Nicht nur „Jude“, „jüdisch“ soll man sein

Ihr wisst, dass ich eine Lehrveranstaltung zur Geschichte Israels und Palästinas durchführe, und da spielt meine Haltung und Meinung keine große Rolle – die Studierenden sollen jenseits von Meinung Wissen und Politik lernen. Mit gutem Grund wird meine politische und kulturelle Geschichtslektion mit dem 6. Oktober 2023 erstmals abgeschlossen.

ABER

Die letzten Monate und Wochen sind voll von Beziehungen des aktuellen Geschehens zu seiner Entwicklung, und auch zur (nicht)nachvollziehbaren Differenzierung zwischen Kritik an der Hamas und der Kritik an Netanjahu, der Kritik an den Palästinensern und der Kritik an Israel. All das in Deutschland und Österreich mit einer besonderen Kante zum Antisemitismus, die es anderswo auch, aber anders gibt. Und die amerikanische Variante der Auseinandersetzung, die sich nicht auf Eliteuniversitäten als besonderen Schauplätzen beschränkt, kommt dazu.

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Natürlich lassen sich die einzelnen Ereignisse nicht aus ihrer Geschichte lösen, sie sind aber jeweils auch nach ihrer Qualität (z.B. Grausamkeit, Unmenschlichkeit) und nach ihrer Logik und nach ihrer Wirkung zu beurteilen. Vielleicht weniger danach, was wir (Außenstehende, nicht direkt Beteiligte, Kommentatoren, Kritiker) für angemessen halten. Wenn man von der Entstehung des Konflikts absieht, dann sind besonders die Vergleiche zB. von Todesopfern – sagen wir, am 7. Oktober, sagen wir seither – mehr als peinlich. Plötzlich sind alle Kommentatoren Expertinnen und Experten. Ein Vorbild, Gaston Bachelard, fragte immer wieder nach „Woher weiß ich, was ich weiß?“ und hier ein Punkt um anzusetzen in der Kritik der Wirklichkeit. Der Frage gehe ich nicht erst seit den letzten Ereignissen nach, aber sie ist politisch, wenn ich mir manche Kommentare anhöre.

WAHRHEIT UND WIRKLICHKEIT

Wo immer auftritt, ist Philosoph Omri Boehm, viel geehrt, bekannt, hoffentlich auch gelesen, umstritten, v.a. für sein Buch „Radikaler Universalismus“ (Ullstein 2023), das sich auf die Gerechtigkeit VOR der Wahrheit, auf die Propheten und Kant bezieht, und eine sehr unbequeme Forderung an jüdisches Umdenken bezüglich der Situation in Israel und Nahost stellt. „Ist aber nicht überall Gerechtigkeit in Gefahr, wenn irgendwo Unrecht geschieht?“ (S. 150). Das bezieht sich auf alle Beteiligten, Juden und Palästinenser und andere aktive Politik im Konkreten – da wird der Philosoph praktisch. Und in Wien gibt es Unmut gegen Boehm von der falschen Seite: https://topos.orf.at/wiener-festwochen-omri-boehm100 (Wiener Festwochen: Eine Rede an Europa
Omri Bohem im Interview mit dem „Standard“
Omri Boehm und der Verlust der Mitte der Gesellschaft (ORF.at)
Omri Boehm bei Ullstein) Zu Omri Boehm noch etwas wichtiges, für mich: er ist zum EINSTAATEN Lösungsansatz zurückgekehrt, weil die 2-Staatenlösung im verloren erscheint. Das muss man jetzt nicht kommentieren, ich verweise nur darauf, dass vor Jahrzehnten (mein Freund) Tony Judt schon darauf Wert gelegt hatte.

Das ist für mich wichtig. Deshalb hier nur über Juden und jüdisch. Weil ich durchaus ethnisch, anthropologisch Juden „Juden“ sein lassen muss, aber „jüdisch“ ist ein Attribut oder Prädikat, das nicht humanbiologisch festgelegt ist, sondern moralisch, wenn man so will kulturell, sozial und in vielen Qualitäten abwandelbar ist, und hier kommt es darauf an, welche Qualität man wie einsetzt. Sind die israelischen Faschisten und Siedler „jüdisch“?

FORTSETZUNG FOLGT, ABER NICHT SOFORT

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