Der erste Mai ist vorbei. Er hat so wenig Wunder gewirkt wie Erleuchtung den Betonköpfen gebracht, das müssen wir wohl auch jenseits von Pfingsten aufschieben, aber wer weiß, vielleicht kommt den Spartrotteln und Sportwagen DammElchen noch eine Eingebung aus menschlichem Angriff. Wer sich als liberal erklärt, kann schmerzlich stolpern. Ich fahre gerade mit dem Zug aus den Niederlanden (dort war er pünktlich) nach Berlin (jetzt ist es natürlich bahntypisch unpünktlich. Das stärkt angeblich die deutsche Identität und den Patriotismus. Aber ich habe andere Gedanken, angeregt von einer spannenden Diskussion an der RUG, Reichsuniversität Groningen, bei einem Kollegen von früher. Spannend unter anderem, weil viele jüngere KollegInnen nicht wie in Deutschland unter Zeitverträgen und dem Auslaufen ihrer Wissenschaftskarriere leiden, sich auf Lehre und Aufstiegsregeln in sozialer Sicherheit konzentrieren können. Das ent-spannt die Atmosphäre, plättet die Hierarchien – hat auch Schattenseiten, die mir weniger gravierend erscheinen. Und so war meine Abschiedsdiskussion zu Afghanistan auch ein gutes Ende langjähriger Arbeit mit und in diesem Land, ich habe gestern mein Archiv einem Kollegen übergeben – es wird weiter die Bindung an Afghanistan pflegen lassen. Abgesehen davon eine angenehme Stadt, Altbau und Moderne nicht kitschig getrennt, sondern verschränkt. Große StudentInnendichte, für manche Ureinwohner zu groß. Egal, die alte Partnerschaft mit Oldenburg Inspiriert…
Das ist also ein untheoretischer, ganz praktischer Alltagsbericht. Auf der Fahrt habe ich Berichte aus Israel und über Juden/jüdisch gelesen, und spät abends habe ich mich nicht mehr über Gaza informiert. Der endlose Konflikt und da drohende Ende des demokratischen unabhängigen Israel untergräbt die Vernetzung und Abwägung von Informationen. Ähnlich Ukraine, ähnlich Afghanistan. Sagt jemand zu mir: Sie haben den Sudan vergessen. Und noch mehr tragen zur unfriedlichen Korona bei. Ich gehe heute früh durch die schöne Altstadt zum Bahnhof, der Markt hat noch nicht offen, die alte Synagoge, die jetzt ein Museum ist, auch noch geschlossen, aber nicht wegen Schabbat. Auch manche Kirchen sind kulturell und museal umgewidmet, meist vorteilhaft. Aber auch hier hinreichend Stolpersteine.
Die Bahnkultur, auch Bahnhofskultur, erfreut den FReisenden ebenso wie ihn die Unterschiede bei Bewohnung agrarischer Praxis aus dem Fenster interessieren. Aber ohne Politik geht der Anblick dieser wohlhabenden Oberfläche nicht, der Faschist Wilders liegt bei 40%, deshalb wollen die demokratischen Menschen keine Neuwahlen, und ich frage mich, wo hier am Land die Armen sind, die man in den großen Städten schon wahrnimmt.
Die Strecke Osnabrück – Hannover bin ich ja hunderte Male gefahren seit 1974 und es hat sich für das Auge wenig geändert. Dichter bebaut, sonst nichts. aber die konkrete Erinnerung an Wanderungen zwischen Osnabrück und Melle, im Wiehen“gebirge“ und Teutoburger Wald, verwehen und sind verblasst, es gab ja keine nachhaltigen „Events“. Trotzdem hat diese Bahnstrecke mehr von erinnerter Heimat an sicvh als die von Oldenburg, es ja war ja mein beruflicher Anfang in Deutschland, einschließlich politischer Erstschritte incl. Usrula Pistorius in Osnabrück. Es wird keine melancholische oder retrospektive Fahrt, es war ein Frühlingseinschub, der ausschaut wie der frühe Juni. Und die Namen, die man erinnert, stehen meist auf einer Liste und nicht mehr im Adressbuch.