Kultur schlägt zu, gerade jetzt.

Politiker, vor allem Neoliberale, spielen Kultur gegen Soziales aus, und beides gegen Wirtschaftswachstum, und garnieren solche Programme mit allen möglichen Worten, die nicht wie Begriffe verwendet werden, sondern Keulen sind gegen das kritische Bewusstsein. Man benützt das auch, um die Umwelt schneller zu zerstören – wenn man nichts mehr machen kann, hat man den Rücken frei. Das Wachstum nützt natürlich niemandem, wenn die Gewinne nach wie vor in die Taschen der 10% fließen, die ohnehin 50% des Volksvermögens besitzen.

Dem schließen sich viele an, die sich zwar geringere, aber doch Zuwächse erwarten

Wirklich wird ein rasanter Absturz Europas in wirtschaftlicher, politischer und sozialer Hinsicht, aber nicht so simpel, wie man sich das wünscht, Abstieg und Neuanfang in zyklischen Bewegungen, es wird schon wieder werden. Ja, was. Wenn die militärischen und wirtschaftlichen Strategien die tatsächliche Umweltentwicklung überholen, und wenn Europa seine relative weltpolitische Position gegen die USA und Russland, aber eben auch gegen die beiden großen Kontinente Afrika und Asien einbüßt, dann wird der menschliche Untergang schneller eintreten als er jetzt absehbar ist. So können die Lautsprecher der extremen Ideologien die Endphase umso schneller, wirkungsvoller, zitatenreicher herbeirufen – was die meist älteren Akteure der umweltfeindlichen und kriegerischen Ideologien ja nicht stört – die alten Trottel werden ohnedies keine der zukünftigen Varianten selbst erleben. Aber die Kinder, Kindeskinder, und zwar auch UNSERE, werden da sehr wohl etwas erleben, was sie vielleicht abwenden, abmildern können, vielleicht leider auch nicht, und wir vielleicht teilweise auch, oder nicht. Aber eines muss sein:

Der Kampf der Kultur gegen die Wachstumswirtschaft und gegen die Umweltzerstörung der Lebensqualität bevorzugter Menschengruppen, nicht einfach Eliten.

Das klingt apokalyptisch, ist es aber nicht. Realismus, nicht eine der ideologischen Wahrheiten.

Da wir gegenhalten müssen, nicht nur dürfen, können wir nur die Kulturplattform als festen Untergrund wählen, weil sie nicht den Regeln des kapitalistischen Systems folgt, und weil sie nicht einfach erobert werden kann, weder von Diktatoren noch von Digitalrobotern. Nicht, dass Kultur nicht gefährdet wäre, heute mehr denn je. Aber solange sie ist, ist sie eine Waffe des Widerstands, die uns eine Chance gibt, wir selbst zu sein. In kurzer Zeit werden wir politisch und ökonomisch abgleiten. Bald werden die Angriffe auf die Demokratie Fuß fassen. Unser Fahrenheit 451 wird anders aussehen als vor Jahrzehnten. Aber es wird sein müssen, oder wir werden untergehen im kalten Wasser der Unterdrückung. Das ist nicht tragisch, sondern kann uns ermuntern, Kultur zu aktivieren, und zwar nicht dadurch, dass die Akteure Trump in den Trump und Putin in den Putin kriechen, sondern dass Wort und Musik, Bild und Ton, die Bahnen verlassen, auf die uns der Zeitgeist gerne zwingen möchte. Der wird ja von Geistlichen befeuert, die keine Spur von Lebensfreude zeigen dürfen.

Natürlich heißt das, dass Widerstand sich aus Kritik entwickelt, dass das, was wir noch nicht voraus wissen, möglich wird – mehr als unsere Vorstellung sind wir ja in unserem Leben letztlich nicht (darüber muss man streiten dürfen). Die Herrschenden unterdrücken die echten Menschen. Aber sie können bei ihrem festen Willen nicht alles, was an Wahrheit und Ironie und Pathos sich neben und über und unter ihnen entwickelt, zugleich und dauerhaft bekämpfen. Diktatoren konnten das über lange Zeiträume, damit müssen wir auch rechnen. Aber eben nicht alles und für immer. Seltsam, wenn man zunächst nicht an die politische Ökonomie, sondern an die Kultur denkt. Das ist so wie die Umwelt wichtiger als die Welt geworden ist.

Der letzte Satz erinnert mich an eine Diskussion, die ich, zu jung und noch nicht so gescheit wie später, in Alpbach mit einem Philosophen der dritten Reihe geführt hatte. Umwelt war damals das übersichtliche Segment, Welt war abstrakt. Heute ist es die Umgebung, in der der Widerstand Gedanken, Worte, Töne und Bilder bekommen kann – alles, was wir denen voraus haben, die uns vernichten wollen. Billiger gehts nicht?

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