Jeder kennt Ovids Zeiten Gold Silber Bronze Eisen, es geht immer bergab. Und wie gut die Metapher zu gebrauchen ist. Über die schlechter gewordenen Zeiten musste der Dichter weniger schreiben, es war ja realistisch. Warum es keine Umkehrung geben konnte, nie geben wird? Weil es Menschenkräfte übersteigen würde, und das war ja der Fortschritt, auf andere Kräfte nicht mehr zu setzen. … Jedenfalls bei den Meisten. Radikale religiöse Randerscheinungen predigen zwar die Umkehrung, aber dazu braucht es eines Wunders, eines Gottes oder eben einer hilflosen, eindringlichen Einbildung – bevor der Messias kommt, muss ETWAS geschehen, das sind wir und es wird dauern; wenn er NOCH NICHT kommt, sind ohnedies wir schuld. Gar nicht schlecht, so eine Unterwerfung unter die Moral der Religion, jedenfalls wirkungsvoll und voller bleihaltiger Konflikte.
Die steinerne Zeit ist noch nicht angebrochen. Dann wird es uns nicht mehr geben, die Erde wird irgendwie blühen oder dampfen oder frösteln, aber die ZEIT wird aus Granit sein, sich nicht mehr bewegen und besteigen lassen, denn wir werden ja keine Sekundenzeiger verfolgen. Mit uns gehen die Uhren, die Steinzeit bleibt und ist den Salamandern egal.
Nicht besonders originell, diese Überlegung, so alt und variantenreich wie die Zeitpoesie oder Physik. Aber mit dem rasanten Ende der steuerbaren Klimawirklichkeit ändert sich etwas. Je näher das Ende aller Anfänge droht, nach dem ohnedies alles sich OHNE UNS entwickelt, wenn es sich entwickelt, desto schneller wollen die führenden Idioten ihre Aktiendepots vergrößern, ihre Dividenden erhöhen und ihre Einkünfte steigern, schon der Absturz in der Rente ist zunehmend egal, weil man sie bestenfalls nicht mehr erlebt oder weil so viel an Reserve noch da ist. An Kinder denken, na gut, an Enkel oder gar Urenkel ist unrealistisch, da sind sich die Liberalen einig. Also kommt eine „bleierne Zeit“, guter Titel für den Terror des Übergangs von Etwas ins NICHT. Braucht man nicht immer wieder aufblättern, bleibt sozusagen hinter der Tür, abrufbereit (wie man am Feuilleton nach dem Moskauer Debakel merkt). Terror allein tuts nicht, denn wenn man alle unterworfen hat, nutzt einem das Muskelpaket nichts mehr. Für diese Realitäten der Eisenzeit braucht man eigentlich keine Philosophie, um sich die nächste Periode auszumalen, weil es immer noch schlechter geht.
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Das muss man so überhaupt nicht wahrnehmen als Hintergrund. Man geht durch den Park, sehr verfrühter blühender Vorfrühling, man hat die letzten Nachrichten aus Moskau, Gaza, Charkiw noch im Ohr, aber das sind ja nur Geräusche, übertönt von ein paar Krähen und Hundegebell. Es blüht. Am Abhang zu den globalen Massengräbern blüht es noch, bis die Wüste alles zudeckt. Ich muss lachen bei dem Gedanken, dass diese Realität nicht etwa dazu führt, den Tagesablauf zu ändern oder andere Urlaubsziele oder Arbeitsformen anzustreben, das nennt der Berater Parallelwelt…die Gräber sind ja noch gar nicht hier, sie sind nur da, es gibt sie irgendwo anders. Ich gehe durch den Park, zwei Jahrhunderte aufgegraben, bepflanzt, beschnitten, das geht ja noch, überschaubar. Vergangenheit als Zukunft, sieht man die frisch gepflanzten Ersatzbäume gegen die Trockenheitsopfer. Schön, wie alles anwächst, noch regnet es ja, in echt und metaphorisch. Ich merke, dass ich mir die Blumen und Gewächse genauer anschaue als früher, dass ich auch Tiere entdecke, die ich einmal übersehen hatte. Der große Park war menschenleer, so früh. Wenn man zurückgeht in die Stadt, sind dort überhaupt noch Menschen? Mit Beton unter den Füßen beendet sich die philosophische Promenade, der Hund bellt wieder, die Pfützen mahnen zum Ausweichen und ein heller Tag beginnt.
Dass ausgerechnet die üblen Diktatoren die Vergangenheiten zitieren, als wären die die goldenen, silbernen Zeitalter gewesen, muss uns stutzig machen. Dass ausgerechnet in den um ihren Bestand kämpfenden Demokratien Rückschau die Voraussicht beengt, ist auch beunruhigend. Für die Tyrannen gibt es nur JETZT. Für uns doch auch? Ja, aber der Ausgang nach vorne ist anders.