Überleben, leben. Nicht ausweichen.

Große Worte, kleiner Geist.

Ole Nymoen, 27, hat in der SZ (Thore Rausch, 26.3.25) ein Interview als ?Pazifist? gegeben, dessen Überschrift mich dazu bringt, a) sein Buch nicht zu kaufen, b) ihn zu kritisieren, obwohl er ja gegen Aufrüstung und Krieg ist. Er sagt „Ich lebe lieber in Unfreiheit, als für Freiheit zu sterben“. Das sagt einer, der in Freiheit lebt. Er hat keine „Lust, für Deutschland zu sterben“ – Man stirbt nie für ein Land, immer für andere Menschen, und dagegen kann, darf man natürlich sein – aber es kommt auch auf die Umstände und nicht nur auf das ethische Ego an. Wer in Unfreiheit lebt, kann sich oft nicht wehren. Man kann fliehen – das würde Herr Rausch auch tun, man kann sich verstecken, aber seine Begründung ist, er habe „keine Lust für Deutschland zu sterben“. Also nicht, primär sein Leben zu retten, d.h. es zu verlängern. Zur Not lebt er lieber in Unfreiheit, nicht weil er dazu gezwungen wird? Sondern um nicht gegen die Hersteller der Unfreiheit, Diktatoren oder Verbrecher sich wehren zu müssen, ggf. kämpfen zu müssen, u.a. weil der Staat zum bewaffneten Widerstand aufruft. Hier muss man etwas einfügen, das wirklich problematisch ist, und hier nicht erwähnt wird: wenn man potenziell für Verteidigung mit der Waffe vorsorgt – man ist hier der Staat – dann muss man das einüben (Wehrpflicht oder ähnliches). Die Verteidigung hat andere Vorläufer als die Verweigerung.

Gerade heute äußert sich auch ein anderer Wehrpflichtgegner: Anwalt Udo Grönheit zu Wehrpflicht: Ist es süß und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben? – Nein! Artikel von Susanne Lenz (msn). Aber es geht doch nie ums Vaterland, immer um Menschen. Es ist schrecklich, für die Verteidigung des eigenen Lebens , der Familie, der Menschen um uns, der Menschen in unserem Land kämpfen zu müssen, sich in Lebensgefahr zu begeben, und dadurch auch zu sterben. Es ist auch schrecklich zu sterben, weil man getötet wird.

Es gibt sehr unterschiedliche Begründungen für und gegen die eigene Entscheidung zur bewaffneten Praxis. Aber so einfach die Unfreiheit dem Nicht-Leben (also der Zeit nach dem Sterben) vorzuziehen, ist schon entweder naiv (ist er nicht) oder zynisch (will er nicht sein). „Ich erwarte auch nicht von anderen, für meine Freiheit zu sterben. Das finde ich zynisch“ (Wie gut, dass der letzte Satz doppeldeutig ist). Ich setze dagegen, dass es möglich und ethisch diskutierbar ist, nicht a priori entschieden, für das Überleben und die Freiheit anderer Menschen zu sterben. Das kann ich nicht Zeitungsinterview entscheiden, die Wirklichkeit, nur sie, kann mich dazu bringen, mich zu entscheiden.

Wo er zynisch ist, weiß er es nicht: „Vielleicht hängen Menschen einfach an ihrem Leben“, Tja, vielleicht. Wenn man sich in Lebensgefahr begibt, um einen anderen Menschen zu retten oder um jemanden zu hindern, andere Menschen anzugreifen und zu töten…

Ich finde Ole Nymoen schwer erträglich, wenn das Leben und Überleben anderer Menschen nicht im Zentrum des eigenen Handelns steht. Und wünsche ihm nicht, dass er in Unfreiheit leben muss.

Bleibt das Judentum? Das Jüdische?

Seit langem forsche ich, und lerne ich die Differenz zwischen dem ethnischen und dem ethisch-kulturellen Judentum differenziert kennen. Es gibt da viele Facetten. Eine hat mich gestern aufgeschreckt:

So etwas lese ich häufig, ärgere mich über die doppelbödige DEUTSCHE Reaktion und viele Brücken nach Israel, nicht alle gut und richtig. Aber gestern hat mich meine Vergangenheit eingeholt:

DPA 28.3.2025

Mit einer Mahnwache soll an den Brandanschlag auf die Oldenburger Synagoge vor rund einem Jahr erinnert werden. «Wir wollen gemeinsam dafür einstehen, dass Menschen aller Religionen und Weltanschauungen hier bei uns in Frieden zusammenleben», meint Organisatorin Kathleen Renken. Der Arbeitskreis Religionen Oldenburg, die Kirchen und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Oldenburg laden um 19.30 Uhr zu der stillen Kundgebung an der alten Synagoge in der Petersstraße ein.

Ein junger Mann soll am 5. April 2024 einen Brandsatz gegen die Eingangstür der Oldenburger Synagoge geworfen haben. Zwei Hausmeister eines benachbarten Kulturzentrums entdeckten das Feuer und löschten die Flammen. Niemand wurde verletzt. Der Anschlag löste bundesweit Entsetzen aus. Die Polizei bildete nach dem Vorfall eine Ermittlungsgruppe unter Leitung des Staatsschutzes.

Nach der Ausstrahlung des Brandanschlags in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY … Ungelöst» nahmen die Ermittler Ende Januar einen Verdächtigen fest. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft legte der Mann aus dem Landkreis Vechta ein Geständnis ab. Er sitzt in Untersuchungshaft.“

Auf den ersten Blicken wie immer, wie überall. Immer meine Fragen: was haben vorherrschende Religionen mit Antisemitismus zu tun und was nicht, was isoliert die kriminellen Attacken in der Aufklärung und Strafverfolgung bei der Justiz, was berührt mich besonders, wenn es um das Allgemeine geht?

