Sommerspiele

Über viele Jahre war ich – mit Familie, Freunden, allein – bei einzelnen Vorstellungen der Salzburger Festspiele, ich mochte sie, und habe meine Kritik und mein Lob jugendlich sicher übertrieben, mich gefreut, AkteurInnen aus der zweiten Reihe kennenzulernen, naja eben Salzburg für nahestehende Österreicher. Hier folgen keine privaten Details oder gar Enthüllungen, sondern eine ganz andere Form von Rückblick….

Wenn man heute in den Medien die Kritik am „Jedermann“ liest und wenn man Bilder vom Eröffnungstag sieht, kommt einem vieles hoch. Dass man Jedermann aus den Zwanziger Jahren vielleicht nur halb verstanden hat, das geht, man kann nachholen. Dass man auf vielen Bildern trachtenbekleidete Premierenpaare und -singles sieht, kann man nicht nachholend abflachen, das war in meiner Erinnerung so, nur weiß ich heute nicht mehr, wer die alterslosen KostümträgerInnen sind, damals schon eher, und meine Erinnerung geht woanders hin: an die Kritik, nicht nur familiär, an der Zweiteilung: Prominenz und Publikum, das waren wir. Natürlich wussten wir schon, wer sein Geld hereinbrachte und sich beteiligte, wer den üppigen Rahmen für eine erstaunlich wirkliche und konstante Kunstdarbietung über einige Wochen mit bereitstellt. Das war Teil der Pausengespräche, aber, um ehrlich zu sein, uns war jede besuchte Vorstellung wichtiger zu besprechen. Natürlich spielte der Widerspruch zum Zampano Karajan eine dauernde Rolle, fast als Hintergrundbühnenbild für alle Musik, aber ebenso seine Marginalisierung bei vielen Musikvorstellungen, die von anderen geleitet wurden. Nur war ER natürlich dauernd imaginär präsent. Zurück zum Rahmen: den nahm man, selbst wenn man kritisch und kunstorientiert war, in Kauf, die Beziehung zur Geschichte Salzburgs war sozusagen abgeklemmt, manches schien man auch nicht zu wissen. Das spielte übrigens in den Diskursen in meiner Familie zunehmend eine Rolle, aber später und nicht wirklich kontrovers. Aber der Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und der Präsentation in den künstlichen Dirndlkleidern in den Medien ist wirklich interessant, das könnt ihr schon bei Stefan Zweig nachlesen und bis heute in der politisch-kulturelle Ökonomik. (Boshafte Bemerkung aus meiner kulturellen Sozialisation: Salzburg als Anti-Wagner, also auch Anti-Bayreuth spielte in Sekundärdebatten schon eine Rolle).

Jetzt gehe ich, gehen wir nicht so oft in Vorstellungen. Nach wie vor sind die Festspiele etwas besonderes. Ich bin kein Kulturkritiker, also keine Rezensionen hier. Aber die Festspiele in einer Zeit, wo um die private Tunnelbohrung der Porsches zur historischen Villa diskutiert wird, ohne den historischen Kontext ganz aus den Augen zu verlieren; in einer Zeit, wo an der Grenze die Dobrindt-Söder- Inhumanität zum weiteren europäischen Retrokennzeichen wird; in einer Zeit, wo Witterung, Wasser, Trockenheit die Umwelt bestimmen, liest sich Politik von Salzburg ambivalent; aber die Zellen kulturellen Widerstands erfreuen dann noch immer, wenn ich weiß, wer wo was macht, damit weder die Geschichte vergessen, noch die Zukunft verbaut wird. In einer der schönsten Städte der Welt.

Hinterlasse einen Kommentar