Vor den Wahlen in Österreich, nach den Wahlen in drei ostdeutschen Ländern, wetteifern alle möglichen Kommentatoren mit Beschreibungen der Folgen des „Rechtsrucks“. Als ob die Entwicklung in ganz Europa nach rechts nicht seit Jahren absehbar gewesen wäre. Die Deutungen sind oft unerträglich einseitig, falsch oder – brisant. Dumm ist, was konservative und linke Politiker gleichermaßen verkünden: sie müssten eben dem Volk besser aufs Maul schauen – sie sagen: die Wünsche, Ängste, Forderungen derer „da unten“ besser aufnehmen; zuhören, aufmerksam sein etc. Wieso ist das dumm? weil es nicht Aufgabe der Politik ist, dem Volk aufs Maul zu schauen, sondern es ist gerade Aufgabe der Politik, zu regieren, Politik zu machen und nicht Meinungen zu replizieren und als Verstärker für das zu dienen, was gegen die Demokratie vorgebracht wird, um sie zerstören. Ungarn als Beispiel. Oder Söder. Oder…Wenn demokratische Politiker es für richtig halten, die Bedürfnisse, Ängste und Emotionen der Gegner der Demokratie besser zu verstehen, damit sie besser regieren können, ist das ein fataler Trugschluss. Wenn sie das erkennen wollen, um dem Demokratie entgegenzusetzen, sollten sie nicht einfach aufs Maul schauen, sondern gerade nicht übernehmen, was der Pöbel so fordert, vom Heizungseinbau bis zu den Migranten. Ganz zu schweigen von Arbeitslosenhetze, Impfschwurbel, ….und wenn der Pöbel die Todesstrafe fordert, um welches Maul gehts dann?
Was heißt schon „Zufriedenheit mit der Demokratie“? Aber weil ich auf etwas anderes hinauswill, halten wir uns ans Alltagsverständnis: in der Demokratie, in der wir leben, lebt es sich besser als in undemokratischen Umständen. Es lebt sich besser, nicht: die Demokratie an und für sich ist besser. Oder umgekehrt? Dabei wird kaum gesagt, was diese Demokratie gerade hervorhebt oder charakterisiert; häufig wird genau das nur aus der Kritik, was gerade nicht der Fall ist, deutlich. Wenn wir verschiedene Länder vergleichen, dann wundert es schon, wie unzufrieden die meisten Europäer, außer Schweden und Italiener, mit der Demokratie sind (Ulrich Schnabel: Woher kommt die Wut? (ZEIT 40, 19.9.2024). Man muss die Analyse gar nicht teilen, oder nur partiell, aber man sollte sich fragen, ob die Skala wirklich Zufriedenheit-Unzufriedenheit mit der Demokratie bedeutet, als wären die Befragten Auskunftgeber, „Beobachter“ und nicht Elemente der von ihnen bewerteten Gesellschaftsstruktur. Wer in und für eine(r) demokratischen Gesellschaft lebt, lebt nicht nur dort, sondern er oder sie muss notwendig eine Haltung zu dieser Demokratie haben und etwas für oder gegen die jeweilige Realität empfinden und vor allem tun.
Die Zufriedenheitsskala ist eine mediale Falle. Sie verbindet mindestens drei ganz unterschiedliche Wertungen:
- Man ist mit der Demokratie ganz oder relativ mehr zufrieden als mit nicht-demokratischen Systemen
- Man ist in der Demokratie zufrieden oder unzufrieden, unabhängig von der Einstellung zum System
- Man ist zufrieden oder unzufrieden, egal, ob man in der Demokratie oder in einem anderen Sysstem lebt
Mir fielen noch einige Varianten ein. Kommt es auf Zufriedenheit an? Fragt euch bitte einmal ehrlich, wie oft im unpolitischen Bereich ihr aus moralischen oder ästhetischen Gründen, oder auf externen Druck etwas tut, womit ihr nicht zufrieden seid, es aber für sinnvoll und notwendig erachtet. Behaltet die Antwort natürlich bei euch, aber seid vorsichtig im Zufriedenheitsdiskurs.
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Das Anranzen an die Linksfaschisten von der BSW vergrößert nicht die Distanz zur AfD. Fragen sich die Demokraten in Ostdeutschland und den Parteizentralen, wieviel Kooperation mit und Duldung durcvh Faschismus die Demokratie ertragen kann, und wo und wie man von den demokratischen Menschen Kompromisse verlangen kann – nicht wie Faeser Nebelkerzen an den Grenzen zugunsten des Pöbels zu zünden, obwohl jeder weiß, dass man mit der Migration anders umgehen muss, aber was ist für die Dummen schon das Schengen-Abkommen, oder für die EU-Chefin ein italienischer Faschist im Kabinett?
Mit Demokratie kann zufrieden sein, wenn er oder sie in dieser Herrschaftsform den eigenen Platz orten kann und eine ständige Weiterentwicklung absehen und mitgestalten kann. Das kann individuell zu Einbußen materieller Art führen (Viele Demokratien nach dem 2. Weltkrieg…auch DRD-Bürgerinnen (nicht SO viele) nach der Wiedervereinigung…), aber der eigene Wohlstand kann und sollte nicht gegen die eigene Freiheit und die Freiheit aller – ALLER, ihr Weidels und Wagenknechts – ausgespielt werden.
Unzufriedenheit mit und in der Demokratie ist oft auch nur Faulheit oder Bequemlichkeit, meist von Menschen, die NICHT BETROFFEN SIND. Und denen, gerade denen, sollte man nicht aufs Maul schauen, sie sind nicht „das“ Volk. Das ist nicht ganz einfach zu analysieren. Denn die, die sich berechtigt fühlen, die Demokratie zu perforieren und faschisieren, haben ja eine Lebensperspektive, die auch aus dem System, also meist aus unserer Demokratie kommt. Unzufriedenheit aus der geschützten Sphäre hat etwas pubertäres an sich (Junge Rechte, früher auch manche Junge Grüne, jetzt wieder solche Typen) oder es hat etwas retro an sich, das sich nicht an der Planung und Umsetzung von Zukunft orientiert. Deshalb legt man – Von von der Leyen bis zum recht Pöbel und zur rosaroten Sozialrhetorik – die UMWELT wieder beiseite, man erstickt ja selber nicht, und die nächsten Generationen werden es schon erledigen, bevor sie erledigt werden.
Hat jemand gesagt, dass alle und zu jederzeit mit der richtigen Umweltpolitik zufrieden sein müssen?
Oder unzufrieden mit einer Wirtschaftspolitik, in der Widersprüche ja zum gewollten Credo unseres Wirtschaftssystems gehören?
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An dieser Stelle könnte ich eine Perspektive für Erziehung und Schule, für Bildung und Kultur entfalten. Mache ich nicht, das ist ja ein Blog. Aber fragt euch, wohin das marode deutsche Bildungssystem eines der reichsten Länder Europas und der Welt mit hat stürzen lassen, mit, nicht allein, es gibt noch mehr als Schule…und wer knüpft den Zusammenhang? Nicht das Volk mit seinem offenen Maul.