Der Schrecken breitet sich aus

Haaretz berichtet über die psychologische Binnenkriegsinformation.. „Graphic Videos and Incitement: How the IDF is misleading Israelis on Telegram.“ (12.12.2023). Ich werde das hier nicht wiedergeben. Es geht um…72 virgins…Erinnert ihr euch? Martin Steve, 72 Virgins, The New Yorker, 2007. Ich kommentiere hierzu nichts. Krieg und Deformation greifen überall um sich, manchmal früher oder später, manchmal schrecklich, manchmal dumm. Aber lest das, beides. Aus der Verzweiflung heraus denkt man bisweilen schärfer und differenzierter, weil die psychologischen Barrieren im eigenen Bewusstsein abgebaut werden.

Mit der zunehmenden Faschisierung nicht nur Europas nehmen auch die Grenzverschiebungen im politischen Bewusstsein zu. Demokratie siegt zwar bisweilen, konservativ-liberal in Polen über kleriko-faschistisch, gut so, aber generell sind die Verschiebungen komplex. In seiner Herzl Biographie zitiert Shlomo Avineri Herzls Kommentar in einer Rezension „derzufolge man im Antisemitismus alles auf der Welt finden könnte – Altes und Neues, mittelalterliche Elemente und utopischen Sozialismus, reaktionäre Leidenschaften und revolutionäre Inspirationen“. Avineri: “ Eine Definition, die später genau auf den Faschismus zutreffen sollte“ (Avineri: Theodor Herzl und die Gründung des jüdischen Staates, Berlin 2016, S. 97). Herzl hat das 1893 – 1893! – geschrieben. Und kaum eine Gesellschaft ist von di9eser Entwicklung ausgenommen; ebensowenig von der Opposition dagegen – nur, wo ist sie wirkungsvoll?

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der Schrecken breitet sich aus, weil er nicht abn einer gewissen Allgegenwart und Mächtigkeit sich selbst verliert. Können wir Menschen im Eisernen Zeitalter leben und das auch zugleich begreifen? etwa bei den Klimapolitiken – sollen unsere Ur-Urenkel nicht vielleicht, sondern sicher ersticken? Sollen noch mehr Millionen Menschen nicht auf der Flucht sich bewegen müssen, sondern von der Wirklichkeit vertrieben dorthin streben, wo überleben noch möglich, wenn nicht wahrscheinlich ist?

Nein, kein Schreckens-Szenario. Auch dem prophetischen Theater sind Grenzen gesetzt, wenn – das gehört zu seinen Eigenschaften – jeder Faschismus nur, ausschließlich, die Gegenwart vertritt, indem er von der Zukunft redet und statt dessen umsetzt, was ihm das Volk (hä, wer ist das?) gerade (gerade jetzt) gestattet? Kann man auch Frau Wagenknecht fragen…

Und Verzweiflung heißt nicht Überforderung oder Handlungsunfähigkeit. Es ist das beiseite legen des „Prinzips Hoffnung“ (Bloch hat selbst im hohen Alter die Grenzen seines Prinzips Hoffnung relativiert…Grenzen, nicht das Prinzip). Ach ja, die Philosophie springt leichtfüßig über die Wirklichkeit.

Die Klugen in Israel und der Ukraine fragen jetzt schon, wer was wie handeln soll, wenn der je aktuelle Krieg vorbei ist. Kommen dann die neuen Faschismen zum Tragen, eine weitere PiS? oder ein demokratischer Tusk? Und: was tun wir, wir hier, z.B. um Öl und Kernkraft zu bannen, um abstrakten Reichtum bei wachsender Armut abzugrenzen, um ein hirnlos-rückständiges, ja reaktionäres Bündnis nicht nur der Opposition einzuhegen, um einfachen Alltag auf der Höhe des 21. Jahrhunderts und nicht retrospektiv wie das CDU Programm zu gestalten, also zu handeln. Das kann bekanntlich nicht jede(r) für sich entscheiden, bzw. wenn, dann grenzt er oder sie das Handeln zugleich ein und aus. Also: Politik.

Angesichts der unerfreulichen Zukunftsaussichten kann da durchaus zusätzliche Resilienz und Furchtabbau eintreten, denn kälter wird es für uns ohnedies nicht.

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