Sanfter Faschismus? Auch in D.

Frau Klöckner betreibt eine Gleichschaltung des Parlaments, wie man es aus Diktaturen kennt, nicht ganz so hart und schnell, aber konsequent. Sie will die Abgeordneten in gleichgeschaltete Marionetten verwandeln. Nachdem sie schon ein Fahnenschwingen auf den Nationalismus reduziert hat, nachdem sie schon ästhetische Ansichten vor die Politik geschoben hatte.

So hatte sie sich früher nicht aufgeführt, aber Menschen verwandeln sich mit beginnendem Zuwachs an Alter und Bedeutung, das ist auch ein Zuwachsen des Gestrüpps um liberale Demokratie – und ein wenig Gelassenheit, wenn nicht alle dem Sektengehabe der Frau Klöckner nachgeben.

Eigentlich ist sie unbedeutend. Das weiß sie auch.

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Aber sie ist, das kann man schon dialektisch begründen zugleich aktives und getriebenes Element einer Entwicklung, die keinen Halt bei einer legitimen rechtskonservativen Mehrheit macht. Das ist ein Problem, denn man darf auch die Grenzen nicht böswillig überschreiten, wenn man selbst die Grenzüberschreitungen der Konservativen kritisiert – ich bin ja leider kein Satiriker.

Nun sind die Vorstellungen über Faschismus ja teilweise ignorant, teilweise zu eng auf bestimmte Aspekte der Vergangenheit fokussiert. Man vergleicht Faschismus zu sehr mit Kommunismus und Kapitalismus, was eine falsche Einstellung ist, weil man Faschismus eher als Gegenbewegung gegen Demokratie einordnen muss, und eigentlich sollte man, wie ich es normal mache, im Plural von Faschismen sprechen, denen nur wenige Eigenschaften generell gemeinsam sind, vor allem das Führerprinzip gegen die Demokratie.

Nun haben wir in Europa, vielleicht weltweit, eine Vielzahl faschistischer Nester, Bewegungen, teilweise auch Herrschaften oder aber Oppositionen. Man will sich bei uns an den Gebrauch des Wortes – weder als Begriff noch als Leitmotiv – nicht gewöhnen oder orientieren, weder gegenüber der AfD und dem BSW noch gegenüber den faschistischen Tendenzen an den Rändern demokratischer Parteien. Das ist besonders peinlich, weil die Unterscheidungen oft schwierig sind, was nur rechtsradikal und was schon faschistisch ist.

Wie gesagt: nicht alle rechtskonservativen Politiker:innen sind faschistisch, nicht alle Faschisten sind nur rechts, weil die R-L-Koordinate hier nicht wirklich passt. Da können sich noch manche anerkannte Politiker:innen zurückziehen, wenigstens eine Zeitlang.

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Wie hängt das mit Frau Klöckner zusammen, wird hier nicht eine hinterhältige Brücke zwischen ihr und dem Faschismus aufgebaut? Gerade nicht hinterhältig. Sie muss die Brücke ja nicht betreten, dann bleibt sie, was sie ist: konservativ und oft im Unrecht.

Gerade höre ich, dass wieder Menschen zuerst als Abgeschobene dehumanisiert und dann in undemokratische Länder entfernt werden, diesmal eine unschuldige drusische Familie in den Irak. Durch einen Parteigenossen von Frau Klöckner, Herrn Dobrindt. Der steht schon auf der Brücke

Symbolpolitik? Eurofaschismus und mehr

Die Grenzen werden dicht. Länderübergreifende Freiheiten werden beschränkt. Dänemark wird demnächst die EU repräsentieren, weitere Migrantenverfolgungen stehen bevor. Der rechtsradikale de4utsche Innenminister geriert sich antifaschistisch, aber seine Ablehnung von Gerichtsurteilen macht die Grenze fraglich. Manche Gerichte, wenige noch, aber es werden mehr, stellen sich hinter rechtsradikale öffentlich Bedienstete – das Problem: „Oben“ sind es wenige, markante, die den Rechtsruck symbolisieren, aber sie werden getragen von großen Bevölkerungsgruppen, nicht nur dem kleinbürgerlichen Pöbel, bis hinauf in die Chefredaktionen einer zunehmend radikalen Presse. Nichts leichter, als mit dummen Attacken auf „linke“ „queere“, „elitäre“ Stimmen volksnahe Optionen alternativ zu propagieren.

Exempel: Lest die Begründung: Urteil des Verwaltungsgerichtshofs: Personenschützer hetzt gegen Charlotte Knobloch – und darf im Polizeidienst bleiben SZ (Martin Bernstein 1.7.2025, Kritik an Urteil: Polizist trotz Hetz-Chats weiter im Dienst (DPA)),Artikel von dpa 2.7., ….) •); Ulf Poschardt (WELT) eigentlich täglich

Nun ist die Abwehr von um sich greifenden Faschismus nicht einfach ein Zweifrontenkrieg: gegen die Faschisten und gegen die eigene Missachtung gesellschaftlicher Entwicklung. Die Normalisierung des rechtsextremen Zeitgeists. Natürlich hatten wir das schon nicht nur in den 1930er Jahren wirkungsvoll, auch immer wieder als Angriffe auf Demokratie und Meinungsvielfalt, und vor allem auf Sozialpolitik – solange der Pöbel selbst nicht betroffen ist, darf man auf die Ärmeren hintreten, und wenn man selbst abstürzt, kann man es durch Nationalismus ersetzen – eine Zeitlang. Unangenehm. Aber schon der Pöbelbegriff hat ja seine Tücken, ich weiß.

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Lassen wir den Schrecken einmal rechts liegen. Die Entwicklung faschistischer Strukturen ist eine langatmige und -fristige, ihre Umsetzung erfolgt Quantenmechanik: Sprunghaft. Man kann also beides: die Entwicklung verfolgen – und den Umsetzungssprung versuchen zu verhindern oder abzubremsen. Zur retroaktiven Nachverfolgung gehört einiges Wissen über die Faschistische Grundidee, den Kampf gegen die Demokratie.

