Seit Jahrtausenden ist der Kampf zwischen gut und böse eine einzige heuchlerische Gladiatorenschlacht. klar, dass im Virtuellen das Gute im Endkampf siegt, egal, wie erfolgreich das Böse anscheinend war oder ist oder bleibt. Ebenso klar: nur wer an das Jenseits glaubt, kann mit diesem Kampf etwas anfangen.
Als Biden zurücktrat und Harris sich aufbäumte, schien für einen Augenblick die Gerechtigkeit wieder Einzug in die Welt gehalten zu haben, ausatmen, zurücklehnen, und sich auf das Ergebnis freuen…Plötzlich ist Trump alt, verwirrt und unfähig zu regieren?
Schön wärs. Wenn es ein Endkampf der Weltgeschichte wäre, der in die letzte Runde geht, dann kann man sich so freuen. Aber wir sind noch nicht in der 12. Runde. Der Wahlkampf geht weiter, und so wenig Trump durch die Kugel am Ohr besser geworden ist, so wenig sind die Besseren gleich einmal gut und siegessicher geworden.
(Kein Vertun, Leserinnen und Leser, natürlich möchte ich, dass Harris Präsidentin wird, aber auf dieses Wunschbild kommt esd jetzt nicht an).
Wenn es wirklich um Gut und Böse geht, bleibe ich dabei, dass wir die Konstellation von 1984 wahrscheinlich erleben werden, so oder so, und unsere Kinder und Enkel mehr darunter leiden als wir selbst, beschränkter Lebenszeit Hüter. Aber natürlich kann man das beschleunigen oder herauszögern, das macht schon einen Unterschied. Und zwar in der Praxis, in dem was wir und andere tun, nicht was wir erhoffen, zumal die Erwartungen auf wackligen empirischen Füßen stehen.
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Mit diesen Gedanken ziehen wir durch die Dünen und Strandwälder der Insel Amrum. Natürlich stehen diese Überlegungen nicht im Vordergrund, ganz im Gegenteil, sie sind bestenfalls eine Kulisse. Wir sehen sehr viel von dem wir hoffen, dass es nicht so schnell untergeht im Endkampf.
Das ist nicht einfach Urlaub, es ist Erholung. Es bedeutet sich nicht sofort darüber aufzuregen, was man hier noch weniger als anderswo nicht wahrhaben möchte, endlose Parkplätze, Immobilienblasen, Bausünden etc., nicht Kritik anbringen, wenn ohnedies niemand zuhört…Zurück in die Dünen und Strandwälder und sich daran freuen, wie Krötentümpel renaturiert werden und die Heide erneuert wird und die Leute weniger Unrat blind deponieren. Ist doch besser so, nicht?
Was hier besonders erfreut ist die Wahrnehmung, wieviel gesellschaftliche Aktion für die Renaturierung auf einfachster Ebene nötig ist (vieles davon wird in Schautafeln auch beschrieben). Und was mich jetzt, für diesen Blog, bewegt, ist die Frage, warum es mich erfreut und wie das Mit Trump und Harris zusammenhängt, wenn überhaupt, und ob?
Es geht hier um das regenerative Ausblenden. Die Morgennachrichten bestimmen, was ich in dne ersten Absätzen angedeutet habe. Man hört und sieht sie sich an, und blockiert die analytische Weiterverarbeitung. Ich will rausgehen, wenn der Regen vorbei ist, vielleicht schwimmen, durchatmen, bewegen, als ob die Welt und also der Ort „in Ordnung“ wäre, und wir deutlichen machen, was für uns in Ordnung ist. So einfach ist das? Nur scheinbar. Denn wenn man sich den Freiheiten hingibt, die die Natur uns reichlich anbietet, das tut sie schon, dann lockern sich auch die psychischen Einhegungen und Begrenzungen und Tabus, die uns zusammenhalten. Dann wird freier, was sonst eher verdrängt wird, meist sind die Assoziationen weniger kontrolliert und wenn man genau hineinschaut, sieht man ein Spiegelbild, das man sonst nicht so gern wahrnimmt. Dann geht es nicht um Trump und Harris, dann geht es um einen selbst, der sich im Sand aufwärts bewegt oder den Horizont absucht, als ob es wichtig wäre, dort ein Schiff zu sehen oder eben keines.
Das ist ein Plädoyer für die Auszeit, ihr merkt das, aber nicht für eine therapeutische oder eine besänftigende. Seltsamerweise sieht man in dieser Freiheit vom Aktuellen sehr klar, was man immer schon hätte sehen können. Für mich verstärkt es das Bedürfnis, die Weltpolitik und auch die deutsche Politik und auch, was vor Ort gerade geschieht, NICHT wahrzunehmen ohne wegschauen zu müssen. Es ist als ob die Kritik auch auf Sommerurlaub wäre…
Ihr könnt das alles für ein scheinbar philosophisches Intermezzo halten, aber es ist keines, das mangels konkreter Themen mein Nachdenken euch anträgt. Es ist Plädoyer für eine Pause. Für das Schaffen von Abstand zu dem, was mich täglich zu soviel – nötigen und unnötigen – Äußerungen drängt. Man kann auch sagen, zum Nichtstun gehört auch eine andere Form der Aufmerksamkeit. Was drängt sich denn in den Vordergrund, wenn man es nicht im Stundenplan hat?
Die Möwen schreien und endlich brüllt die Sonne wieder herunter. Man kann einen Tag des Gehens und Schauens beenden, ohne seine Umwelt sofort abzuwerten, weil so viel hier ja wirklich schauerlich ist: umgekehrt, geh zehn Minuten hinaus aus dem Schlammassel, und es drängt sich etwas wichtigeres an dich heran.
Warum dann der Titel? Darum gehts auch. Nicht nur, wenn man moralisiert oder politisch bewertet. Wenn das Böse in unserem Bewusstsein, unserer Erinnerung länger lebt als das, was wir als (so) gut empfinden, empfunden haben, dann kann man ja einmal fragen, ob das die richtige Metapher für unseren Ferienalltag ist.