Das letztere ist wichtig. Das Allgemeine – klar gegen Ausländer, gegen Juden, gegen die „Anderen“. Was mich stört ist die doppelbödige Diskurswirklichkeit der Religionsgemeinschaften. Christlich-Jüdisch, Christlich-Jüdisch-Muslimisch etc. Drei konkurrierende Monotheismen und mit anderen Religionen, die sich seit langem nichts geschenkt hatten, haben, schenken. Und doch reflektieren sie nicht, wie die Religion die ethnische Realität – Antisemitismus der arabischen Welt, Antipalästinensismus der israelischen Regierung, islamisch-hinduistische Kontroversen in Asien, Vereinnahmung des Christentums durch die Faschisten um Trump etc. – unterwandert, untergräbt, an den Rand drückt.

Im Konkreten kenne ich die Synagoge in Oldenburg, die jüdische Gemeinde, ihre Entstehung, ihr Wachstum, ihre Praxis, seit 40 Jahren, die Rabbinerinnen, die Rabbiner, Ein- und Austritte, die Veränderung durch die osteuropäische Einwanderung, v.a. Juden aus der Ukraine und aus Russland, schon bevor die beiden getrennt waren…Und einerseits war es eine der am wenigsten kontroversen jüdischen Gemeinden in Deutschland, auch dank Sarah Schumann, Bea Wyler, Alina Traiger, mit einer interessanten Verbindung zur Universität Oldenburg und den dortigen Protestantinnen v.a. Andrea Strübind, aber andererseits ist das Judentum nicht durch Religion allein auch nur beschreibbar, erklärbar…

Was mit der Einwanderung in Deutschland geschehen ist, war und ist bislang weitgehend politisch richtig, kulturell, ideologisch und sozial aber weitgehend einseitig, teilweise falsch.

Auch wenn man den islamischen Antisemitismus erklären kann, versteht man ihn nicht und kann auch nicht gegen ihn vorgehen, wenn man sich die religiöse Engführung nicht kritisch vornimmt. Hier kann man empirisch und auch theoriegeleitet in die Details gehen, aber vom Allgemeinwissen sind die meisten weiter entfernt als selbst in ihrer religiösen Grundkenntnis.

Mich schmerzt das Oldenburger Ereignis, aber mehr noch die Tatsache, dass die Diskurse um die antisemitische/antijüdische/anti-israelische Wirklichkeit zu sehr an religiöse Wahrheiten und Tabus gebunden sind. Augen auf, kann ich da nur sagen.

Oldenburg macht mich retrospektiv etwas betroffen. Ich bin ja nicht mehr dort, Sara Ruth Schumann ist schon lange tot, Alina Treiger ist in Hamburg, die Gemeinde hat sich gewandelt (ich kenne sie genau genommen kaum mehr, und ich kann auch nicht russisch/ukrainisch). Generell betroffen macht mich die zähe, fast endlose Schleife des spezifisch deutschen Antisemitismus.

Verzeiht die Analogie: so wie die Demokratien heute gewaltsam unter Druck stehen, als Demokratien, nicht als Wirtschafts- und Militärmächte, so steht das Judentum unter Druck, als Verbindung ethnischer und religiöser jüdischer Entwicklung nicht nur über die Zeiten hinweg, auch ganz und gar gegenwärtig. Wenn wir uns nicht weiter entwickeln, verschwinden wir.

P.S. werte LeserInnen, wer hierzu in Dialog treten will, ist besonders willkommen. Ich mag hier den persönlichen Dialog lieber als den institutionellen

Vor Ostern kein Western?

Natürlich liefern sich die künftigen Koalitionspartner keine Duelle, aber mögen tun sie sich auch nicht. Und bis auf einige antisoziale Gemeinsamkeiten wissen sie wahrscheinlich noch nicht, worüber sie sich wirklich einig sein müssen, Das ändert nichts daran, dass wir ihnen Einsicht, schnelles Lernen und Erfolg wünschen müssen, während sich die Wolken kommender Weltkrisen türmen und der Horizont politisch zwischen blutrot und grau glitzert.

Es kann sein, dass die Handlungen des amerikanischen Diktators und die des russischen Diktators sich auf eine Zerlegung, auf ein politisches und ökonomisches Zerreiben Europas hinauslaufen, und zwar bald. Nicht nur, was die Autozölle betrifft. Wenn man die menschenrechtlichen Grausamkeiten beider Tyranneien anschaut, holen die USA schnell auf. Auch was den Zynismus betrifft, mit dem die neuen InnenpolitikerInnen deutlich machen, dass Innen und Außen keine getrennten Sphären mehr sind. Aber damit befasse ich mich nur insoweit, als es mir um EUROPA geht, und da sind einigende Anstrengungen zwar zu begrüßen, aber viel zu wenig, zu langsam, zuviel mit Scholzischem Zaudern verbunden. Wenn ich an Europa denke, gehts mir weniger um die richtigen Zollantworten gegen die Amerikaner. Wie soll sich denn Europa zusammenraufen, als Macht, als Wirklichkeit, als Option…Leute, das sind ja WIR.

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Die einzige Chance ist, sich von der Verbindung der Nationalismen zu lösen und eine Art von machtvoller Verbundenheit zu entwickeln, zu erproben, die dem vereinten Europa noch immer weitgehend – nicht ganz – fehlt. Nehmen wir die Chance nicht wahr, werden wir politisch und wirtschaftlich halb-kolonisiert und abgeschoben. Natürlich wurde das nach den beiden Weltkriegen auch schon so diskutiert und ist auch vielen EuropolitikerInnen nicht fremd, aber…aber dann drücken doch die Nationalismen und die Lobbies (jetzt einmal PKWs…vor kurzem noch Stahl…davor Pharma…davor und immer Agrar…und immer die Börsen….) den guten Absichten Muttermal auf die Haut.

