Eigentlich sollte der Himmel blau sein, wolkenlos, aber die Decke aus Sand tönt alles farbige ab. Wenn das vorbei ist, soll es wieder kühler werden….aber wer versteht schon die Wetterprognose. Und niemand bringt den Sand zurück in die Sahara, das ist auch kolonial.
Das Bild vom Sand im Getriebe ist vergleichsweise harmlos, den Sand kann man ja wegblasen, absaugen, und dann gehts weiter (naja, so leicht ist das auch nicht, ich habe das einmal vor vielen Jahrzehnten in der eisigen kalifornischen Bergwüste mit einem Mietwagen machen müssen, lustig war das nicht). Aber die Metapher wird ja gern politisch verwendet, um zu verdeutlichen warum ein „an sich“ richtiges Gesetz oder eine Maßnahme trotzdem nicht funktioniert. Der Vorwurf gehört zum Grundrepertoire jeder Opposition, weil die Angegriffenen ja nicht sagen können „da ist überhaupt kein Sand“.
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Sand im Getriebe meiner Produktion, abgesehen von Defekten am Computer oder dem Fehlen von Druckpapier oder der Störung durch unerwartete Anrufe oder Poststücke – die sind schon keine Sandkörner mehr, sondern Brocken. Nö, Sand im Getriebe ist etwas anderes. Auf der falschen Fährte weit vorangeschritten zu sein und dann ohne Ergebnis umkehren zu müssen, oder einem unfähigen Kollegen etwas aufzutragen, das ihn zum Sandsturm macht, oder schlicht Versandung im Hirn, Vergesslichkeit oder Schlamperei…schon bei Karl May war das Verrecken im Sand (Llano estacado, zum Beispiel) eine beliebte Metapher, nur wurde man bei ihm, wenn auf der richtigen Seite, gerettet. Als Einzelner versandet man oft in Müdigkeit oder Ablenkung. Aber verdammt nochmal, was versandet denn die Regierung und wie putzt sie ihre Mechanik wieder funktionsfähig? Es gibt so gut wie kaum Fachliteratur für die Selbstreinigungskräfte der Politik, vielmehr wird dauernd vom Neuanfang geredet, das ist so, wie man täglich mit dem Rauchen aufhört, um ebenso täglich wieder damit anzufangen. Wenn ich das Stichwort eingebe, gibt es ganz viel Erläuterungen, die aber auf den Sand im Getriebe der Politik nicht eingehen. Wodurch natürlich etwas anderes erläutert und kritisiert wird, als die Metapher meint.
Ich nehme das Beispiel dafür, dass (fast) alle wissen, was eigentlich mit einer Metapher oder einem Hinweis gemeint ist, aber seine Anwendung und Konsequenzen bleiben oft aus, oder werden auf einem ganz anderen Feld ausgetragen. (Die Sprachwissenschaften haben dafür ein anderes Instrumentarium, aber ich rede von der Alltagspolitik und der Laienreaktion). Sand ist gut für die Metaphern, weil Sand in den Augen gängig verwendet wird und eben Sand im Getriebe gängig ist.
Das Preisausschreiben wäre angesagt, die beste Antwort auf die Frage, was denn der Sand im Getriebe der konkreten Politik von Regierung oder Exekutive und Gerichten oder auch im Parlamentsausschuss wirklich ist udn wie man ihn beseitigen könnte. Denn von irgendwo muss dieser Sand ja herkommen und irgendwohin muss er ja weggeschafft werden können…
Die philosophische Gegenthese ist ja, dass Sand im Getriebe notwendig ist, damit über Funktion und Ziel des Getriebes überhaupt nachgedacht werden kann – wenn alles glatt läuft, dann fragt sich kaum mehr, was „alles“ ist…das freut die Sandmännchen der Bürokratie, weil sie sich so als Sand begreifen, aber sie merken nicht, dass sie nicht der Sand, sondern das stockende Getriebe sind. Na, dazu braucht man die Philosophie vielleicht nicht.
P.S. eigentlich wollte ich heute etwas anderes beschreiben: wie nämlich eine demokratische Regierung in Israel anders als Netanjahu auf den Terror der Hamas geantwortet hätte. Aber das kann und will ich nicht, weil ich in zwei Tagen eine Lehrveranstaltung zu diesem Thema beginne, und verkürzte Metaphern Sand ins Getriebe streuen würden.