Nicht für uns. Trotzdem handeln

Für Verbrecher, Unerreichbare und Diktatoren gelten die Regeln nicht, an die wir uns halten, um unseren zivilisatorischen, sozialen, kulturellen etc. Zusammenhalt mit zu gewährleisten. Wenn jede(r) ausschert, gibts das nicht, unabhängig von den jeweils angegeben Gründen. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Im religiösen Bereich erinnert diese Wahrheit an Gulliver, der viel darf, aber das Ei an der richtigen Seite köpfen muss, sonst…

Diktatoren aller Grade können uns psychopathisch erscheinen. Sie wären dann humanitär umgehend behandlungsbedürftig, müssten aber natürlich von ihrer Position gepflückt werden. Abgesehen davon, wie wollen wir denn das machen? Außerdem sind pathogene Zuschreibungen oft nur ein Ausweichmanöver. Wo ist denn Trump, Putin, Orban, Erdögan, KIickl … verrückt? Wenn Verbrehcer, Unerreichbare, Diktatoren handeln, müssen wir davon ausgehen, dass sie fast alle schlechten Eigenschaften haben, aber nicht verrückt sind. Das wäre angesichts ihrer Verbrechen ja eine Verkleinerung von Verantwortung und Schuld. Auch: nicht jeder Satz und jede Handlung dieser Menschen sind falsch, nur die, auf die es ankommt. Und es kommt darauf an, was die Rergeln der Zivilisation sagen; die ändern sich langsam, „mit der Zeit“, und mit hinreiche4nd guten Gründen, die müssen vermittelt sein, und immer vor allem an uns. Daran halten sich die genannten Verbrecher nicht. Übrigens: es hat außerhalb unseres Diskurses wenig Sinn, Putin als Nachfolger von Hitler und Stalin – also als Verbrecher – zu bezeichnen, auch bei den andern genannten Personen lohnt das nicht. Es ist nur sinnvoll, einen Verbrecher als solchen zu bezeichnen, wenn er, meistens er, aber meinetwegen auch sie, wenn er also davon erfährt und so reagieren kann, dass wir von der Reaktion erfahren oder gar bedroht werden (Erdögan macht so was, der kann es – und die Politik und die NATO kuschen meistens, Orban kann es nur durch Erpressung, Kickl kann es noch nicht….hoffentlich auch nicht in Zukunft).

Auf Verbrecher schimpfen, solange es nicht für einen selbst gefährlich ist, kostet wenig Mut. Aber da alle digitalen Botschaften ewig leben, kann der zur Macht gekommene Verbrecher vieles, das jetzt nur so dahingesagt ist, in Zukunft verwenden….Putin zeigt das in seiner brutalen Verfolgung aller möglichen demokratischen Gruppen und Menschen aus früheren Zeiten. Denn: Diktatoren dulden ohnedies nur ihre, nicht unsere Gegenwart.

Schimpfen ist manchmal befreiender als Kritik. Kritik ist besser, aber oft schwer vermittelbar. Das habe ich in vielen Jahren akademischer Arbeit gelernt, allmählich wird die Vermittlung besser, aber es dauert – mit dem Nachteil, dass man sich spontane Gefechte nur selten leisten kann. Dann muss es sitzen, auch wenn man darauf selbst sitzt.

*

Mich beschäftigt das auf mehreren Ebenen. Wenn ich Lindner und Wissing die Demokratie zubetonieren sehe, reizt es zwar zum schim0pfen, aber cui bono? Wenn Netanjahu vor Gericht soll, hilft jetzt schimpfen gar nichts, sondern der Krieg muss vorbei sei und der israelische Rechtsstaat hoffentlich weiter bestehen, zwischen Meer und den Bergen. Wenn Orban die anderen Staaten erpresst, muss die EU reagieren, langfristig weg von der Einstimmigkeit, kurzfristig den Verbrecher suspendieren. Das ist schwierig, aber es muss sein, eher früher als später. Konfrontation ist oft besser als der Mittelweg, das wisst ihr von mir. Auch im Kleinen. Und nicht immer, Konflikte nutzen sich schnell ab.

*

Darum nenne ich die Verbrecher nicht immer und überall Verbrecher. Aber wenn wir mit der Kritik vorangehen, mühsam und langsam, dann kommt auch da der Punkt, wo0 wir handeln müssen. Manchmal muss sogar die Zivilgesellschaft vom Staat so ein Handeln verlangen – und wer dann wie entmachtet oder suspendiert wird, zeigt auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen und Gruppen von Verbrechern, Diktatoren, Unfähigen etc. Diese Unterschiede zu erkennen, nennt man auch BILDUNG. Da haperts bei uns zur Zeit?

Hinterlasse einen Kommentar