Trump und sein untergebenes Pack demonstrieren uns einen schlechten Western, der aber in etlichen Serien und Einzelvorstellungen durchaus Erfolge feiert. Die Loslösung vom Western ist teilweise eine auch vom Westen. Das tut weh, wie eine Bandage, die man bei geheilten Wunden abnimmt. Der Westen, das waren schon vor allem die USA, haben unserer Generation (1938-1950) viele Facetten von Kultur gegeben, die den bloßen wirtschaftlichen Support weit übertroffen haben. Aber die Wirkung hat die berechtigten und später unrechte Dankbarkeit weit überbaut. Aber die Loslösung vom Überich zum Ich, zum Wir der demokratischen, „neuen“ Europäer ist jetzt an der Zeit. Nichts wird geschenkt, aber wir gehören so wenig zum Trumpschen Westen wie Grönland dazugehört. Deshalb sollte man den Trumpisten und ihrem Diktator nirgendwo hineinkriechen, ihn nicht dauernd zitieren und schon gar nicht Brücken bauen, die ihn irgendwie besser machen als seinen Freund Putin. Die US Justiz kann uns teilweise helfen, aber das Trumpsche Environment nicht. Die Schmerzen haben wir uns nurm teilweise selbst eingebrockt, es wird ja wirklich alles schlechter. Aber das müssen wir durchleben.

Frühlingsdiktaturen blühen auf

Im Prater blühn wieder die Bäume…der Frühling ist wieder in Wien.

Dem Imperator blühn wieder die Bäume, der Frühling zieht sich dahin…

So einen schlechten Vers mache ich absichtlich, nicht um euch zu ärgern, sondern um meinen Ärger einzugrenzen. Wir – das Volk, die Leute – brauchen ja nicht auf alles zu reagieren, was den Alltag und die nahe Zukunft gefährdet, wir wollen das gar nicht, aber mal ehrlich: hält man das aus? Erdögan blüht auf – Europa ist von ihm abhängig, also schweigt man. Die faschistoide Dilettantentruppe unter Trump macht uns verächtlich, also regt sich in unserer Regierung niemand wirklich auf. Die meisten Regierungschefs schmeicheln Trump, aber sie haben nichts in der Hand, ihm zu drohen. Er ist eben nicht ganz so arg wie Putin, und letztlich noch im Westen…

Schaut in den Frühling hinaus, lasst die Politik, die ohnedies keine ist, sondern nur politischer Diskurs und Rhetorik. Die Märzenbecher kommen schon und die ersten Leberblümchen und Veilchen. Wenn man die Hügel im Wald bei Berlin besteigt, sieht man das Grün aus den Zweigen sprießen, und Grün ist bekanntlich besser als Braun, sagt nicht nur die Politik. Man geht durch den Frühlingswald, und die wirkliche Welt, mit ihrer Politik und Unpolitik, scheint nicht einfach weit weg zu sein, sondern gar nicht. Man hat das Gefühl, dass viele schon länger in diesem Zustand sind, weil ja der Abstieg vom goldenen zum silbernen, vom bronzenen zum steinernen Zeitalter keinen Weg zurück nach oben erlaubt. Da geht man lieber in den Wald, die Gegenwart ist (wie) ein Rückblick: so schön hätte es sein können. Unsinn, ist es. Der Schrecken hat es nicht nötig, seine Umgebung einzufärben, einzustimmen. Es bleibt alles ganz schön schön, ganz erfreulich. Da die meisten diese Periode nicht überleben, ist es egal, ob es im nächsten Jahr, in den nächsten Jahrzehnten auch noch „so schön“ ist. Man geht weiter, schaut sich die Blumen an und das frische Grün zwischen den alten Blättern, und mag nicht zu glauben, was man weiß. Der Clou: Das war schon immer so.

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Auch unter schrecklichen Umständen, bei denen es um Überleben, körperliche und geistige Sicherheit und Unversehrtheit geht, aber auch unter geringeren Verzerrungen der gewünschten Lebenspraxis, hat es immer Formen von Widerstand gegeben, die nicht gleich in Kampf und Martyrium mündeten. Das war nicht privater „Rückzug“ oder Sich-Verbergen. Für fast alle waren es individuelle Entscheidungen, die Resilienz und das Überstehen der schlechten Zeit zu betreiben – nicht aus übergeordneter Ethik oder Religion, sondern einfach um weiter zu leben, zu überleben, – jeder Mensch lebt ja nur einmal.

Was hat das mit den ersten Absätzen zu tun, die ich hier geschrieben habe? Ich denke doch: einiges. Denn wenn wir, gerade wenn wir den Schrecken der Wirklichkeit, der nur oben Trumputinxi heißt und weit ins wirkliche Leben hinunter wurzelt, überstehen wollen, sollten wir uns auch auf die Umstände im Vordergrund der Weltbühne konzentrieren, denn sie zeigen ja einen Zweck des Überlebens, zu leben. Nicht Ausweichratschlägen folgen, schon wahrnehmen, was wirklich ist, aber eben – das ist eine Einsicht – nicht nur. Dazu gehört der Alltag in einer Situation, in der man nicht sagen soll, das Schreckliche sei noch nicht eingetreten. „Nicht“ reicht, um dagegen anzugehen, anzuleben.

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Ich bin wieder im Frühling. Der hellgrüne Schleier über dem alten Braun, heute im Nebel, macht Hoffnung auf eine gute Periode erneuten Blühens und Wachsens, auch wenn wir die Angriffe auf die Natur kennen und wahrnehmen. Es ist kein Paradox, in Zeiten um sich greifender Kriege und Faschismen gerade auch der Ökologie einen Vorrang vor der Ökonomie einzuräumen (das ist meist immer auch praktisch), und das bringt uns die Politik richtig in das private Leben. (Leider ein pathetischer Satz, pardon: Aber diese Lebensart macht kräftiger im Widerstand gegen die sich ausbreitende Gewalt.

Nach dem goldenen und dem silbernen Zeitalter verbindet Ovid das eherne und das eiserne Zeitalter, wie oft dritte und vierte Sätze bei Symphonien zusammenkleben.

