DROHUNG
Wahrscheinlich ist die Klimawende verpasst. Die Verantwortlichen – vielleicht, wahrscheinlich sind wir dabei – werden längst tot sein, wenn unsere Nachkommen vertrocknen, verhungern, sich verlieren.
Die Kriege werden die Zeit zum Untergang verkürzen. Wenn Afghanistan überlebt, dann wie? wenn Israel überlebt, dann wie und um welchen Preis? wenn die Ukraine von Russland geschlachtet wird, dann wie und mit welchen Folgen für Europa? Wenn Trump in den USA gewinnt, dann warum?
Die Abschaffung der Kultur und der gesitteten Zivilisation – das Programm der neoliberalen Unethik – wird diese Entwicklungen beschleunigen, aber auch Widerstand hervorrufen, dessen Formen nicht so einfach vorherzusehen sind.
Warum sehe ich dieses ausweglose Ende? es geht nicht um mich, seid doch ehrlich: viele von euch sehen die Zukunft auch so oder ähnlich, man sagts nur nicht, weil man keinen Pessimismus verbreiten will, weil man die Aktienkurse nicht abstürzen lassen will, weil man die wirkliche Zukunft gar nicht will.
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HOFFNUNG
Und trotzdem war gestern und heute und morgen a sonniger Herbsttag (aus einen Wiener Lied)
Herbstgedichte erleichtern das Altern und die Gewissheit des nahen Todes. Da ist Georg Trakl noch besser als Rilke:
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,
Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
Beachtet die Metapher im letzten Strophe, nicht die Kinder, die Blumen neigen sich fröstelnd. Wenn wir die Natur beobachten, ahnen wir schon, wie wir verfallen… Aber darum geht es mir gar nicht so sehr, gerade wenn ich mich dem untröstlichen Pessimismus entgegenstemme: kann man denn nichts gegen die Verbindung von Dummheit und Grausamkeit der globalen wie der lokalen Politik tun? Kann oder soll? Das ist keine philosophische Frage, sie ist ganz praktisch all-täglich. Es ist ja mehr als ein Hauch von Verfall, wenn wir manchen unserer machtbesitzenden PolitikerInnen zuhören. Und der Zorn darüber trübt unsere Aufmerksamkeit und die Logik unserer Handlungen, die ja nicht einfach Reaktionen auf Söder, Scholz und Merz sind, auch auf andere, wichtigere, sondern Aktionen sein sollen, die uns in eine bessere Zukunft führen.
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Das klingt banal, irgendwie daneben, sagt ihr. Ist es auch in gewisser Hinsicht, wenn man sich vom „Terror der Aktualität“ (Amery) abwendet und auf das wirklich Wichtige der Zukunft sich konzentriert, sozusagen die Abwendung dessen, was im ersten Absatz so verknäuelt dargestellt ist. Abwendung, das heißt gerade nicht „ignorieren“. Nein, die Schrecken sind wirklich, sie sind unüberschaubar verbunden und doch, jeder für sich, schon nicht bewältigbar. Und wenn man sich damit nicht abfinden will, muss und soll man selbst Politik machen, die subjektiven Scheinhoffnungen ablegen, sich aus Labyrinth der Meinungen, ob sie nun wahr sind oder nicht, auch befreien: Sich in gewissem Sinn der „Realpolitik“ verweigern und da hinzielen, wo man zB. kollektiv dem Umweltende noch entgehen kann (eine schwache Hoffnung, wenig Wahrscheinlichkeit, immerhin) oder die Ukraine retten (ein schwache Hoffnung, aber gegen Russland ankämpfen) oder Israel retten (vor der Vernichtung und vor Netanjahus Zerstörung des Jüdischen, eine schwierige Aufgabe). Sich da zu engagieren hat den Vorteil, dass man weiß, worauf man sich einlässt und nicht vor der Vision der Zukunft im NICHT (nicht im Nichts), also im Ende kapituliert. Das NICHT kommt noch früh genug, für jede(n) Einzelnen von uns. Aber wir leben, wir schauen ins Herbstlicht, wir tun etwas.