Ich bleibe bei meinem Vorbild Umberto Eco, nicht einfach bei den Faschismuswissenschaften. Eco listet auf: https://www.pressenza.com/de/2017/10/14-merkmale-des-ur-faschismus-nach-umberto-eco/

  1. Traditionenkult. Der Traditionalismus als Gegenbewegung zum
    Synkretismus (Vermischung verschiedener Religionen,
    Konfessionen, philosophischer Lehren) → „Es kann keinen
    Fortschritt der Erkenntnis geben, die Wahrheit ist ein für allemal
    verlautbart“.
  2. Ablehnung der Moderne: Trotz Technikverehrung fußt die
    Ideologie auf Blut und Boden. Im Grunde werden die Aufklärung und
    die Werte von 1789 abgelehnt.
  3. Irrationalismus: „Denken als Form der Kastration“. Kultur wird
    verdächtigt, sobald sie kritisch wird. Misstrauen gegenüber dem
    Intellekt.
  4. Ablehnung der analytischen Kritik: Wenn die Wissenschaft
    mangelnde Übereinstimmung als nützlich ansieht, ist es für den Ur
    Faschismus Verrat.
  5. Ablehnung von Meinungsvielfalt und Pluralismus: Die
    natürliche Angst vor Unterschieden wird ausgebeutet und
    verschärft. Der erste Appell des Faschismus oder Vorfaschismus
    richtet sich gegen Eindringlinge.
  6. Entstehen durch individuelle oder soziale Frustration: Der
    Appell an die frustrierte Mittelklasse in einer ökonomischen Krise
    oder bei politischer Demütigung.
  7. Nationalismus: Menschen, die sich der sozialen Identität beraubt
    fühlen, wird ein einziges Privileg zugesprochen: In demselben Land
    geboren zu sein. Die Wurzel der urfaschistischen Psychologie ist
    Verschwörung. Die Anhänger müssen sich belagert fühlen, am
    besten durch Fremde.
  8. Demütigung vom Reichtum und der Macht der Fremden:
    Damals: „Juden sind reich und haben ein geheimes Netz
    gegenseitiger Unterstützung“. Heute „Flüchtlinge kriegen alles,
    haben iPhones und haben sich zur „Invasion“ verschworen“.
  9. „Das Leben ist nur um des Kampfes Willen da.“ „Pazifismus ist
    die Kollaboration mit dem Feind.“
    10 „Elitedenken“: Man gehört dem besten Volk, der besten Rasse
    an. Der Führer weiß, dass ihm die Macht nicht demokratisch
    übertragen werden kann, dass seine Kraft in der Schwäche der
    Masse wurzelt. Jeder Unterführer verachtet seine Untergebenen.
    Die Folge ist ein massenhaftes Elitebewußtsein.
  10. Erziehung zum Heldentum: Ein Held ist in der Mythologie ein
    außergewöhnliches Wesen. Im Faschsimus ist der Held die Norm.
    Das Heldentum hängt eng mit einem Todeskult zusammen. Der
    Held im Faschismus sucht ungeduldig den heroischen Tod als beste
    Belohnung und schickt in dieser Ungeduld gerne andere in diesen
    Tod.
    Übertragung des Willens zur Macht und des Heldentum auf
    die Sexualität: Das ist der Ursprung der Frauenverachtung und der
    Intoleranz gegenüber ungewöhnlichen Sexualpraktiken (von
    Keuschheit bis Homosexualität) und die Neigung zur „phallischen
    Ersatzübung“, dem Spiel mit der Waffe.
  11. Selektiver Populismus: Der individuelle Bürger wird durch den
    Volkskörper ersetzt. Das Nürnberger Reichstagsgelände wird zum
    Internetpopulismus.
  12. Urfaschismus spricht „Neusprache“: Ein verarmtes Vokabular
    mit Framing und Deutungshoheit. Von „Lügenpresse“ bis
    „Umvolkung“ werden Begriffe neu etabliert.

Das ist doch ein guter Überblick. Und wenn einzelne Tatsachen gerade einmal nicht zutreffen, die Mehrzahl schon, dann haben wir die faschistische Landschaftsentwicklung bei uns, in Europa, weltweit. Nun ist Eco auch Wissenschaftler gewesen, nicht nur ein herrlicher Autor. Ich habe ihn einmal in Florenz getroffen und wir haben über den Faschismus, seine 12 Punkte gesprochen. (Vgl. https://www.dr-walser.ch/14_merkmale_des_ur-faschismus_nach_umberto_eco.pdf). Er meinte, das Gefährliche sei die Flexibilität, im Gegensatz zu allen Dogmatismen, (Eco) ob links, rechts, rinks, lechts oder in der Mitte (sag ich). Es lohnt auch, weiter ihm zu folgen (Umberto Eco: Der ewige Faschismus, Hanser 2018, die meisten Texte von 1995ff.). Die Theorie gibt es auch. Bedrohlich, wie sich unsere Demokraten, nicht nur rechte, an die Faschisten anpressen, weil sie von denen natürlich nicht belehrt werden, und Meloni macht dem Merz keine Vorschriften, wie schlecht er mit dem Sozialstaat umgehen soll. Die drei Pfeiler gegen den Faschismus sind für Eco Volks- und Bürgerrechte, Menschenrechte und Sozialstaat (2018, S.13). Einfach? Nun ja, aber bei der Politik von Merz und Kumpanen sind alle drei schon jetzt im Status der Beschädigung.

Nicht nur der Pöbel lässt sich gerne führen, sondern manche Eliten führen gerne, wenigsten symbolisch oder in ihren Diskursen, denn dann müssen sie nicht demokratisch zu sein vorspielen.

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Wie wir dagegen anarbeiten, ist vielfältig möglich, meist schwierig, aber nie unmöglich. Das Private politisch werden zu lassen, damit es öffentlich wahrgenommen werden kann, das Öffentliche nicht einfach privat einziehen lassen, um Bestandteil der Warenwelt und der Oberfläche zu werden – schwierig, ich weiß, aber gar nicht so schwierig. Nur: sich durchaus anleiten lassen, belehren lassen, bilden lassen….geht alles, aber nicht führen lassen (keine Bergsteigerwitze, um den Felsenweg gehts hier nicht). Wenn man Dobrindt und seine Grenzfaschismen, die sich europaweit ausbreiten, nicht als Einzelfall, sondern als Symptom erkennt, weiß man schon, wie weit wir abgedriftet sind.

Unangenehm, auch mir

Manche Begriffe kann ich selbst nicht alltäglich normalisieren. Dazu zählt „Faschismus“. Ich will nicht dauernd darüber denken und sprechen. Das bitte ich beim Folgenden zu bedenken:

Agrarfaschismus breitet sich aus.

„So schnell, wie derzeit Umweltregeln für die deutsche Landwirtschaft geschwächt oder vertagt werden, brütet kein Huhn ein Ei. Vorgaben für den Umgang mit Gülle könnten schon nächste Woche gelockert werden – zulasten des Grundwassers. Prämien für ökologische Weidehaltung sollen verschoben werden, ebenso eine Kennzeichnungspflicht für die Schweinehaltung. Und nun wollen Landwirtschaftsminister der unionsgeführten Länder auch noch das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur kippen – das Beste, was Brüssel im Kampf gegen die Artenkrise bisher auf die Beine gestellt hat.“ (SZ 21.6.2025) (https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/870842/4 24.6.2025)

Faschismus? Na, ist denn das nicht übertrieben? Wenn Sie das glauben, dann schauen Sie, wie Ihre Kinder und Enkel zu Lebzeiten verkommen (Natur UND Gesellschaft verklammert). Bei uns und anderswo – da greifen wir ja auch ein

Wie man vernünftig zum Thema politisch sprechen kann, zeigt Carsten Schneider (SPD) in der heutigen SZ 23.6.2025 „Wir müssen wieder zu einander finden“. Dabei geht es vor allem um Praxis, nicht nur um übergreifende Theorie.

