Als Jugendlicher hat sich engrammatisch bei mir eingeprägt der Begriff der MITTE; vor allem in Kunst und Kultur (Hans Sedlmayers „Verlust der Mitte“ 1948 und ein leider verloren gegangenes kunstgeschichtliches Werk zum gleichen Thema waren die Auslöser). Dazu kam sehr bald die Ambivalenz der politischen Mitte, als erstrebenswertes Feld zwischen Rechts und Links. Überhaupt die Mitte, die sich nicht einfach bestimmen lässt. Vom Tod des Mittelwegs habe ich oft gebloggt, die Literatur ist stark von diesem Begriff bewegt gewesen Radikale Mitte – Wikipedia , politisch war das immer ein Auslöser. Und die Begriffsflut in Philosophie und Alltagspolitik ist unermesslich weit. Am 9.10.2016 schreibt Ulf Poschart, „Warum wir eine radikale Mitte brauchen“ (WELT). Das wiederholt sich in Variationen mit der These, die Freiheit (liberal) hält sich nur in der Mitte. Heute wieder ganz aktuell, und mein Lieblingsspruch von Jandl stimmt – naturgemäß, möchte mein Vorbild Thomas Bernhard sagen: MANCHE MEINEN / LECHTS UND RINKS / KANN MAN NICHT VELWECHSERN / WERCH EIN ILLTUM (2015).
Anhand der hysterisch-flachen Diskussion um Aiwanger und die Politik im braunschwarzen Wahlkampf in Bayern kann man diesen Irrtum aufdröseln. Die Kritik an Söder und Aiwanger macht es sich leicht, weil sie leicht ist. Aber wie sollte man ihr begegnen? Wie sollte man den rechtsdriftigen Diskurs der politischen Bewegungen in unserem Land, in Europa, global?, so beschreiben, dass seine Angriffsflächen deutlich werden. Wo sollte man den Hufeisenschluss zwischen Rechts und Links zB. bei der Linkspartei-Fraktion Wagenknecht verorten, außer in der richtigen Analyse der Demokratiefeindlichkeit. Die Tradition der Linksdefinition (Sozialismus, Solidarität, Gerechtigkeit…) ist begrifflich eher moralisch, die der Rechtsdefinition (Kapitalismus, Individualismus … ) kommt meist von links oder sie beansprucht eine andere Moral, teilweise offen antidemokratisch. Aber das ist Tradition des Alltags, von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. Und Karl Marx` Definition der Trennung von Politik und Ökonomie im Kapitalismus kennt kaum noch jemand wirklich. Naja, aber es geht ja darum, den populistisch-flachen Diskurs aufzubrechen, Aiwanger und das Gerede um ihn als Ergebnis der Umbrüche in der Demokratie und nicht als weiteren Auslöser zu sehen.
Mich ärgert das Gerede trotzdem und deshalb. Es lenkt ab von den auslösenden Problemen und es lenkt ab von der Handlungsunwilligkeit der Regierung wie der Opposition. Das bedeutet auch, dass die deutschen Reserven noch lange Zeit groß genug sein werden, dass wir komfortabel den Abstieg der sozio-ökonomischen Situation bereden können, die freiwilligen Leistungen der Kultur und Bildung zurückfahren und Lindners Bedienung der Reichenblase tolerieren, solange es uns nicht schlechter geht als denen, die es schon jetzt schlecht haben, also ca. 20% der Bevölkerung. Hier kann man politische Theorie anschließen oder Augen öffnen…mir geht’s aber um die Mitte.
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Warum soll man in der Mitte besser agieren als an den Rändern? Hat man einen besseren Überblick (Mitte oben) oder größere Distanz zu den Rändern (warum sind die Ränder radikaler als das Zentrum) und vor allem: geht es um das Mittelfeld oder den Mittelpunkt. Ha, das ist lustig…und ideologisch zB. für den Wahlkampf spannend, wenn man beobachtet, wer die Mitte besetzen möchte und wie. Die AfD eher, oder die CSU, oder die CDU, oder die Antipopulisten in der SPD, oder, wo wir immer schonwaren, wir Grünen? Und mitten in der Börse handelt die FDP gegen die Zukunft mit der Gegenwart, aber das ist ja mitten im Kampf um die Wohlständigkeit der Wohlbestandeten.
Ich bin fürs Mittelfeld und gegen den Punkt. Und gegen die altmodische R-L-Achse, jandlerisch hats die so nie gegeben. Kaum ein Metaphernpaket ist so meinungsgetrieben also unpolitisch wie der R-L-Diskurs. Anderer Versuch: wenn R konservativ meint, dann wäre mein Plädoyer für starke Konservative mit einer ebenso starken Abwehr der Reaktion. Wenn L progressiv meint, dann mit einer ebensolchen Abwehr – die sich an R anschließt – der Klasse vor den sozialen Bindungen (ich würde gern Gemeinschaften alltäglich sagen, aber das ist angebrannt). K und P sind auch nicht tauglich, neben dem Programm zu sagen, was getan werden muss, um bestimmte Ziele zu erreichen. Um die zu bestimmen, braucht es die Demokratie. Na und, das soll alles sein? Fast alles, weil sich die Demokratie ja ständig erneuern muss…Wie seit jeher in der Mythologie, müssen die mächtigen Wesen immer wieder Erdberührung haben, sprich der Staat muss mit der Zivilgesellschaft kommunizieren um Handeln zu können, nicht aber mit den Massen, die beiden gleich negativ gegenüberstehen, weil sie sich in ihrer winzigen aber massenhaften Einzigkeit beleidigt oder vernachlässigt fühlen.
Aiwanger spricht zu den massenhaften Einzellern. Das ist das Ergebnis mangelnder Wirklichkeitskontakte der Politik, nicht eine legitime Spielart.