Ganz was andres…

Ich will dem Tunnelblick entkommen, der mich fast überwältigt. Immer nur das denken, was einem die Wirklichkeit aufträgt, Afghanistan, Ukraine, Israel, oder hier AfD, Antisemitismus, Altersarmut…Da resigniert, wer weder Widerstand noch Überblick entwickelt hat. Widerstand ist klar, aber Überblick?

Nur, wenn man Zusammenhänge erkennt oder auch weiß, wo es keine gibt, kann sich eine Position erarbeiten, aus der heraus man weiter handeln kann. Das muss ich selbst mit jeden Tag sagen, weil ja die Situation nicht angetan ist, kurzfristige Entlastung zu erfahren. Zwei Varianten:

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WIR SIND IM WELTKRIEG. der sieht nicht so aus, wie die pathetischen Filme der Vergangenheit. Wenn man alle Kriegs“schauplätze“ (Medienschwurbelwort) zugleich auf die innere Landkarte setzt, ist das so unerfreulich wie eine Landkarte der wirklichen Diktatoren, Selbstherrscher oder faschistischen Führer, incl. der Vorboten auf weitere. Zur Weltkriegsvariante gehört auch die Vorahnung, dass der Verbrecher Trump die USA in die Dreistaatenlösung von „1984“ (Orwell führen wird, von etlichen Gefolgschaften unterstützt. Weltkrieg heißt heute auch, dass man nicht einfach oder mit Mühe ein friedliches, friedlicheres Land aufsuchen kann, relativ ruhig ist es ja bei uns noch. Auch im Dreißigjährigen Krieg hat es immer irge4ndwo ruhigere Inseln gegeben. Wichtige Lektion: Wenn wo nicht gekämpft wird, heißt das noch lange nicht, dass „Frieden herrscht“. Manche, auch meiner Freunde, meinen, da müssen diese Insel verhandelt werden, das hülfe auch denen, die gerade angegriffen werden, sich verteidigen oder auch präventiv kämpfen. Ja, fände man einen Verhandlungspartner oder könne man solche Verhandlungen erzwingen, dann meist auch nicht friedlich. Also: Umbruch alle sicher geglaubten Linien, Grenzen, Sicherheiten, und wie sich alles neu ordnet, wird der Wettlauf mit dem umweltbedingten Ende der Zivilisation zeigen.

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WIR SIND NICHT IM WELTKRIEG, woher denn? X Gewaltnester entwickeln sich kontingent. Geeint werden Menschen durch die Umweltkrise, die wird lokal verdeckt, solange die Diktaturen noch kriegsfähig sind, aber jeder Konflikt kann herunterverhandelt werden, einen Frieden vor Augen, der uns ökologisch zusammenarbeiten ließe. Nicht schlecht. Dieses friedliebende Modell beantwortet die Frage nicht, ob das demokratisch anzugehen und zu verwirklichen ist, – das fragt sich im Krieg nicht, der ist nicht demokratisch. Der global sich ausbreitende Faschismus, auch bei uns, lässt eher nicht-demokratische Varianten wahrscheinlich werden. Natürlich unterscheiden sich die Faschismen kulturell und sozial, aber es eint sie, dass sie nicht demokratisch sind.

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Man kann beide Varianten „quantenmechanisch“ zusammenbringen, je nachdem, wo man gerade lebt, wie man gerade handelt. Nur eines darf man nicht: sich der Illusion hingeben, der Frieden sei für die herrschenden Diktatoren und ihre Gefolgschaft die angemessenere, oft auch kostengünstigere Variante, dagegen bringen die Faschismen hinreichend viele nationale, ethnische und erzwungene Argumente vor – wo sind schon die Medien derer wirklich frei?

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Jetzt fragt ihr euch, warum ich das unter dem Titel schreibe: Ganz was andres… Es gibt immer zwei Varianten von Widerstand: den öffentlichen u8nd den privaten. Der erstere ist politische Praxis (nicht „Meinungsbildung“), Demonstrationen, Verweigerung von Geld und Leistung, Zerstörung etc. ohne Ironie: Man kann auch (in der) Demokratie aufrüsten und sich wappnen. Das zweite ist privat im Sinne von persönlich: ich muss auch in der Lage sein, jede, aber wirklich jede subjektive „Pause“, jeden Spalt im Krieg zu nutzen für mich, für Kunst, Kultur, Liebe und Nachdenken, auch für Natur und „Frei-„Zeit. Dass und wie das geht, haben Vorbilder in der Nazizeit, im Stalinismus und anderen Zwangsperioden uns geradezu ins Bildungscurriculum geschrieben. Oft sind diese Praktiken, ich nenne sie die wirklich friedlichen, auch die gewesen, die das Überleben eher gesichert hatten…was aber heißt, dass wir ohne Risiko nicht frei sein können, weil die Befreiung immer der Freiheit vorausgeht. Freiheit kann nicht verhandelt werden, Befreiung muss verhandelt werden, aber mit wem und unterwelchen Umständen…?

Das also beschreibt den Alltag in beiden Varianten der Wirklichkeit. Politisch kann das praktische Folgen haben, z.B. Abkoppeln von Trumps Amerika oder mehr und aufwändigere Unterstützung der Ukraine gegen Russland oder Schaffung einer glaubwürdigen Instanz für eine Zweistaatenlösung oder ….Privat hat es auch andere Konsequenzen: sich weniger hinter dem zu verstecken, was so erwartet wird, sich wegducken und säuseln.

„Dreh das Fernsehen ab, Mutter, es zieht….“ singt Georg Kreisler. Wie bekommen wir die Mehrheit der AfD weg? Keine Fangfrage: was tun, wenn wir uns nicht wegducken? Schreien? Oder mal etwas ehrlicher: wir wissen in vielen Fällen, was zu tun ist, auch unpopulär. Dazu aber brauchen wir Kraft und Risikobereitschaft. Und die müssen wir uns immer wieder aneignen, so wie die Giganten die Erde berühren mussten, um stark zu werden und zu bleiben. Und dazu wiederum müssen wir unsere Lebendigkeit und Aufmerksamkeit für unsere Bedürfnisse behalten und mit anderen teilen.

Ist das fromm? Unsinn, es ist praktisch. Was machst du, wenn du das liest? auf die Demo gehst und dann nach Hause? Wählst und dich wählen lässt, aber in den Argumenten zitierst, was du liest? Faschisten versuchen, dich von dir abzulösen („Du bist nichts, dein Volk ist alles“). Dreh den Satz um.

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