Zurück zum Faschismus: die Zurückhaltung konservativer oder unpolitischer Wortmeldungen ist gefährlich, weil der Faschismus in die Vergangenheit und in seiner Wirksamkeit rückversetzt wird, als wäre er begrifflich unangreifbar. Beispiel ad hoc: Italien, Belgien, Niederlande. Ungarn…Zu Meloni:

„Und womöglich muss sich unter dem Eindruck dieses Anblicks sogar mancher in Erinnerung rufen, dass sie nicht nur eine Meisterin der nonverbalen Kommunikation ist, sondern vor allem eine ausgewachsene Rechtspopulistin. In diesem Sinn: Augen auf!“ (SZ 24.5.2025)

Und wer schützt die Landwirtschaft? Sicher nicht die Großunternehmer in politischer Verbindung mit dem neuen Rechtsruck. (Heute schon wieder eine angestrebte ausländerfeindliche Gehaltsspaltung durch einen „Christlichsozialen“ Minister).

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Windstoß: Gedanken zu den Begriffen: Nicht alles, was politisch oder kulturell rechts ist, ist auch faschistisch. Nicht alles, was faschistisch ist, ist einfach nur rechts, manchmal auch links. Schlussfolgerung: die RechtsLinksAchse ist kein besonders gutes Argumentationsfeld. Aber was mich besonders irritiert: viele halten den Faschismus für vor dem zweiten Weltkrieg versickert. Seine Renaissance, mit Demokratiefeindlichkeit gepaart, irritiert, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf.

Und wenn ein kurzzeitiges Wirtschaftswachstumsbelebungsprogramm Umwelt und Soziales abschiebt, wird auch das die Demokratie schädigen und den Populismus fördern, der ja eine Brücke zum Faschismus ist. Dass es daneben eine allgemeine Entwicklung nach rechts gibt, kann man erklären, aber was es bedeutet, versteht man erst, wenn man davon betroffen ist.

Zur Zeit decken außenpolitische Überzüge die innenpolitischen Realitäten vieler Gesellschaften ab. Deshalb können die verbliebenen Demokratien mit den Faschisten ja durchaus gemeinsame Sache(n) machen. Aber schaut mal auf die Sozialgesetze, die Altersregelungen, die Schulpolitik, die Kultur. Das Führerprinzip regiert bei Putin und Trump gleichermaßen, und bei den jeweiligen Vasallen zunehmend auch (manche deutsche Unternehmen schmiegen sich an die US-Geschlechtsdemontage an, wenn sie auch dort produzieren oder verkaufen).

Schlechte Zeiten.  Verdreckt nur das Grundwasser, euer Hirn und eure Kinder werden darunter leiden. Aber wir wollen das nicht. Deshalb ist der Konflikt vorbezeichnet, und muss ausgetragen werden.

Deutschland dreht rechts

Der rechtsextreme Ausländerfeind Alexander Dobrindt schützt die faschistische AfD. Nicht jeder Rechtsextreme ist ein Faschist, das schützt Dobrindt zu Recht vor falschen Anschuldigungen. Aber über die Differenzen und Überlappungen seiner und der AfD Ideologie sollte man sich schon Gedanken machen: „Bundesinnenminister Alexander Dobrindt warnt erneut eindringlich vor dem Versuch, die AfD vom Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen. „Wer glaubt, man könne juristisch gegen die AfD und ihre Stimmungsmache gewinnen, wird ein böses Erwachen erleben“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.“(RP Online 7.6.25, vgl auch Artikel von dpa/epd/maw)

Schauen wir genauer hin. Der Kampf gegen angeblich linke und/oder ökologische Kulturhoheit ist ein Feuerwerk, das blendet und zugleich die wirklichen Entwicklungen verdeckt, von ihnen ablenkt. Und wenn man die Kultur, die Wissenschaft weiter so einschnürt und abbaut, wird die Folge über lange Zeit nicht reparierbar sein, was der neuen Rechten ja zupass kommt.

Ich sagte schon früher, Dobrindt wird von vielen rechtsdrehenden Deutschen hochgehievt. Und begleitet wird er von einer unangenehmen rechtsdrehenden Kulturpolitik. Wolfgang Weimer zum Beispiel „Er ist seit 2025 Staatsminister bei dem Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien.“ (lest diese Biographie als exemplarisch für die Kulturverengung durch die Regierung Lenz: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfram_Weimer). Da ich nun seiner Vorgängerin und Parteifreundin Claudia Roth durchaus ambivalent gegenüberstand, ist hier keine Nostalgie gegenüber früherer Kulturdynamik im Spiel, sondern eher die kalte Hypothese, dass wir die demokratische Kultur bald auch brauchen werden, um der rechten Politik in die Parade zu fahren. Ulf Poschardt, der WELT-Editor, ist ein anderes Beispiel für die Kulturdestruktion von Rechts. Lest die Rezeption in der Biographie: https://de.wikipedia.org/wiki/ Ulf_Poschardt . Man kann der intellektuellen Rechtsdrehung vieles vorwerfen, aber sie ist weder dumm noch genuin Faschistisch. Sie gibt das Unbehagen mit der Wirklichkeit oft besser wieder als die Linken das tun, und ihre Kritik an der linken und liberalen Kulturpolitik und -ideologie hat eine Angriffsfläche, die man nicht beiseite räumen darf. Dazu muss man aber mehr wissen, als diese linke, ökologische, soziale Kulturglocke über der deutschen Wirklichkeit einfach als abgehoben (Lieblingswort der Rechten) zu kritisieren. Gerade diese Kritik müssen wir ernst nehmen und das bedeutet, die linke und liberale Kultur der letzten Jahrzehnte auch zu analysieren in Bezug auf beides: Opportunismus gegenüber der staatlichen Vereinnahmung und Verwechslung von Toleranz mit dem Zulassen von „allem“, das unter dem Etikett Kultur erscheint. Klar, das ist die Gratwanderung zwischen der Zulassung und Förderung des Neuen und der Abwehr des scheinbar Neuen und Originellen. Aber die Gratwanderung ist ja wichtiger Teil der Kultur selbst. Man kann diese Figur auch im Hinblick auf Vergangenheit abwandeln. Zugespitzt kann ich sagen, dass linke Selbstkritik zwar vorhanden ist, aber zu sehr in der eigenen Kulturblase und nicht in Konfrontation mit der neuen Rechten und vor allem mit den Gruppen, die sie nicht oder zu wenig erreicht.

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Wir können die gesamteuropäische, wenn nicht globale, also auch deutsche Rechtsdrehung und nationalistische antiglobale Entwicklung nicht leugnen oder den Kopf in den Sand stecken. Was uns bevorsteht, liegt nicht auf der Rechts-Links-Achse. Wir haben sie beispielsweise durch die völlig unzureichende kulturelle und soziale Politik nach Öffnung der Ostgrenzen mit befördert und verstärkt.

