Aus Habecks bedeutender Rede:
„Das ‚Beide Seiten‘-Argument führt hier in die Irre. Die Hamas ist eine mordende Terrorgruppe, die für die Auslöschung des Staates Israels und den Tod aller Juden kämpft. Die Klarheit, mit der das wiederum zum Beispiel die deutsche Sektion von Fridays for Future auch in Abgrenzung zu ihren internationalen Freunden konstatiert hat, die wiederum ist mehr als respektabel.“ (2.11.2023). Lest die ganze Rede, bitte:
https://www.sueddeutsche.de/politik/habeck-rede-wortlaut-antisemitismus-israel-deutschland-1.6297311
Damit wird auch eines klar: was immer wir – jüdische, demokratische, Netanjahu-kritische, -ablehnende etc. Menschen bis zum 6.10. gedacht und gesagt haben, wird nicht durch den Terror der Hamas unwahr oder unwirklich. Aber es muss warten, bis das Überleben Israels gesichert ist, bis die Geiseln befreit sind, bis die Bedingung der Möglichkeit, wieder rechtlich und sicher zu handeln, gegeben ist. Und was jetzt geschieht, muss auf das Verhalten der Hamas – die Schlächterei von Menschen, das Morden, Vergewaltigen, Foltern im Namen am 7.10. Bezug nehmen. Jede Ausgewogenheit der Verteilung von Schuld an die Protagonisten erinnert an die „Milderungstatbestände“ im Strafrecht und vor allem aus der Position des selbst an der Schuld nicht Beteiligten. Also, kein ABER.
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Die sich abzeichnende Katastrophe der verhungernden, auch aus Pakistan vertriebenen Afghanen, der endlose Krieg der russischen Aggressoren gegen die Ukraine, all das entwickelt sich im Schatten des punktuellen Bewusstseins – was ist jetzt wichtig? – natürlich weiter und wird uns einholen. Die Scheindebatte um Flüchtlinge soll nur eine große Koalition des nach rechts driftenden Staats zudecken, auch hier geht die Saat des illiberalen Selbstbewusstseins auf, natürlich nicht nur in Deutschland, aber hier besonders, weil man ja angeblich „gelernt“ hat aus der Geschichte. Zynisch kann man sagen, dass aus der Geschichte von anderen scheinbar so viel gelernt wird, dass man die eigene Geschichte leicht verdrängen kann, sie verblasst fast als Un-Geschichte.
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Viel mehr als Habeck kann, soll man zur gegenwärtigen Situation nicht öffentlich sagen, man kann in beschränktem Umfang handeln – soll und muss man schon – und man muss sein eigenes Verhalten, auch die Auswege, die sich das Selbstbewusstsein sucht, selbstkritisch untersuchen. Dass gerade die deutsche Gesellschaft so wenig empathisch und praktisch-solidarisch sich zeigt, wie zB. Meron Mendel feststellt, ist ein eigenes komplexes Thema, das mit dem antisemitischen Verhalten nicht nur des tatsächlich rechten Hauptstroms, sondern auch des kräftig antijüdischen Nebenarms der Linken nicht deckungsgleich ist.
Israel darf nicht verschwinden, weder von der Landkarte, noch aus dem Bewusstsein. Und wenn jetzt die ABERiologen kommen, dann muss man sie auf das Jahr 1948 stoßen, als die Feinde Israels da begonnen haben, was sie heute weiterführen und vollenden wollen: die Staatsgründung durch die Weltgemeinschaft auslöschen.
Humanismus ist nicht der kleinste Nenner einer Gewissensreinigung für sensible Beobachter, sondern beruht immer auf dem Widerstand gegen die Partikularinteressen der Gewalttäter. Das ist nicht immer einfach, hat auch niemand verlangt. Dass es Israel gibt, nach der Shoah, ist aber ein Beweis dafür, dass er möglich ist, und wenn das Land den Angriff der Hamas und anderer Feinde überlebt, wird sein Humanismus sich weiterentwickeln, selbstkritisch und kritisch. Dass viele heute das „Wenn-Nicht“ implizit mitdenken, zeigt, wie wenig diese Menschen von Israel wissen und verstanden haben.
Auch deshalb tut Aufklärung not, und nur ein unverstellter Blick auf die Wirklichkeit kann die Wahrheiten ans Licht bringen.