Trocken

Manche lernen, dass trockene Witze oder Unterhaltungen einen besonderen Reiz haben, vor allem als Antworten auf schwülstige oder (tränen)feuchte Wortbeiträge. Wenn man wandert, ist trockenes Wetter auch meistens besser als von Anfang an Regen. Überhaupt, ein eher gutes Wort, nicht wahr? Ich zögere. Seit vielen Tagen gibt es trockenes Wetter, der Himmel blau, unter Tags ist es warm, viele Blumen sind schon sehr früh entfaltet, und so geht man gerne über die Flldflur und vor allem in den Wald, wo sich schon ein erstes Grün zeigt. „Romantisch“ – darauf muss man trocken antworten: ja, aber.

So schön der Wald ist, so bedrückend nehmen wir die Bäume wahr, wenn wir genau hinschauen. Viele sind bereits vertrocknet, von anderen fallen Äste herunter, nicht ungefährlich, der Boden ist trocken. Mit anderen Worten: der Klimawandel im lokalen Detail ist nicht zu verdrängen, auch wenn es jetzt, im frühen Frühling noch nicht so augenfällig ist. Man muss da keine Witterungstheorie entwickeln oder kennen, es war zu warm, ist zu warm, und anderswo geht es noch schlechter, heißer zu. Was im übrigen auch Einfluss auf Flüchtlinge und Asylpolitik hat…Das steht nun nicht im Vordergrund der politischen Verhandlungen, auch nicht der Weltpolitik. Klima wird (wieder) eine Folge von Krieg und nicht empathischer Politik gegen die, die „man“ weniger schätzt. Also eine Politik von Männern, überwiegend weißen Männern, wie man am Frauentag zu Recht hört, aber nicht so laut. Diktatoren wie Putin oder Trump sind hier ganz offen. Aber nicht nur in der Geschlechterpolitik, in der Kunst, Literatur, und im Alltag wird das Klima verdrängt, als ob die Mülltrennung von Einzelnen die Welt retten könnte.

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Was hat das Klima mit dem Geschlecht zu tun? Jedenfalls leiden die Frauen, die Minderheiten, die Behinderten und die Kinder und Alten mehr unter den Auswirkungen des sich verschlechternden Klimas, und sie haben weniger Macht und Instrumente, in die Klimapolitik einzugreifen. Was könnte also ein neues Regierungsprogramm hier ändern, verbessern?

Ich bin skeptisch. Das ist kein populäres Thema und es erfordert viele und große Investitionen, die man ja nicht gegen die Verteidigung gegen Trump und Putin aufrechnen darf. Also, woher die Pläne und das Geld nehmen? Pläne und Begründungen gibt es genug. Jetzt kann man ohne Scheu wieder auf Schule und Bildung zeigen, wo schnell, sofort das Thema wirkungsmächtig vermittelt werden sollte. Fachleute dazu hätten wir genug.

Ich gehe weiter unter trockenen Bäumen. Es gibt schon noch Hoffnung: Umweltpolitik, d.h. gerade nicht Verlagerung der Verantwortung NUR auf Einzelne. Also Politik, nicht Meinung und Ethik allein.

Sonnentag, Diensttag, Frautag

Ein alter Kalauer wird nicht besser, aber an einem WELTtag wie heute, WELTFRAUEN tag, sind Kalauer im Rabatt. Die Reaktion auf die Geschlechterfeindlichkeit der Diktatoren-Gemeinschaft Trump und Putin hat weniger Reaktionen hervorgerufen als erwartet, es geht ja auch ans Geld. Und schon folgen Wirtschaft und Politik, mal stärker, mal schwächer dem Trend, nicht nur mehr Gleichberechtigung, sondern auch LGBTQ+ zu reduzieren. So wie die EU die Umwelt dem Auto opfert, so opfern die Männer nicht nur real, auch symbolisch die Frauen und Nichtbinäre – schaut euch das erste Verhandlungsteam von CDUCSU an…

Nicht mein Hauptthema, sondern basso continuo gesellschaftlicher Wahrnehmung. Das braucht man schon, um nicht an der Wirklichkeit vorbeizuschauen.

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Aber zur Umwelt, die der Wirtschaft (oder der Religion) geopfert wird – Sacre du Printemps (schaut nach, das muss keine richtige Ideologie sein, aber aufrüttelnd) – es ist politisch zum aus der Haut fahren, aber auch real. Ich gehe mit dem Hund durch den Park: mit den vertrockneten Ästen unter den großen Bäumen kann man ein Jahr lang heizen. Schon ist es lange trocken und wird es weiter zur falschen Zeit sein, ähnlich wie zu später Regen. Ärgerlich, dass diese Erkenntnisse schon lange in die Freizeit eingedrungen sind, in die Sonnentage. Bei den Diensttagen ist natürlich die Umwelt noch mehr an den Rand gedrückt. Ich schreibe „natürlich“, weil es wenig Bewusstsein über die Umwelt bei der Arbeit gibt – obwohl da die Aufklärung schon sehr gut ist: was man an Gift einatmet, zum Beispiel, wenn man nur atmet. Ich bin dieser Erkenntnisse weniger müde als der schlechten Unendlichkeit der Tagespolitik, weil sie – im 3. Weltkrieg, wie ich sage – weil sie ja mit der Umweltzerstörung zu tun hat, die mich und uns überlebt (bei manchen Begräbnissen können wir hingegen noch dabei sein, die Hoffnung stirbt zuletzt). Aber Diensttag kann auch Dienst an der Umwelt mit meinen. Das ist deshalb hochpolitisch, weil es den Umgang an der Basis mit allen möglichen Menschen, Quartieren, sozialen Gruppen bedeutet (abstrakt lässt sich keine Politik machen), und dabei stößt man nicht nur auf Unwissenheit und Unwilligkeit, sondern auch auf politische Rahmen, die man eher gar nicht wahrhaben will und sich abwendet. Wer sagt denn, dass Grün nur Links ist? Und wenn die Rechte Grün ist, wie wendet man sich von Rechts ab und unterstützt Grün? Die Diskussion erlebe ich häufiger als mir selbst lieb ist, aber die gibts (Ironisch findet sie sich auch bei zunehmender Wolfsjagd und Schafsschutz, aber plötzlich wird das real). Es gibt in der Gesellschaft keine Brennpunkte wie in der Geometrie. Wenn die Rechten „richtigen“ Naturschutz machen, dann müssen wir über das Richtige im Falschen nachdenken. Und z.B. die Rechten nicht dort hervorheben und angreifen, wo es nicht um ihren Faschismus und ihre schlechte Politik geht (da gibt es tausende Beispiele dafür, was und warum man es an den Rechten kritisiert oder eher nicht kritisieren soll). Ich gebe zu, dass das wirklich sehr schwierig ist, auch im Nachdenken darüber. Aber wenn die Formel vom Richtigen im Falschen und wenn die Fehler im Richtigen keine bloßen Blasen sind, muss man sich dem schon widmen, weil man sonst an der gesellschaftlichen Basis nur mehr auf Unverständnis stößt, wenn man seine eigene Blase verlassen hat.