Das Aufbrechen der angeblichen Herrschaft einer bestimmten Ideologie über Politik und Kultur wird selten pluralistisch dargestellt. 1989 und in der Folge war so eine Situation, wo gerade die Kontroverse um die sich entwickelnde Demokratie keine Einheit zugelassen hatte. Eine Beispiel das Buch von Kogel, Schütte, Zimmermann, in dem 30 AutorInnen praktisch das gesamte Spektrum einer fiktiven R-L-Achse inclusive einer „Mitte“ abdeckten: „Neues Deutschland“ (Kogel, Schütte, Zimmermann 1993), da durfte ich auch schreiben, als Österreicher und Deutscher (Daxner 1993, S. 42-44). Da war etliches vorschnell und falsch, aber im Kontext vieles richtig, u.a. „“Es waren immer die deutschen Konservativen, die sich gegen die westeuropäische und amerikanische Zivilisation gewehrt haben, damit die Tiefe und Zerrissenheit der deutschen Kultur umso strahlender erscheine…“ (44). Die Konservativen hatten haben verdrängt, wie und warum die westlichen Siegermächte die Kultur nach 1945 wieder demokratisch aufs Gleis gesetzt hatten. Damals schließe ich mit dem Satz, „…die Linken haben dieses wohl auch verdrängt“ – das war nach 1989! Und diese kritische Position muss man heute nicht nur gegen Trump und Konsorten anwenden, sondern auch gegen seine subalternen, Gefolgschaften – das entlastet andere Diktatoren wie Xi und Putin keineswegs, aber es schärft unsere Pflicht, uns genauer zu positionieren.

Heute kommt mir eine DLF Sendung zu Hilfe, zufällig: Bürokratiemonster und Paragraphendschungel
Verwaltung in Zeiten der Kettensägen
.  (Stefan Kühl, 8.6.2025 DLF). Die rechte Zerstörung der auf Gleichbehandlung gerichteten staatlichen Bürokratie, ob in Argentinien, den USA (DOGE…) oder bei uns zerstört mehr als nur Abläufe. Es gefährdet unsere Sicherheit als Staatsbürger.

Besser, Dobrindt hält sich an die Gesetze.

Wie wird das Wetter? Und die Regierung Merz?

Wenn man sich vornimmt, nichts zu kommentieren, wozu man nichts für andere zu sagen hat, oder was nicht für erklärungsfähig hält, hat das zwei Folgen: die (unendlich große) Zahl der interessanten Themen, Personen und Überlegungen wird nicht überbaut. Man hat die Auswahl, ohne vom Terror der Aktualität (Jean Améry) ausgebremst zu werden. Die andere Folge ist, dass man von der Wirklichkeit, die einen wirklich stört, verfolgt wird: sag doch was, schreib doch was….nagt es dann im Unterbewu8sstsein. Es drückt mich dauernd hin und her. Die „Taktik“ der Blogs zwingt zu Kompromissen, und die können selbst politisch sein.

Zu den Frechheiten und Bosheiten von Vance und Rubio MUSS man etwas sagen, ähnlich wie das AA, aber vielleicht schärfer, nur: was genau?

Zur Qualität der neuen deutschen Regierung kann man leichter etwas sagen, aber das ist komplex.

Und verbindet man die beiden, wird’s richtig, aber nicht einfach.

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Dass die Trumpregierung ihren faschistischen Unterbau gegen die deutsche Demokratie hetzen lässt und sich hinter Meinungsfreiheit versteckt, ist kein Ausrutscher, sondern konsequent. Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit, sondern um unrichtige und/oder ausländerfeindliche Positionen. Ein CDU Mitglied fasst das wie folgt zusammen – längerer Artikel – kritikwürdig eben nicht wegen des Freiheitsbegriffs, sondern wegen der ausländerfeindlichen Migrationskritik: „In meiner anderen Heimat USA gibt es auch viele gesellschaftliche Probleme, aber es gibt keine Masseneinwanderung aus islamischen Ländern. Und das ist laut unserer Polizei das größte Problem in diesem Land, nicht die AfD. Wie lange werden Journalisten hierzulande wie Papageien dem politischen Verfassungsschutz nachplappern, die AfD sei gesichert rechtsextrem? Wie lange lässt eine gesellschaftliche Mehrheit das mit sich machen? Ich kann nur mit Rio Reiser sagen: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!““ (AfD-Debatte: Warum Marco Rubio mit seiner Deutschland-Kritik recht hat. Artikel von Johanna Freymann, BZ 4.5.25). Hinter diesen wenigen Zeilen steckt so viel Ausländerfeindlichkeit, und die ist ja menschenfeindlich. Und Rubio nützt das so aus, wie das Heranpirschen Musk an die AfD u.v.m. Was erwartet man von Faschisten anderes? Dass sie nicht einheitlich regieren und reagieren, liegt am Faschismus, nicht an seiner Grundeinstellung. (Vgl. Umberto Eco 2020: Der ewige Faschismus; verschiedene Faschismen, Bach und Breuer: Faschismus als Bewegung und Regime 2010; und sehr viel andere mehr). Der Diktator Trump macht sich die Faschisten untertan, als Diktator bekommt er kein Adjektiv, er kann auswählen, undemokratisch). Viele der protofaschistischen Keime dringen auch in (unsere) demokratische Strukturen, immer schon, und WIE sie abgewehrt werden, ist wichtig, DASS gehört zur Demokratie. Von hier kann man gut die neue Regierung heranziehen. Falosch ist, wenn Kommentatoren und Freizeitanalytiker jetzt schon wissen, wie die Regierungsmitglieder agieren werden, was sie falsch machen werden und wozu sie nicht taugen, bzw. umgekehrt, wie gut und richtig sie ausgewählt wurden. Es zählt, was getan wird. Praxis erstmal, dann Ideologie bzw. ideologische Begründung. Ich habe so wie viele meine Meinung und Prognose zur neuen Regierung, aber jetzt halte ich sie zurück, um mögliche Kritik und Zustimmung nicht zu entwerten. Lass sie übermorgen anfangen, und ab Donnerstag kann die Kritik greifen, oder vielleicht auch ein wenig später.

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Hey, sagen meine Kritiker, soviel Vorsicht haben wir von dir nicht erwartet. Ich antworte leise, dass Korrekturen falscher Prognosen nicht Meinungen sind, sondern hochpolitisch sein werden. Ein Beispiel über nachtragende und effektive Wirkung einer sehr klaren, aktuellen Meinung: Trump ist an der Macht (nicht davor). Trump-Kritikerin: Evangelischer Kirchentag feiert Bischöfin Budde – ZDFheute 5.5.2025; Interview auch heute DLF 10.00). Es geht um die Wirkung nicht um den Ausgangspunkt, in diesem Fall. Die Wirklichkeit der Kritikerin hat die Wahrheit der Trumpschen Macht empfindlich und langfristig verletzt. DAS ist richtig. (Und es geht nicht darum, die Kirchenkritik vorzuziehen und dann den Einzelfall herbeizuholen). Wir können – um zum Thema zurückzukehren – aus Merz`Geschichte und der Entwicklung seines Regierungsteams alles Mögliche ableiten, aber keine Prognose, ebenso wenig wie aus dem dürftigen, voluminösen Regierungsprogramm. Das kann man aus der politischen Geschichte seit…meinetwegen Macchiavelli ablesen: wie geherrscht wird, wie sich die Macht präsentiert, und nicht, was im Programm steht, entscheidet. Relativieren: nicht so grausig wie im Absolutismus, es gibt ein paar Sicherungen, aber…

Reden wir in einem Monat über die ersten Bilanzen. Erst jede(r) für sich, dann wir alle. Dann könnt ihr leichter sagen: ich habs ja gewusst.

