Bitte schüttelt den Kopf NICHT bei dieser Überschrift. Der kürzeste Essay meiner Überlegungen in 6 Worten. Ich lese von den Gefahren eines neuen Tunnels in einem abschmelzenden Schweizer Gletscher, wunderschöner Tunnel auf kurze Zeit. Wenn kein Gletscherwasser mehr kommt, steigt die Dürre. Gestern Abend war ich in einem kleinen Ort im Norden von Wien, der in der trockensten Region Österreichs liegt: wie wird das agrarisch und sozial werden, wenn alles andere erneuert und lebenswert gestaltet wird – darum geht es in dem Beratungsprojekt. Trocken selbst im feuchten Europa – und alle Länder, demokratisch und oder faschistisch, verbarrikadieren sich gegen die Geflüchteten aus der Trockenwelt (dort gibt es auch mal Überschwemmungen, aber das gehört leider dazu).
Diese Einleitung ist das Ergebnis der Kondensation der politischen Weltnachrichten, weil das Klima plötzlich kein wirkliches Thema mehr ist. Trump und Putin zerstören die Pressefreiheit weltweit, als Bestandteil des sich abzeichnenden Weltkriegs, Israelgazalibanonsyrien sind unsäglich und erstaunlich schnell verstehen doch mehr Menschen als unlängst, was sich abzeichnet. Umso wichtiger, den Alltag nach unseren Bedürfnissen so zu gestalten, dass Resistenz und Opposition nicht nur politisch, sondern Elemente der Lebensführung sind: Kultur gegen die Lügen der Diktatoren und ihrer faschistoiden Untertanen, Widerstand als aktive Alternative bis in die Diskurse hinein.
Das ist ein Element, dem wir noch viel Aufmerksamkeit und Kraft widmen können, dem so genannten Alltag. Je mehr uns der Einfluss auf politische Entscheidungen entzogen wird, umso wichtiger wird, es nicht wie die Lebensräuber zu leben, also untertänigst zu vegetieren. Ich finde es ermutigend, wenn viele Menschen im Dorf die Entwicklung ihres Lebensraums in den nächsten 25 Jahren – 25! – in das Bewusstsein und die Hand nehmen, als gäbe es weltweit keine Diktaturen und lokal keine Einschränkungen, obwohl die, die das diskutieren, natürlich um das alles wissen, aber ihre Lebenserwartung eben davon nicht abhängig machen, jedenfalls nicht, bevor es zu Auseinandersetzungen kommt. Widerstand ist fast immer nur Praxis…das wissen wir, aber verdrängen es oft angesichts der hoffnungslosen Analysen der beginnenden Zerstörung. (als hätte sie nicht schon lange begonnen, weil ja die Evolution des Menschen noch lange nicht zu Ende wäre, würde sie nicht willkürlich gebremst). Natürlich bin ich nicht der Einzige, der vom Dritten Weltkrieg spricht.
Darüber sprechen ist nur in der Vorstellung den Krieg erleben, ansonsten erleben wir ganz andere Situationen im Alltag. Das ist gut so, z.B. durch Wien zu fahren, und an allen Ecken und Enden Erinnerungen aufzudecken, die gute und schlechte Zeiten an diesem und jenem Ort lebendig machen, wen habe ich hier getroffen, was ist mir hier geschehen, wo wollte ich hinein und durfte nicht…es ist die Wiederherstellung einer Stadt in vielen Schichten. Diese Doppelschichtigkeit können alle erleben, jede und jeder anders, aber es ist schon wichtig, die eigene Vergangenheit in Raum und Zeit festzumachen, einschließlich der Situationen, die man lieber nicht erinnert, aber sie sind da. Ich mache sozusagen eine Wienführung für mich, aber wie sagt Kertezs: Ich, ein anderer. Das gilt nicht für die schrecklichen Vergangenheiten, auch für kleiner, umwölkte. (Nur – mit dieser Assoziation, was ich 1956 mit Blick auf Imre Nagy als Kind erlebte, kann ich die Assoziationen nicht vertreiben…). Die eigene Geschichte im Sekundentakt sich zu beschreiben, immer animiert durch das, was ich sehe – erzeugt eine Tagebuchnotiz, die nie aufgeschrieben werden kann und verweht. Ihre Rekonstruktion, einen Augenblick später, denkt sich schon anders. Und so sehe ich mich, vielfach und unterschiedlich (selbst)bewusst, hier und dort über die Straße gehn, stehn, schauen und manchmal handeln. So entsteht das richtige Wien in mir.
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Ich arbeite ja an unserem Projekt, und wenn darüber gesprochen und gedacht wird, ist das eine andere Ebene, Wien ist sozusagen die Kulisse und die Bühne verbindet alles. Das ist anderswo nicht so…Wien, exklusiv für mich, einen langen Augenblick lang. In einem der Caféhäuser, die ich in Wien immer besuche, um KollegInnen zu treffen oder um Zeitungen zu lesen, verbinden sich die Ebenen, und wenn mir solche Augenblicke anderswo abgehen, wird es mir hier spontan deutlich: auch hier gibt es eine Grenze, jenseits derer man über Heimat und Kitsch reden könnte – statt dessen gibt es für Augenblicke keine Alternative.
Zurück zur Wirklichkeit.