Merzenbecher

Rechtschreibung braucht es nicht, wenn man schon keine Regierungserfahrung hat. Freudig stecken sich die Extremisten der Politik – Welt und Lokal – die Blüten des demnächst ernennten deutschen Kanzlers in die Vasen auf den Beistelltischen. Egal, Merz wird internationale Beziehungen, Gerichtshöfe, Politik beschädigen, aber ER wird sie nicht ruinieren. Dazu ist der März zu kurz. Deshalb:

Frühlingsgedanken statt Winterstarre.

Man stellt sich auf einen warmen Frühling, einen heißen Sommer, einen traubenreichen Herbst ein. Man übersieht wohl wissend die wenigen Insekten, dafür wird man nicht mehr gestochen und gezwickt, und die ausbleibenden Vögel hindern nicht den Mittagsschlaf. Carne, vale! Das Jahr geht in den Karneval, obwohl vom Fleisch real und symbolisch schon weitgehend Abschied genommen wurde. Die Buchhandlungen haben noch offen, und nur wenige Beleidigte klagen gegen veröffentlichte Bücher, ist doch egal, sagen die LeserInnen, wer gemeint sein könnte. Alles nur alternative Wahrheiten. Nur ein paar hinterhältige verschratete Richter verurteilen noch ironische Comedians, weil auch die sagen können, was sie wollen.

Erstaunlich, wie schnell wir die bereits reduzierte Natur als ganze wahrnehmen, sie bisweilen gansheitlich betrachten und beim Anblick z.B. von hohen Bergen, nicht in D aber Ö, an die Gletscher vor 50 Jahren denken und sie uns vorstellen, was jetzt im Geröll unsere Phantasie durchaus erregt.

Überhaupt: Natur. Trump zerstört auch die Naturschutzgebiete und Naturparks. Das zeigt, wie ernst er es meint, mit Putin zu verschmelzen. In meiner Sprache Pmurt wird Nitup und umgekehrt. Wer denkt an so etwas, wenn die ersten weißen, blauen und paar gelbe Blüten sichtbar werden, die Gebildeten haben die Wahl, je zwei für vatikanisch, ukrainisch oder, nein, die FDP gibts nicht mehr, sich vor Augen zu halten und weiter zu wandern, wer weiß wie lange die Baumriesen noch stehen. Besser sitzt man am umgefallenen Stamm, das ist auch metaphorisch. Das schreibe ich nicht, um von der Gesellschaft abzulenken, nein, im Gegenteil, wenn die uns einverleiben wollen, dann entgeistern wir uns doch lieber.

Im Volksmund heißt der Stadtteil Södermalm nur Söder, in Stockholm. Den darf nicht rechts liegen lassen, wenn man an den vorübergehenden Merz denkt, jetzt im Frühjahr, denn Söder sorgt im Südosten des Landes für einen feuchtfröhlichen Lenz, er hindert seine Baiern und Franken in demokratische Länder auszuwandern, manche sind im Grenzstau schon verhungert.

`Meine eigenen Sprachspiele sind mir zu blöd, aber ich passe mich den politischen Jahreszeiten der Entwicklung überall an, und erkenne oft die Blödheit eher bei mir als bei den ständig angegriffenen Politikern. Die kritisiert man nur, wenn man sie nicht verachtet. Wen man verachtet, den kann man nicht kritisieren. Nur sei auch gesagt: das sagt nichts über den IQ der meisten dieser Nichtkritisierten aus, denn wenn sie noch so böse, schweinisch oder mafiös sind, gescheiter als der Pöbel und gescheiter als wir ablehnenden Marginalisten sind sie allemal. Das sage ich, und gehe weiter in die schönen Baumpflanzungen, die mich vom Theoretisieren abhalten und nur meine Sinne auflockern. Man muss im Park ja nicht dauernd vor sich hinbrabbeln.

Frühling, Frühling allerorten

Schluss mit der Politik, mit der Theorie, mit dem Zweifel. Weiter im Park, wo er langsam in den Wald übergeht. Trocken, seit langem, nur oberflächlich nach dem Regen befeuchtet. Ab und an ein Reh, aber und anner Wildschweine, und bisweilen die Ansitze von Jägern. Die Gedanken brechen aus, immer wieder hofft man auf einen Wolf, aber hier sind wenige, und wo sie sind, kommt man so schnell nicht hin. Aber in einigen ehemaligen Manövergebieten der DDR gibt es schon die neuen, guten Rudel – wiederum gefährdet, weil die konservative Wende auch wiederum die Wolfsjagd schafköpfig forciert. Aber wenn man weitergeht, erfreut man sich schon der erstaunlichen Bewucherung, vor allem dort, wo die amerikanische Wildkirsche noch nicht alle anderen Jungbäume verhindert hat. Stundenlang kann man in der Umgebung der Stadt, am besten mit dem Hund, sich an einer Natur erfreuen, die a) die politischen Selbstgespräche bald versickern lässt, und b) einem genügend viele Gedanken über ihre Widerstände und Resignation gegenüber den Park- und Forstbesitzern aufdrängt. Wie lange die Buchen dem Klimawandel wohl standhalten werden? Ich gehe in diese Wälder auch so gerne, weil sie wenigstens nicht ganz flach sind, und einige Hügel sogar Menschenhöhe übersteigen. Auch gibt es ruinöse Manöverruinen aus dem Dritten Reich und von noch früher, die jetzt efeuig zugewachsen sind und einem die Wirklichkeit der Gegend vor Augen führen, kein Disneyland. Ich wünsche mir eine Schlange, wenigstens ein, hier habe ich keine gesehen. Aber immerhin Frösche, Raben, Krähen und Hunde, deren Besitzer sich doch rasch zeigen, wenn zuviel gebellt wird. Jetzt laufe ich hier schon eine Stunde und frage mich, wie die an den Wald anschließenden Einfamilienhäusler und Schrebergärtner ihre Naturerlebnise biografieren, und wie stachelbedrahteten Polizeiadepten den Wald und den Waldrand wertschätzen (wenn sie mit Hund und Gürtelwaffen den Zaun entlang pilgern, frage ich mich, wie sie den Wald wahrnehmen). Alles in allem kein Gebiet, von dem man Natur oder Besiedlung oder irgendwas dazwischen sagen kann, man erfindet je nach Standpunkt Gedanken zu dem, was man wahrnimmt, und meist beiseite legt. Oder doch nicht, irgendwann kommt man nach Hause und dreht den Fernseher oder das Radio NICHT an. Noch kein Merz oder Putin oder Musk, das Glacis zwischen Natur und Politik gewährt einen Aufschub.