Sonnenuntergang

Nach vielen wolkenlosen Tagen fahre ich zurück nach Hause, schon bei der Abfahrt von Wolken begleitet, und auch hier ist der Himmel nicht mehr eintönig blau. Kein Thema für mich, ich kann bei jedem Wetter, und immer spielt die hoffnungslose Austrocknung meiner befreundeten Parks und Wiesen eine Rolle. Muss euch nicht interessieren. Aber es hat sich schon etwas geändert: der Sonnenuntergang ist vielfarbiger, dramatischer, wie auf der Bühne…schön so. Mein heutiger Post sollte eigentlich ein Kalauer sein:

So `nen Untergang…

Das geht mir jeden Tag durch den Kopf, wenn ich die Nachrichten höre und lese, wenn ich mit Bekannten diskutieren soll, obwohl es dazu ja mehr als einer Meinung bedarf. Die habe ich vielfach. Aber was nützen die Meinungen, wenn es keine Adressaten gibt, auf die sie einwirken oder gar Veränderungen mit sich bringen. Wenn wir alle diese Einseitigkeiten, Meinungsverbreitungen wie Pfeilabschüsse, ohne Ziel, für einen Augenblick verdecken, so `ne Finsternis, dann bleiben wenige politische Aussagen zurück. Eine Einsicht, sozusagen eine negative Bestätigung, dass die sich ausbreitenden rechten Mehrheiten real existieren: viel Unterstützen Trump, in der Ukraine, bei den Abschiebungen, bei den Rechtsverletzungen, bei der Misshandlung von Kultur und Geist. Aus mancher liberalen Ecke bekomme ich für solche Beobachtung zu hören: Das sei eben die Folge von der linkselitären intellektuellen Hybris, es denen schon zu zeigen, wo es hingehen soll. Und was soll man, soll ich, dazu sagen? Wozu?

Es gibt Kritik an meinen Aussagen, vom beginnenden dritten Weltkrieg und vom globalen Faschismus. Wenig Kritik, gut so. Und auch nicht an der Vergleichsaktion Trump-Hitler <–> Putin-Stalin hat es bisher keine Kritik gegeben. Das heißt nicht, dass alles SO stimmt, aber es stimmt soweit.. Und was bedeutet das? Auch darum geht es mir, dass die bloße Absonderung von Meinungen bisweilen die schlechte Situation noch verschlechtert – wenn man in der eigenen Meinung einen Rückzugsort vor der Tatsache sucht, dass man an der grausigen Wirklichkeit nichts ändern kann, schon gar nicht durch seine Meinung. Es ist ja grausig, dass wir Trump und Putin und ihre faschistischen und tyrannischen Untergebenen nicht einfach „so“ bekämpfen können. (Ist ja gut, so werden wir wenigstens keine Opfer oder Märtyrer, Aber Vorsicht: manche, die sich vorwagen, sind es bereits…und zwar wirklich und nicht nur in der Erzählung dessen, was sein könnte.)

Schon vor dem Sonnenuntergang denkt man an die Dunkelheit, die danach kommt. Darum geht es mir schon: es kommt diese Dunkelheit, genau weiß man das nicht, aber sie kommt: als faschistische Herrschaft, als soziale Abwärtsbewegung, als Einschränkung von Freiheiten, und immer als Begleiterscheinung eines Kriegs, den es schon gibt, nicht weit entfernt, auch wenn er global gerade andere Schwerpunkte hat, und doch herkommen kann.

DIE KEHRTWENDE

Wenn das richtig ist, was tun wir dann, jetzt und wie?

Das Paradox hat auch etwas Gutes: weil das bloße Anreden gegen den Faschismus und die Diktaturen und ihre Unterläufigen nicht reicht, oft versäumte Praxis bedeutet, müssen wir handeln. Auch angesichts der Bedrohung, auch angesichts der wirklichen Unterdrückung (fragt die UkrainerInnen in eurer Umgebung), auch angesichts fehlender Adressaten für demokratische Kompromisse – kann man doch etwas tun: HIER & JETZT Demokratie wirklich weiter leben. Doch, das können wir. Nicht so tun als ob, sondern wirklich tun. Wirklichkeit schlägt oft die Wahrheiten. Allein im Umgang mit den mehr als 25% nicht-Deutschen haben wir noch genug zu tun, „Luft nach oben“; allein mit unserer kritischen Fortbildung, um zu wissen, wer uns wie versucht abzulenken; allein mit unserer politischen und intellektuellen Unterstützung demokratischer Parteien. Und da müssen Nebenwidersprüche ausgehalten werden. Ausnahmsweise „müssen“, nicht bloß „sollen“. Das heißt auch, bestimmte Bildung nachzuholen und zu erneuern. Und wenn die dunkle Wirklichkeit auf uns zurollt, immer daran denken, was ihre Gewalt uns ohnedies antun kann, wenn wir uns nicht vorbereiten und uns zu wehren lernen.

Das ist nicht Aufrüstung oder dagegen Verhandeln. Das sind Selbstbewusstsein, Empathie, Handeln, wo Aus- und Aufrufe wenig Sinn machen. Wir sind die Frösche im Milchglas…naja, es gibt bessere Metaphern.

Hitler Stalin Trump Putin

Dass es Unterschiede zwischen den politischen Paarungen gibt, weiß ich. Dass historische Analogien begrenzt sind, weiß ich auch. Aber strukturell sind wir in einer vergleichbaren Situation. Und so unerwünscht meine Vermutung über den Dritten Weltkrieg ist, so wichtig ist mir, an dieser Vermutung festzuhalten. Die Struktur von Kriegen, ihr Ablauf, ihre Erledigung sind immer unterschiedlich, ihre menschlichen Opfer und dauernden Zerstörungen und Nachwirkungen aber sind für die Entwicklung der Menschheit und ihre (mögliche) Zukunft vergleichbar. Ich werde einen Textentwurf in mehreren Folgen hier veröffentlichen. Jenseits des Aschermittwoch.

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Nicht drum herumreden. Nach Trump&Vance’s Demütigung von Selensky am Freitag war die Entscheidung zu erwarten gewesen, die Unterstützung der Ukraine auszusetzen. Wie? und Wann? natürlich für uns Laien nicht.

Da ich kein Politikwissenschaftler und kein Militärexperte bin, halte ich mich mit Analysen zurück. Ich beobachte nur quer durch die gesellschaftlichen Felder, was diese Situation auslöst. Ob sie die Angst vermehrt. ob sie die Demokraten zusammenrücken lässt oder aber den Faschismus flächendeckend verstärkt, ob versucht wird, ein Appeasement mit den USA (und/oder mit Russland?) zu erkaufen oder ob gerade das abgelehnt wird – ich weiß es nicht. Auch, und das ist mir wichtig, kommt es jetzt darauf an, wie wir uns verhalten, nicht allgemein und oberflächlich, sondern in unseren Entscheidungen an den Grenzübergängen von Privatleben und Politik.

