Manche Vertreter*innen der Demokratie glauben, das Bekenntnis zum Widerstand gegen den um sich greifenden Trend nach Rechts, in Deutschland, Europa, den USA, weltweit, – sei die Brandmauer dagegen.
Das glauben auch manche Gerichte und viele Organisationen, die sich im Mittelfeld der bürgerlichen Initiativen, Vereine und Diskussionsklubs wähnen.
Der Antiparlamentarismus hat die Zivilgesellschaft längst penetriert.
Wie schon früher bedaure ich, dass Winfried Kretschmann „nur“ Ministerpräsident in BaWü ist, der hat auf der oberen Ebene der Politik als einer der Wenigen etwas zu sagen, beispielhaft klar, und ohne den Rahmen verbindlicher Akzeptanz, dass unser Land von den rechten Antidemokraten längst angefallen wird.
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Jede Protestgruppe gegen die Demokratie beruft sich auf die durch die Regierung verletzten Rechte ihres Berufsstandes. Lokführer, Bauern, Spediteure, Handwerker. Wenn ich oft den Begriff des Pöbels verwendet habe, kann ich ihn hier schärfen: die ständestaatlichen Elemente der 1930er Jahre sind wieder aktuell, nicht nur in Deutschland. Die Faschisierung Europas schreitet voran, nicht unter dem Titel Faschismus, sondern einfacher: das Volk bestimmt, ein- und ausgrenzend. Was das Volk ist…komplizierter als auf den ersten Blick ersichtlich. Nicht nur was die Nazis der AfD mit ihren Verbündeten diskutieren, nicht nur die durchdringende Verbindung von Regierung mit dem angeblichen Volk, in Bayern beispielhaft, aber bundesweit: der Päbel wird erst zum Päbel, wenn sich die Macht an das Volk heranwanzt und die Trennung von Zivilgesellschaft und Regierung, und Gewaltenteilung, und Rechtsstaat an den Volkswillen bindet. Natürlich sind es nicht die Armen und Hungernden, die mit teuren Landmaschinen die Straßen blockieren, natürlich sind es nicht die Hilfsarbeiter, die die Bahnbestreiken, natürlich sind es auch Industrielle und Kapitaleigner, die sich dem völkischen Diskurs zurechnen, weil der ihnen langdauernde Zukunft verspricht – gar nicht ideologisch: wenn AfD und andere Nazis keine Lösungen für die Probleme haben, ihre betuchten Gönner haben die, gegen die sozialen und kulturellen Gesellschaftsstrukturen, die eben eine deutliche dynamische Trennung von Staat und Gesellschaft als Bedingung, eine Bedingung, für die funktionierende Demokratie brauchen.
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Die CDU (Herr Frei 12.1.24 DLF) beruft sich auf das christliche Menschenbild, um sich gegen Rechts zu immunisieren. Damit wird nicht nur die Religion lächerlich gemacht, es wird so getan, als könnte die bürgerliche Mitte nicht bündnisfähig für faschistische Bewegungen sein. Werch ein Illthum!
Und was ist, fragen die kritischen Leser*innen, mit den Linken: immer nur die Rechten ins Visier: ich habe schon lange die rechts-links-bestimmte politische Achse als wenig tauglich abgetan. Sarah Wagenknecht ist nicht links, die Hufeisenbildung, anderen Enden sich Rechts und Links verbinden, ist historisch vielfach belegt. Darüber kann man im Seminar reden, aber in der Wirklichkeit tun sich die Ausläufer gern zusammen, um gegen die angeblich unfähige und untätige staatliche Demokratie anzugehen: wir sind das Volk, grölt es dann.
Wir sind keins, im Singular schon gar nicht.
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Dass sich der der politische Pöbel gegen die Grünen zusammentut, spricht für die Grünen, aber natürlich sind auch die anfällig. Und allein werden sie noch längere Zeit nicht regieren können. Aber sie können beweisen, dass ein Zusammenschluss von Demokraten keine Einheitsregierung bedingt. Hört auf Kretschmann, und andere, die haben wir ja auch.
Sehr geehrter Herr Daxner, ich zweifle leider sehr an ihrer Ansicht, das die Hufeisentheorie, ein sehr populistisch ausgeschlachteter Begriff der selbst proklamierten politischen Mitte, in irgendeiner Weise historisch belegt ist.
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ja, es ist eine erhellende Beschreibung der politischen Situation,
vielen Dank! Insbesondere der Hinweis auf die ständestaatlichen Elemente
der 1930er Jahre ist hilfreich gerade im Hinblick auf das Verhalten der
Politik zu den gegenwärtigen Bauernprotesten. Aber manche der damaligen
gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere die der Katholischen Kirche
(Klerikalfaschismus in Österreich!) sind heute nur noch schwach. Dafür
gibt es heute andere und neue Mobilisierungstechniken. Die nutzt jetzt
ja auch Sahra Wagenknecht in riskanter Zusammenarbeit mit dem „Pöbel“.
Das Zutrauen in den schwäbischen Patriarchen, den Oberrealo der GRÜNEN,
Winfried Kretschmann und seine Positionen teile ich durchaus, aber es
fehlen in der Analyse vollständig die Sozialdemokratie und die
Gewerkschaften, die obwohl viel schwächer, ja auch noch mobilisierbar
sind. Und bei den „betuchten Gönnern“ der Rechten könnten doch auch BDI
und BDA mal was dagegen setzen. Also, ich sehe mehr Widerstandspotential
als in den 30er Jahren.
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