Aber bei wem? In den Medien, an den Stammtischen, eigentlich überall, wird die Politik verschmuddelt. Damit meine ich nicht die demokratische Opposition, die darf schimpfen, aber sie ist auch nicht besser als der breite ablehnende Konsens, – wovon eigentlich? wenn oben alles schlecht gemacht wird, o wie doppeldeutig!, dann muss es Gesetz der legitimen Urteilskraft von unten geben, die die Wertung bestätigt. Das hat Jahrhunderte Philosophie, Theologie und den Populismus beschäftigt, aber was unten und oben sind, wird bestenfalls und nicht immer gut in der Theorie von Demokratie, Staat, Sozialsystem abgehandelt.
Das Thema wird in den Medien breit und flach getreten. Die allgemeine Klage darüber, dass „man“ allseits klagt, und Deutschland währenddessen den Bach runtertrudelt – SPIEGEL Cover und Kommentarlawinen – diese Klage ist Teil des Problems, auch wenn dann Ratschläge sich überschlagen, nicht Teil der Lösung.
Es ist schwierig über etwas nachzudenken, in dem man sich meint nicht zu befinden und es gar zu erklären. Das ist die erste Antwort, der ablehnende Konsens gibt die Antworten, bevor die Fragen durchdacht und umfassend gestellt sind. Weil die da unten es ja besser wissen (Position Aiwangers explizit, vieler Politiker implizit).
Die elitäre Gegenposition, dass man nur dann alles besser weiß und kann, wenn man durch Bildung und … ja, was? – nach oben gekommen wäre, ist natürlich auch nicht verwendbar. Das ist wahrscheinlich wirklich Konsens, aber falsch wäre es, den Mittelweg zwischen beiden als Metapher für die funktionierende Demokratie auszusuchen und zu propagieren. Friedrich von Logau und Alexander Kluge, dauernd von mir zitiert und richtig „In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod“ .
Also was? Sympathisch, aber schwer zu vermitteln, die alten Ideale Vertrauen, Kritik, Solidarität, auch Einsicht in die Notwendigkeit, die einen selbst noch gar nicht so betrifft. Au weia, Philosophie oder Ethik a la Talkshow?
Mich irritiert etwas anderes: die Regierung, die Ampel, die Opposition…sie alle reden und handeln, als ob die populistische Kritik so substantiell wäre, dass man vieles nur anders kommunizieren muss, was man schon nicht ändern will. Werte LeserIn: der letzte Satz ist kein Bonmot, sondern zusammengefasst, was seit Wochen aus den Pressestellen oder Interviews tatsächlich so gesagt wird. Wir machens ja richtig, aber es kommt nicht rüber. Dass dabei Kinder, Klima, Arme auf der Strecke bleiben, ist eine kurzfristige Dimension, die allerdings, wird sie nicht abgeändert, die längerfristige, mir mindestens so wichtige, abblockt: wie wird es meinen Kindern und Enkeln gehen, und wie der nächsten Generation, die kein Hindenburgdamhirsch und keine Innenministerin abhalten wird können, und zu besiedeln, was dann auch vom Klima zerstört wird. (Wenn Deutschland so wasserknapp wird, dass Flüchtlinge nicht kommen wollen, ist das der Neopyrrhus).
Stattdessen Ablenkungsmanöver, ob manfrau * setzen darf oder I – kommt sowieso ohne Duden. Ob Georgien ein sicheres Herkunftsland ist – dorthin wird sowieso kaum abgeschoben. Ob und wie man Rindviecher besser hält – man soll weniger Rindfleisch exportieren und essen. Die Liste ist n+1, und ich sehe schon, wie ihr grimmig lacht.
Ich setze meine Ironie aber nur als Zwischenschritt ein, ein wackliges Brett im Denkgerüst. Gegen die Hysterie der schnelllebigen Überschriften im Kleinsthirn, gegen die Lethargie in der Praxis, gegen den Frust, den das alles auslöst, hilft vor allem eines: auf die Uhr schauen und sich selbst fragen, warum und wozu man noch wie lange leben möchte, eigentlich: wozu wer noch länger leben sollte. Die Antwort darauf ist eben nicht esoterisch oder religiös, sondern Politik. Und die wiederum sagt, dass sie nicht auf der Meinung der vielen Individuen zu beruhen hat.
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Deutschland geht den Bachrunter, aber die wenigsten sagen: welchen Bach? Fast alle ökonomischen Idioten, oft Professorenkollegen oder hochbezahlte Gutachter, haben einen Fetisch, nicht in der Hose, sondern im Hirn: WACHSTUM. Muss wieder hergestellt werden, muss gesichert sein….Früher wurde dies z.B. kolonial für uns hergestellt, und andere sind dabei zu kurz gekommen. Jetzt wird über die Kette von Putschgewalt geklagt, post-kolonial, aber was wir damit zu tun haben, ist den Meisten nicht klar und schon rutschen sie wieder in die Pöbelklappe und wettern gegen Flüchtlinge und Entwicklungshilfe, wo doch Deutschland so angstvoll leidet.
Allein das sind x+1 Themen für Forschungsprojekte, Dissertationen und Essays. Aber dass man die Wachstumshysterie angreift und nicht einfach kritisiert, scheint mir ein Fehler zu sein. Eine Umwegmetapher. Man muss das Klimakleben nicht für besonders klug halten, es gibt bessere Taktiken. Aber wenn ich die Reaktionen des PKW Pöbels und der Politik gegen die Klimakleber beobachte, nehme ich für sie Partei. Mit dem Wachstum ist es ebenso, global und lokal. man kann ökologisch sicher einiges abfedern, aber das wird den Verbrauch der Erdressourcen nicht wirklich reduzieren. Was es anstatt gibt? Schon die Frage ist