Diese Rechts-Links-Diskussion ist wichtig, weil die Mitte kein Kompromissfeld ist, bestenfalls ein Vorfeld. Vor allem ist sie ein Beweis dafür, jedenfalls ein Hinweis, dass wir uns z.B. bei der Umwelt um unser Bewusstsein, um unsere Kritik, um unsere Kommunikation kümmern müssen, damit wir mit „anderen“, deutlich: auch mit Gegnern, nicht von Anfang an verstummen.

Trotzdem lesen hören denken…Trotzig

Ich verspotte die nicht, denen schlicht die Nachrichten und Berichte zuviel sind. Ich bedaure sie auch nicht, ich rufe sie nur auf, doch zu tun, was schwer erträglich ist. Ich selbst habe, gegen meine Gewohnheit, die Stunden reduziert, in denen ich die Nachrichten, „News“, Kommentare höre und lese. Aber ich kann nicht ohne aktuelle Einblicke, weil sonst die Trennung von Politik und Privatleben nicht funktioniert, beides in meinem Bewusstsein vertrocknet. Das klingt pädagogisch, ist aber politisch.

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Im „Streiflicht“ vom 7.3.25 (SZ) wird die dauernde Fokussierung auf Trump allüberall kritisiert und verhöhnt. Dann ein Ratschlag: „So geht das nicht weiter. Wie wäre es, wenn Merz zum Start unserer neuen Bundesregierung gleich mal einen wöchentlichen trumpfreien Tag einführte?…Weder in den Medien noch sonst wo dürfte von Trump die Rede sein“. Sehr gut. Am Ende wird der Autor historisch: „Angeblich wollte Caligula sein Lieblingspferd zum Konsul ernennen. Ein Pferd als US-Präsident? Das hätte etwas Beruhigendes“.

Ich halte mich heute dran, kümmere mich um den Überbau, Kunst und Erziehung. Ihr erinnert euch an meinen Blog, in dem ich die Normalisierung der AfD beschrieben und kritisiert hatte. Das geht jetzt alle Tage so vor sich, immer weiter. Fast heimtückisch objektiv beschreibt die Autorin Christine Lemke-Matwey in der ZEIT #10, 6.3.2025, den Cellisten Matthias Moosdorf, „Er spielt jetzt bei der AfD“, seit vielen Jahren in der AfD, seit 2021 im Bundestag. Natürlich ist sie nicht für die AfD, aber dass der Cellist sich als Querschädel begreift, entlastet ihn nicht als Faschist. Moosdorfs Büronachbar Klonowsky wird abschließend, abschätzig zitiert: „Wer sich allzu sehr feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich nicht wundern, wenn schließlich auch gefickt wird“. Naja, wenn das normal, in der Kultur außerhalb der Politik ist? Und normal für die AfD. Die Normalisierung passt zu einer juristischen Frage, ob man die AfD als „faschistisch“ bezeichnen darf. Man muss, solange man keinen anderen, noch richtigeren Begriff hat.

Jetzt einmal ein ernst gemeinter, positiver Einschub. Anstatt vor dem Fernseher sitze ich in einer GRÜNEN Diskussion mit neuen Mitgliedern. Spannend, wie versucht wird, einzuführen oder sich zurecht zu finden. Schon gut, dass der Zuwachs vor und nach der Wahl alle Parteien hinter sich lässt. Bevor die Formalie die Runde austrocknen, platzt die Schutzhülle des Gesprächs zum Kennenlernen und eine intensive Diskussion beginnt, wie man denn, wie wir denn also, vor Ort, an der Basis, in der Stadt, in den Stadtteilen für die Partei werben könne(n), und wie man sich, wenn überhaupt, mit der AfD auseinandersetzen kann, soll, darf, muss…Ich gehe jetzt nicht in die Diskussion, sondern sage nur wie befreiend es ist, sich an diesen vier Verben abzuarbeiten. Nur, wenn wir uns um uns, unsere Politik, unsere Entwicklung, unsere Politik kümmern, können wir mit anderen Demokratien (Parteien u.a.) umgehen und auch mit der AfD kommunizieren, d.h. u.U. nachhaltig gegen sie. Und wenn dort Menschen ohne faschistoide Einstellung gelandet sind, kann es sein, dass man sie aus dem Block herausbricht, aber das ist vielleicht ein zu konkretes Ziel, zunächst geht es darum zu verstehen, was sie dorthin getrieben hat. Tja. Sehr ambivalent, deshalb lesenswert: Frauke Rostalkski vom Ethikrat, Professorin, schreibt „Eine Brandmauer löst keine Probleme“ (Spiegel #10, 1.3.2025): Eine Diskursverschließung vor der Wahl habe zum großen Erfolg der AfD beigetragen. Und die Resilienz gerade dadurch wachsen zu lassen, „uns nicht im Dämonisieren und Ausgrenzen derer zu verlieren, die eine andere Meinung haben als wir selbst„. Naja, wo ist da die Grenze? Es geht der Juristin also auch um die Normalisierung der AfD, irgendwie postmodern sind alle Meinungen auf einer Ebene des Diskurses. Das ist ambivalent, nicht falsch, nicht richtig, nur nicht normal.

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Jetzt zum anderen aktuellen Thema. „Schaffen wir das? So nicht!“ (Martin Spiewak, ZEIT #10). Es geht um das deutsche Schulsystem, seit Jahrzehnten vernachlässigt und im Vergleich zu anderen zunehmend schlecht. Was besonders erschreckt ist die Missachtung und Erfolglosigkeit eingewanderter Kinder – was ihren schulischen Aufstieg und ihre Integration betrifft. „In Deutschland lebt mit 20 Prozent ein größerer Anteil Eingewanderter als in jeder anderen Industrienation“ – das wissen wir seit Jahren. Wenn jetzt die AfD auch noch die Wirtschaft, die Touristen und die Ausländer gleichermaßen verjagt, was bleibt dann? Jedenfalls nicht das „Deutsch“, das noch immer mit „Deutsch“ assoziiert wird…und wie stellen wir uns im Budget darauf ein? doch am besten mit dem Bildungsbudget, aber davon ist noch nicht die Rede zwischen Rüstung, Sozialem, Straße und IT. Wir sind, als viertgrößte weltweite Wirtschaftsmacht, mit die schlechteste Bildungsnation der Führungsmächte. Was man dazu sagt? Das ist es ja, durch die dauernde Verdrängung aus der Politik und in die Nischendiskussion haben die Menschen keine politisch wirksamen Begriffe, das Thema an der Wirklichkeit anzubinden.

