie schalten und walten zu lassen. Auch Erdögan ist gewählt, auch Orban ist gewählt. Was in den deutschen Dörfern geschieht und nicht nur in einigen Bundesländern, nein, überall, setzt die Frage, wie eng man Demokratie sehen darf, auf die Tagesordnung. Nur wenn die Demokratie wächst, das heißt: mehr und genauere Ziele und deren Verwirklichung erreicht, muss sie sich davor drücken, AfD Repräsentanten NICHT agieren zu lassen. Und dabei kommt es nicht nur auf die Gerichte an. Da kommt es auf die Zivilgesellschaft, auf uns an, – jetzt sagen die Rechten, nicht nur in CSU und CDU, man will aber doch dem Volk in der Mitte Gehör verschaffen, endlich „Man“, das sind die Mitglieder der elitären Blasen, die erkennen, dass sie ohne die Unterstützung des Pöbels vielleicht nicht mehr lange in ihren Position sein würden, sondern durch die Originale ersetzt würden.
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Ich drehe die Nachrichten aus. An meinen Schuhen kleben noch Erd- und Pflanzenreste. den Hund muss ich auch bürsten.
Ihr kennt alle das Lied von der Moldau, von Brecht. In der Mitte heißt es
Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.
Wie man den Halt der Mächtigen bewirkt, ist nicht trivial. Dazu braucht man die Ruhe des Nachdenkens, des Körpers und wenigstens die Erinnerung an die Natur.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
Wenn wir die machen lassen, die die Nacht immer mehr verlängern wollen, dann wird der Tag auf sich warten lassen. In der Demokratie darf jeder reden. Aber wer nichts zu sagen hat, muss still sein.
Nachsatz:
Merz schließt Kooperation mit AfD auf kommunaler Ebene nicht aus
SZ 23. Juli 2023, 17:53 Uhr
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