Aktuell: Vergessen!

Vergessen, was für eine schwierige Übung für die aktive Psyche. Was man nicht erinnern will, bleibt oft gegenwärtig, man kann es nicht vergessen. Überhaupt, wenn es ganz aktuell ist. Ukraine, Israel, Sudan, Trump, Putin… nur das Zaubermärchen kann sie alle zum Verschwinden bringen. Ansonsten stehen sie, vielfach und mit vielen Anhängen, wie eine Herde von Elefanten im Raum.  Ja, was machen wir denn da? Es ist unmöglich, vernünftig zu denken und zu entscheiden und zu handeln, wenn man dauernd überlastet und überfordert ist. Aber der naive Rat, „Abschichten“, geht ja so einfach nicht.

Andererseits: wozu und wie formiert sich das politische Urteil in Bezug auf mein, unser Leben, das Leben in der Gemeinschaft und dem Staat? Theoretiker formulieren hier z.B. die Angst, die Heimatliebe, das eigene politische Urteil etc. als Hintergrund. Aber praktisch, im Alltag, wie ist es da? Und ich kehre die Figur um: Wenn ich mich in meiner Umgebung genauer wahrnehme, und diese Umgebung genauer bestimme, erfahre ich mehr und genaueres für mich, nicht immer über mich, aber immerhin: in welchem Aquarium ich schwimme, wird deutlicher. Ein Beispiel – kein Ratschlag: da ich oft S-Bahn und Bus fahre, schaue ich nicht ins Handy, sondern mir die Mitfahrgäste an, und wenns dauert, wird daraus ein Soziogramm…das ist auch, auch!, politisch, aber anders, es gibt einen direkten Bezug zu mir, den ich auch für mich formulieren kann. Das ist bei der Ukraine und dem Sudan schwieriger, siehe oben. Bei mir gibt es aber die Überschneidung mit Israel. Bei anderen ist das anders, vielleicht…aber: die beiden Ebenen gibt es bei allen Menschen. Mein Fahrgast-Soziogramm ist nicht schwergewichtig, es verlegt mich in meine „Umgebung“ und drückt mich nicht mit politischem Gewicht so zu Boden, dass ich meine Umgebung gar nicht mehr sehe. Darum geht’s: ich kann, zum Beispiel JETZT, zu Israel, der Ukraine, Trump etc. wieder etwas denken und sagen, erstmals für mich. (Für wen sind denn die vielen Kommentare der Freizeitschiedsrichter und Politiikgloobalisten?). Der eigene Gedanke wird nicht immer besser, wenn er öffentlich zurückleuchtet, bestätigt, kritisiert oder korrigiert.

Ich denke an den Alltag in Haifa oder Jaffa, auch im Iran…der ist natürlich anders als bei uns, aber man kann über ihn auch politisch wieder aufwachen. Dazu schreibe ich HIER nichts, weil es um etwas anderes, die eigene Rechtfertigung für Interessen – und Resilienz geht. Aber wenn ich jetzt ein Seminar hätte, wäre eine Frage: wer hat vor einer Woche Israel, die Hams, die USA, die EU etc. im KONTEXT kritisiert und wer von denen freut sich mehr oder weniger offen über Israels Angriff auf den Iran…? Das ist schon ein Thema der Medien, nicht einfach meins. Und wie stabil sind die Kommentare der letzten Woche, und die von vorgestern und die von heute? Darüber nachzudenken, bedarf es auch eines klaren Kopfes und nicht gleich ein Angebot auf Reaktion…

Über erinnern und vergessen habe ich viele Jahre gearbeitet, es beschäftigt mich bis heute. Beides ist wichtig, und zwischen beiden gibt es Verbindungen und Pausen. Darüber habe ich jetzt nachgedacht.

Hinterlasse einen Kommentar