Fast täglich ergehe ich mich in diesem psychischen Schutzgebiet, meist mit dem Hund, oft zu zweit oder vermehrt. Lacht nicht: DAS HIER ist kein Übungsgebiet für Vorlesungen oder Analysen, hier denke ich nicht darüber nach, wie mich die drohende Herrschaft einschränken wird wollen, können….das geschieht an anderen Orten. Denen schreibe ich nicht von meinen Orten der Resilienz, denen schreibe ich nur zu, ob Kritik angebracht ist. Wenn nicht, also wenn ich sie verachte, auch keine Kritik. Aber das ist schwieriger als man denkt.

Alltag jetzt, nicht erst in der Diktatur

Wer hat je gesagt, dass es in Zukunft besser würde als…wann und wie? Naja, viele haben es gesagt, um ihre Ratgeber zu vermarkten, oder sie haben auf privilegierten Inseln ihr Leben weitergebracht. Der Kampf der Optimisten gegen die Pessimisten, der Kampf beider gegen die Realisten und ähnliches ist interessant für Philosophie – und schein-politische Abendgespräche.

Zukunft ist kaum wirklich denkbar, wenn man die Umkehrung von Umweltpolitik und die Kriegswirklichkeit – angekündigt auch in verschiedenen Appeasements gegenüber den Diktaturen in Russland, USA und China – genau ansieht, dann ist ja das die Gegenwart. Also können wir unser Leben jetzt und in Zukunft auch unaufgeregt bedenken, oder?

Wir müssen uns auf eine Zukunft einstellen, die für unsere Kinder, Enkel, vielleicht noch für ein paar Generationen mehr, aber nur vielleicht, mehr oder weniger lebenswert sein wird. Lebenswert…kein Luxuswort der Wohlhabenden in ihrer Blase, sondern wirklich Wert, dass man noch lebt und noch nicht tot ist. Aber für uns ist es JETZT. Da ist keine Zukunft drin, nur eine nicht so wirklich ent-schuldete Vergangenheit. Das ist wichtig für Politik, aber auch für unser persönliches Leben, für das ich ungern das Wort „privat“ verwende. Was ist schon privat, wenn die Welt um uns sich zerlegt?

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Umso wichtiger, jenseits und unterhalb der unmenschlichen Herrschaft, und angesichts der Umweltbedrohung nicht darauf hineinzufallen, dass alles nur bei den Einzelnen, bei dir und bei mir bleibt. Nein, es geht um Strukturen und es geht um Politik. Das bedeutet aber auch, dass es unterhalb und neben der Politik ein anderes Leben gibt, in dem wir atmen, essen, kommunizieren usw., und zwar nicht das Wort GLEICH NOCH ZUM BEGRIFF ERHEBEN: LEBEN: also leben wir und stellen uns darauf ein, was (noch) nicht wirklich für uns schon wirkt. Vielleicht für andere. Die Diktatur wählt ihre Untergebenen nicht erwartungsgerecht aus. Aber wir kommen auch dran, wahrscheinlich. Dazu kann man einen Roman schreiben oder sich auf den Untergrund vorbereiten, aber zunächst einmal, jetzt also, muss man „einfach“ weiterleben, was nur heißt, dass man sich jetzt noch nicht als Opfer oder als Zeuge oder gar an der Seite der Täter darstellen muss, WIR sind ja keine Musks, Bezos, oder Oligarchen.

Deshalb können wir einen aktiven erfüllten Alltag haben, und da hat die Politik ihren Denkplatz, ihre Diskussionen, aber sie ist nicht der alles bestimmende Ort. Mit anderen Worten: wir setzen der „Normalisierung“ das normale Leben entgegen und sind uns dessen, also unser selbst, bewusst.

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Tagesabläufe, Arbeit und Freizeit, Kulturereignisse und Naturerlebnisse, Besuche und Alleinsein…für jeden von uns gibt es hier einen breiten Korridor von Entscheidungen, die nicht durch Bedrohungen oder Ängste schon vorgeformt werden (sollen, dürfen). Diese triviale Feststellung ist wichtig, wenn es darum geht sich nicht schon zu unterwerfen, bevor die Autoritären, die Diktatoren und ihre Exekutive uns Regeln diktieren wollen. Das klingt so einfach, aber wir lassen uns doch im Alltag ohnedies nicht in bestimmte Verhaltensformen und Handlungen pressen…ODER? Reicht schon: wenn die Gewalt und der Feind drohen, dann ist die Lebenswirklichkeit bis zu seinen Aktionen umso wichtiger. Und da hilft die Wirklichkeit schon zum Herstellen nicht nur von Resilienz, sondern auch zum Selbstbewusstsein, welchem Diktat wir uns nicht beugen wollen und sollen. Dazu müssen die Diktatoren noch gar nicht an die Macht kommen.