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Worüber und über wen ich NICHT schreibe ist klar. Langsam entsteht der Widerstand, sogar in den USA, und bei uns auch. Lernen und Widerstehen => Resilienz

Frühlinks Erwachen

Wenn man schon den Blick nicht von der Rechtsentwicklung abwenden kann, wenn der Faschismus keine Chimäre ist, dann fragt sich, was sich eigentlich „links“ so ereignet. Jochen Bittner hat dazu in der ZEIT #3, S. 37 einen interessanten Artikel geschrieben, dem ich vor allem darin zustimme, dass die R-L-Achse ohnedies an Bedeutung verloren hat. Im Gefolge der Kritik an „linken“ Entwicklungen schreibt er: „Wächst dieser (darauf bezogene MD) Frust, dann wächst auch die Bereitschaft, anderen Radikalen die Macht zu geben, in der Hoffnung, das Pendel werde in die entgegengesetzte Richtung schwingen. Und genau das tut es jetzt. Auch wer Trump, Musk oder die AfD nicht als „faschistisch“ bezeichnen mag, muss die Gefahr sehen, dass der begonnene Backlash nach rechts gruseliger ausfallen könnte als der Linksruck der vergangenen Dekade“. Lest den Absatz vom Ende her. Und dann die Frage, ob es Alternativen zum Begriff „faschistisch“ gibt, wenn ja, welche. Ein Schluss im letzten Absatz ist interessant, weil „Hat die Mitte, hat eine wahrhaft liberale Linke jetzt noch eine Chance?“ Eine wirklich wichtige, kluge Coda. Die Mitte als liberale Linke steht genau gegen AfD und BSW, aber auch gegen eine verkrustete Figur im Rückblick meiner Generation, auf 1968, 1989 usw. (Der Artikel ist auch sonst interessant, oft schwierig, aber die Summa ist schon wichtig. Weil bei Spaltungen die Mitte im positiven wie negativen Sinn oft unter den Tisch fällt.

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Wir sind ja im Frühling, herrliches Wetter über den trockenen Parkanlagen, der blaue Himmel straft kritische Wahrnehmung, oder wie der Flachbürger sagt: alles nicht so schlimm. Betont man „sooo“, bedeutet das etwas anderes.

Die Umwelt gerät in diesen Tagen unter die Räder, im Wortsinn und übertragen: PKW, Autobahnen…naja, wenn es sonst nichts wäre…Aber mich bedrückt eher, wie die Umwelt unter die Räder der neuen, globalen Kriegspolitik gerät, durch Vergessen oder Minimieren. Das ist so als wollten Gläubige die zehn Gebote umgruppieren. Nun ist diese Kriegspolitik ja nicht an sich falsch, jedenfalls als Reaktion. Aber gerade dann müsste und könnte man zeigen, dass Verteidigung auch die Umwelt einbeziehen muss. Sonst ist alles zu spät, selbst der Frieden, in dem man ja nicht ersticken soll, wenn man den Krieg schon überlebt hätte.

Ich habe mich an die Doppeldenke gewöhnt: wenn ich jetzt mit dem Hund durch den Park gehe, dann sind es diese Umweltgedanken, die ich sinnlich und wahrnehmend zulasse, und ihre Begrünungen sind ja nun wirklich politisch (die heutigen Nachrichten, EU, Streubomben, Trump usw. reichen da ja hinein). Aber bevor man sich den Kriegsgedanken hingibt, sollte man die Umwelt als Öse im Reflektieren zulassen, denn ohne sie hat auch Friedenspolitik keinen Sinn. Der Gegeneinwand: aber die Prioritäten sind anders…nein, sind sie nicht.

Was es für die Nachkommen zu bewahren und zu verbessern gilt, ist jedenfalls mehr die Natur und die Umwelt als die haarspalterischen Zinsdebatten der Neoliberalen. Wer Staatshaushalte mit dem Familieneinkommen und -haushalt vermengt, hat von beidem nichts verstanden, Staat und Natur.

Das sagt sich leichter als man handelt. Aber darum wird GRÜNE POLITIK jetzt umso wichtiger, nachdem offenbar Merz und Klingbeil schnell dazu lernen, beide. Das hilft zukünftig, sie zu kritisieren, denn wenn man sie – jeden für sich oder gar beide – verachtet, kann man keine Kritik üben.

? DRITTER WELTKRIEG ?

Werte Leserinnen und Leser,

zur Zeit und aktuell schreibe ich einen kurzen Essay über den DRITTEN WELTKRIEG. Ich schreibe das als informierter Laie, nicht als Experte für Kriegs- oder Außenpolitik. Ich werde auch weiterhin den Blog zu allen anderen möglichen Themen weiter schreiben und immer wieder vorläufige Abschnitte des Essays hier veröffentlichen, mit der BITTE UM KRITIK und RÜCKMELDUNG. Danke.

  1. Einleitung

ZITAT zwei Tage nach diesem Artikel von Oleksij Makeiev, ukrainischer Botschafter in Deutschland:

Wir in der Ukraine, wir fühlen uns im dritten Weltkrieg. Der Krieg geht nicht nur die Ukraine an, das ist leider unser gemeinsamer Krieg. Denn Russland hat uns alle im Visier.

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Der dritte Weltkrieg (WKIII) hat schon begonnen, aber man kann das Datum nicht gut bestimmen. Ein Phasenübergang, der sich langsam bemerkbar macht.

Das Modell 1984[1] erlebt eine Neuauflage: Drei Diktaturen, die die Erde unter einander aufteilen, nachkommende Großmächte eher marginalisieren und im Gefolge eine wachsende Anzahl von Faschismen mit sich ziehen; und immer weniger Demokratien.

Man kann hier an science fiction denken, an den Krieg der Welten[2]. Aber man kann auch an den Alltagsgebrauch des Begriffs denken, Weltkriegserinnerungen kreuzen sich mit Interpretationen wahrgenommener Politik oder von tatsächlichen Kriegen und ihrer Androhung.  

Die Umweltpolitik hat versagt, was das 1,5° Ziel betrifft, wahrscheinlich auch das 2° Ziel. Die Generationen nach uns werden zunehmend damit zu kämpfen haben, dass die Lebensbedingungen für Kinder, Enkel, Freunde usw. so erträglich wie möglich sein werden, Schuldzuweisungen an unsere Generation sind dann abstrakt – es gibt uns nicht mehr.

Das kann eine Einsicht sein, die eine diktatorische Elite auf eine zahlenmäßig sehr kleine Flucht in den Weltraum (Mond u.a.) vorbereitet, ohne die Möglichkeit zu benennen, das selbst nicht mehr zu bewegen und zu erleben – oder vielleicht doch? (Trump, Putin, Xi)[3].

Endzeitthesen sind weder populär noch ausgeführt.  Auffällig ist, dass scheinbar die Erdbevölkerung wenig thematisiert wird, etwa in Bezug auf das Flüchtlingsproblem, und dass die unabgeschlossene humane Evolution noch weniger Erwähnung findet. Die These, dass die menschliche Evolution nicht abgeschlossen, vielleicht sogar von der Technologie (IT etc.) „überholt“ wird, ist im Hinblick auf die Politik nicht irrelevant.[4] Die neuere Überlegung ist etwa auf Harari basiert[5], der mich von Zukunftsforschern befreit hatte.

