Große Freude im Deutschen Reich: die Kinderquote ist von1,34 auf 1,5 gestiegen, die Deutschen sterben nicht aus. Das heißt, wenn wir die Verfassung ändern, und jeder Mensch, der hier geboren wird, wir deutsche Staatsbürger*in. Wenn die Geburtenrate in diesem Tempo weiter wächst, werden wir zu Ende des Jahrhunderts wieder so bevölkerungsreich sein, dass die aufgegebenen Landstriche in Brandenburg, Mecklenburg und in den deutschen Kolonien wieder besiedelt werden.
Warum bekommen die Familien in unserem Land wieder mehr Kinder? Nicht weil die Sozialpolitik so kinderfreundlich wäre, nicht weil Kinder wieder ungefährdet auf den Straßen spielen könnten, nicht weil es genug Kitaplätze gibt. Auch nicht wirklich, weil die Ideologie sich zugunsten gebärfreudiger Sozialbindungen verändert hätte (wie das alle fundamentalistischen, orthodoxen und ethno-nationalen Organisationen gerne fordern).
Die meisten der zuwachsenden Kinder haben Eltern mit Migrationshintergrund, wie ohnedies schon 20% der Bevölkerung, was mich freut. Das ist kein anti-deutsches Ressentiment, sondern die Freude an der Durchmischung, weil mit dieser Realität den Rassisten a la Höcke ein Widerstand empirisch angeboten wird und sogenannte Mischkulturen auf allen – allen! – Feldern produktiver, flexibler, kultivierter sind. Den ethnisch reinen Weltbürger gibts nicht so leicht.
Aber satirisch wirken die Pressemeldungen zum kleinen Geburtenanstieg auch: viele haben zu wenig Geld für Kultur und Reisen, da liegt freie Zeit zum Zeugen ebenso nahe wie im bayrischen Modell der Käfighaltung von Frauen – hier kann man schon von familienpolitischer Überzeugung reden, und wenn schon die Immigranten uns so viele Kinder bescheren, dann zahlen die vielleicht einmal in die Rentenkasse der christlich-abendländischen Deutschtümler ein: Hoffnung auf eine agile Generation.
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Das Thema lässt Satire fast unvermeidlich aufkommen. Aber wenn ich mir seine dramatisch, oft tragische Komponente ansehe, dann sollte man darüber nachdenken, warum die Rechtsradikalen bei uns wieder bei ihrer Blutsbürgerschaft angekommen sind, und warum der demographische Wettkampf (zB. Palästinenser und jüdische Israeli, Türkei, Polen etc.) keineswegs einer Stufe vergangener Zivilisationsdefizite angehört. Ich lebe in einem Stadtviertel, in dem es viele Kinder gibt. Das Glück in dieser Lebendigkeit sind die Kinder, nicht die Herkunft der Eltern.
(Sozial- und Kulturpolitik muss folgen. Aber da sind wir uns schnell einig).