P.S. Liebe Leserinnen und Leser, diese etwas dunkel gefärbte kleine Aufsatz sagt ja nur, dass vieles in unserem Alltagsleben sich auch ohne drohende Diktatur bewusster einrichten lassen kann, und erst recht, wenn die angsteinflößenden Akteure herumwirbeln und Angst verbreiten.

Resignation? Das ist keine Politik

Selbst Söder hat mehr Regierungserfahrung als Merz. Das merkt man an den seltsamen Feldzügen des baldigen Kanzlers, den man so wenig canceln kann wie seinen Vorgänger zurückholen. Netanjahu einladen – klar Merz gegen die internationalen Gerichte. Merz gegen fortschrittliche NGOs und andere demokratische Vereinigungen. Merz gegen das geltende Wahlrecht. Merz gegen…aber WOFÜR ist er eigentlich? Ich meine nicht seine Wortblasen, sondern ein politisches Programm und keinen Meinungsblumenstrauß.

Fast alle demokratischen Parteien haben bei dieser Wahl verloren, der FDP geschieht ihr Absturz recht, aber den anderen nicht. Der Aufstieg der AfD wäre natürlich und unschwer zu bremsen oder umzukehren, das setzt aber Bildung und Einsicht beim Volk, und nicht weitere Geldversprechen und Oberflächenpflaster voraus. Und wir brauchen Außenpolitik, keine Sprechblasen. Der CDU Norbert Röttgen hat heute im DLF als einer Wenigen das Richtige gesagt. Die Gefahr, dass wir uns in die rechtslastigen Untergebenen des Diktators Trump verwandeln, ist aktuell und nicht erfunden. Das gilt für viele europäische Staaten. Die Wende wird uns viel mehr abverlangen, als die zukünftige Regierung jetzt formuliert – schade. Es wird umso härter rüberkommen, wenn die Schleier unsinniger Hoffnungen aus dem wahrscheinlichen Bewusstsein der Merzregierung abgezogen werden. Vielleicht wird es nicht so schlimm mit der deutschen Politik, weil manche schnell etwas dazulernen. Das wäre richtiger als Spott und Hohn derer, die den Abschied vor Kriegsbeginn herbeiwünschen, damit alles neu beginnt. Das hatten wir doch schon?

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Es gibt mehr als einen Gegner. Das wird allmählich allen klar. Es kann auch alte und neue Verbündete geben.

Schweigen, lautstark

Noch wirkt die Realität nicht wirklich, man bleibt bei der ideologischen Selbstbetrachtung. Ich höre im Radio Koalitionsvorüberlegungen, inhaltsleer, nicht unfreundlich, aber unwirklich. In Ostdeutschland haben die Faschisten fast alle Wahlkreise gewonnen. Man hofft, dass es in vier Jahren nicht so schlimm wird, und beschwört das Wachstum der AfD, wie einst die NSDAP gewachsen war. Ich weiß schon die Unterschiede, aber auch die Analogien. Faschisten im sich ausbreitenden Faschismus, das wäre die einfache Formel. Also: erstmals mit den Analysen vorsichtig sein, den Bodensatz abwarten (Heute im DLF um 7.50: AfD in Sachsen…verallgemeinern? Dann wird höflich und ohne Kritik ein AfD Politiker befragt, das ist „Normalisierung“ (siehe gestrigen Text).

Nathan Gardels schreibt in Noema: Instead of expressing outrage at China’s plans to take Taiwan, Russia’s bloody attempt to seize Ukraine or Israel’s vision of annexing the West Bank, Team Trump is openly considering its own Anschluss of other people’s territory in Greenland, the Panama Canal and even Canada. From what we can tell so far, the president’s idea of any peaceful settlement to these conflicts entails giving the stronger power what it wants. (22.2.2025)

Wir bekommen die trinäre Weltaufteilung, mit einem schwächeren Russland, starken USA und China und drängenden weiteren Starken, Indien etc. Und dazu muss man nicht sagen Na und? und Abwehr! Sondern sich selbst für die Zeit des dritten Weltkriegs vorbereiten, nicht einfach rüsten. Wenn es besser im Schlechten kommt, umso besser, aber wenn es schlechter kommt, als die Skeptiker erwarten, umso schlechter für unsere Kinder und Enkel. Dass sich die Gegner ökologischer Zukunft, Typus Lindner, zurückziehen, ist fast Nebensache, auch seine Kinder werden ersticken, und zwar nicht am Geldmangel. Dass sich Habeck zurückzieht, ist schlimmer. Wir brauchen Menschen, die einen Blick auf Verteidigung des ordentlichen Lebens in Zukunft haben.

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Ein Stück Resilienz, Widerstand, Weitblick über unsere Lebensgrenzen hinweg…das kann man auch herstellen. So entsteht Politik, im übrigen. Wichtig ist dabei, über die eigenen Meinungen und Anschauungen hinweg zu handeln, ironisch die Kritik der kritischen Kritik hinter sich lassen und auch nicht darauf hoffen, dass man nach dem eigenen Tod doch noch irgendwo weiter lebt oder denkt oder fühlt. Das klingt pathetisch, ist es im Wortsinn auch, angesichts der schmalen Option eines Weiterbestands der sogenannten Menschheit auf dem nicht in Frage stehenden Planeten. Die Metapher wäre, Umweltschutz gegen Verbrennermotor, alles in Wirklichkeit schwieriger und nicht auf Einzelpersonen allein herunterzubrechen. Nein, Kommunikation und Assoziation sind schon wichtiger, Bündnisse fürs Überleben bedeuten manchmal auch aufgeklärte Gewalt, aber immer Einsicht in das Überwinden der eigenen Begrenztheit zugunsten unserer Kinder und Enkel.

