Kaum ein Name besser geeignet für Wortspiele. Jacob Taubes, 1923-1987, reizt nicht nur dazu. Weile eine monumentale Biographie erschienen ist (Jerry Z. Muller: Professor der Apokalypse, Berlin 1922), haben mehrere intellektuelle Menschen ihre Ansichten und Erinnerungen an Jacob Taubes in einer Antwort auf die Frage: War Jacob Taubes ein Scharlatan? eingebracht (Ideengeschichte XVII/2, Sommer 2023, 105-122). Und ich reagiere darauf; die Biographie kaufe ich mir nicht.
Ich reagiere darauf, weil mich der Tabes fasziniert hatte, ich weiß nicht mehr warum. Weil ich ihn zweimal gesehen, gesprochen hatte, das muss früh in meiner Geschichte gewesen sein, einmal in Berlin und einmal bei einem Seminar im Allgäu. Mehr weiß ich da auch nicht mehr. Weil ich viel von seinem Gossip weiß, Frauengeschichten, Kontroversen, Freundschaften, Feindschaften, – steht alles auch in diesen Nachrufen zum 100er. Auch ein Grund zu reagieren, weil ich einige der Nachrufler persönlich kenne.
Ja, das taucht plötzlich eine Gestalt aus meiner Geschichte auf, und meine Erinnerung rekonstruiert natürlich einen Mosaikstein meines eigenen Lebens. Den Taubes habe ich gekannt, andere hätte ich gern gekannt, noch andere habe ich vergessen. Und was sich an Erzählungen um ihn rankt, das macht ihn nicht zum Scharlatabn, sondern erst einmal zu einer Besonderheit, einer Ausnahme.
Wie kann jemand auch mit Carl Schmitt, mit Armin Mohler zeitweise freundlichen Umgang gehabt haben? Nicht so schwierig, was diese Menschen geeint hatte, war die Abneigung gegen den Liberalismus und die Mitte-Mäßigkeit. Was sie getrennt hatte, ist nach wie vor wichtiger, aber diesen Punkt sollte man ernst nehmen. (Ich erinnere mich, wie ich einmal gescholten wurde in der Deutschen Rektorenkonferenz, dass ich gegen die liberale Auslegung der Prüfungsordnungen gesprochen hatte, das ist nur eine Assoziation, hat nichts mit Taubes zu tun). Ein Apokalyptiker nimmt den zu Ende gehenden Bestand dieser Welt vielleicht ernst, aber nicht so wichtig. Darum geht es in vielen der Kommentare. Dass er aus einer Rabbinerfamilie kommt, selber Rabbiner, Judaist, Philosoph, … eigentlich alles war, und sich an keine Disziplin hielt, macht ihn posthum sympathisch, dass manche Assoziationen sich erfundener Quellen bedienten, um einen Punkt zu treffen, machen ihn noch nicht zum Scharlatan…
Und doch ist diese freundliche, sehr spontane Assoziation keine Verteidigung, dazu kenne ich ihn zu wenig. Aber die konstruktive Erinnerung und die vielen Kommentare zu seinen Diskursbeiträgen, Briefen, Positionen machen ihn mir schon deshalb sympathisch, weil sie nun wirklich nicht an der institutionellen Einteilung der akademischen Disziplinen hängen. Und um manches beneide ich ihn.
(Die Daten sprechen schon für sich https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Taubes)
Natürlich kann man auch sagen: jemand, an den man sich erinnern kann, trägt mehr zum eigenen Weiterleben und Denken bei, als jemand, der dem Vergessen nicht zu entreißen ist.
Im Nachsatz gedenke ich des Freundes Christian Lesczinski, der Taubes sehr mochte, und vor vielen Jahren war das ein Thema. Danke, Rainer Fabian, für die Wiedererinnerung. Und eine Bereicherung der Rückschau.