…es entflohen die Scham und Treue und Wahrheit, / Einzug hielten statt dessen Betrug und tückische Falschheit,/ Hinterlist auch und Gewalttätigkeit und verruchte Besitzgier… (Metamorphosen, (129-131)

Ach ja. Eine Umkehrung der Zeitalter gibt es nur in der Hoffnung, die Politik ändern zu können, dann muss man sie aber ändern wollen. Überlegt einmal unpathetisch ob „Überleben“ ausreicht, wenn man noch wirklich weiter leben möchte. Dazu aber muss man vielen Menschen helfen, zu überleben. Das ist Politik, nicht Glauben oder Meinung.

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Mir fällt auf, dass es am Rand der Aufmerksamkeit eine gewisse Abgestumpftheit gegenüber den dauernden Tagesereignissen, der „schlechten Unendlichkeit“ a la Hegel, gibt. Das ist ein Hinweis auf die Nähe und Gefährlichkeit dieser Zusammenballung von Ereignissen. Auch ein Hinweis, wovon wir uns lossagen sollten, bevor wir in den Strudel gerissen werden. Wenn ich durch Wald gehe, halte ich schon lange keine Monologansprachen in einem politischen Umfeld, das ich mir ausdenke. Schade, eigentlich. Statt dessen schaue ich mir die verschwindende Natur genauer an als früher, will mich später besser erinnern. Manches ist verschwunden: Insekten, Schmetterlinge usw. Sind die vielen Wildschweine ein gerechter Ersatz? Oder die amerikanische Wildkirsche, die im Park alle anderen jungen Bäume erstickt? Das geht zeitgleich mit der Politik, so gut sind wir noch…

Sonnenuntergang

Nach vielen wolkenlosen Tagen fahre ich zurück nach Hause, schon bei der Abfahrt von Wolken begleitet, und auch hier ist der Himmel nicht mehr eintönig blau. Kein Thema für mich, ich kann bei jedem Wetter, und immer spielt die hoffnungslose Austrocknung meiner befreundeten Parks und Wiesen eine Rolle. Muss euch nicht interessieren. Aber es hat sich schon etwas geändert: der Sonnenuntergang ist vielfarbiger, dramatischer, wie auf der Bühne…schön so. Mein heutiger Post sollte eigentlich ein Kalauer sein:

So `nen Untergang…

Das geht mir jeden Tag durch den Kopf, wenn ich die Nachrichten höre und lese, wenn ich mit Bekannten diskutieren soll, obwohl es dazu ja mehr als einer Meinung bedarf. Die habe ich vielfach. Aber was nützen die Meinungen, wenn es keine Adressaten gibt, auf die sie einwirken oder gar Veränderungen mit sich bringen. Wenn wir alle diese Einseitigkeiten, Meinungsverbreitungen wie Pfeilabschüsse, ohne Ziel, für einen Augenblick verdecken, so `ne Finsternis, dann bleiben wenige politische Aussagen zurück. Eine Einsicht, sozusagen eine negative Bestätigung, dass die sich ausbreitenden rechten Mehrheiten real existieren: viel Unterstützen Trump, in der Ukraine, bei den Abschiebungen, bei den Rechtsverletzungen, bei der Misshandlung von Kultur und Geist. Aus mancher liberalen Ecke bekomme ich für solche Beobachtung zu hören: Das sei eben die Folge von der linkselitären intellektuellen Hybris, es denen schon zu zeigen, wo es hingehen soll. Und was soll man, soll ich, dazu sagen? Wozu?

Es gibt Kritik an meinen Aussagen, vom beginnenden dritten Weltkrieg und vom globalen Faschismus. Wenig Kritik, gut so. Und auch nicht an der Vergleichsaktion Trump-Hitler <–> Putin-Stalin hat es bisher keine Kritik gegeben. Das heißt nicht, dass alles SO stimmt, aber es stimmt soweit.. Und was bedeutet das? Auch darum geht es mir, dass die bloße Absonderung von Meinungen bisweilen die schlechte Situation noch verschlechtert – wenn man in der eigenen Meinung einen Rückzugsort vor der Tatsache sucht, dass man an der grausigen Wirklichkeit nichts ändern kann, schon gar nicht durch seine Meinung. Es ist ja grausig, dass wir Trump und Putin und ihre faschistischen und tyrannischen Untergebenen nicht einfach „so“ bekämpfen können. (Ist ja gut, so werden wir wenigstens keine Opfer oder Märtyrer, Aber Vorsicht: manche, die sich vorwagen, sind es bereits…und zwar wirklich und nicht nur in der Erzählung dessen, was sein könnte.)

Schon vor dem Sonnenuntergang denkt man an die Dunkelheit, die danach kommt. Darum geht es mir schon: es kommt diese Dunkelheit, genau weiß man das nicht, aber sie kommt: als faschistische Herrschaft, als soziale Abwärtsbewegung, als Einschränkung von Freiheiten, und immer als Begleiterscheinung eines Kriegs, den es schon gibt, nicht weit entfernt, auch wenn er global gerade andere Schwerpunkte hat, und doch herkommen kann.

DIE KEHRTWENDE

Wenn das richtig ist, was tun wir dann, jetzt und wie?

Das Paradox hat auch etwas Gutes: weil das bloße Anreden gegen den Faschismus und die Diktaturen und ihre Unterläufigen nicht reicht, oft versäumte Praxis bedeutet, müssen wir handeln. Auch angesichts der Bedrohung, auch angesichts der wirklichen Unterdrückung (fragt die UkrainerInnen in eurer Umgebung), auch angesichts fehlender Adressaten für demokratische Kompromisse – kann man doch etwas tun: HIER & JETZT Demokratie wirklich weiter leben. Doch, das können wir. Nicht so tun als ob, sondern wirklich tun. Wirklichkeit schlägt oft die Wahrheiten. Allein im Umgang mit den mehr als 25% nicht-Deutschen haben wir noch genug zu tun, „Luft nach oben“; allein mit unserer kritischen Fortbildung, um zu wissen, wer uns wie versucht abzulenken; allein mit unserer politischen und intellektuellen Unterstützung demokratischer Parteien. Und da müssen Nebenwidersprüche ausgehalten werden. Ausnahmsweise „müssen“, nicht bloß „sollen“. Das heißt auch, bestimmte Bildung nachzuholen und zu erneuern. Und wenn die dunkle Wirklichkeit auf uns zurollt, immer daran denken, was ihre Gewalt uns ohnedies antun kann, wenn wir uns nicht vorbereiten und uns zu wehren lernen.

