In einer Ruhepause zwischen zwei Saunagängen schaue ich zum Dachfenster hinaus – und was sehe ich da? Zwei jugendliche Waschbären herumtollen, als wäre das Dach der Wald und sie in ihrem Element. So nahe wie durch das Fenster habe ich sie nie gesehen, selbst nicht im Park. Sie sind sehr schön und durchaus selbstbewusst. Mir sind bei uns keine Feinde bekannt, und wie sollen sich Menschen und ihre Parks gegen sie wappnen?
Warum sollten sie? Naja, angenehm ist die Praxis dieser schönen Tiere nicht, alles zu verwüsten, zu dem sie Zugang haben, Mülleimer, offen herum liegende Gegenstände. Die Analogie zu Menschen ist nicht abwegig: Manche sind erstaunlich, gut aussehend und höchst anziehend. Trotzdem ist ihre Praxis unerträglich.
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Natürlich könnte man hier an die große Unerträglichkeit, wenn die Wirtschaft, die Politiknachzügler, die Influencer und sonstige Besserwisser sich an die herrliche Zukunft von Trump ankleben, auch an die Dramatik seiner Untergebenen und Sklaven, und nur besonders Mutige dann aufrufen, endlich sollten wir unser eigenes Verteidigungs- und Wirtschaftswachstumssystem aufbauen, wenn wir schon zu spät sind. So argumentieren Gottesfürchtige post mortem auf dem Weg zum Fegefeuer…man will sich ja bessern und Opfer leisten, aber lass uns davonkommen.
Ich denke da anders. Bevor wir nicht die gemeinsame Vergangenheit – politisch, kollektiv und individuell – offen legen und versuchen, kritisch aufzuarbeiten, sollten wir mit allen Statements vorsichtig sein, selbst wenn sie die Wirklichkeit treffen. Es kommt immer darauf, wer wann und wie die Wahrheit sagt. Nur, wo und wie damit anfangen?
Nach dem Ende des Kalten Kriegs orientierten sich die Friedenswilligen an Personen, Brandt, Palme, Gorbatschow und doch viele mehr, und damals schon zu wenig an denen, die sie entweder hochgebracht haben oder in Deckung ihren Abstieg abwarteten…auch dazu gibt es viel Literatur, aber wenig öffentlich, alltäglichen Diskurs.
Die Analysen haben die Massen zu wenig erreicht, diese Kritik ist richtig, aber retrospektiv. Der Wunsch nach einem „anderen“ Frieden, auch in Osteuropa, hat z.B. im Westen, v.a. in Deutschland und Österreich, den Blick auf Geschichte und Bedürfnisse der Befreiten verengt und abgelenkt. Nicht nur in der teilweise absurden Retrorhetorik zur DDR zeigen sich die Schwächen der westlichen ideologiereichen Politik, nicht so sehr des gesellschaftlichen Bewusstseins. Exemplarisch schließe ich mich Ines Geipel an. Nein, es ist nicht der „Westen“, es sind bestimmte Machtstrukturen des Westens, die sich mit bestimmten Machtstrukturen des Ostens gegen einen dritten, noch nicht ausgeformten Weg wappnen. Und gerade die Deutschen haben gelernt, dass man beide Freiheiten, Liberty und Freedom, nicht kaufen und verwalten kann. Doch das weiß man, ich habe es nur auf dem Schirm, wenn ich Politik kritisiere, die die kritische Kultur, die Umwelt, das Soziale in der Innenpolitik hintanstellt, weil das alles angeblich die militärisch-wirtschaftliche Neuaufstellung wieder herstellen kann, wenn wir nur beginnen…
Kehren wir das um, dann können wir mit Umwelt, Kultur und Sozialpolitik auch weitreichende ökonomische Einschränkungen begründen, sogar militärische (Nicht nur Rüstung, auch Verteidigungsbereitschaft, zB. gegen russische Interventionen) Aufwüchse entscheiden. Das ist nicht einfach, es setzt mehr als nur Reförmchen in Bildung und Sozialisation voraus, und keine Trennlinie der Innen und der Außenpolitik.
Die Namen, die dabei aufleuchten oder verschwinden sind schon wichtig, aber gegenüber den Strukturen und der Einwirkung auf die „Basis“ doch nicht an erster Stelle. Das ist auch kein Plädoyer für die sozialistische Scheinvariante und schon gar nicht für die illiberale Demokratie nicht nur der Ex-Sowjetuntergebenen. Es geht darum, dass Gesellschaft und Gesellschaftspolitik eben nicht das Gleiche ist wie der Herrschaft des Volks über die Demokratie (so der Faschist Kickl in Österreich).
Im Augenblick breitet sich Faschismus nicht weltweit und angeheizt durch die USA aus, die drei großen Atommächte befördern ihn nachhaltig. Das Bauen des Widerstands ist wichtig und kann nur auf den Antworten beruhen, die auf die Frage nach der Schwäche der Demokratien folgen: UMWELT KULTUR SOZIALES. Ob es uns dabei immer so gut geht? Wichtig, aber doch nicht so wichtig.
Was hat das mit den beiden Waschbären zu tun? Ihre Attraktivität sagt wenig über ihre Praxis aus und die Zerstörungen, die sie betreiben.