Es gibt Debatten, die bezeichnen sich als politisch, sind aber Meinungsgefechte oder ideologische Kellergedanken. Zu allen möglichen Themen, die uns angeblich oder wirklich betreffen. Hauptsache, man äußert sich und wird dabei zwar erkannt – ach, der, oh, die… – aber nicht haftbar gemacht für die Folgen des Wortausbruchs (kleiner Sprachvulkan mit begrenzt Laberfeldern). Dem gehe ich immer öfter aus dem Weg und werde dafür gerügt, als unpolitisch oder mit einer wohl inakzeptablen Meinung. Kann ich ertragen. Warum dann darüber reden? Weil ich etwas zu sagen habe (mein Freund Bodenheimer filterte immer das Gesagte aus dem Gerede, wenn er Bedeutung oder Wirkung vermutete.
Es gibt nicht viele Menschen in der Politik, die wirklich etwas zu sagen haben. Die meisten guten PolitikerInnen sind gut, wenn sie richtige Entscheidungen umsetzen, und schlecht, wenn sie nichts entscheiden, oder mehr Meinungen als Praxis repräsentieren. Wann haben sie etwas zu sagen? Wenn es um Beteiligung an Krisen, Kriegen oder Machtdemonstrationen geht, oder im Inneren, wenn Befriedungspolitik der Justiz ihre Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt (beides bitter nötig). In der Demokratie erfahren wir BürgerInnen davon und können sozusagen mitmischen. Meistens, manchmal. Warum ich das Fass aufmache? weil zu viel entschieden oder liegen gelassen wird, woran wir schon deshalb nicht beteiligt sind, weil wir nichts davon wissen. Der Pöbel und die Faschisten gleichermaßen bedienen sich der Ahnungen im Volk, wo das Wissen fehlt. Das ist natürlich deshalb besonders gefährlich, weil Ahnungen ja eine wichtige und durchaus positive Funktion in unserer Erkenntnis haben und nur, wenn sie als wahr oder als notwendig dargestellt und in Stellung gebracht werden, zu einer Widerstandskraft werden (Vgl. Thomas Palzer | 11.02.2018: https://www.deutschlandfunk.de/gefuehlte-wahrheiten-ueber-ahnungen-vermutungen-und-gespuer-100.html ; es gibt da noch mehr Philosophisches und Psychologisches) ABER: mir geht es darum, dass die Schwurbler, Faschisten und Teile des Pöbels Ahnungen benutzen, um Wissen zu diskreditieren. Im Übrigen auch Teile der digitalen IT Politik.
Das Gefährliche ist ein zunächst fremder Doppelklick: zuerst wird Wahrheit über die Wirklichkeit gestellt, und dann wird die Wahrheit durch die anders orientierten Ahnungen und Vermutungen in Frage gestellt und ihre Verbindung zur Wirklichkeit dort abgebrochen, wo die Ahnung zum politischen Programm der politischen Gegner wird. (Trump war ein frühes Beispiel mit der alternativen Wahrheit).
Was machen wir jetzt daraus? Jede und jeder, der oder die das liest, kann die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Wirklichkeit selbst erproben. Und erfahren, nachprüfen, wieviele Wahrheiten auf eine Wirklichkeit zutreffen können (nicht müssen).
Das ist nicht philosophisch, es gehört zu unserem Alltag. Nur, weil jemand etwas sagt oder schreibt, ist es doch nicht automatisch wahr. Und wenn die Wagenknecht jetzt ihre linksfaschistischen Dogmen loslässt, ist es nicht schwierig, ihre politische Geschichte nachzuvollziehen und ihre taktischen Lügen zu erkennen. Natürlich nicht nur Wagenknecht. Dass die AfD lügt, wissen wir auch. Aber ungefährlich sind die kleineren Ahnungen und Unwahrheiten auch der weniger faschistischen Lautsprecher auch nicht. Das Zerlegen der Ahnungen kann so gar das Denken fördern – gar nicht schlecht in der Demokratie.