Das ist nicht Aufrüstung oder dagegen Verhandeln. Das sind Selbstbewusstsein, Empathie, Handeln, wo Aus- und Aufrufe wenig Sinn machen. Wir sind die Frösche im Milchglas…naja, es gibt bessere Metaphern.

Eis und Dürre. Ausflucht und Rahmen

Bitte schüttelt den Kopf NICHT bei dieser Überschrift. Der kürzeste Essay meiner Überlegungen in 6 Worten. Ich lese von den Gefahren eines neuen Tunnels in einem abschmelzenden Schweizer Gletscher, wunderschöner Tunnel auf kurze Zeit. Wenn kein Gletscherwasser mehr kommt, steigt die Dürre. Gestern Abend war ich in einem kleinen Ort im Norden von Wien, der in der trockensten Region Österreichs liegt: wie wird das agrarisch und sozial werden, wenn alles andere erneuert und lebenswert gestaltet wird – darum geht es in dem Beratungsprojekt. Trocken selbst im feuchten Europa – und alle Länder, demokratisch und oder faschistisch, verbarrikadieren sich gegen die Geflüchteten aus der Trockenwelt (dort gibt es auch mal Überschwemmungen, aber das gehört leider dazu).

Diese Einleitung ist das Ergebnis der Kondensation der politischen Weltnachrichten, weil das Klima plötzlich kein wirkliches Thema mehr ist. Trump und Putin zerstören die Pressefreiheit weltweit, als Bestandteil des sich abzeichnenden Weltkriegs, Israelgazalibanonsyrien sind unsäglich und erstaunlich schnell verstehen doch mehr Menschen als unlängst, was sich abzeichnet. Umso wichtiger, den Alltag nach unseren Bedürfnissen so zu gestalten, dass Resistenz und Opposition nicht nur politisch, sondern Elemente der Lebensführung sind: Kultur gegen die Lügen der Diktatoren und ihrer faschistoiden Untertanen, Widerstand als aktive Alternative bis in die Diskurse hinein.

Das ist ein Element, dem wir noch viel Aufmerksamkeit und Kraft widmen können, dem so genannten Alltag. Je mehr uns der Einfluss auf politische Entscheidungen entzogen wird, umso wichtiger wird, es nicht wie die Lebensräuber zu leben, also untertänigst zu vegetieren. Ich finde es ermutigend, wenn viele Menschen im Dorf die Entwicklung ihres Lebensraums in den nächsten 25 Jahren – 25! – in das Bewusstsein und die Hand nehmen, als gäbe es weltweit keine Diktaturen und lokal keine Einschränkungen, obwohl die, die das diskutieren, natürlich um das alles wissen, aber ihre Lebenserwartung eben davon nicht abhängig machen, jedenfalls nicht, bevor es zu Auseinandersetzungen kommt. Widerstand ist fast immer nur Praxis…das wissen wir, aber verdrängen es oft angesichts der hoffnungslosen Analysen der beginnenden Zerstörung. (als hätte sie nicht schon lange begonnen, weil ja die Evolution des Menschen noch lange nicht zu Ende wäre, würde sie nicht willkürlich gebremst). Natürlich bin ich nicht der Einzige, der vom Dritten Weltkrieg spricht.

Darüber sprechen ist nur in der Vorstellung den Krieg erleben, ansonsten erleben wir ganz andere Situationen im Alltag. Das ist gut so, z.B. durch Wien zu fahren, und an allen Ecken und Enden Erinnerungen aufzudecken, die gute und schlechte Zeiten an diesem und jenem Ort lebendig machen, wen habe ich hier getroffen, was ist mir hier geschehen, wo wollte ich hinein und durfte nicht…es ist die Wiederherstellung einer Stadt in vielen Schichten. Diese Doppelschichtigkeit können alle erleben, jede und jeder anders, aber es ist schon wichtig, die eigene Vergangenheit in Raum und Zeit festzumachen, einschließlich der Situationen, die man lieber nicht erinnert, aber sie sind da. Ich mache sozusagen eine Wienführung für mich, aber wie sagt Kertezs: Ich, ein anderer. Das gilt nicht für die schrecklichen Vergangenheiten, auch für kleiner, umwölkte. (Nur – mit dieser Assoziation, was ich 1956 mit Blick auf Imre Nagy als Kind erlebte, kann ich die Assoziationen nicht vertreiben…). Die eigene Geschichte im Sekundentakt sich zu beschreiben, immer animiert durch das, was ich sehe – erzeugt eine Tagebuchnotiz, die nie aufgeschrieben werden kann und verweht. Ihre Rekonstruktion, einen Augenblick später, denkt sich schon anders. Und so sehe ich mich, vielfach und unterschiedlich (selbst)bewusst, hier und dort über die Straße gehn, stehn, schauen und manchmal handeln. So entsteht das richtige Wien in mir.

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Ich arbeite ja an unserem Projekt, und wenn darüber gesprochen und gedacht wird, ist das eine andere Ebene, Wien ist sozusagen die Kulisse und die Bühne verbindet alles. Das ist anderswo nicht so…Wien, exklusiv für mich, einen langen Augenblick lang. In einem der Caféhäuser, die ich in Wien immer besuche, um KollegInnen zu treffen oder um Zeitungen zu lesen, verbinden sich die Ebenen, und wenn mir solche Augenblicke anderswo abgehen, wird es mir hier spontan deutlich: auch hier gibt es eine Grenze, jenseits derer man über Heimat und Kitsch reden könnte – statt dessen gibt es für Augenblicke keine Alternative.