Dazu gehört auch, Abstand zu den unfertigen Analysen und Meinungen zur gegenwärtigen Politik zu gewinnen….siehe oben.

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Da es ohnedies offenbar keinen Staat mehr gibt, in den man gegen den wachsenden Faschismus wird fliehen können, absehbar für uns Juden auch nicht Israel, müssen wir uns auch – AUCH, nicht ganz oder exklusiv – in die Kultur und Kommunikation der demokratischen Absenz von der illusionären Scheinpolitik zurück-ziehen, oder, wie ich denke, vor-ziehen. Das heißt gerade nicht unpolitisch zu werden, sondern Politik gegen die illusionäre Programmankündigung der Heilung durch Programme zu betreiben. Eine psychologische Beraterin würde sagen: auch durch Verhalten, auch durch Kommunikation, durch praktische Empathie. Hier schließt sich der Kreis.

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Der Frühling bricht auf, es wird früher hell. Man ahnt das Grün im Park mehr als man es sieht, aber im Selbstgespräch mit dem Hund belehrt man die Sturköpfe und Nerds, sich von den Brunnenvergiftern abzuwenden und wieder aktiv zu leben, inklusive Empathie für Geflüchtete und die Notleidenden um die Ecke. Die Vögel hören mir zu, und ich verbessere meine Sätze. Noch ist das keine Politik, ich weiß. Aber es schadet nicht, die Klippen und Abgründe unfertiger Gedanken sich selbst vorzutragen, damit stört man wenigstens niemanden sonst. Im Ernst: Der Schritt von der Meinung in die Politik tut uns not, nicht dauernd auf die Faschos schauen, sondern uns selbst aktivieren. Geht doch? Geht doch. Muss.

Rechter Schrecken normal

Am Morgen nach der Wahl atmet nur eine Partei wirklich auf, die rechtsradikale AfD. Alle anderen Parteien haben Probleme, am wenigsten die Linke, auch die Grünen, aber die miese Koalition aus CDU, CSU und SPD ist ex ante marode. Das weiß die AfD. Frau von Storch hat mit bemerkenswerter Klarheit über die Normalität ihrer Ausländerpolitik gesprochen (DLF 8.50), die ein Teil der Normalität ihrer Partei ist, die sich in manchen Fragen tatsächlich nicht von den bürgerlichen Verlierern/Gewinnern unterscheidet. Wenn jetzt abgeschoben würde, könnten wir wenigstens hoffen, dass die AfD vor allen andern in Krankheits- und Hungernot stürzt, aber das ist schal.

AFD – Was nicht normal sein darf (Stefan Kornelius, SZ 24.2.2025) lesen! Auszug: „Der Trump-Nachahmereffekt mag eine Rolle dabei gespielt haben, aber noch wichtiger ist ein sich wandelndes Politikverständnis, das mit der DNA der Bundesrepublik nichts zu tun hat. Diese Partei bedient die autoritäre Grunddisposition vieler Wähler, den Wunsch nach Führung, Härte und Eindeutigkeit, die der politische Betrieb einer Demokratie nun einmal nicht liefern kann“.

Die Normalisierung der AfD für den Rest der Bürgerinnen und Bürger ist viel ärgerlicher als ihr 20% Erfolg bei der Wahl. Die bescheidene Freude über den Absturz der Lindner-Partei und das Wegfallen der Wagenknecht-Gruppe tröstet nicht dauerhaft und langfristig, obwohl wenigstens zeitweise die Neoliberalen und die Putinisten ein wenig marginalisiert sind.

Das reicht mir erstmal als Zusammenfassung der Wahlauszählung. Politik bedeutet, nicht dauernd umfassend zu allem etwas zu sagen.

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Normalisierung. Ein scheinbar unscheinbares, pragmatisches Wort, als Begriff schon wichtiger, und hochbrisant. Jürgen Link, der wichtigste deutschsprachige Theoretiker und Darsteller der Normalisierung, taucht leider bei Google nicht mehr auf (S. 1-4), aber man muss sich mit ihm auseinandersetzen. (https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_ Jürgen Link: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2006. 3., ergänzte, überarbeitete und neu gestaltete Auflage.

An der Normalisierung tragen die Medien einen großen Anteil, indem sie vorgeben, die AfD hätte die gleichen Rechte wie alle anderen Politikbereiche , vor allem gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. (Das kann auch ein Argument der Schwurbler und Rechtsextremen sein, die meinen, ihre Rechte wären schon durch Kritik und Ablehnung verletzt). Aber die Medienkritik 9ist ebenso wichtig wie eine klare Haltung zu den Faschisten.

Zugang: Wahrheit und Lüge in der Politik | Zwei Essays Piper, 2013. Die Zusammenfassung ist zu knapp, aber sie weist in eine wichtige Richtung: „Lügen gilt als unerhört, die Suche nach Wahrheit als nobel. Doch in der Politik verhält es sich mitunter umgekehrt, behauptete Hannah Arendt vor über 50 Jahren: Hier eröffnen Lügen Handlungsspielräume. Wahrheit ist dagegen despotisch.“ (Philosophie, #80). –Besser Arendt ausführlich zu lesen, am Besten Denktagebücher, Heft XXIV 1963-1964, ab. S. 617. Sehr früh sagt sie „Aber die Wahrheit ist keine Waffe. Benutzt man sie als solche, wird sie stumpf oder zur Lüge“ (621). Um mich nicht im Philosophischen zu verlieren, ein Rückbezug zur Gegenwart – und zur AfD: „Das Wahre, das man nicht zu hören wünscht, erzeugt Lügen: Der Effekt eines Wahren in der Politik kann sein, dass viel mehr Lügen entstehen, als sonst der Fall gewesen wäre“ (S. 625). Allerdings nicht nur zu AfD, auch zu den Demokraten, etwa mit den Argumenten im Wahlkampf. Aber noch ein bedenkswerter Eingriff: „Wahrheit ist nicht durch Abstimmung zu ermitteln“ (S. 631). Die Zusammenhänge sind vielschichtig und mit großen Ausweichungen. Aber ich will sie verbinden mit dem häufig ironischen Einwurf, dass es bei der Wahrheit und der Lüge gleichermaßen darauf ankommt, wer sie in welchem Kontext sagt. Das ist nicht nur ironisch. Wenn die Faschisten eine Wahrheit sagen, verdecken sie damit etwas Wahres, das die Menschen um sie herum partout nicht durchschauen sollen. Meine Ironie: der Wetterbericht.

