Regenglück und Psychomedien

Till Eulenspiegel freut sich bei steilem Aufwärtsbewegung, weil es irgendwann abwärts gehen wird. Bergab ist er bedrückt, weil es ja irgendwann wieder anstrengend bergauf gehen wird. Kein Vorbild, aber realistisch.

Mich freut der Regen, obwohl mein Alltag inmitten von Parks und Wäldern bei Sonne durchaus schön ist.  Aus anderen Gründen. Die Trockenheit der letzten Jahre haben die Potsdamer Gärten arg beschädigt, und man kann gar nicht allen herunterfallenden Ästen entgehen – wenn es einen trifft, wird man in den seltensten Fällen in die Literatur eingehen (Ödön von Horvath wurde von einem Dachziegel erschlagen, 1938,  aber unsereins geht nur in die Statistik ein). Regen ist aber „an sich“ auch etwas angenehmes, jedenfalls in meiner Erfahrung und Lebensweise. Im Regen laufen kann befreiend und spannend sein, nicht nur hier, in der Stadt, auch im jährlichen Bergurlaub…natürlich freut man sich auf und über freundliches sonnige Wetter, aber der Regen belehrt, dass es kein Rückzugswetter geben soll. Das reicht als momentane subjektive Assoziation.

Die bildet eine Brücke zu einer anderen Assoziationen. Meine Tagesstimmung, durchaus 24 Stunden aufnahme- oder abgabefähig, erhält ihre Tonart schon um 7 Uhr bei den ersten Morgennachrichten im DLF. In letzter Zeit neige ich dazu, mir die nachfolgenden politischen Erweiterungen der Nachrichten zu ersparen. Details wird man noch früh genug erfahren. Diese selbstbezogene Assoziation geht eigentlich nur mich selbst etwas an, eigentlich. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: die öffentliche politische und kulturelle Reaktion auf das, was sich in der Welt abspielt, konkret in Krieg, Gewalt, Absurdität, wird selbst zu einer Nachricht, die tief eindringt in die Sichtweise, dessen was uns tatsächlich angeht, wenn wir politisch denken und im weiteren Sinn handeln wollen, und nicht auf der spießigen Ebene verharren: „Da muss sich etwas ändern…da kann man doch eh nichts machen.“. Natürlich klingt das wienerisch authentischer, aber es stimmt auch deutsch.

Horvaths Geschichten aus dem Wienerwald, auch andere seiner Texte, lassen einen in eine Gesellschaft hineinschauen, die auf den ersten Blick so real wie normal erscheint, und in auswegloser Resignation münden muss, mündet, vor allem ohne Hoffnung. Wenn ich morgens die Nachrichten höre, dann drängen sich in diesen Tagen mehrere Assoziationen auf: warum fordern manche subtile Gesellschaftskenner häufig in letzter Zeit auch Nachrichten, die das Gute, das Angenehme, die die Verbesserung in der Wirklichkeit in den Vordergrund stellen. Oder die Medien in Bezug auf sich selbst aufnehmen. Vgl. dazu https://www.deutschlandfunk.de/studie-zum-vertrauen-in-medien-eine-starke-polarisierung-100.html; Bei den Meldungen in den Medien steht im Vordergrund, dass die Reaktion von Jugendlichen und Erwachsenen das Ergebnis von unzureichender oder vernachlässigter Medienerziehung und Bildung ist…Das führt zur Politik, nicht zum subjektiven Empfinden der Einzelnen. Hier etwas zu verändern, schnell zu reformieren, wäre politisch geboten.

Und nicht wenn man eingebildet ist, ob spießig, arrogant, querdenkerisch oder identitär, sondern wenn man so gebildet ist, dass man das Eulenspiegelgleichnis nicht auf die Gesellschaft, nicht auf Krieg und Frieden, auf Nachrichten über Krieg und Frieden überträgt, nur dann erträgt man die schlechten Botschaften und kann sie neben bessere stellen. Was nicht heißt, dass man die beiden verrechnet, um eine weniger miserable Endbilanz zu ziehen. Aber aus den guten Nachrichten kann ich Kraft gewinnen, gegen die schlechte Wirklichkeit anzugehen. Von der Politik hält uns nichts ab als wir selbst. 

Zurück zum Regen. Hinausgehen aus dem Trockenen fällt oft nicht leicht. Ist man draußen, wird es anders. Zum Glück.

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