Was nie wirklich wurde, wird immer wieder aufgerufen: Über die Aktualität des Weltuntergangs
Christian Hoffstadt 11.12.2012, er wurde heute im Radio wieder zitiert, und die Website ist voll vom Ende (lest einmal: https: Weltuntergang 2023). Anlass genug zur Satire.
Was wirklich ist, wird fast immer als Vorbote stilisiert, und wenn die Menschen nach dem Datum weiterleben, reduziert oder ausgeblendet. Anlass genug zur Ironie über den Fortschritt der Evolution.
*
Kein guter Tag. Der gestrige Angriff der Hamas auf Israel, das Erdbeben in Afghanistan, sozusagen beides ON TOP of Ukraine, AfD und deutscher Hysterie.
Ich hatte mir zum Prinzip gemacht, den Krieg Russlands gegen die Ukraine und Europa nicht in meinem Blog zu kommentieren. Ich muss das Prinzip nicht erklären, solange ich mich daran halte.
Am 30. Juli hatte ich mich zu Israel geäußert, fast widerwillig, weil ich mir für dieses von mir sehr geschätzte Land, seine Gesellschaft, etwas besseres wünsche als die Regierung Netanjahu und weil ich viele der deutschen Kommentare nicht ertrage (Judemokratie, 30.7.2023, michaeldaxner.com). Seit gestern verfolge ich mit Bedrückung den Angriff von Hamas auf Israel und die Reaktionen. Informationen beziehe ich lieber von Ha’aretz als aus den meisten deutschen Medien. „https://www.haaretz.com/israel-news“ . Es kann sein, dass die vereinte Reaktion aller Israelis mehr Demokratie und Freiheit wieder herstellt, denn es gibt keine Alternative zur Abwehr der Angriffe von Hamas und Hisbollah. Aber das heißt auch, dass die Geschichte dieser Auseinandersetzung nicht dem Augenblick geopfert werden darf, denn NUR dann kann man die Solidarität mit Israel durchhalten und trotzdem human und humanistisch argumentieren.
Und nun äußere ich mich zum wiederholten Mal zu Afghanistan. Ich habe gerade das Buch von Andrew Quilty durchgearbeitet, „August in Kabul“, über die letzten Tage der Besatzung. (Quilty 2023). Neben AAN ist das die beste Quelle zu Afghanistan überhaupt (und leider nicht die parlamentarischen Ausschüsse in unserem Land, aus vielen Gründen). Aber nicht aus positivistischen oder faktischen Gründen, sondern aus der Darstellung des Desasters anhand von wirklichen, nachvollzogenen Schicksalen einzelner Menschen, oft ihrer Familien, in den letzten Tagen vor dem Sieg der Taliban und in den Tagen unmittelbar danach. Auch hier keine Statistiken, keine Gewichtungen: Menschen, Frauen, Kinder, Alter, andere. Und natürlich politische und moralische Kritik. Deutschland hat, an der Seite der USA, in den letzten Kriegstagen bei der Rettung viele Afghaninnen und Afghanen, die mit unseren Streitkräften und der Diplomatie zusammengearbeitet hatten, die uns vertraut hatten, versagt. Das macht die Kritik an den USA nicht geringer. Aber auch – das ist mir wichtig – die Kritik an denjenigen Afghanen, Männern hauptsächlich, die ihren weiblichen Familienmitgliedern die Rettung schwer bis unmöglich gemacht haben, erschreckende Beispiele.
*
Überzeugungen und Moral können nicht aus dem idealen Nichts entstehen, sondern nur aus der be- und verarbeiteten Wirklichkeit. Die schlägt allemal verbreitete Wahrheiten und Festlegungen auf Interpretationen, wie das Religionen und politische Leitkräfte benutzen.
Warum ich aus der Depression heraus einen Blog schreibe? Weil das auch dazu beiträgt, nicht in Endzeitstimmung zu verfallen. Man kann den AfghanInnen bei uns helfen, ohne sie zu bereden, das lässt sich belegen und bezahlen, und man kann den AfghanInnen in ihrem Land, sehr beschränkt, auch helfen, das muss ich hier nicht ausbreiten. Man kann den Menschen in Israel helfen. Auch gegen die Emanationen antisemitischer und antiisraelischer Art, wie sie sofort wieder aufknospen, den wirklichen Strauß an Konflikten in der Region verleugnend. (Morgenpost, 8.10.2023, 10:25, Charlotte Bauer; Berlin: Polizist durch Steinwurf leicht verletzt | tagesschau.de 😉 Es gibt bei uns noch nicht viel öffentlich neues. Zur Pro-Israel Demonstration: AFP (So., 8. Oktober 2023 um 4:05 AM MESZ) und aus Österreich: Österreichs Politik solidarisch mit Israel, pro-palästinensische Kundgebung in Wien – Österreich – derStandard.de › Österreich.
*
Was evident ist, muss nicht nach-rekonstruiert werden, um vielleicht abgemildert oder verbogen, verlogen zu werden. Es gilt die Wirklichkeit. Das hat die Hamas gewusst, und ihre Unterstützer wissen es auch. So wird es bestimmt nicht Reformen der israelischen Innenpolitik von außen, von der Front bewegen. Aber in Israel kann die Verteidigung gegen die Gewalt der Hamas zu mehr Demokratie und Solidarität führen.
Quilty, A. (2023). August in Kabul: America’s Last Days in Afghanistan. Londonj, Bloomsbury.