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Kein Zufall: wenn es soweit wäre, wohin könnten und müsste man auswandern können? Die Antworten sind schwierig, die Unterschiede zu früher sind groß, und trotzdem: Es geht nicht nur um uns, es geht um unsere Kinder, Enkel und Freunde, und es geht darum, was man hinter sich lassen müsste, um freier, befreiter zu werden…die Diskussion ist schwierig, aber wichtig: sie ist nicht überraschend, sie hat nicht erst gestern Abend begonnen.

Wir sollen die Angst nie mit Angst beantworten. Wogegen und wie Widerstand sich entwickeln muss, ist eine drängende, aber keine momentane Angelegenheit, und zur Resilienz gehört auch ein Alltag, der nicht alles politisiert.

Rechter Schrecken normal

Am Morgen nach der Wahl atmet nur eine Partei wirklich auf, die rechtsradikale AfD. Alle anderen Parteien haben Probleme, am wenigsten die Linke, auch die Grünen, aber die miese Koalition aus CDU, CSU und SPD ist ex ante marode. Das weiß die AfD. Frau von Storch hat mit bemerkenswerter Klarheit über die Normalität ihrer Ausländerpolitik gesprochen (DLF 8.50), die ein Teil der Normalität ihrer Partei ist, die sich in manchen Fragen tatsächlich nicht von den bürgerlichen Verlierern/Gewinnern unterscheidet. Wenn jetzt abgeschoben würde, könnten wir wenigstens hoffen, dass die AfD vor allen andern in Krankheits- und Hungernot stürzt, aber das ist schal.

AFD – Was nicht normal sein darf (Stefan Kornelius, SZ 24.2.2025) lesen! Auszug: „Der Trump-Nachahmereffekt mag eine Rolle dabei gespielt haben, aber noch wichtiger ist ein sich wandelndes Politikverständnis, das mit der DNA der Bundesrepublik nichts zu tun hat. Diese Partei bedient die autoritäre Grunddisposition vieler Wähler, den Wunsch nach Führung, Härte und Eindeutigkeit, die der politische Betrieb einer Demokratie nun einmal nicht liefern kann“.

Die Normalisierung der AfD für den Rest der Bürgerinnen und Bürger ist viel ärgerlicher als ihr 20% Erfolg bei der Wahl. Die bescheidene Freude über den Absturz der Lindner-Partei und das Wegfallen der Wagenknecht-Gruppe tröstet nicht dauerhaft und langfristig, obwohl wenigstens zeitweise die Neoliberalen und die Putinisten ein wenig marginalisiert sind.

Das reicht mir erstmal als Zusammenfassung der Wahlauszählung. Politik bedeutet, nicht dauernd umfassend zu allem etwas zu sagen.

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Normalisierung. Ein scheinbar unscheinbares, pragmatisches Wort, als Begriff schon wichtiger, und hochbrisant. Jürgen Link, der wichtigste deutschsprachige Theoretiker und Darsteller der Normalisierung, taucht leider bei Google nicht mehr auf (S. 1-4), aber man muss sich mit ihm auseinandersetzen. (https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_ Jürgen Link: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2006. 3., ergänzte, überarbeitete und neu gestaltete Auflage.

An der Normalisierung tragen die Medien einen großen Anteil, indem sie vorgeben, die AfD hätte die gleichen Rechte wie alle anderen Politikbereiche , vor allem gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. (Das kann auch ein Argument der Schwurbler und Rechtsextremen sein, die meinen, ihre Rechte wären schon durch Kritik und Ablehnung verletzt). Aber die Medienkritik 9ist ebenso wichtig wie eine klare Haltung zu den Faschisten.

Zugang: Wahrheit und Lüge in der Politik | Zwei Essays Piper, 2013. Die Zusammenfassung ist zu knapp, aber sie weist in eine wichtige Richtung: „Lügen gilt als unerhört, die Suche nach Wahrheit als nobel. Doch in der Politik verhält es sich mitunter umgekehrt, behauptete Hannah Arendt vor über 50 Jahren: Hier eröffnen Lügen Handlungsspielräume. Wahrheit ist dagegen despotisch.“ (Philosophie, #80). –Besser Arendt ausführlich zu lesen, am Besten Denktagebücher, Heft XXIV 1963-1964, ab. S. 617. Sehr früh sagt sie „Aber die Wahrheit ist keine Waffe. Benutzt man sie als solche, wird sie stumpf oder zur Lüge“ (621). Um mich nicht im Philosophischen zu verlieren, ein Rückbezug zur Gegenwart – und zur AfD: „Das Wahre, das man nicht zu hören wünscht, erzeugt Lügen: Der Effekt eines Wahren in der Politik kann sein, dass viel mehr Lügen entstehen, als sonst der Fall gewesen wäre“ (S. 625). Allerdings nicht nur zu AfD, auch zu den Demokraten, etwa mit den Argumenten im Wahlkampf. Aber noch ein bedenkswerter Eingriff: „Wahrheit ist nicht durch Abstimmung zu ermitteln“ (S. 631). Die Zusammenhänge sind vielschichtig und mit großen Ausweichungen. Aber ich will sie verbinden mit dem häufig ironischen Einwurf, dass es bei der Wahrheit und der Lüge gleichermaßen darauf ankommt, wer sie in welchem Kontext sagt. Das ist nicht nur ironisch. Wenn die Faschisten eine Wahrheit sagen, verdecken sie damit etwas Wahres, das die Menschen um sie herum partout nicht durchschauen sollen. Meine Ironie: der Wetterbericht.

(Der Teufel sagt die Wahrheit, aber lügt….religiöse Verkürzung; da muss man nicht weiter hinein. Aber auch in Literatur und Alltag hängt vieles davon ab, wer welche Wahrheit sagt).

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Zurück zum heutigen Wahlergebnis. Ganz Europa bewegt sich in Richtung auf Faschismus. Unterschiedliche Schwerpunkte, Geschwindigkeiten, Verbündete. Das Gemeinsame sind die Kombination der 14 Punkte etwa des Umberto Eco (vgl. Valentin Grünn 2017: 14 Merkmale des Ur-Faschismus nach Umberto Eco; besser gleich das Original). Ganz Europa, incl. Deutschland (leider auch Österreich, meine erste Heimat).

Was heute interpretierend über die Medien und in Gesprächen herumkommt, ist, auch wenn gut & spannend, meist nur Meinung und Vermutung, aber kein Fokus auf Politik. Wäre auch schwierig, so schnell alles zu verstehen und mitzuteilen – außer der schrecklichen Wahrheit.

