Lebenszeichen

Wenn alles rund um einen selbst den Bach runtergeht, muss man sich festhalten, oder man wird abgetrieben. Dann hört man mit halbem Ohr hin, was einem die raten, die sich entweder schon gesichert haben – oder eben selbst dem Untergang entgegentreiben. Untergangsszenarien beflügeln a) die Ratgeber und b) die aktiv am Untergang mitwirken, alternativlos, wie sie sagen.

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Mir reichts, sagt man dann. Hört die neuesten Nachrichten nicht oder nur im Hintergrund, weiß schon, was der nächste Leitartikel sagt, und betrachtet den rasenden Stillstand des Fortschritts als ob man sich in einer Rakete ohnedies von der Erde entfernte. Im Kreis der Vertrauten vermeidet man, den Abstieg oder das drohende Ende zu thematisieren, man widmet sich eher den tröstlichen Kleinigkeiten der unmittelbaren Umwelt, dem Menü oder einem gerade erschienenen Gedicht eines Freundes oder der Satire zur politischen Wirklichkeit.

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Will mich wo festhalten, und ist es nicht eine religiöse Selbsttäuschung, habe ich nicht viel Auswahl. Mich retten, das heißt lebensnah aufbewahren, ohne andere dem Absturz preiszugeben: also handeln. Andere retten, ohne selbst wahlweise Asche oder Märtyrer zu werden: also handeln. Handeln ist keine Praxis, die man aus den noch so freien Meinungsbildern einfach so ableiten kann. Es muss schon über die Wirklichkeit kommuniziert werden, damit man etwas tun kann, um diese Wirklichkeit zu verändern, in unserem Sinn, also uns festhalten und nicht abtreiben, also nicht verhungern lassen, also nicht abgeschoben werden. Das heißt nicht einfach herumzudenken, sondern Politik zu machen, und das wiederum heißt, die alternativlosen Wahrheiten der Machtbesitzer und der Machtbesessenen angreifen, um ihnen die Augen für die Wirklichkeit zu öffnen. Das erfordert gar nicht so viel Wagemut als Selbstvertrauen in die eigene Wahrnehmung von Wirklichkeit – es ertrinken wirkliche Menschen auf der Flucht, er sichern wirkliche politische Verbrecher ihre Macht und ihren Besitz zu lasten anderer usw.

Für die Politik heißt das auch aufzuhören, den Diktatoren, mit denen man ja reden muss, auch noch in den Arsch zu kriechen, dem Erdögan oder dem Orban oder…man sie kann sie da auch hineintreten, obwohl man mit ihnen redet. Das wird man doch noch gleichzeitig können? wenn ja, dann sollte man dies in der Politik wirklich werden lassen, statt es beobachtend, aus der Vogelperspektive, zu kommentieren.

Liebe Leserinnen und Leser: bitte denkt jetzt nicht, dass der Daxner den Precht oder ähnliche imitiert und Schundphilosophie verbreitet. Mir geht es darum, dass ich angefressen bin von der universalen Ablehnung aller, die fehlerhaft erscheinen, da geben die Grünen zu sehr nach, da sind die Roten inkonsequent, da sind die Schwarzen sowieso blöd, und über die andern redet man nicht, weil einem die Schimpfwörter fehlen…auch wenn jede der negativen Zuschreibungen richtig wäre, bedeutet es doch nur, nicht nach den Haltgriffen zu langen, sondern sich weiter treiben zu lassen, was genau das Ziel der Populisten und Faschisten ist. Wenn euch etwas nicht passt, dann macht Politik. Es geht mir tatsächlich auch um den Stil der Kritik. Denn wenn die Haltegriffe der Politik abgedrängt werden in dieser wohlfeilen Negativität derer, denen es noch gut genug geht, das zu verbreiten, gibt es wenig Ansatz Politik nicht nur gegen die AfD und Aiwanger und Söder und Scholz….zu machen. Abstrakte Turniere gibt es nur in in digitalen Spielen, die wirklichen sind keine Turniere, sondern beides: Position und Opposition. aufhören, die Meinungen zu ziselieren, handeln, mit klaren Prioritäten, und nicht dort versöhnlich sprechen, wo nicht versöhnt gehandelt werden kann (zB. in der NATO oder beim nationalen Umweltumbau oder bei der Sozialhilfe). Hört auf, unsere Feinde durch manche Rechte und Gesetze auch noch zu subventionieren, dann haben wir Spielraum genug zur Politik und werden nicht abgetrieben.

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Fragt die Leserin oder der Leser: und was machst du? Und ich antworte, alterslangsam, ja, ich mache das auch, und die mit denen ich handle merken es. Man kann nicht alles für alle machen, und es ist peinlich, zu allem für alle zu sprechen.

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