Leistet Widerstand…aber wie?

Wir leben im Floskelland. Die Grundlage für viele Aussagen von höchst-, hoch- und nicht-rangigen PolitikerInnen ist die Überzeugung, „DIE LEUTE VERSTEHEN SCHON, WAS ICH MEINE“. Nur die Extremisten, AfD und ihre Verbündeten, tun so, als meinten sie, was sie sagen. Lassen wir das rechte Gesindel nicht aus den Augen, aber einmal beiseite. Warum muss ich „den Leuten“ die Entschlüsselung von Plattitüden überlassen? Damit sage ich ja, ich bin anders oder ein anderer als die Leute. Variationen sind die Masse, das Volk, die Anderen…Die Rückübersetzung auf das (niedrigere) Niveau der Leute erlaubt es den Quasslern, nachher zu behaupten, „hab ich doch gesagt“. Dabei ist vieles an den Floskeln gar keine Lüge, sondern nur flach, uneinsichtig, und – unverständlich einer Richtung, die beim Volk die Frage auslöst: was folgt daraus? Das kann zweierlei bedeuten: was wird getan, damit sich etwas in eine bestimmte Richtung ändert? Oder: Es ändert sich nichts, aber die Folgen für die Menschen werden andere sein: mehr Strafen, mehr Hunger, mehr Freizeit usw. Muss nicht schlecht sein, ist nur meistens schlecht.

Das ist eine Variante meines langen Kampfes gegen das Hochhalten von Wahrheiten gegen die Wirklichkeit. Ich bin kein Gegner der Meinungsfreiheit, aber hängt dieses Grundrecht nicht so hoch.

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Was meine ich damit? Dass man sehr genau die Wirklichkeit kennen muss, und daraus Konsequenzen ziehen, und dass es nicht die eine Wahrheit gibt, es sei denn, sie wäre trivial. (Au ja, das wäre im übrigen eine weitere Reformalternative nach dem PISA Debakel). Aber diese Philosophie braucht es jetzt gar nicht.

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Mich treibt um, dass die Variationen der Erklärung und Bedeutungsvielfalt mit jeder öffentlichen Meinungsäußerung zunehmen, nicht aber die Vorschläge, was jetzt zu tun sei, um diese oder jene wirkliche Situation zum Besseren zu verändern. Einfaches Beispiel: ein kluger und experter Freund argumentiert angesichts der Kriege und Massaker ausführlich und konkret für Verhandlungen. Das ist eine ideale Vorstellung von Friedenspolitik, bis auf die Tatsache, dass eine oder beide Seiten weder verhandeln wollen noch können. Da muss eine Macht als Drittes, Viertes eingreifen, und das muss nicht friedlich sein, um die Verhandlungen zu erreichen. Nun wird aber daraus die falscher Meinung, die Partei X, die Regierung Y, der Terrorklub Z könnte unter den aufgezählten Umständen verhandeln, und wer dies nicht teilt, hat die ebenso falsche Meinung, dann plädierst du also für die Fortsetzung des Kriegs. So einfach ist Politik nicht, auch wenn man sie ethisch oder common sense vereinfachen kann…bis auf Meinungen reduzieren hilft nicht.

Sagt der Kritiker – wenn du recht hast, welche Alternative gibt es dann? Ich sage zu einigen Entwicklungen, vor allem in meinem geliebten Israel, NICHTS in der Richtung, weil meiner Meinung nach Meinungen nicht zählen. Es wäre einfach sich darauf zu einigen, dass man eingreifen muss. Aber wer ist MAN.

In einem sehr anspruchsvollen Editorial kommt Dirk Kurbjuweit zu einem höchst sensiblen Ergebnis: Wenn wir keine zerfallenden Koalition, wie wir sie aus vielen Demokratien kennen, wollen, wenn wir ein Bündnis von CDU und AfD als Horror empfinden, dann bliebe als Alternative: „Oder eine charismatische Figur vereint eine bürgerliche Bewegung hinter sich. Das wäre eine andere Republik, nicht unbedingt eine schlechtere“. (SPIEGEL, Chronik 2023, S.6). Ich stimme dem nicht zu, weil alles an diesen Sätzen ambivalent ist, bis hin zur Meinung, dass Führungsfiguren das derzeitige Debakel ablösen können, und dass eine bürgerliche Bewegung nicht das ist, was kommen soll, sondern das wir längst hinter uns gelassen haben, aber es nicht wahrhaben wollen. Dass ich das anders sehe, ist nicht das Problem, … mehr als nur Meinungsfreiheit. Aber wie bildet sich eine Charismatische Figur so heraus, dass sie Einfluss in einer demokratischen Gesellschaft legitim erringen kann, wo doch dauernd die Demontage der Charismatiker*innen das politische Konsensmodell bis ganz hinunter geworden ist. ? (Natürlich meint er keinen Führer, aber das Gelände ist vermint). Und: was sind die Grundvoraussetzungen für eine „bessere Republik“?

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Ich weiß, diese Argumente gehen nicht auf, meinetwegen die Quadratur des Kreises. Mit einem realen Ausblick: die Toten, Sterbenden, Vergewaltigten, Gedemütigten gibt es wirklich. Wenn wir Auswege suchen, dann müssen wir auch die hören, die wirklich etwas zu sagen haben, das sind nicht nur die, die kraft Amtes dauernd reden, damit das Volk sie entschlüsselt. Und die müssen wir auch bilden?!

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