Das bedeutet natürlich nicht, dass eine künftige demokratische Regierung nicht auch zur politischen Wahrheit strebt, aber sie kann, auch jetzt nach der Wahl, nicht von ihr ausgehen. Sie kann die Wahrheit politisch herzustellen versuchen. Die Lügen der Wahlwerbung müssen systematisch abgezogen werden, das ist Bestandteil der Wahrheitsfindung, und gerade das geschieht bei der AfD, den europäischen Faschisten oder bei den Diktatoren wie Trump und Putin nicht. Mit den absehbaren Schmerzen und Leiden, auch mit den Verletzungen durch Korrekturen, konnte man keinen erfolgreichen Wahlkampf machen (am ehesten haben noch die Grünen es versucht, naja, nur 3% minus statt der erhofften 10% plus). Wenn regiert wird, bestimmt die Wirklichkeit mit, wie Politik zu machen ist.

Wer weiterhin die Lüge zum Programm macht, der hat diese Dialektik nur zu gut verstanden. Auf Dauer müssen die – sagen wir – 60% demokratischer Menschen die 40% Faschisten im Zaum halten: wir müssen selbst regieren und nicht den Lügen nachlaufen, den Lügen über Ausländer, den Lügen über die Reichen, den Lügen über den Wohnbau etc. Aber niemand sagt, dass das Spaß macht, dass es keine Opfer verlangt und kein Umdenken. Wenn die Kriege die Umwelt weiter so beschädigen, haben wir noch weniger Zeit für Politik. HIER müssen wir umdenken und handeln.

Österreich vorn. Schaumama

Noch wird in Deutschland gewählt und ich halte die Prognosen des letzten Halbtags von mir fern, ich verdränge den faschistoiden Anspruch und Ausspruch des Herrn Merz und die Abschiedsgesten von Scholz. Kann alles bis 18.01 Uhr warten.

Tagelang habe ich in Österreich gebangt und gewartet, aber offensichtlich hat der weitsichtige Bundespräsident Van der Bellen die Hirne der Beteiligten weitgehend gefestigt, und nach dem Spuk mit der FPÖ bleibt genügend braune Realität im Land der Berge.

Prolog: die braune Wirtschaft passt hälftig zum Austrofaschismus und zu Kickls weiter reichenden Faschismus. Wenn man den Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill wahrnimmt, dann ist der rechtsradikale Schulterschluss schon absehbar. Lest „SPRICHT BLAU-SCHWARZ-FAN KNILL FÜR DIE INDUSTRIE?“ (Regina Bruckner, Joseph Gepp: Standard 15.2.2025, S. 17, und viele andere mehr). Wir wissen um etliche Wirtschaftler aus dem rechtsradikalen Lager, aber wenn der Industriechef so deutlich Position bezieht, ist das bedenklich. Gottseidank, er bekommt keine braune Regierung als Partner, aber schaut einmal unter die Decke. Das ist nur ein peinliches Beispiel. In fünf Bundesländern regiert die faschistoide FPÖ – mehr deutsch-faschistisch oder noch austro-faschistisch, in einem Bundesland hat sie die Mehrheit….

So kann ich HIER schreiben, ich Österreich muss ich mit den Begriffen anders umgehen, weil das historisch-linguistische Verständnis doch anders als in Deutschland ist. Aber so sehe ich es, wirklich, inklusive meiner Hochachtung vor dem Bundespräsidenten, der wirklich gescheiter ist als die meisten Politiker. Nach ein paar Tagen in Österreich kommt die neu sich anbahnende Dreierkoalition nicht wirklich überraschend, sie war ja an strukturellen und nicht sachlichen Hürden erstmals gescheitert, jetzt muss sie ran. Aber die FPÖ wird noch hinzugewinnen, Österreich war als ganzes nie so demokratisch wie Wien nach dem ersten Weltkrieg und weitgehend nach dem zweiten Weltkrieg, und Bruno Kreisky ist schon beinahe vergessen.

Largo: Europa ist mehr als Österreich, es gibt wichtigere politische Kräfte und Staaten, und es gibt viele faschistische Mehrheiten. Es gibt auch komplizierte Nachbarschaften, teilweise auch faschistoid geformt. Es gibt die Beziehung zu den USA. Dazu habe ich eine Formel zur Analogie. Hitler-Stalin, Trump-Putin. Bei dieser Analogie bleibe ich, auch wenn ich sie differenziert und ausführlicher entfalten will. Hier reicht sie, und mir braucht keiner zusagen, welche Unterschiede es zwischen den Paarungen gibt. Aber erstmal geht es um Strukturen und nicht um die Persönlichkeiten selbst. Sie stehen für autoritäre Bündnisse, Diktaturen, die sich die neueren Faschismen untertan machen. Dass dabei mehr als nur die Ukraine massakriert werden kann, wissen die denkenden Menschen nicht nur in Europa. Aber was dagegen tun? (Außer schnell aufrüsten? Es gibt kaum „neue“ Partner gegenüber den drei globalen Atommächten, auch wenn Europa viele Einwohner hat…). Nein, Aufrüsten reicht nicht. Umdenken und sich auf ein anderes Leben in einer anderen Politik, als in mehr Demokratie UND Abwehr gegen die Diktaturen sich entwickeln, und das wird im persönlichen Leben Opfer verlangen, Zeit und Konsum, aber wichtiger: Umdenken.

Fuge: es klingt seltsam, aber um das alles zu bewältigen, müssen erst wir die Veränderungen an uns und mit uns schaffen, sie mehr als nur fordern – und ei9nleiten ist zu wenig, genügt jetzt nicht. Da es „den Westen“ nicht mehr gibt und er auch nicht zu kleben ist, müssen wir uns fragen, was anstatt zu konstruieren ist, demokratisch und ... Diese drei Punkte sind relevant. Ich habe keinen Begriff für die politische Neuordnung, auch eine ohne die USA (noch sage ich nicht, „gegen sie“). Mir widerstrebt es, wenn auch sonst kluge Menschen die Politik der Westmächte von 1938 und 1939, das „Appeasement“ fordern, ohne die geringste Vorstellung, wie Putin und Trump darauf reagieren.

Finale infernale: Wie auch immer in zwei Stunden die Wahlen hier in Deutschland ausgehen, Die Antwort auf die Fuge kann vom großen oder starken Deutschland für ganz Europa entscheidend sein, und da dürfen die Minimalisten in Hirn und Lokalität nicht jetzt ausschließen, mit welchen Demokratien sie nicht Bündnisse schließen wollen. Sie müssen. Und wir Bürgerinnen und Bürger müssen uns darauf einstellen, dass wir für Frieden und Umwelt schwierige Einschnitte in unserem Lebenslauf und dem unserer Nachkommen werden mittragen müssen, als die Jetzigen Programmschwadronierer auch nur andeuten.