Diese wenigen Thesen reichen zum Einstieg. Die in ihnen enthaltenen Überlegungen sind genug für eine Zukunftsenzyklopädie – aber da kann man nicht mit einer Leitwissenschaft und auch nicht mit Philosophie vorgehen, man muss dauernd quer und zeitlich vor und zurückdenken, und auch nicht nur bei der Wissenschaft bleiben, aber auch nicht bei der Literatur, obwohl man beide verbunden braucht. Streng aber gegen die alternativen Wahrheiten, Fakten, Methoden.

2. Widerspruch in mir und im Text

Wenn ich gegen eine disziplinäre Analyse und schon gar gegen ein Weltmodell der Situation mit einem wünschenswerten Ausgang oder einem unabwendbaren bin, dann aus mehreren Gründen:

  1. Keine thematisch bezogene Disziplin kann die Vielfalt der Dimensionen der sozialen und politischen Realität hinreichend kommunizieren, inter- und multi-disziplinäre Analysen sind zu allgemein oder verlieren sich in bedeutungsschweren Details – klar, das ist KEIN Argument gegen fachliche und interdisziplinäre Forschung und Wissenschaft, es verweist nur auf die damit noch nicht erfassten Dimensionen von Bedeutung.
  2. Mein soziologischer und kulturwissenschaftlicher Blick umfasst vor allem die Bereiche, die durchaus wahrnehmbar sind, aber nicht in die politischen und verbreiteten Systeme eingepasst werden können.

Ein scheinbar abwegiges Beispiel: die Rolle von Religion(en) in der politischen Auseinandersetzung wird oft beschrieben, aber selten strukturell erklärt. Als Übung empfehle ich Islam und Judentum in Nahostkonflikt, weit über Israel hinaus; oder die Rolle des spezifischen politischen Protestantismus in den USA, sowohl was die Geschichtsveränderung als auch die gegenwärtigen Koalitionen betrifft.

  • Warum ich das ganze schreibe, hat auch damit zu tun. Ich will da keine wissenschaftliche Arbeit den vorhandenen und zu erwartenden disziplinären Werken antizipierend hinzufügen oder auch die Kluft zwischen dem laienhaften Bewusstsein und der Expertise verkleinern (beides kommt marginal natürlich vor, aber nicht im Fokus). Mir geht es um den Blick in eine von mir nicht mehr erlebbare Zukunft, sozusagen ein Zeitdokument, das meinen Kindern und Enkeln usf. zeigt, dass ich schon antizipiert habe, was sie vielleicht – hoffentlich nicht so arg – erleben und woran meine Generation auch beteiligt war. Das streift sensible Gebiete wie Entschuldigungen und Rechtfertigungen, aber auch die eigene Berührtheit und Empfindung.
  • Es geht über die Strukturanalysen hinaus, wenn ich dazu auch Positionen vertrete. Deshalb ist die Form des Essays angezeigt, sowohl als Versuch als auch in kurzer Form umfassend.

3. Weltkrieg und der Westen. Vorspiel der Begriffe. Ich spiele sie euch vor.

Vergleiche sind niemals Gleichsetzungen. Und Oppositionen sind selten symmetrisch. Wenn ich eingangs behaupte, wir seien im 3. Weltkrieg (WKIII), dann assoziieren doch in Europa, wahrscheinlich auch in den USA fast alle die beiden Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945. Ist das weltweit so, oder den Meinungen aufgedrückt, und was assoziieren die Menschen mit den WK? Das ist schon deshalb spannend, weil ja der WKIII sicher anders ist als die beiden vorhergehenden, aber der Inhalt von „Welt“ spielt eine vielleicht größere Rolle, noch größere Rolle, als früher. Man müsste hier in die Theorie der Globalität und des Lokalismus, in die Kommunikationstheorie, in die KI, einsteigen, um die verschiedenen Facetten dessen, was heute weltweit, global, ist zu verstehen[6]. Und es gibt die Ausflüge und Ausflüchte in das Weltall. Die Veränderung, Verkleinerung des Erdraums, die Radikalisierung der Aneignung von Teilräumen, zum Leben, zur Ausbeutung, als Fluchtpunkte, als Verlassenschaften…all das sind wichtige Koordinaten des WKIII. Und dann wird er begrifflich von mir festgelegt und zur Verbreitung angeboten.

Ganz anders mit dem Westen, dem „Westen“ als festen Begriff und als Balancewort zum Osten, und wo im Nord-Süd-Bereich ist der Westen, der Westen. In diesen Tagen wanken alte und neuere Verständnisse dieses Begriffs. Und so ganz einfach klappt es nicht mehr mit dem Westen: Demokratien, verbunden durch die USA und Europa, jedenfalls nach dem 2. Weltkrieg. Schon so einfache Überlegungen wie die Nichtabgrenzung des „Ostens“, die Fragwürdigkeit der Zuordnung Russlands etc. sind schwierig. Wenn die Ukraine, scheinbar eindeutig, zum Westen gehört, wohin dann mit Moskau? Wenn beide zum Westen gehören, wie ist dann die Westführung durch die USA zu verstehen. Und historisch ist das alles natürlich noch komplizierter, Ostkirchen, Westkirchen, Sprachen, Volkszuordnungen und Zuteilungen usw. Missversteht mich nicht, ich will mich damit gar nicht gern auseinandersetzen, aber es ist ja in der Luft, und die Trump-Putin Achse, die SO nicht bleiben wird, ist auch ein Ost-West-Hinweis. Was aber deutlich sein sollte: ein WKIII geht nicht ins Ost-West Netz. Darum geht es nicht. Und wenn wir in Deutschland uns dem Westen zuordnen (wollen), dann gibt es mehrere Westen, mehrere Ost-West-Beziehungen usw. eigentlich trivial, aber gerade nicht so aktuell.

Für beides, WKIII und den Westen, werden dauernd Hinweise gegeben, notwendig. Es ist mehr als Meinung, weniger als wissenschaftliche Umgruppierung. Ich will nur abheben vom Alltäglichen, bis tief ins Bewusstsein gegrabene „Wir im Westen…“, das ist so wie Solidarität und Abwehr gegen bestimmte Ethnien oder pardon, Geschmäcker und ähnliches.

Weil ich darauf zu sprechen komme: gehört Israel zum Westen, also in diesem Sinn zu uns? Das Land  – genauer der Staat Israel – ein westlicher Staat? Wohin gehören die in den letzten Jahrzehnten eingewanderten Sepharden, woher kommen die davor mehrheitlich eingewanderten Ashkenasen, spielt Ost-West eine Rolle? Und Netanjahus Anschmiegung an die USA und deren Machtergreifung in Israel, ein westlicher Eingriff? [7]

Das ist nur ein Beispiel für die Fragilität der Verwendung von Ost-West.