(Der Teufel sagt die Wahrheit, aber lügt….religiöse Verkürzung; da muss man nicht weiter hinein. Aber auch in Literatur und Alltag hängt vieles davon ab, wer welche Wahrheit sagt).

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Zurück zum heutigen Wahlergebnis. Ganz Europa bewegt sich in Richtung auf Faschismus. Unterschiedliche Schwerpunkte, Geschwindigkeiten, Verbündete. Das Gemeinsame sind die Kombination der 14 Punkte etwa des Umberto Eco (vgl. Valentin Grünn 2017: 14 Merkmale des Ur-Faschismus nach Umberto Eco; besser gleich das Original). Ganz Europa, incl. Deutschland (leider auch Österreich, meine erste Heimat).

Was heute interpretierend über die Medien und in Gesprächen herumkommt, ist, auch wenn gut & spannend, meist nur Meinung und Vermutung, aber kein Fokus auf Politik. Wäre auch schwierig, so schnell alles zu verstehen und mitzuteilen – außer der schrecklichen Wahrheit.

Das bedeutet natürlich nicht, dass eine künftige demokratische Regierung nicht auch zur politischen Wahrheit strebt, aber sie kann, auch jetzt nach der Wahl, nicht von ihr ausgehen. Sie kann die Wahrheit politisch herzustellen versuchen. Die Lügen der Wahlwerbung müssen systematisch abgezogen werden, das ist Bestandteil der Wahrheitsfindung, und gerade das geschieht bei der AfD, den europäischen Faschisten oder bei den Diktatoren wie Trump und Putin nicht. Mit den absehbaren Schmerzen und Leiden, auch mit den Verletzungen durch Korrekturen, konnte man keinen erfolgreichen Wahlkampf machen (am ehesten haben noch die Grünen es versucht, naja, nur 3% minus statt der erhofften 10% plus). Wenn regiert wird, bestimmt die Wirklichkeit mit, wie Politik zu machen ist.

Wer weiterhin die Lüge zum Programm macht, der hat diese Dialektik nur zu gut verstanden. Auf Dauer müssen die – sagen wir – 60% demokratischer Menschen die 40% Faschisten im Zaum halten: wir müssen selbst regieren und nicht den Lügen nachlaufen, den Lügen über Ausländer, den Lügen über die Reichen, den Lügen über den Wohnbau etc. Aber niemand sagt, dass das Spaß macht, dass es keine Opfer verlangt und kein Umdenken. Wenn die Kriege die Umwelt weiter so beschädigen, haben wir noch weniger Zeit für Politik. HIER müssen wir umdenken und handeln.

Österreich vorn. Schaumama

Noch wird in Deutschland gewählt und ich halte die Prognosen des letzten Halbtags von mir fern, ich verdränge den faschistoiden Anspruch und Ausspruch des Herrn Merz und die Abschiedsgesten von Scholz. Kann alles bis 18.01 Uhr warten.

Tagelang habe ich in Österreich gebangt und gewartet, aber offensichtlich hat der weitsichtige Bundespräsident Van der Bellen die Hirne der Beteiligten weitgehend gefestigt, und nach dem Spuk mit der FPÖ bleibt genügend braune Realität im Land der Berge.

Prolog: die braune Wirtschaft passt hälftig zum Austrofaschismus und zu Kickls weiter reichenden Faschismus. Wenn man den Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill wahrnimmt, dann ist der rechtsradikale Schulterschluss schon absehbar. Lest „SPRICHT BLAU-SCHWARZ-FAN KNILL FÜR DIE INDUSTRIE?“ (Regina Bruckner, Joseph Gepp: Standard 15.2.2025, S. 17, und viele andere mehr). Wir wissen um etliche Wirtschaftler aus dem rechtsradikalen Lager, aber wenn der Industriechef so deutlich Position bezieht, ist das bedenklich. Gottseidank, er bekommt keine braune Regierung als Partner, aber schaut einmal unter die Decke. Das ist nur ein peinliches Beispiel. In fünf Bundesländern regiert die faschistoide FPÖ – mehr deutsch-faschistisch oder noch austro-faschistisch, in einem Bundesland hat sie die Mehrheit….

So kann ich HIER schreiben, ich Österreich muss ich mit den Begriffen anders umgehen, weil das historisch-linguistische Verständnis doch anders als in Deutschland ist. Aber so sehe ich es, wirklich, inklusive meiner Hochachtung vor dem Bundespräsidenten, der wirklich gescheiter ist als die meisten Politiker. Nach ein paar Tagen in Österreich kommt die neu sich anbahnende Dreierkoalition nicht wirklich überraschend, sie war ja an strukturellen und nicht sachlichen Hürden erstmals gescheitert, jetzt muss sie ran. Aber die FPÖ wird noch hinzugewinnen, Österreich war als ganzes nie so demokratisch wie Wien nach dem ersten Weltkrieg und weitgehend nach dem zweiten Weltkrieg, und Bruno Kreisky ist schon beinahe vergessen.

