Handbücher – Krieg und Liebe

Was sind Handbücher? Seit langer Zeitverbreitete Instruktionen für Menschen, die Rat brauchen und wissen wollen, wie man ihn befolgt. Aktuell findet man welche zu Tiertransporten, Reisen, und vielen beruflichen Zusammenhängen, es ist immer ein geordneter Ausschnitt thematischen Wissens : https://de.wikipedia.org/wiki/Handbuch. Es ist nicht „einfach“ ein Ratgeber, sondern im guten Fall lässt das Handbuch die Wissens- und Handlungsbedürftigen selbst ihre Bedürfnisse überprüfen.

Seit 50 Jahren kenne ich Marlene Streeruwitz aus Baden bei Wien und in den letzten Jahren haben wir einiges kommuniziert. Ich habe viele ihrer Romane gelesen und mich vor allem mit ihren politischen und kulturellen Überlegungen zu und nach Corona auseinandergesetzt. Ein kurzer Überblick –> https://de.wikipedia.org/wiki/Marlene_Streeruwitz

Die letzten beiden Bücher, schmale Bände, sind keine Romane, keine politischen Essays, sie sind Handbücher. Die Titeldifferenz sagt fast alles: HANDBUCH GEGEN DEN KRIEG und HANDBUCH FÜR DIE LIEBE (beide bei S. Fischer, Frankfurt 2024, ). Ich schreibe da keine Rezension, die schmalen Bändchen könnt ihr selbst lesen und bewerten. Was mich seit längerem beschäftigt, ist eine Reihe von Besonderheiten, die Marlene Streeruwitz unbeirrt kondensiert. Wenn sie gegen den Krieg schreibt, dann kommt der Frieden marginal gegen Ende vor: aber fast der ganze Text definiert den Krieg bis tief in unsere persönliche, man möchte fast sagen „anthropologische“ Existenz hin und in unsere Zivilisation. Was „Krieg IST…“ wird meist als Überschrift zu kurzen klaren Texten beschrieben, die alle tiefer sitzen als die Wahrnehmung der ersten Schusswechsel und Auseinandersetzungen von Staaten, Armeen, Soldaten. Viele der Definitionen lassen uns erkennen, wie weit wir schon drin sind, wie allgegenwärtig Krieg uns vom Frieden fernhält, ohne dass wir das unbedingt und zu jedem Zeitpunkt wissen und auf uns beziehen. Das macht nicht nur den Handbuchcharakter aus, es zieht uns in eine Haltung, die – nimmt man sich ernst – einen nicht einfachloslässt, wenn man nur an Krieg denkt oder über ihn spricht oder gar etwas mit ihm zu tun hat. Er ist schon da, und der Ausweg fängt lange vor dem jeweiligen Kriegsbeginn an. Ethik, Nachdenken, daraus die Folgen begehen…Jede einzelne Aussage zum Krieg ist überlegt, und in Summe überbauen diese Abschnitte eine Didaktik zu Krieg und Frieden, wie sie so nicht unterrichtet wird. Das an sich zu nehmen, lässt uns an den gegenwärtigen Kriegen auch Resilienz und Widerstand entwickeln, nicht nur Analyse. Es geht um mehr als Gut und Böse.

Und dann folgt das Handbuch für die Liebe. Nichts mildert die Streeruwitz da gegen das Kriegsbuch ab, sie gibt sich auch nicht dem Gegenteil von Liebe als abzuwendende Wirklichkeit hin. Die Liebe dekliniert das Menschliche, das Leben, die Lebendigkeit unabgeschlossen durch. Hinter genauen Analysen steckt viel von der Geschichte jedes Einzelnen. Wie beim ersten Buch widerstehe ich, einzelne Kapitel besonders hervorzuheben. Die Kapitelüberschriften sind vielleicht noch umfassender, eindringlicher, weil es ja um uns geht und darum, was uns von Anfang an menschlich machen kann und soll. Weil es Handbuch „für…“ ist, kann man sich die Definitionen und Beschreibung gut hernehmen und auf das eigene Leben zu beziehen, vor Romantik wird gewarnt und vor dem, was von der Liebe abbringt, auch.

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Ich schreibe selten Rezensionen und natürlich ist das hier auch eine Empfehlung. Aber es hat mich auch fasziniert, wie der schwarz-weiß logischen Aufteilung der Welt ebenso wie der männlich-weiblichen Festlegung auch für die Liebe, wie für den Frieden, ein Dritter Weg angeraten wird (Handbuch!), den jede und jeder von uns einschlagen kann.

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