Einige Literaturhinweise

Über die Vergleiche mit WWII Appeasement:

Arye Neier, NYRB : 202503004 online

„“It is probably not fair to the British prime minister of the late 1930s, Neville Chamberlain, to compare him to President Donald Trump,” writes Aryeh Neier in the NYR Online this week. “When he tried to appease Hitler at Munich in September 1938, Chamberlain had an urgent reason: he was hoping to avert British involvement in a war for which the country was not prepared…. In attempting to appease Russian President Vladimir Putin, Trump has no interest of comparable urgency.”

Instead, Neier argues, Trump, Vice President J.D. Vance, Defense Secretary Pete Hegseth, and Secretary of State Marco Rubio have made preemptive and unnecessary concessions to Putin and humiliated Ukraine’s president, Volodymyr Zelensky, without even the suggestion of peace from Russia. “Trump has been far weaker at curbing Putin’s aggression,” Neier notes, “than Chamberlain was at curbing Hitler’s.”

Below, alongside Neier’s essay, are four articles from our archives about Chamberlain and the costs of appeasement.“

Nathan Gardels, noema: 20250225 online:

  • „Instead of expressing outrage at China’s plans to take Taiwan, Russia’s bloody attempt to seize Ukraine or Israel’s vision of annexing the West Bank, Team Trump is openly considering its own Anschluss of other people’s territory in Greenland, the Panama Canal and even Canada. From what we can tell so far, the president’s idea of any peaceful settlement to these conflicts entails giving the stronger power what it wants.“

Harari, Y. N. (2016). Homo Deus. London, Vintage.

O’Toole, F. (2025). „From Comedy to Brutality.“ NYRB LXII(4).

Orwell, G. (1949). Nineteen eighty-four. London, Secker and Warburg.


[1] Orwell, G. (1949). Nineteen eighty-four. London, Secker and Warburg.

Dass es noch mehrere Modelle von global abdeckenden Weltmächten gibt, steht außer Frage. Aber hier geht es auch um die Wirkung auf mich und die Erklärung von Weltmächten.

[2] zB. Der Krieg der Welten – Wikipedia (5.3.2025) u.v.a

[3] O’Toole, F. (2025). „From Comedy to Brutality.“ NYRB LXII(4).

                Ein für mich relevanter Anstoß zu diesem Essay.

[4] Warum gebe ich hier keine Literatur und Fußnoten an….unendlich viel Literatur, à Literatur und Quellen zur Geschichte der Bevölkerungswissenschaft mit kommentiertem Namenverzeichnis | SpringerLink Auch in meinen Bibliographien. Nur wenig habe ich dazu gelesen, aber es hat mich 1980-2000 sehr beeinflusst. Die Zukunftsforscher sind auch nicht gerade populär,

[5] z.B. Harari, Y. N. (2016). Homo Deus. London, Vintage.

                Und spätere von ihm.

[6] Wichtig dafür Zygmunt Bauman Zygmunt Bauman – Wikipedia (5.3.2025). Auch wichtig für mich, wegen des Herunterbrechens auf die lokale Ebene und die ja zur Zeit brüchige „Globalität“, nicht nur bei Trump.

[7] Alle Überlegungen zu Israel beruhen nicht nur auf eigenen Erfahrungen, Forschungen, persönlichen Kontakten, sondern auch auf wichtigen Bezugsquellen, zu Amos Oz und aktuell zu David Grossman: Ohne Titel 13.10.2024 und weitere.

Hitler Stalin Trump Putin

Dass es Unterschiede zwischen den politischen Paarungen gibt, weiß ich. Dass historische Analogien begrenzt sind, weiß ich auch. Aber strukturell sind wir in einer vergleichbaren Situation. Und so unerwünscht meine Vermutung über den Dritten Weltkrieg ist, so wichtig ist mir, an dieser Vermutung festzuhalten. Die Struktur von Kriegen, ihr Ablauf, ihre Erledigung sind immer unterschiedlich, ihre menschlichen Opfer und dauernden Zerstörungen und Nachwirkungen aber sind für die Entwicklung der Menschheit und ihre (mögliche) Zukunft vergleichbar. Ich werde einen Textentwurf in mehreren Folgen hier veröffentlichen. Jenseits des Aschermittwoch.

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Nicht drum herumreden. Nach Trump&Vance’s Demütigung von Selensky am Freitag war die Entscheidung zu erwarten gewesen, die Unterstützung der Ukraine auszusetzen. Wie? und Wann? natürlich für uns Laien nicht.

Da ich kein Politikwissenschaftler und kein Militärexperte bin, halte ich mich mit Analysen zurück. Ich beobachte nur quer durch die gesellschaftlichen Felder, was diese Situation auslöst. Ob sie die Angst vermehrt. ob sie die Demokraten zusammenrücken lässt oder aber den Faschismus flächendeckend verstärkt, ob versucht wird, ein Appeasement mit den USA (und/oder mit Russland?) zu erkaufen oder ob gerade das abgelehnt wird – ich weiß es nicht. Auch, und das ist mir wichtig, kommt es jetzt darauf an, wie wir uns verhalten, nicht allgemein und oberflächlich, sondern in unseren Entscheidungen an den Grenzübergängen von Privatleben und Politik.

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Kein Zufall: wenn es soweit wäre, wohin könnten und müsste man auswandern können? Die Antworten sind schwierig, die Unterschiede zu früher sind groß, und trotzdem: Es geht nicht nur um uns, es geht um unsere Kinder, Enkel und Freunde, und es geht darum, was man hinter sich lassen müsste, um freier, befreiter zu werden…die Diskussion ist schwierig, aber wichtig: sie ist nicht überraschend, sie hat nicht erst gestern Abend begonnen.

Wir sollen die Angst nie mit Angst beantworten. Wogegen und wie Widerstand sich entwickeln muss, ist eine drängende, aber keine momentane Angelegenheit, und zur Resilienz gehört auch ein Alltag, der nicht alles politisiert.

Fetzenzug, Fastnacht,

Als müsste das Bildungsniveau der Deutschen noch steigen, wird in diesen Tagen die Geschichte des Karnevals auf vielen Sendern verbreitet.

Natürlich sind die Bandbreiten von Humor so unterschiedlich wie die einzelnen Gesellschaften und ihre Geschichte und Gegenwart, und irgendwo müssen wir ja unsere Vorurteile auch noch bunkern dürfen, in weniger politischen Nischen.

In diesen Tagen geht vieles, niemals „alles“, schief oder den Bach runter, der Westen, die Überlebenschance der Ukraine, die deutsche Politik (ein unerfahrener Kanzler, eine mäßig brauchbare Koalition, aber auch die müssen wir stützen, eine selbstblockierte Wirtschaft und eine wenig empathische Generation aller Altersklassen von work&life Balance…). Aber um politisch zu sein: WIR, unsere senile Generation hat viel von dem verschuldet, wir haben uns Wohlstands-Friedens-Macht-Bilder einprägen lassen, die am jetzigen Zustand ja beteiligt sind. Und jetzt ist Karneval.