Largo: Europa ist mehr als Österreich, es gibt wichtigere politische Kräfte und Staaten, und es gibt viele faschistische Mehrheiten. Es gibt auch komplizierte Nachbarschaften, teilweise auch faschistoid geformt. Es gibt die Beziehung zu den USA. Dazu habe ich eine Formel zur Analogie. Hitler-Stalin, Trump-Putin. Bei dieser Analogie bleibe ich, auch wenn ich sie differenziert und ausführlicher entfalten will. Hier reicht sie, und mir braucht keiner zusagen, welche Unterschiede es zwischen den Paarungen gibt. Aber erstmal geht es um Strukturen und nicht um die Persönlichkeiten selbst. Sie stehen für autoritäre Bündnisse, Diktaturen, die sich die neueren Faschismen untertan machen. Dass dabei mehr als nur die Ukraine massakriert werden kann, wissen die denkenden Menschen nicht nur in Europa. Aber was dagegen tun? (Außer schnell aufrüsten? Es gibt kaum „neue“ Partner gegenüber den drei globalen Atommächten, auch wenn Europa viele Einwohner hat…). Nein, Aufrüsten reicht nicht. Umdenken und sich auf ein anderes Leben in einer anderen Politik, als in mehr Demokratie UND Abwehr gegen die Diktaturen sich entwickeln, und das wird im persönlichen Leben Opfer verlangen, Zeit und Konsum, aber wichtiger: Umdenken.

Fuge: es klingt seltsam, aber um das alles zu bewältigen, müssen erst wir die Veränderungen an uns und mit uns schaffen, sie mehr als nur fordern – und ei9nleiten ist zu wenig, genügt jetzt nicht. Da es „den Westen“ nicht mehr gibt und er auch nicht zu kleben ist, müssen wir uns fragen, was anstatt zu konstruieren ist, demokratisch und ... Diese drei Punkte sind relevant. Ich habe keinen Begriff für die politische Neuordnung, auch eine ohne die USA (noch sage ich nicht, „gegen sie“). Mir widerstrebt es, wenn auch sonst kluge Menschen die Politik der Westmächte von 1938 und 1939, das „Appeasement“ fordern, ohne die geringste Vorstellung, wie Putin und Trump darauf reagieren.

Finale infernale: Wie auch immer in zwei Stunden die Wahlen hier in Deutschland ausgehen, Die Antwort auf die Fuge kann vom großen oder starken Deutschland für ganz Europa entscheidend sein, und da dürfen die Minimalisten in Hirn und Lokalität nicht jetzt ausschließen, mit welchen Demokratien sie nicht Bündnisse schließen wollen. Sie müssen. Und wir Bürgerinnen und Bürger müssen uns darauf einstellen, dass wir für Frieden und Umwelt schwierige Einschnitte in unserem Lebenslauf und dem unserer Nachkommen werden mittragen müssen, als die Jetzigen Programmschwadronierer auch nur andeuten.

Zweifeln? Ändern.

Erstmals zum Guten: Daniel Cohn-Bendit hat heute das wirklich wichtige und richtige in den Morgennachrichten gesagt, über die Anstrengungen, die EUROPA sofort und GEEINT gegen die USA, gegen die anderen Diktaturen, aber vor allem für unser europäisches Überleben übernehmen muss. Bis auf die Grünen würden alle anderen Parteien in einer irrationalen Parallelwelt politisieren, obwohl die wichtigen Fakten und Handlungen evident seien. Hört das nach, DLF 7.15.

Man kann da auch anders einsteigen:

60-minutes über Meinungsfreiheit: JD Vance kritisiert niedersächsische Staatsanwälte

Artikel von Elisabeth Woldt, Manuel Behrens 19.2.l2025

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  „Beleidigung ist kein Verbrechen“, schreibt Vance beim Nachrichtendienst X. Das Kriminalisieren von freier Rede werde die US-europäischen Beziehungen stark belasten. Vor dem Hintergrund, dass das Weiße Haus gerade die renommierte Presseagentur AP von Presseterminen ausschließt, nur weil sie weiterhin „Golf von Mexiko“ und nicht – wie von US-Präsident Donald Trump gewünscht – „Golf von Amerika“ schreibt, wirkt diese Betrachtungsweise fragwürdig.“

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Die Medien quellen über. Trump und Vance und Musk und alle ihre mafiösen Unterstützer und Handlanger sind im Diktaturenrausch, geschafft!!! Trump, ausgerechnet, verweist auf 1984, um Europa Eingriffe in die Demokratie der Meinungsfreiheit vorzuwerfen, er beleidigt, hetzt und schmiegt sich an Putin wie Hitler an Stalin.

Reflektierte PolitikerInnen bei uns reagieren nicht in diesen Tönen, aber sie deuten den Bruch an. Der Bruch IM Westen, nicht „mit dem“ Westen.

Was wir, zB. wir in Deutschland oder der EU, dazu beigetragen haben, uns von den USA beschützen zu lassen, ohne wechselseitige Zuwendungen, also in Abhängigkeit, wird noch ganz anders thematisiert werden als in diesen Tagen. Andere, zB. die Letten oder aber auch die faschistisch mitregierten Niederlande oder Dänemark machen schon Verteidigungs-Wachstumsschritte. Aber die Kritik an Trump ist noch verhalten. Er wird die Ukraine opfern und uns dafür zahlen lassen.

Und jetzt kehren wir zu Daniel Cohn-Bendit zurück. Bei aller berechtigten Kritik, Abneigung, bei allem Unverständnis am Verhalten und der Meinungs-Isolation nicht nur der Rechten: is ja schon gut, ABER: wir müssen unsere Demokratie aus der unlogischen Träumerei herausholen, dass die Blindheit und der Opportunismus, überhaupt seit 1989, aber eigentlich schon früher, ein Ende haben muss, sofort und unter klarer Abgrenzung der Haupt- von den Nebenwidersprüchen.

