Der Winter unsres Mißvergnügens, auch wenn es bei Richard III so schön klingt, es wird ein Gemetzel:
Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens
Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks; (Shakespeare, Richard III, I(1)
Veselsky ist nicht angenehm, aber er hat Recht. Der Bahnvorstand ist unangenehm und hat Unrecht. Vorstand und Aufsichtsrat sind korrupt, die Zugtoiletten funktionieren nicht, die Züge sind schlecht gewartet und die Stellwerke desolat. Das war nicht die Ampel, das war die CSU unter dem Segen von Merkel. Der glorreiche Sommer kommt, wenn man die Bahnbonzen gegen Fachleute und Demokraten austauscht, oder er kommt nicht.
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Ähnliches kann man zur Lufthansa oder zur Agrardiskussion oder zum IT Versagen oder …. feststellen, auch zum Taurusdiskurs oder…. (erhofft sich Scholz bei einem Sieg der Russen bessere Behandlung?)
Die Sonne Yorks scheint bis nach Brandenburg. Züge fahren eh nicht, Flüge heben nicht ab, und die Ukraine verliert nicht, mit oder ohne Deutschland.
Da ich ansonsten auch Resilienz, Entspannung und Abstand einfordere, will man den Kopf frei haben, so auch an Tagen, wo eine schlechte Nachricht die nächste überbietet. Es macht keinen Sinn, in Selbstgesprächen die Diktatoren Tyrannen zu nennen, die Faschisten Nazis, und die Unfähigen Dummköpfe. Das Selbstgespräch dieser Art ist ein zersetzendes Mittel feindlicher Geheimdienste. Es gibt auch gute Selbstgespräche, die bereiten dann die Praxis vor oder vergewissern sich, dass sie alles richtig sehen, hören und verstehen. Aber geballte Faust in der Tasche und Flüche gegen die Verfluchten…nützen nichts.
Da schau ich jetzt in den wolkenlosen blauen Himmel, und frage mich, wo denn meine bittere Wahrnehmung lokaler und globaler Weltpolitik herkommt, wo ich nur 5 Minuten zum Park und 10 Minuten zum Zug nach Berlin habe … äh, der Zug fährt nicht, aber in den Park kann ich ja gehen, und mich Blumen, Rehe und Wildschweine erfreuen. Ja, auch der Wildschweine.
Bin ich wieder zuhause, am Bildschirm und hinter der Zeitung, kommen die Lemuren wieder. Aber ich spar mir die Beschimpfungen, die mein Hund ohnedies nicht auf sich bezieht und Putin hört sie so wenig wie Trump. Das, werte LeserIn, ist kein Rückzug in die ethisch saubere Stoa, auch keine Resignation. Lokal kann man schon einmal flegeln, wenn es denn ankommt, aber wenn es um wirkliche Umwandlung von Meinung in Politik geht, dann sind andere Tonarten oft wirkungsvoller, vor allem realistische, die brauchen dann kein Pathos („der schlimmste Diktator…die meisten Ermordeten…die Menge an Verhungerten…“), und Ironie verstehen unsere Feinde ohnedies nicht. Das Selbstgespräch aber gilt den Freunden nur, wenn es eine Übung ist, die man beizeiten in Realität umsetzt, und ihnen sagt, was man denkt und sagen will. Das erhält Freundschaf-ten. Den Feinden eine Brandrede zu halten, stärkt sie. Das gehört zur Politik. Das sage ich, und gehe wieder in den Park, und unterhalte mich mit mir nicht über Kiew und Gaza, sondern … das sage ich euch jetzt nicht, es ist das Geheimnis der persönlichen Resilienz, auch der Abhärtung gegenüber dem was kommt. Oder doch: ich sag ein Beispiel, zum Beispiel überlege ich, wie ich meinen Freunden und Kollegen, -innen natürlich auch, erkläre, warum ich denke, dass wir längst IM KRIEG SIND, und nicht dauernd so tun, als könnten wir Kriegsvermeidung bereden. als ob der Krieg für sich am Taurus hinge. Natürlich ist er anders als WKI oder WKII oder Vietnam. Jeder Krieg ist anders. Seine Diktatoren sind sich ähnlich: Hitler, Stalin, Putin…und die vielen kleineren, die auch viel Tote produzieren, und die Unterstützer der Kleineren, und die Unterstützer der Unterstützer. Der Winter meines Missvergnügens ist kalt, wenn ich daran denke, wieviel faschistische Regierungsbeteiligung in der EU die Kriegssituation wie umschreibt, wenn ich bedenke, mit welchen Diktatoren wir in der NATO kooperieren müssen, wenn ich bedenke, wie wir den Krieg mit Trump verlieren werden, in der gegenwärtigen Situation aber ggf. den Frieden noch gewinnen können. Man möchte mit den Selbstgesprächen gar nicht aufhören. Dabei blüht und sprießt es um einen herum, als gäbe es keinen Klimawandel und wenn man dann begraben ist, gibts noch ein paar Dauerblüher an der Urne…da schalte ich ab.
Mit dem schönen Bezug auf diesen Shakespeare-Monolog hätte ich nach der Schilderung des Winters des Missvergnügens eigentlich mehr Hoffnungen auf einen glorreichen Sommer erwartet:
„Die scharfen Waffen hängen als Trophän,
aus rauhem Feldlärm wurden muntre Feste,
aus furchtbarn Märschen holde Tanzmusiken…“
Man könnte sich zum Beispiel auch ausmalen, wie aus bestimmten Haltungen, z.B. der Weigerung von Scholz den Krieg mit Hilfe von Taurus auszuweiten, Chancen auf diplomatischer Ebene entstehen…. also Umwandlung von Meinung in Politik.
Oder man denke an Sadat und seine plötzliche Reise nach Jerusalem mit dem anschließenden Friedensvertrag…
Der Trost durch blühende Frühlingsblumen ist zu wenig!
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da hast du einerseits Recht….andererseits gehts mir ja um etwas anderes. das kann nebeneinander bestehen. Übrigens geht es mir nicht um Scholz‘ Entscheidung – die kann man unterschiedlich sehen – sondern um seine Begründung(en).
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