Auch ein Lenz

Dichterisch ist das Wort bekannt, wenn auch nicht en vogue. Etymologisch unsicher, aber ca. 1000 Jahre alt. Das hat man in der Schule gelernt, und fast vergessen (ich hatte es leichter, als Kind musste ich unserer Hausbesitzerin Frau Lenz die Miete immer am 1. de3s Monats hochbringen und fragte mich, was sie mit dem Frühling zu tun hatte. Als Kind fragte ich mich auch, warum der Schlosser Kaiser hieß. Der Lenz also schafft mehr Erinnerung als der Frühling auf der Hauptstrecke.

Politisch erwarten viele immer dann einen Frühling, sozusagen als Aufbruch, wenn ein Team oder eine Spitzenposition wechselt. Werch ein Illtum, würde Jandl sagen.

Ich schaue aus dem Fenster, draußen ist alles grün nach ein paar Regentropfen, aber der Lenz bleibt trocken. Heute aber keine Umweltdepression, ich habe andere Sorgen. Frühlingspolitik würde man sich wünschen, nicht spätvereiste Passivität. Jedenfalls muss man die, von denen man den Lenz erwartet, ermutigen und nicht schon ex ante in das Nichtgelingen beschimpfen, was ein Lieblingssport der Populisten ist.

Die Leichtfertigkeit , mit der unmenschlicher Umgang mit Geflüchteten gerechtfertigt wird, mit der man unsere früheren Unterstützer jetzt in Pakistan verkommen lässt, mit der man vorgespiegelte Moral von der Ökonomie abzieht, mit der man wieder die Umweltpolitik reduziert, ebenso die Kulturförderung, diese Leichtfertigkeit ist nicht nur das Interesse der populistischen Führer, es bedarf dazu breiter Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung. Und es ist nicht nur mangelnde Bildung, die diesen Pöbel dazu animiert – Pöbel sage ich, weil es kein geeignetes Fachwort für die massenhafte populistische Bevölkerung gibt. Und „Plebs“ wäre schon soziopolitisch. Aber: sind nicht alle die kritisierten Aspekte auch eine Folge der schlechten oder ausbleibenden massenhaften Politik der Nichtpopulisten, die also nicht dieser Pöbel sind, aber vielleicht ein anderer? Die Rechten bejahen das, für sie sind wir Eliten oder andere Formen von Auszugrenzenden. Das kann man analysieren, man kann es aber auch praktisch unterlaufen. Jede humanitäre NGO kann das zeigen, praktisch und sowohl hier als auch in den Herkunftsländern z.B. der betroffenen Ausländer. (Übrigens lassen diese NGOs sich nicht nur mit Geld fördern…). Es gibt auch theorienahe Erklärungen, dass es nicht nur negative Populismen gibt, dass also irgendwie alle in der Politik auch eine populistische, sagen wir „gegenpopulistische“ Politik brauchen, um die Menschen, v.a. die Jungen, zu erreichen. Kann man durchdenken, der Lenz des Populismus ist nicht fern. (wenn man die Instrumente der Populisten anschaut, dann ist das nicht völlig abwegig). Aber: das ist bestenfalls ein Mittel, ein Instrument und kein Politikersatz.

Also schauen wir weiter in den Lenz, der auch ein Frühling des Geistes und des Fortschritts sein kann. Habt Ihr „Lenz“ gesehen, von Georg Büchner? (https://de.wikipedia.org/wiki/Lenz_(B%C3%BCchner)). Da denkt man natürlich nicht an Jahreszeiten, eher an Kunstgeschichte, Psychiatrie, Dichtung und Wirklichkeit – und das kann man dem Tagesablauf ja entgegenstellen, egal zu welcher Jahreszeit. Nun, Büchner war bestimmt kein populistischer Dramatiker. Ich denke, dass der Umgang mit Kunst unsere Resistenz stärkt, unseren Widerstand gegen eine globale Politik, die einem ansonsten jede Praxis absprechen möchte und doch so mächtig ist.

Zusatz: Widerstand braucht ein Subjekt oder Objekt oder beides: Gegen wen oder was man widersteht, man kann sonst den Begriff ins Weltallblasen. Hier schließt sich der kritische Kreis: wenn so viele Kritiker der Wirklichkeit ihr Kontra gegen die Kriege, Hungersnöte, Verbrechen usw. kundtun, ist das nur ok, wenn sie nicht zugleich anbieten, wie Vermittlung aussehen kann, aber nicht darstellen können, wer die andere Seite der Verhandlung sein könnte (weshalb zum Beispiel Ukraine-Friedensangebote meist sinnlos sind, weil Putin sie ja gar nicht aufnimmt, und Trump kein Recht auf die Ukraine hat….). Also, wer etwas sagt, sollte schon wissen, wemm er es sagt und mehr als nur hoffen, dass er oder sie gehört und am besten verstanden werden. Ach, das ist trivial? Schaut in die Medien…

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