Schwierig? Theoretisch nein. Aber in der Praxis. Die hat Vorrang vor der endlosen Ausdifferenzierung der Wahrheiten, wer wieviel Faschismus oder Diktatur repräsentiert, wer uns hinters Licht führt etc. Nicht sich selbst auf Wählengehen und Koalitionen der Träumer einlassen.

Der Tag hat mit DCB gut begonnen

Spannend und nicht alltäglich verkürzt: Peter Baker: Trump*s Pivot Toward Putin’s Russia Upends Generations of U.S. Policy. The Times, 18.2.2025

Alpentortraum

Verbindung von Torheit und Traum. Torheit als Bedingung für österreichische Politik, als Tor zum Traum, als Traum vom Tor auf der richtigen Seite, Durchgang zur Wirklichkeit…so assoziiere ich den strahlenden Tag voller Schnee, morgen bin ich wieder in Deutschland, und die Welt sieht ja aus Österreich schon noch einmal anders aus. anders, nicht besser oder schlechter. der Widerwille gegen die politischen Weltnachrichten lenkt mich auf die Kulturseiten, die Kritik dort zurück in die Politik. Kein Entkommen.

Ich verstehe die Abneigung vieler gescheiter und weniger gescheiter Menschen, sich dauernd mit „Nachrichten“ auf dem Laufenden zu halten. Ich teile sie nicht, aber es ist eine Versuchung. Man will die Rückständigkeit der Mehrheiten in Politik und „Gefolgschaft“ nicht dauernd als Rahmen der eigenen Lebenspraxis erfahren…aber welche Wahl habe ich? Also weiter, Wissen gegen Glauben, Denken gegen Ahnen, weiter… das ist nicht neu, aber schmerzhaft, weil man ja keine Rache in den Widerstand einbauen kann bzw. soll. Klingt einfacher, als es ist. Aber dann sehe ich heute Diskussionen im deutschen und österreichischen Fernsehen zu den diskursiven Folgen der Attentate von München und Villach – es beruhigt mich, dass die Unruhe geteilt wird, von den wirklichen ExpertInnen, und wir also neben der Resilienz uns auf mehr Entscheidungen vorbereiten müssen, nicht einfach auf Kompromisse. Wie hängt das mit dem Nachrichtensatz zusammen? Die Nachrichten werden nicht unverhältnismäßig mehr, wenn wir sie durchdenken und Konsequenzen ziehen sollen. Eine davon ist klar: die Klimakatastrophe bedroht die Welt drängender und mehr als alle Kriegs- und Politikdrohungen. Das wird natürlich auch Trump treffen…aber diese alten Diktatoren, Putin Trump Xi et al., interessieren mich nicht. Meine Kinder, meine Enkelinnen, die Kinder meiner Freunde interessieren mich, und diese Perspektive muss unsere Abwehr der altersbösen Tyrannen auch prägen, wenn wir politisch denken und handeln. Von der Zukunft unserer Nachkommen her das Ende der Tyrannen und ihrer Politik nicht nur wünschen, sondern als Leitlinie des Widerstands begreifen, nicht einfach unsere Abwägung unseres eigenen begrenzten Zeitfensters. Das ist, ich weiß, altmodisch, u.a. weil wir nicht mehr erleben werden, wenn wir Erfolg haben. Das nennt man Hoffnung.

Dritter Weltkrieg. Keine Satire.

In Österreich sind auch die Gerichte schon infiziert. Satire wird strafrechtlich den Wünschen der Rechten gebeugt. (Vgl. Rau: Standard 15./16.2.2025, S.1 „Riskante Satire“). Ob eine demokratische Koalition in kurzer Zeit die Faschisten zurückdrängt, bleibt fraglich. Kein beruhigender Nebenwiderspruch.

Was der Faschist Vance im Auftrag des Diktators Trump bei der Sicherheitskonferenz in München von sich gegeben hat, ist eine Kriegserklärung eines Kriegs, der ohnedies im Aufzug war. Die drei großen Diktaturen folgen dem Schema von 1984, die globale Faschistenverteilung drängt die verbliebenen Demokratien in die Defensive. Lassen wir Vance einmal im Ankündigungsnebel an der Seite der AfD. Was mich besonders bedrückt, sind die unterbliebenen wirkungsvollen Reaktionen. Ablehnung, Kritik, ja, aber Widerstand, der demokratische Gegenplan, gar eine europäische Gegenoffensive gegen die drei Diktaturen und ihre Gefolgschaften, – kaum ein Hauch. Wer denn auch, wenn beides fehlt: dynamische Demokratien und respektable Personen, deren Persönlichkeit den Führern Widerstand entgegensetzt und organisiert. Ach ja, der Westen…Es geht nicht um den Sheriff, wie Vance meint, und High Noon ist vielleicht schwer zu übersetzen: aber da der begonnene Krieg nun von den USA verkündet wird, muss man schon überdenken, was an welchem Westen wir forcieren wollen, wenn der Osten schon in der alten Volksthümely versinkt, wo er ja tiefsitzend immer abgeschoben wurde.

Nein, keine Satire. Wenn ich den 3. Weltkrieg behaupte, dann ähnelt der dem 2. sehr oder nicht gar, wie der 2. dem 1. Aber gemeinsam haben sie: die Welt und nicht ein paar Nationen gegeneinander. Gemeinsam haben sie, dass die Hauptakteure Gegner der Demokratie sind und sich unterschiedlicher Faschisten und Faschismen bedienen, sowie ihrer teils kriminellen Herrschaftsapparate, und ihrer Oligarchen, Kapitalisten und gewinnträchtigen Sklaven.