Klar, die Religion redet hier immer hinein, aber manches ist schon alt un beständig: dass es Versöhnung mit Gott nicht gibt, bevor sich die Menschen untereinander versöhnt haben. Das reicht zu einer Verbindung mit dem nichtreligiösen Frühlingsanfang allemal, und die Verknäuelung ist schon beachtlich.

Aber die Wirklichkeit findet ihr hier: https://www.unesco.at/kultur/immaterielles-kulturerbe/oesterreichisches- verzeichnis/detail/article/ebenseer-fetzenzug/ Schaut euch die Bilder an https://www.bing.com/images/search?q=Ebenseer+Fetzenzug&form=IARSLK&first=1

Und dahinter ist ein letztes Aufbäumen des freien (? des sündigen?) Lebens, bevor am Aschermittwoch wieder Buße und Fasten und Frömmigkeit beginnt – haha, nichts beginnt, aber symbolisch muss ja das freie Leben eine Grenze haben, wenn es auf dieser Erde statthat und nicht in den sogenannten Himmel post mortem versetzt wird. Es gibt ein Gasthaus „Himmel“ in Ebensee.

Ich erinnere mich, dass ich als Halbwüchsiger während des Fetzenzugs, wo ja alle verkleidet waren, ziemlich viel erfahren habe von Ehebruch, häuslicher Gewalt, Nachbarfeindschaft und auch positiven neuen Beziehungen, und manche hat man unter der Maske erkannt, andere nicht. Man wird sich an diese Tage auch anders erinnern, wenn Trump und Musk längst verrotten, dass die sogenannte Weltordnung verändert wurde. Das heißt, wenn noch jemand da ist, sich zu erinnern. Das treibt mich schon um, dass ich noch so verkleidet nicht erleben werde, was jetzt gerade entsteht. Es stimmt eben nicht, dass man alles einreissen muss um es neu aufzubauen, und es stimmt auch nicht, dass man Trump und Putin und ihr faschistisches Gefolge mit der Rationalität bewerten kann, mit der wir den Fasching dekonstruieren…

Das ist schade. Aber um diese Stunde beginnt die Formierung des Fetzenzugs, der wird bald losziehen und den Betrachtern die Wirklichkeit vorführen, entlassen von Wahrheit und Verkündigung. Jetzt gehts rund.

Zweiter Anlauf: der Gastkommentar von Dieter Latger

Selten lasse ich Gäste ihre Kommentare hier geben. Aber in Zeiten größter globaler und inländischer Gefährdung sollten meine werten Leserinnen und Leser sich rasch ihre Meinung bilden können. Gerade ist Se4lensky in London angekommen. Die EU und Deutschland müssen jetzt reagieren.

Dietger Lather:

