Ewiger Hitler? kein Entkommen

Als Doppelstaatsbürger hab ich es mal leichter, mal schwerer. Den Deutschen im Vergleich zu den Österreichern eine Abwertung zuzusprechen, oder den Österreichern im Vergleich zu den Deutschen. Spöttische Vergleiche können oft tiefernste Wirklichkeiten aufdecken, und wenn es um Wichtiges geht, glaubt man an superbes Kabarett. Nun haben beide Gesellschaften, heute Länder, Nationen, wenn ihr wollt, doch mehr trennende Geschichte als Gemeinsamkeiten (nur noch Einfältige glauben an die gemeinsame „Sprache“). Aber es gibt natürlich auch verbindendes im Schlechten, wie etwa die ständige Präsenz des Dritten Reichs in Politik, Kultur und im Alltagsdiskurs. Dagegen wehren sich nicht nur demokratische Kräfte, aber zum Verschwinden bringen sie damit Hitler und seine Anhänger keineswegs, nicht nur in AfD und FPÖ, nein, viel weitere Schichten sind ergriffen, das ist die generelle Aussage für ein sich faschisierendes Europa, eine zunehmend faschistische globale Entwicklung.

„Wollte Hitler eine Polizeistation in seinem Geburtshaus? fragt im Kulturteil der guten Tageszeitung „Der Standard“ Ernst Langthaler am 12 . September 2023. Langthaler ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Kepler-Universität Linz. Diesmal geht es um das Geburtshaus anhand eines Dokumentarfilms „Wer hat Angst vor Braunau?“, von Günter Schwaiger. Kommt einer Polizeistation auf Anordnung des Innenministeriums in das Gebäude, und wollte Hitler selbst das schon 1939? Es wird seit Jahren um den Wallfahrtsort für Alt- und Jungnazis gestritten, natürlich möchte „Niemand“ eine Hitlergedenkstätte, sondern eine demokratische Umkehrung des Gedenkens. Und jedesmal, wenn jemand mit Vorschlag oder Politik eingreift, ersteht nicht nur der Name, sondern die Geschichte.

Hitler ist nicht Niemand „Niemand ist kein einziger Mensch, keiner. Niemand hat angerufen, niemand hat an der Tür geklingelt, niemand hat geöffnet. Bekannt ist die List von Odysseus in der Odyssee, wo er zu dem Polyphem, dem einäugigen Riesen, seinen Namen genannt hat: „Ich heiße Niemand.“ (Wiki).

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Niemand arbeitet sich an Hitler ab, aber fast alle an der Geschichte Hitlers, am Narrativ, immer gestützt durch die mehr oder weniger deutliche Biographie (was kann der Geburtsort dafür…wofür, bitte?). Hitler ist in der Weltsicht von vielen omnipräsent, als ich Schüler war, kannte noch jeder, jeder, seinen Geburtstag. Der hohe demokratische Politiker, gleicher Geburtstag, wurde selten erwähnt.

Solches ist ein Teil voraufgeklärter, blockierter Evolution. Die Omnipräsenz Hitlers eint D und Ö. Anderes trennt, auch, weil Österreich zwei einander negativ gesinnte faschistische Diktaturen hintereinander hatte, während Deutschland sich spalten ließ, und ein Teil eine weitere Diktatur, wie nennt ihr die DDR im Kontext?, erlebte, während der andere Teil sich an der westlichen Freiheit erprobte – und heute, wie viele Demokratien – von der Demokratie ermüdet sind. Bringt die Müdigkeit vielleicht eine praktische, wirklichkeitsnahe Opposition hervor, die richtiges und neues schafft?

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Meine Erbitterung über den um sich greifenden Faschismus ist noch nicht so emotional, als würde ich davon über die Maßen persönlich betroffen. Aber es wird enger. Beobachtet man die österreichische Politik, dann ist sie schon einen Schritt weiter in die Vergangenheiten abgeglitten. 1945 hat ihr das bei den Alliierten geholfen…

Mich würde schon interessieren, wann endlich Schluss ist mit dem ewigen Hitlergedenken? Nicht, weil es mich und unser eins einschließt, nicht, weil es dominant ist. Sondern weil es deutlich macht, wie wenig die zögerliche demokratische Aufarbeitung in Bildung und Kultur von staatlicher Seite bewirkt, das war schon einmal besser…

In einer Welt in der sich nur das Ausmaß und die Wirkung faschistischer Regierungsmacht unterscheiden, aber weniger ihre Struktur muss diese Frage nicht nur erlaubt sein, sondern sich freimachen von der §-Unterwerfung in Presse, Wissenschaft und Kunst.

Armin Thurnher, Begründer des „Falter“ wurde vom österreichischen Presserat gerügt, weil er den FPÖ Politiker im Kontext von dessen menschenverachtender Beschimpfung „Landesunrat“ genannt hat. Auf den ersten Blick eine eher harmlose Aussage. Aber im Kontext zeigt es die Macht der neuen Faschisten, auf Recht UND Kultur, also auch Sprache, Einfluss zu nehmen. (Vgl. Falter 16/23, S. 5). Wenn sich der Presserat hier auf die Menschenwürde beruft, dann ist das wie Ministry of Peace als Kriegsministerium in 1984. Jedenfalls in diesem Fall. Es geht auch anders? Hoffen wir.

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