Einschub zum Faschismus. Ich gebrauchen Begriff seit längerem, bewusst und mit einem soliden Hintergrund. Kritiker meinen, damit würde man den vergangenen schrecklichen Faschismus verkleinern oder ihn quid pro quo auf andere Herrschaftsformen anwenden. Mögen sie recht haben, was sagen sie dann zur Realität und welchen Namen geben sie ihm? Ich mache einen Umweg. Bei Umberto Eco wird „Der ewige Faschismus“ in einigen zeitgemäßen Essays gemeinsam mit der Migration so abgehandelt, dass Kritik und Widerspruch nicht einfach sich anbieten; eher weitere Ausdifferenzierung (München 2020, Hanser). Bevor er in die Analyse geht, sagt Eco im Kontext von 1945, er hätte als 13 Jähriger gelernt, „dass Redefreiheit auch Freiheit von Rhetorik bedeutet. (S.16). Eco vergleicht Faschismen und wägt ihre Wiederkunft ab, fürchtet aber die erneute Ausbreitung des Nationalsozialismus, der das „ganze Volk“ mitreißt (S.20). Bei der Beschreibung des italienischen Faschismus ist interessant, dass er sich von Nazis nicht durch Milde o.ä., aber durch das Fehlen einer das System definierenden Philosophie…Darüber kann man uneins sein. Nicht aber über die Vorbildrolle dieses Faschismus für viele Systeme, und dann der Satz für die Gegenwart: „Es war der italienische Faschismus, der viele liberale Politiker in Europa davon überzeugte, dass dieses neue Regime interessante soziale Reformen durchführte, die eine gemäßigt revolutionäre Alternative zur kommunistischen Bedrohung darstellen konnten“. (S.23). Bei Kommunismus denke ich an den Hitler-Stalin-Pakt, und an die Analogie des Satzes im heuten globalen Maßstab. Bis in die Details…Eco beschreibt die faschistische Vielfalt, die philosophisch unstrukturiert und nur archetypisch verankert war. Im Gegensatz zu dem ein Nazismus. Im Hauptteil des ersten Aufsatzes beschreibt Eco 14 Merkmale des (Ur-)Faschismus – das wäre ein didaktischer Einstieg (S.19-39). Mir fehlt aber die Genese dieser faschistischen Merkmale, und die Entwicklung der späteren Nazisystematik aus den Faschismen (war es eine „deutsche Besonderheit“?. Eco schreibt über seinen Lernprozess, bezeichnet sich als „westlich“ und schließt mit einem Zitat von Roosevelt von 1938, worin die „abnehmende lebendige Kraft“ der Demokratie die Zunehmed des Faschismus bewirken kann (S. 40). Das hat er früh geschrieben, 1995, nicht heute…Ja, was geschieht denn weltweit, angetrieben von den USA, die bislang als Gegenpol zum Faschismus geboten waren, als Kern des Westens? Die Wirklichkeit, ausgedrückt von Trump und Vance und Musk und Weidel, zwingt zur Revision der Wahrheit des Westens. Die Allianz von Trump und Putin gegen die Menschen in der Ukraine ist wie eine Neuauflage des Hitler-Stalin-Pakts. Natürlich mit anderen Facetten, aber im Prinzip.

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Krieg ist nicht nur Schlachtfeld, aber auch. Die Narrative früherer Kriege sollen uns beruhigen, dass keine neuen Kriege mehr geben wird, vor allem „bei uns“, was global und lokal eine dumme Verengung ist. Denn WIR sind in bestimmten Aspekten in alle Kriege verstrickt, die auch anderswo stattfinden. Jetzt kommen die Schlachtfelder auch von Western nach Europa. Trump und Putin sind eine „Einheit“, das passt gut zu Orwell. Jetzt ist einmal China nicht dabei. Global immer 2:1…

Krieg ist nicht nur Schlachtfeld, es baut die Sozialstruktur um, auch die Kultur, und die allgemeine Verarmung wird durch die Oligarchen verdeckt, so wie die amerikanischen Milliardäre den Migrantenhunger verdecken. Wer jetzt glaubt, auch ich wollte endlich den linken Antiamerikanismus wieder vor die Ablehnung der russischen und chinesischen Diktatur vorziehen, irrt. Die Wahrnehmung der innerhalb von Wochen erfolgten Ausschaltung des amerikanischen Demokratieverbündeten ist unsere Wahrnehmung….sie wurde schon lange und komplex vorbereitet, Russland und China haben das schon früher bewerkstelligt. Die Pflanzenmetapher der europäischen Politik, schon vor Hegel: Samen, Knospe, Blüte, Frucht…passt schon. Und WIR sind da beteiligt, durch Schweigen, Wegschauen, Aufblähen der Nebenwidersprüche etc. Jetzt aber keine Selbstgeißelung. Die würde uns ja am demokratischen Widerstand erst recht behindern. Die Westliebe nach 1945 hatte ja Grundlagen, wirtschaftlich wie politisch und natürlich kulturell. Um welchen Preis? Darüber sollte man jetzt schnell und gründlich reflektieren, um den europäischen Widerstand zu animieren. Dass der nicht gleich bewaffnet erfolgt, ist so klar wie, dass er auch bewaffnet erfolgen wird.

Je mehr wir Demokratinnen und Demokraten wirtschaftlich und an politischem Einfluss verlieren (werden; und jetzt schon verlieren), desto stärker stehen die Qualitäten der Resilienz und des Widerstands auf unserem gesellschaftlichen und psychosozialen Stundenplan.

Und was jetzt? Falsche Frage. Die Antwort wird von niemandem vorgegeben. Wir müssen sie entwickeln. Der Freiheit geht die Befreiung vor, auch und gerade im Krieg.

(Fortsetzung folgt, leider)