Zurück zur Wirklichkeit.

Musk zu Trump wie Goebbels zu Hitler

Nicht, noch nicht „als“, sondern erstmals nur „wie“ und ohne Adjektive zu Trump und Musk. Für meine geschätzten LeserInnen:

DIE VERGLEICHE MÜSSEN SEIN

Ihr seid klug genug die Unterschiede zu erkennen und die Gleichartigkeiten. Dass Trump kein aus dem Ruder gelaufener amerikanischer Irrer ist, wissen wir, er ist ein Diktator. Und dass Musk weder so dumm noch so politisch ist, wie die Stütze seines Herrn, wissen wir auch. Darum geht es mir nicht darum. Nur kurz zusammengefasst. Trump und Putin sind beide Diktatoren, und wenn wir der Westen sind bzw. bleiben wollen, besteht kein Grund, Trump anders als einen Diktator zu behandeln und natürlich mit anderen Praktiken als Putin, aber immer als das, was beide sind: Diktatoren. Zur Politik empfehle ich den Sonntagsaufsatz von Herfried Münkler (FAZ 16.3.2027). Der kommt im nächsten Blog zur Sprache. Und vergesst bitte nicht: keine Adjektive für die Diktatoren, nur Adverbien für ihre Handlungen.

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Politik ist wie ein Theatervorhang oder ein Paravent, der Verborgenes versteckt. Wenn ich beide wegziehe, bleibt meine Wirklichkeit deutlich wahrnehmbar – aber natürlich, die gesellschaftliche Bühne ist mehr als nur der Ei. und in der eiserne Vorhang mit seinen verständlichen Darstellungen. Genug, ich bin auf Reisen. Vieles, das ich sehe, erinnert mich an Früheres, an Wahrgenommenes und Erlebtes, und oft sind die Animationen durch das Zugfenster gar nicht so rätselhaft. Das erinnert mich jenes, es ist „wie“ damals. und so sehe ich damals, jetzt und dazwischen. Das hat mit mir zu tun, und natürlich sind das nicht nur Zuglandschaften, Assoziationen und Erinnerungen, da kommt schon auch neben Einstellungen Politik zum Vorschein, was habe ich damals gemacht, wie und warum, wie sehe ich das jetzt, und kann man es vergleichen? (siehe Oben). Warum ich das schreibe, vorpsychologisch, banal? So wie mir gehtes vielen Menschen, und auch denen, die ich wahlweise verachte, kritisiere oder versuche zu verstehen. Mit anderen Worten: welche Geschichte steckt in jedem Trumpisten, Muskoviten, Putinisten, auch Weidelianer und Wagenknechtler? Die Antworten auf diese Fragen sind in der Geschichte der Diktatoren mal besserm mal schlechter ausgeführt, sie zu kennen ist Teil der allgemeinen Bildung, nicht immer im Detail, aber genau. Was steckt in Musk, wenn er Hitler abhandelt und miut AfD anbandelt, was steckt in Weidel, die Kommunismus nicht kennt, was steckt in jedem der Agierenden, auch wenn sie sich nicht offen auf die Geschichte berufen. Dass Putin schon lange und Trump seit 2 Monaten die nationale Geschichte massiv verfälschen, kann man genau beobachten, aber wer kann die Vorgeschichte schon aufrufen (Habt ihr die Sendung über Musks Vater gesehen oder Geschichte von Netanjahus Herkunft?)- Keine Frage der Allgemeinbildung, auch der eigenen Selbst-Gewissheit. Ohne jedes Detail, das zählt, kann man sich aus Herkunft allein nicht erklären. Und im Persönlichen manche Information spät kommt – Briefe, Berichte, Tagebücher – kann das massiv in das eigene Selbstverständnis einwirken. Na, und wenn es jetzt politisch wird – man muss Diktatoren, anders als viele Menschen nicht verstehen. Aber man muss scvhon einiges wissen darüber, warum sie sich so verhalten – und warum so viele ihrer Anhänger und Anhängerinnen nicht nur an ihren Lügen, auch an ihrem Verhalten hängen. Der Unterschied zwischen meiner, unserer jeweiligen Persönlichkeit und der Betrachtung des Politischen in Gestalt seiner Protagonisten ist schon auffällig. Uns was die Deutung der Wahrnehmung der Wirklichkeit der Diktatoren, ihrer Hilfstruppen und Konkurrenten – im Rahmen des Politisch – mit der Entstehung unserer Erklärungsfähigkeit zu tun hat, das macht uns politisch – und von Tag zu Tag sensibler für die Zeit, die wir voraussehen, nicht voraussagen, sehen, was kommt. Vergleichen. Foffen, wo wir nicht erwarten können.

Wann, wenn nicht jetzt?

Hoffentlich bekommen wir eine gute neue Bundesregierung und eine erfolgreiche Opposition. Wer keine Hoffnung dazu hat, Wer sich ein Scheitern wünscht, erwartet ein Desaster oder den Aufstieg der Faschisten. Also erhoffen wir ein Kompromissregime und wenden uns von der Politik ab und dem Alltag zu.

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Ich muss HIER nicht begründen, warum ich die GRÜNE Verhandlungsposition richtig finde. Es wird schon klappen mit dem Verteidigungshaushalt. Mit dem zivilen Investitionspaket wird es schwierig, weil Unsinn wie die Mütterrente da nicht hineingehört und UMWELT UND SOZIALES viel stärker befestigt werden müssen. Aber – siehe oben – das wird schon gehen. Wenn der Merz nur echte Menschen mit echter Regierungserfahrung als Stütze hat und nicht den eifersüchtigen Söder als Klotz an der Politik. Also, was ist Alltag?