Diktatur / Faschismus / Kleinkram

Vorwort

Wenn die Kommunikation verzerrt oder versagt, dann werden Meinungen oft vergiftet oder unverständlich. In einem sehr gravierenden Fall gibt es eine beispielhafte Gegenstimme, bei der es gar nicht um den Inhalt der Kritik an Merz geht, sondern um die Streitform:

Tagesspiegel 5.2.2025

Ex-Grünen-Chefin Lang kritisiert eigene Partei und SPD für Häme gegenüber Merz: Zwar habe Merz „große Fehler im Umgang mit den Rechtsextremen gemacht“, schrieb Lang auf X. „Aber dieses fast hämische ‚wollte er nicht die AfD halbieren höhöhö‘ von manchen aus meiner Partei und der SPD finde ich ziemlich befremdlich.“ Die Bundestagsabgeordnete sieht einen Grund für das Erstarken der AfD auch im Regierungshandeln. „Man kann nicht in Regierungsverantwortung sein, während sich die AfD verdoppelt und dann so tun, als ob dafür alleine die Opposition verantwortlich wäre“, schrieb sie weiter. Ex-Grünen-Chefin Lang kritisiert eigene Partei und SPD für Häme gegenüber Merz: Zwar habe Merz „große Fehler im Umgang mit den Rechtsextremen gemacht“, schrieb Lang auf X. „Aber dieses fast hämische ‚wollte er nicht die AfD halbieren höhöhö‘ von manchen aus meiner Partei und der SPD finde ich ziemlich befremdlich.“ Die Bundestagsabgeordnete sieht einen Grund für das Erstarken der AfD auch im Regierungshandeln. „Man kann nicht in Regierungsverantwortung sein, während sich die AfD verdoppelt und dann so tun, als ob dafür alleine die Opposition verantwortlich wäre“, schrieb sie weiter.

Kritik an falscher Politik, und auch am erstarkenden Faschismus, muss aus der eigenen Demokratie kommen, und dem Selbstbewusstsein, das dort entsteht und gepflegt wird.

Diktaturen

China, Russland, neuerdings die USA, kann man nicht einfach mit politischen Begriffen kennzeichnen. Wie ich auch vorwegnehme: Faschismus passt da auch nicht. Diktaturen sind Herrschaft gewordener Terror, Unterwerfung, Ausbeutung, Machtfixierung usw., und die Herrschaft tut alles, um nicht abgelöst werden zu können, weder durch Volksentscheid noch durch demokratischen Widerstand. Warum ich Pmurts USA dazuzähle, können wir diskutieren: nur so viel, dass in keiner Diktatur die Unterdrückung des Volks gleichmäßig und umfassend erfolgt. Sondern gezielt. Für viele sind die USA vielleicht noch die alternativlose bessere Alternative zu China und Russland, für einige Millionen jetzt schon nicht mehr, und es geht ja nicht nur um die Lebensbedingungen, sondern um die menschliche Freiheit und das Selbst. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig, dass die USA nicht in das Muster der sich global ausbreitenden Faschismus passen – auch dort gibt es Diktaturen, Demokratieabbau und Unterdrückung, aber anders und nicht mit fast unbeschränkter Macht. Oft nur mit Gewalt, aber nicht immer.

Faschismus

In den letzten Blogs habe ich oft über Faschismen geschrieben, globale, nationale, lokale. Dass es viele davon IN der EU gibt, neuerdings auch in Belgien, lange schon in Ungarn, Italien usw. ist bekannt, es wird in seltsamer Nichtabgrenzung hingenommen, solange bestimmte Formen der Zusammenarbeit funktionieren. Was bedeutet es, wenn Österreich als nächste Demokratie vor dem Umkippen in den Faschismus steht? Das Land mit seiner Geschichte von zwei verfeindeten Faschismen 1933-1938-1945 ist vielleicht ein Lehrstück dazu, was Faschismus „eigentlich“ ist. Jedenfalls nicht einfach eine Regierungsform, sondern eine antidemokratische Herrschaft, die durchaus in ihren Anfängen auf die Zustimmung des „Volks“ angewiesen ist, und das ist nicht einfach das Volk in der Demokratie. Faschismus ist aber sehr stark an die Überlegenheit bestimmter Volksgruppen angewiesen, ethnisch, religiös, ideologisch, womit ebensolche Unterlegenheiten die sozialen Diskurse hintanstellen. (Wenn tatsächlich FPÖ und ÖVP ein Bündnis eingehen, ist das so schlimm für mich wie ein weiteres Herrschen von Netanjahu in Israel. Aber meine individuelle Empfindung ist vielleicht gar nicht so wichtig, solange ich meinen Widerstand nicht beschreibe – das kann kommen, vielleicht nicht hier im Blog, aber wie es kommt, kann ich jetzt nicht genau sagen). Es gehört schon ein wenig zum Vorwort, dass seit wenigen Tagen Österreich als Abschreckung und Warnung für demokratische Deutsche herangezogen wird. Die Ausbreitung des Faschismus in Europa ist mehr als nur eine Gefahr. Sie greift in unser aller Leben.

Kleinkram

Es ist nicht alles Diktatur, Faschismus und unerträgliche Herrschaft. Es wäre zu kurz gesprungen, würde man auf widerständige und exilierte Kultur gegen frühere und gegenwärtige Diktaturen und Faschismen allein verweisen, aber natürlich darf man sie nicht verdrängen. Im Kleinkram der politischen Auseinandersetzungen zeigen sich weniger die Gewaltansprüche der Faschisten als die Schwächen unserer Demokratie. Eine Demokratie kann nie so bleiben, wie sie ist, sie muss mit der Zeit, manchmal gegen sie, weiter gehen und sich entwickeln. Das klingt trivial. Es ist aber nicht banal, denn bliebe Demokratie wie sie ist, bliebe auch das Volk=Demos wie es ist, und ein Volk, das sich nicht entwickelt, wird unterworfen. So, wie die EU mit ihrer Erweiterung die Demokratie hätte weiter entwickeln müssen – hat sie zu wenig, so ist auch in kleineren sozialen Zusammenhängen: und da belehren die Fehler der Faschisten uns Demokraten keineswegs, zumal, wenn sie scheinbar auf die Schwachstellen der Gesellschaft zielen, bei denen wir anscheinend versagen. Da müssen wir schon selbst heran. Paradox: der Migrationsdiskurs wäre ein Beispiel für den Vorrang der Demokratie vor den unempathischen Gefühlen des Pöbels, auch wenn der manchmal fast eine Mehrheit hat. DAGEGEN müssen wir zusammenhalten und etwas tun, und nicht Kompromisse mit der Menschenfeindlichkeit derer schließen, die die Ärmsten der Armen, Geflüchtete, Vertriebene, Hungernde, zu den Gegnern des sogenannten legitimen deutschen Lebensgefühls machen.

Bissiger Nachsatz: „Deutsch“ gibt es noch keine 200 Jahre, und viele Menschen, die Not leiden, haben eine sehr viel längere nationale Leidensgeschichte.

Nachwort

Mir geht es nicht um eine Konfrontation von Meinungen, mir geht es um Politik. Die aber besteht nicht nur aus Handeln, also Entscheidungen treffen mit Folgen für bestimmte Menschen, sondern auch um Haltungen, um Weiterentwicklung des demokratischen Bewusstseins. Und da hat Frau Lang schon recht: der Ton kann die Melodie glaubhaft machen oder zerstören.