Gleich und Gleich gesellt sich gern
Richter Juan Merchan müsste man die Frage stellen, ob ihn seit der Amtseinführung von Donald Trump Alpträume heimsuchen. Zur Erinnerung. Vor Monaten hat eine Grand Jury in New York Mister Donald Trump in 34 Punkten der Anklage für schuldig befunden. Im Mai letzten Jahres, während des Wahlkampfes von Donald. Zunächst signalisierte der Richter, er würde den Prozess nicht einstellen. Später, er würde den Kriminellen nicht unbedingt ins Gefängnis stecken. Nach Trumps Wahlsieg wurde das Verfahren abgeschlossen. Trump wurde verurteilt: „unconditional discharge“, ein Schuldspruch ohne Haftstrafe, Geldbuße oder Bewährung. Andere Verfahren gegen Trump sind ausgesetzt. Die allgemeine Begründung lautete, man wolle nicht in den Wahlkampf eingreifen oder das Amt des zukünftigen Präsidenten beschädigen. Kriminell bleibt kriminell, verurteilt bleibt verurteilt, egal ob Donald dafür ins Gefängnis muss oder nicht. Er ist ein Krimineller, was seine Wähler keineswegs störte. Es störte die Wähler auch nicht, dass er Frauen auf offener Straße „an die Muschi fassen“ darf. Er wurde zum Präsident gewählt. Das sagt mehr über das Moral- und Ethikverständnis eines Großteils der US-amerikanischen Wählerschaft aus, als alles andere. Darum wundert es nicht, wie selbstgerecht und -gefällig er nunmehr regiert. Er weiß, er kann es sich erlauben und gegenwärtig einen kalten Staatsstreich auf seine Agenda setzen.
In vier Jahren könnten Prozesse gegen ihn wieder aufgenommen werden, wenn der Kriminelle es bis dahin nicht geschafft hat, die Justiz in den USA zu enteiern. Der Leser mag das vulgäre, dem us-amerikanischen Sprachgebrauch entlehnte Vokabular verzeihen. Dabei wäre es ein wunderbarer Wahlkampftrailer gewesen, Donald als Chefkoch in der Gefängnisküche wirbeln zu sehen. Oder im Freigang bei der Amtseinführung. Beide Hände auf der Bibel liegend, da er Orange gekleidet, in Hand- und Fußschellen, leicht vorwärts gebückt seinen Eid leisten müsste. So, wie Gefangene in den USA üblicherweise vorgeführt werden.
Genug der Phantasien. Die Szenerie sollte man selbst als eingeschworener Gegner des kriminellen Donald den USA nicht zumuten. Es führt zurück zur Frage. Angesichts der Unzahl an Dekreten, die der Präsident der Vereinigten Staaten unterschrieben hat, angesichts des kalten Staatsstreiches, den Elon Musk mit seiner Truppe unternimmt und angesichts der aufkommenden Forderung aus den Reihen der Republikaner, kein Richter dürfe die Dekrete des Präsidenten aufheben, müsste sich Richter Juan Merchan nächtens im Bett wälzen, schlaflos in New York. Warum hat er ihn nicht hinter Gitter gebracht?
Es kam, was kommen musste. In Washington sitzt ein verurteilter Straftäter im Oval Office und im Kreml ein Kriegsverbrecher, der auch schon einmal von einem amerikanischen Präsidenten als Mörder bezeichnet wurde. Kein Wunder, dass sich die beiden Herren lieben. So sehr, dass sie plötzlich die gleiche Sprache sprechen, wenn die Ukraine in Großrussland einverleibt werden soll. Putin bleibt wenigstens berechenbar. Für ihn gehört die Ukraine zu seinem Reich, ob sie will oder nicht. Trump hat begonnen, Selenskyj zu drohen, als der seine Wünsche nicht erfüllte. Weniger liebevoll, dafür das Original Putin zitierend, bezeichnet er Selenskyj als Diktator, der sein Land verlieren würde, wenn er sich nicht Trumps Wünschen beugen würde. Kaum hatte er das Wort Diktator in den Mund genommen, werden aus der Mottenkiste altbekannte Theorien hervor geholt. Putin hätte Trump in der Hand. Videos von intimen Momenten in Moskauer Hotels dürften es kaum sein. Damit prahlt Trump seit Jahrzehnten. „Weißt du, ich stehe automatisch auf schöne Frauen – ich küsse sie einfach. Es ist wie bei einem Magneten.“, sagt er in dem „Muschi“-Video. Schöne Frauen hat der russische Geheimdienst zu genüge und vielleicht Trump zu glücklichen Momenten verholfen. Alles bleibt unbewiesen. Genauso wie die jüngst wiederholte Behauptung, Trump sei von einem russischen Geheimdienst angeworben worden, damals, als Geschäftsmann. Auch das ist unbewiesen. Aber es würde die Putin gefällige Rhetorik Trumps logischer erklären.
Sicher scheint nur eines zu sein. Trump wollte einen Deal mit Selenskyj, damit er die Bodenschätze der Ukraine heben kann. US-Firmen kann er nur von Investitionen in der Ukraine überzeugen, wenn der Krieg beendet wird. Kaum zeigte sich Selenskyj ungehorsam gegenüber dem amerikanischen
König, drohte der dem „ukrainischen Diktator“. Aktuell ist zu lesen, ein Abkommen über die Gewinnung der Bodenschätze zwischen der Ukraine und den USA sei fast abgeschlossen. DEAL. Nun kommen all diejenigen ins Spiel, die bei den Friedensverhandlungen von Zar und König bisher nicht einmal am Katzentisch sitzen dürfen.
Friedensverhandlungen, um Putins Angriff auf und seinen Terror in der Ukraine zu beenden, sollten auf der Münchener Sicherheitskonferenz diskutiert werden. Der Stellvertreter erschien in München. Der Lakai des Königs, ein Wendehals, der noch Jahre zuvor erbittert gegen seinen Herrn kämpfte, durfte nichts zum Deal sagen. Das Wort Ukraine war aus Vance Mund nicht zu hören. Stattdessen vernahmen die Anwesenden ein Lehrstunde über wahres demokratisches Verhalten.
„Demokratie beruht auf dem heiligen Prinzip, dass die Stimme des Volkes zählt.“ Ruft der in den Raum, der die wahre Stimme des Volkes jahrelang bekämpfte, von der geraubten Wahl sprach, was schließlich zum Sturm auf das Kapitol führte und in laute Rufe mündete, seinen damaligen Vorgänger, Vizepräsident Mike Pence zu hängen. Das sollte dem jetzigen Vize zu denken geben. Nichts und niemand ist vor Trump sicher.
Jüngst wurde die Nachrichtenagentur AP aus den Pressekonferenzen im weißen Haus ausgeschlossen. Die Agentur wagt es, ihre eigene Meinung zu sagen und weiter hin den Golf von Mexiko als solchen zu bezeichnen. Was predigt der Vizepräsident der USA?
„…wenn man Menschen abtut, ihre Sorgen ignoriert oder – noch schlimmer – die Medien, Wahlen oder die Menschen selbst aus dem politischen Prozess ausschließt. Tatsächlich ist das der sicherste Weg, die Demokratie zu zerstören….“
Das Auditorium wird es sich die Warnung zu Herzen genommen haben, nicht wie das weiße Haus zu handeln und eine Demokratie zu zerstören. Die kurz darauf geäußerte Bitte, die USA in diesem Umgang mit freier Meinungsäußerung zu unterstützen, dürfte abschlägig beschieden werden.
„..Und so wie die Regierung Biden verzweifelt versuchte, Menschen zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung sagen, wird die Regierung Trump genau das Gegenteil tun. Und ich hoffe, dass wir dabei zusammenarbeiten können.“
Trump hat Wort gehalten. Er bringt Menschen nicht zum Schweigen. Wer eine Meinung äußert, die nicht die seine ist, kann sie gerne weiterhin äußern. Auch nachdem er eine Mail erhalten hat: „YOU ARE FIRED!“ verbunden mit der einen oder anderen Beleidigung. Manchmal erfahren es die Betroffenen erst, nachdem sie angerufen wurden, sie sollten in des Königs sozialen Medien scrollen.
Die Rede das Vizepräsidenten erwartete ich mit der gleichen Spannung wie viele andere. Mit seinen ersten Äußerungen wunderte ich mich, mit welcher Arroganz dieser Wendehals das Auditorium zu belehren trachtete und welche Verachtung hinter den geäußerten Anschuldigungen vorschien. Warum stand keiner der Anwesenden auf und forderte deutlich vernehmbar und in angemessenem Ton, der Redner solle aufhören solch einen Mist (bullshit) von sich zu geben, um dann den Saal zu verlassen? Diplomatische Höflichkeit war schon nach Beginn der Rede fehl am Platze.
Drei Jahre dauert der Krieg in der Ukraine. Auch heute noch kursiert die Verleumdung, die USA seien schuld am Ausbruch des Krieges. Noch kurz vor der Wahl in Deutschland hat die Vorsitzende der AfD, Frau Weidel, dies zwar verklausuliert, aber deutlich in der letzten Wahlsendung zum Besten gegeben. Es dürften ihr Tränen in die Augen schießen, dass just die USA den Friedensprozess einläuten. So radikal, dass sie eine Resolution in der Generalversammlung der Vereinten Nationen einbrachten, in der Russland nicht einmal als Aggressor genannt wird. Hier scheiterten sie, weil die Resolution so geändert wurde, dass der russische Aggressor so genannt wurde. Im Sicherheitsrat der UN setzten die USA sich durch. Doch nur, weil die beiden Veto Nationen Großbritannien und Frankreich sich bei dieser Abstimmung er Stimme enthielten. Zuvor hatten sie in der Vollversammlung der UN für die Verurteilung Russlands gestimmt.
Völkerrechtlich bindend sind die Beschlüsse des Sicherheitsrates der UN. Hier kniffen die beiden Nationen. Trump und Putin mussten sich bestätigt fühlen, dass die Europäer wirklich an den Katzentisch gehören. Die Europäer meinen dagegen, aus diplomatischen Gründen die Enthaltung
gewählt zu haben. Trotz des Deals bleibt die Gretchenfrage. Wie wird der zukünftige gerechte Frieden mit der Ukraine abgesichert? Trump hatte schon vor Tagen gesagt, die USA würden keine Soldaten in die Ukraine schicken. Die gerne mächtigste europäische Nation, die Jahrzehnte lang durch die Soldaten der NATO auf dem Boden Westdeutschlands gesichert wurde, erklärt durch den mittlerweile abgewählten, in der Rente hoffentlich schweigenden Kanzler Scholz, sie würde keine Bundeswehrsoldaten dorthin schicken. Macron hingegen war schon vor Monaten mit dem Vorschlag, Soldaten in die Ukraine zu schicken, in aller die Öffentlichkeit abgewatscht worden. Nun liegt der Vorschlag wieder auf dem Tisch. Just von dem Trump befeuert, der so nebenbei auch schon einmal der Ukraine die Schuld an dem Krieg in die Schuhe geschoben hat und wirre Drohungen ausstieß. Natürlich ist Russland für den Frieden. Die Zeit bis zu den Verhandlungen nutzt Putin intensiv. Die Bombardierungen werden zunehmen. Europäische Friedenstruppen will er natürlich verhindern. Sie würden sein Risiko ins Unermessliche steigern, sich treu zu bleiben. Das heißt, den zukünftigen Friedensvertrag, kaum ist er unterzeichnet, wieder zu brechen, um seinen Traum von Großrussland zu verwirklichen. Zukünftig wären wohl die Europäer schuld, seine legitimen Sicherheitsinteressen nicht beachtet zu haben.
Wie stellt sich Österreich zu der Frage? In den derzeitigen Koalitionsverhandlungen spielt es wohl noch keine Rolle. Von einer Diskussion über eine Beteiligung an der europäischen Friedenstruppe, die definitiv in der Öffentlichkeit geführt werden müsste, ist derzeit nichts zu hören. Der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik hat Österreich zugestimmt. Werden also demnächst österreichische Soldatinnen und Soldaten eine Zeitlang in der Ukraine eingesetzt sein oder beruft man sich auf seine Neutralität, die so uneingeschränkt gar nicht mehr existiert? Wird Deutschland sich entschließen können? Angesichts seiner jüngsten Vergangenheit, in der sein Frieden durch andere gesichert wurde, wäre dies zwangsläufig geboten. Oder wird unverändert behauptet, angesichts des Zweiten Weltkrieges sei eine Stationierung deutscher Soldaten in der Ukraine unmöglich. Eine Beteiligung Deutschlands würde unweigerlich in den Krieg mit Russland führen, so das bisherige Narrativ. Es werden interessante Diskussionen sein, deren Ausgang ich nicht vorher zu sagen wage. Sicher ist zweierlei für mich. Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber, wenn Diktatoren die Stirn geboten werden muss. Werden keine europäischen Truppen in der Ukraine stationiert, wird Putin erneut angreifen. Aber wird dies Trump gefallen, der doch gerade seinen Deal abgeschlossen hat. Und wieso sollten eigentlich die europäischen Staaten mit ihren Soldaten die amerikanischen Firmen in der Ukraine schützen. Da hat Trump vor ein paar Tagen nicht zu Ende gedacht. Er sollte sich überlegen, ob dafür nicht seine Truppen eingesetzt werden müssen, anstatt anderen befehlen zu wollen, für ihn die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen. Also Europäer setzt ihm die Daumenschrauben an.
Dietger Lather, Innsbruck, 26.02.2025