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Gar nicht so einfach, weil er natürlich auch längst in das kapitalistische Konsumschema eingearbeitet wurde, und dennoch: der Zugriff der Superreichen und Betrüger ist zwar umfassend, aber angreifbar, kritisierbar. Ich mache einen wichtigen Umweg: über eine Rezension eines mir wichtigen Kapitels bei Eva Illouz. Ich schätze sie immer schon, eine Psychosoziologin von Format, israelisch-französisch und der Soziopsychologie zugetan. https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Illouz (13.8.2025). In ihrem neuen Buch Explosive Moderne“ geht sie auf gegenwärtige komplexe Gefühlsgefahren ein – sehr empirisch, gut belegt, oft kontrovers, mir jedenfalls hilfreich. (Eva Illouz: Explosive Moderne. Berlin 2024, Suhrkamp)Es geht um Angst, Enttäuschung, Wut und alles weitere Mögliche, das immer mehr vom Kapitalismus (genauer von seinem Konsumimperium) vereinnahmt wird. Mich beeindruckt besonders das Kapitel über den Neid, bevor es an die Demokratie und den Nationalismus geht: S. 105-143.

Da kann man viel wissenschaftliches und auch literarische Geflecht zusammentragen, aber Illouz gelingt es, mit Rückgriffen auf Bourdieu und Adorno) gut lesbar die vielen Varianten des niemals erfüllbaren Konsum?traums?rausches?fluchs? im Abschnitt: Neid: das stumme Gefühl darzustellen. Ich bringe das hier zum heutigen Thema unter anderem, weil die künftige rot-schwarze Regierung unter anderem die scheinbaren Bedürfnisse ihrer jeweiligen Klientel durch ein Megaschuldenprojekt befriedigen möchte, aber zu wenig um die Struktur sich kümmert – man kann schon vom multizentrischen Neid der Koalitionäre sprechen, die so einfache Dinge, wie den unabdingbaren Abstimmungspartner, die Grünen, nicht einbezogen zu haben; auch geht es um den Neid von Söder gegen Merz, auch geht es um den Neid des großen Kapitals gegen das mittlere, und der Reichen gegen die Wohlhabenden, natürlich zu lasten der abgehängten ärmeren Segmente. (Dass Merz denen gegenüber neidig ist, die regieren können, ist eine sekundäre Allee, wer wer, vielleicht lernt er?). Die seit der Entwicklung der menschlichen Gattung präsente Beziehung von und durch Neid ist insofern interessant, als sie bei den scheinbar politisierten Gefühlen gar nicht so im Vordergrund steht wie Angst, Abwehr, aber auch Hoffnung und Vertrauen. Aber Neidbeziehungen sind irgendwie so umfassend, dass sie konsumorientierten Kapitalismus der Mitte, nicht der ganz armen und der ganz reichen Ränder, am besten dominiert. Und darum gehts mir, wann, wenn nicht jetzt?

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Es ist nicht klar, ob Deutschland eine funktionsfähige Regierung bekommt, die innenpolitisch, außenpolitisch und langfristig so agiert, dass man ihr vertraut und dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem wichtigen europäischen Staat kooperativ und vertrauensvoll zusammenleben und -arbeiten. Da müssen schon viele Bedingungen kurzfristig und effektiv erfüllt werden – wie gesagt, wir dürfen hoffen, aber auch nicht mehr. Im Kompromissregime sind wir Bürgerinnen und Bürger mehr als früher, fast zu spät, gefragt, nicht nur mehr zu tun – dazu muss man ja auch mehr denken – sondern auch Dinge selbst in unserem Alltag zu ändern und uns nicht von neiderfüllenden Lobbyisten z.B. der Autoindustrie, der Kernenergie, der Pharma etc. und von den menschenverachtenden Abschottungsversuchen gegen Bürgerbewegungen und Zivilgesellschaft abdrängen lassen. Das setzt Konfliktfähigkeit voraus, die wir zum Teil nicht genügend haben…noch nicht?

Wann, wenn nicht jetzt. Für die einen ist Fastenzeit, für die anderen Frühling, für die meisten Hoffnung, mit wenig Zuversicht. Man kann das gesellschaftliche Politisierung nennen. Oder aber auch Aktvierung des Alltags gegenüber der, bis gegen die Politik. Es geht um unsere alltägliche Wirklichkeit, auf deren Boden wir gegen alle möglichen Versprechungen, fake news und Wahrheiten angehen müssen. Darüber können wir nicht nur nachdenken, wir können auch handeln.

Keine Adjektive für die Diktatoren, bitte.

Was auch immer Trump und Putin sind, die Kennzeichnung durch Eigenschaftswörter sollte unterbleiben. Jedes einzelne Adjektiv schafft eine Reihung mit anderen Beschreibungen und zerfleddert das Ganze, das den Diktator ausmacht.

Sagt nur, meine Sorgen möchtet ihr haben. Da beide Diktatoren jeden Tag Kultur, Menschlichkeit und Wohlstand zerstören, verlockt ihre Kennzeichnung zu jeweiligen Einseitigkeiten, davon bleiben einige hängen, u.a. bei größeren beschädigten Gruppen, andere treten in den Hintergrund oder werden marginalisiert. Ich weiß, das ist nicht immer durchzuhalten, aber man sollte es ernsthaft so machen. Die Beschreibung von Herrschern – der schöne König, die kluge Gräfin, der nette Fürst etc. – hat sich über lange Zeit fest- und durchgesetzt. Aber bei den Diktatoren musste man immer schon aufpassen. Georg Kreisler gibt da einen Rat:

Den Max darfst du nur loben, weiter nichts!
Denn unser Max bleibt unser Max!
Zwar, wer was sagen will, na der sag’s
Jedoch nur Gutes, denn ansonsten sieh dich vor!
Auch wenn Max dumm ist oder schlecht
Der Max bleibt Max, drum hat er recht
Und wer einen Witz macht, der hat keinen Humor!

(https://genius.com/Georg-kreisler-max-lyrics)

Und ich gehe weiter, auch gute Adjektive sind bei den Diktatoren gefährlich.

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Keine Grammatikstunde bitte; wenn ich sage, dass Adverbien angebracht sind, kann man das unschwer interpretieren, was Diktatoren tun und wie sie es machen, dient zur Erklärung und zum Verständnis.

