Es grünt kein LindnerBaum

Aber der Baum.

Vorspann: AFP 11.8.2023

Der grüne Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Hessen im Oktober, Tarek Al-Wazir, sieht eine Teilverantwortung für das Umfragehoch der AfD bei den Bürgerinnen und Bürgern. „Wenn man sich über ein Heizungsgesetz ärgert, dann muss man keine Rechtsradikalen wählen“, sagte Al-Wazir im Sommerinterview des Hessischen Rundfunks (HR) laut Mitteilung vom Freitag. Es gebe auf der Bundesebene auch demokratische Oppositionsparteien. 

„Und diese Verantwortung hat jeder Bürger, jede Bürgerin in der Demokratie“, fügte er hinzu. Eine Mitverantwortung für die anhaltend hohen Umfragewerte für die AfD sah er aber auch in der Bundesregierung.

Al Wazir hat Recht. Und Gerhard Baum hat auch Recht. Und wenn ich ihn am 12.8. höre, dann denke ich an die vergangenen Monate, in denen ich Deutschland immer mehr in die analoge Situation zu 1929-1933 innerhalb eines sich faschisierenden Europa sich bewegen sehe.

Baum nicht Lindner.

Darum gehts mir. Bloß einmal die Aussagen des letzten Jahres bis heute von Gerhard Baum bei DLF aufrufen, und dann schnell verdrängen, dass dieser Mann noch immer in der FDP ist. In fast allen Fragen der Demokratie, der Verteidigung unserer Freiheit hat er Recht, und sein heutiger Vergleich mit 1933 (DLF telefonisch 8.15) ist vielleicht deshalb so wichtig, weil er die Abwehr des Vergleichs durch viele Menschen gleich gar nicht zulässt. Erst 1933 und in den Jahren danach wurde das gefestigt, was in der Halbbildung als Geschichte des Naziterrors hängen geblieben ist. Von der Potsdamer Garnisonkirche über die KZs bis in den Weltkrieg. Aber 1933 hat eine Vorgeschichte. Und da haben sich nicht nur die Nazis aufgebaut, sondern auch diejenigen, die sich ihnen weit überlegen gefühlt haben – und sie deshalb 1933 scheinbar ironisch unterstützt haben, nach dem Motto „der Hitler wird sich schon abarbeiten“.

Wirtschafts- und sozialpolitisch sind Lindner, Wissing und Co. natürlich keine Nazis, aber sie höhlen die Widerstandskraft der Demokratie aus.

Sie teilen mit vielen AfDlern, CSUlern, CDUlern und etlichen SPDlern die Hetzjagd auf die Grünen (mit vielen, nicht mit allen, und die Linkspartei habe ich nicht vergessen, die gibts ja nicht mehr). Und sie attackieren finanziell die Kultur als Bedingungen für eine demokratische Gesellschaft, während sie den individuellen Aussteiger der Reichen fördern.

Und wenn jetzt jemand sagt, mein Vergleich mit 1929-1933 sei falsch oder fatal: dann sags und wir streiten.

Noch ein paar Erklärungen. Das Umsichgreifen und die Festigung faschistischer Strukturen führt nicht geradlinig zum Ausnahmefaschismus NS. Verwandt und einander bedingend sind beide allerdings. Die normaslen Faschismen, die Europa vor dem II. Krieg überzogen haben, standen weitgehend in Kontrast und Widerspruch zu demokratischen, vor allem sozialdemokratischen Bewegungen. Das wissen wir, und das kann man schnell und gut nachlesen. Aber wir dürfen die Augen nicht vor den Berührungspunkten verschließen, wo es soziale und ökonomische, auch kulturelle Schnittflächen gab – und vieles haben die Faschisten und Nazis mit kleinen Änderungen fortgesetzt. Am wenigsten in der Kultur, scheint es….aber auch da: bitte genau sein. Diese differenzierende Betrachtung ist wichtig, um die Analogien zu begrenzen.

Wenn aber heute die AfD sich Putins Russland an die Seite stellt, dann muss man bis ins Vokabular schon den Hitler Stalin Pakt genau lesen und die undemokratische Wahlverwandtschaft zwischen beiden nicht nur aufzeigen, sondern auch benennen. Es sind eben keine rechtskonservativen oder demokratiefeindlichen Parteien, sondern weitgehend Faschisten und manchmal, wie bei der AfD, Nazis. Was ist, soll man so bezeichnen.

Für die Bildung und ihre kritische Aufarbeitung ist es schon wichtig, wie wir dazu gekommen sind, und leider gehört dazu ein Retroblick bis 1945 und weitgehend die ganze Nachkriegsgeschichte, nicht nur Adenauers Globke. Und auch die antifaschistischen Kurzschlüsse von ’68 und danach immer wieder aufbohren. Ohne die kritische Bildung findet die partielle Amerikanisierung doch noch statt, die wir schon vor 50 Jahren attackiert hatten…

Ein Gedanke zu “Es grünt kein LindnerBaum

  1. Genau das sage ich den Leuten, es wiederholt sich gerade, was vor gut 100 Jahren, nicht nur in Deutschland passierte. Rechte, national verblendete Populisten, und damit sind auch die Herrn Söder und Aiwanger(ein Kleingeist aus Niederbayern) etc gemeint, haben keine Hemmungen um die Macht zu erhalten. Lindner und seine FDP ist ein Konglomerat aus Karrieristen, gesalbt von Selbstgefälligkeit. Die mediale Hetze aus der Springerpresse gegen die Grünen, entspricht der Hugenberg Presse in den 20ern des letzten Jahrhunderts. Ein Unterschied. Waren es damals antisemitische Nationalisten gegen Demokratie feindliche Kommunisten sind es heute die reaktionären Rechten (von Chupalle über Söder bis in die CDU) die gegen einen Vermeintliche Grüne Ideologie und Migranten wettern. Aber die Finger zeigen auch auf die Bildungsbürger. Damals wie heute sitzen die in Ihrer Komfort Zone und denken sich, wird schon alles nicht so schlimm . Wie schreib H. Heine. Revolution (Veränderungen) passieren nicht vom Schreibtisch (heute PC, TV) aus. Wer nicht aus der Geschichte lernt, muss sich nochmals ertragen. Gute Nacht Europa.

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