Vor dem Weltkrieg. Jetzt.

Nach der Wahl ist vor dem Sturm

Der Westen löst sich auf, die USA machen nur noch, was sie wollen, Europa ist auf sich allein gestellt – und demnächst sitzt im Bundestag eine AfD, die sich verdoppelt hat. Was Deutschland nun braucht, sind Demokraten, die über sich hinauswachsen.

Ein Essay von Kurt Kister“ SZ 1.3.2025. Bitte lest es zur Gänze.

Der Letzte Satz in Kisters Titel ist entscheidend. Merz & Konsorten müssen demokratisch über sich hinauswachsen, und wir – WIR ALLE – wahrscheinlich mit ihnen, Avantgarde statt Elite werden, politisch und gesellschaftlich. Nach einer für eine gute deutsche Zeitung beachtenswert deutlichen Analyse und wirklichkeitsnahen Beschreibung der Situation, deutlich wie doch selten, ein Wunsch, „Man kann der neuen Bundesregierung nur Glück wünschen. Man muss es.“ Glück ist keine politische Kategorie, es ist ein Wunsch, der an die Hoffnung angehängt ist, nicht gerade an die Zuversicht.

Gerade habe ich eine wichtige Zusammenfassung der Politik der USA auf die Welt gelesen: Fintan O’Toole: From Comedy to Brutality“, NYRB 13.3.2025, 10-13). Erschreckend, passt zu meinem Weltkriegstitel. Aber was erschreckt an Trumps Handlungen, u.a. dass sie m.E. KEINE POLITIK sind, wie das eben so bei Selbstherrschern normal ist. Die Übersicht über Trumps Handlungen ist nicht hektisch, sondern lässt einen frieren. Der neue Imperialismus wird ziemlich genau beschrieben: als Beispiel Grönland, das, bei weiteren Klimaverschiebungen, für eine Elite ein guter, unzerstörter Wohnort sein kann. Aber wichtiger noch die Verschiebung von Steven Bannon zu Elon Musk als Vorbereiter von Weltraumexil für die Elite, die der Umweltzerstörung entfliehen können und müssen. Trump hat die Brandverluste dieser Elite in Kalifornien positiv bewertet…O’Toole beschreibt die Vorgeschichte dieser post-kolonialen Herrschaft, die einen neuen Kolonialismus durchsetzt, wichtiger aber ist mir die Pragmatik der Eroberungen. Deren Entdemokratisierungen nicht mehr durch die Mehrheit der amerikanischen Wähler gebremst oder umgekehrt werden – im Gegenteil. Dabei erschrecken mich weniger die einzelnen diktatorischen Akte als die kühle Rationalität der Neuordnung von globaler Herrschaft. Das kann, muss aber keineswegs, ein Ende durch Misserfolge finden. Dass nicht-weiße Bürger verjagt werden, ist im Sinne von Trump logisch, Hannah Arendt wird zitiert: wer staatenlos ist, wir rechtlos – und dem Abschaum kann man alles schlechte antun. In Nebensätzen wird die lange Vorgeschichte dieser Ereignisse in den USA, und anderswo angedeutet. Da müssen wir auch in Europa, in Deutschland, zurückschauen, wie man oft vorausgeschaut hat, wenn man die bestehende ungleiche Klassengesellschaft in eine bruchlose Diktatur für die Privilegierten verwandeln wollte, was natürlich SO nie möglich war, aber für den Pöbel gut gefordert wurde.

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Zurück an den Anfang. Wir können uns durchaus gegen die Politik und Anmaßung Trumps wenden, nicht nur im Kontext Ukraine, nicht nur im Kontext Steuern, nicht nur im Rahmen der ökonomisch reduzierten Sprache und Begriffe der Kommunikation. Das setzt aber schon auch voraus, dass wir zwei Positionen verändern: die Unterwerfung unter die Vormacht der USA („des Westens“) als Fortsetzung der Dankbarkeit für die Unterstützung im und nach dem zweiten Weltkrieg – das Kapital ist aufgebraucht, und zweitens das Zögern beim Aufbau einer Verteidigung gegen Putin und die Verbündeten Russlands bei der angestrebten Eindämmung oder Unterwerfung Europas. Dass wir hier so lange gezägert haben, hängt nicht im Wesentlichen von unserer Westbindung ab.

Was, sagt da jemand, das sei eine Übertreibung? Ich denke, nicht. Aber selbst wenn: Trump lässt die Ukraine an Russland fallen – und dann?

P.S. Bitte lest den Anschlussartikel von Dietger Lather, und, wenn möglich, auch https://mail.yahoo.com/d/folders/1/messages/200242?reason=optin_not_required