Gerade heute haben wir im Detail erfahren, wie Trump mit einigen Erlassen praktisch die gesamte US Wissenschaft und Universitätslandschaft und viele Studierende ruiniert. Das ist natürlich für die USA schlecht und für die Welt auch angesichts der Vernetzung und Kooperation, aber vielleicht für uns nicht so dramatisch schlimm. Der Hass auf die Wissenschaft, auf das rationale und kritische Denken hat fast schon religiöse Züge. Er ist schon früh bei der Vorbereitung der zweiten Amtszeit entstanden – und die Wissenschaft, die Demokraten, die Gebildeten haben da zugeschaut, weil sie es nicht wirklich fassen konnten. Die Wiederherstellung einher Diktatur wurde ein paar Jahre lang vorbereitet und in wenigen Tagen durchgeführt. Das kann auch im faschistischen Vorfeld in Europa, bei uns, angestrebt werden, noch von einer Minderheit in einigen EU Ländern, von einer Mehrheit in anderen.

Versteht ihr jetzt, warum ich Diktatoren von allen Adjektiven freihalten will. Was sie sind, ist was scheinen, was sie tun, ist wirklich. leider.

DRITTER WELTKRIEG #2 Ost-West

Ich bin ja nicht allein. Das Thema gehört mir nicht allein, und nachhören könnt ihre das bei DLF 10.00-11.30 heute 10.3. und in den Medien, NYT, BBC etc.

Ostwest ist was?

    Manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein llltum (Ernst Jandl)

    Kann man das auch für Ost und West so entkernen?

    Mein erster Essay wurde einerseits kritisiert, weil der WELTkrieg bedeutet, dass die ganze Welt zusammenhängend an EINEM Krieg beteiligt ist, und zB. der Kongo nichts mit der Antarktis zu tun hat. Andererseits wurde ich bestärkt darin, dass die drei NUKLEARgroßmächte die Kriege – ALLE – zwischen einander aufteilen und führen. Ich bleibe bei meinem Begriff, aber mir bleibt auch der Einwand. Was kausal und direkt, was indirekt und was scheinbar zufällig sich ordnet und ereignet, kann man oft nicht trennen.

    „Eigentlich“ möchte ich in den Ost-West Diskurs nicht einsteigen, ganze Bibliotheken sind voll davon. Aber fast täglich wird in der konfliktreichen Auseinandersetzung mit den USA oder mit der Anbiederung, die eine Unterwerfung ist, der „Westen“ dauernd zitiert. Und „eigentlich“ habe ich in „“ gesetzt, weil meine Sozialisation schon die Ost-West Situation aus Wiener Sicht ganz anders dargestellt hatte als ich später in Deutschland erfahren sollte. Ohne es zu wollen, hat sich als erstes heute aufgedrängt: „Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten, der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß….“ (Lessing, kennt jeder), warum im Osten? und ich erspare euch eine fast lebenslange Auseinandersetzung mit Ost und West, die mich beruflich und vor allem kulturell beschäftigt hat hat. Nur ein Hinweis: Die Kirchenspaltung kam nicht direkt mit der Reichsteilung 395 nC, , sondern erst das Schisma 1054, mit gewaltigen Folgen. Und all das hatte Einfluss auf unsere Kulturerziehung und dafür, was aus dem Osten kam und was zum Westen gehörte. Passt nicht hierher? Falsch. Ich erinnere genau, dass die Begriffe mit der Verteidigung der USA gegen linke und natürlich rechte Angriffe in Bezug auf unseren kulturellen Aufwuchs (mehr noch als auf die Verteidigung gegen den Kommunismus, den „Osten“, ganz wichtig war. Vgl. dazu Vorgänge, 39. Jg, Heft1, März 2000 „Linker Antiamerikanismus“, wobei schon damals auch die Neue Rechte in den Blick geriet, nicht nur die unterschiedlichen Linken. Ich war damals schon stark mitbeteiligt („Eliten, Gemeinschaften, Aggressionen“ Über die US Spitzenunis, S.11-18 in diesem Heft). Für mich war „Westen“ lange Zeit der unverzichtbare Import von fast aller Sozialisation, nicht nur Jazz und Monroe und…TROTZDEM war Österreich in dieser Hinsicht, ist es teilweise bis heute, von Deutschland unterschieden, weil sowohl der Westen pejorative und der Osten positive historische und Struktur-Einflüsse hatte. Meinen ersten, spontanen Aufsatz zur deutschen Wiedervereinigung würde ich heute etwas anders schreiben, aber vieles stimmt: „Was mich angeht, was mich ärgert“ in: Kogel-Schütte-Zimmermann: Neues Deutschland, Frankfurt 1993, S.42-44). Ich zitiere aus meinem Nachwort: „Es waren immer die deutschen Konservativen, die sich gegen die westdeutsche und amerikanische Zivilisation gewehrt haben, damit die Tiefe und Zerrissenheit der deutschen Kultur umso strahlender erschiene“ Das würde ich SO heute nicht mehr sagen, aber es ist historisch richtig. Nur Links-Rechts stimmt nicht mehr im Kontext, Elon Musk und die AfD, Trump und Putin…

    Ostwest hat vor deutschen Teilung und Vereinigung mehrere Rollen gespielt, es spielt auch anders wo eine Rolle, und immer anders als die aktuelle Nordsüd-Diskussion.

    Vorläufig rate ich davon ab, die Ost-West-Diskussion zu einem aktuellen Diskurs um Freiheit von Deutschland und Europa anwachsen zu lassen, wir müssen andere Koordinaten finden, nicht zuletzt neue Bedingungen für Frieden (was den Pazifismus erneuern und ändern heißt) und die Abwehr des europaweit, weltweit und lokal sich ausbreitenden Faschismus, was erneuerbare Elemente der Demokratie mehr als die bloße Kritik der Faschisten bedeutet.