Natalie und Kippa – Gleich zwei JÜDISCHE EINSPRÜCHE

1.

Nicht zum ersten Mal beschäftige ich mich mit Israelkritik, antisemitischen Varianten dieser Kritik und notwendiger Kritik und Abgrenzung gegen die grenzwertig-rechtsradikale Regierung von Benjamin Netanjahu und seinem Kabinett und seiner blasphemischen Vergötzung von Donald Trump.  Es wird immer schlimmer, und vieles läuft parallel zu Deutschland und Europa: die Rechte wittert Morgenluft. Was Israel jetzt Natalie Portman antut, muss im Detail mitgeteilt werden, sonst versteht man es nicht in seiner Tragweite. Ich habe einige Passagen hervorgehoben um sie zu kommentieren. Erstmal der Grundtext:

http://www.deutschlandfunkkultur.de/natalie-portman-in-israel-in-der-kritik-vom-schwarzen.2156.de.html?dram:article_id=416314 23.4.2018

Natalie Portman in Israel in der Kritik: Vom schwarzen Schwan zum roten Tuch

Von Benjamin Hammer

Natalie Portman wurde in Israel geboren. Als Kind wanderte sie mit ihrer Familie aus. Nun sollte die Schauspielerin mit dem Genesis-Preis ausgezeichnet werden. Doch weil sie aus Protest gegen die Politik Israels die Teilnahme absagte, hagelt es Kritik.

Die US-amerikanische Schauspielerin Natalie Portman stammt ursprünglich aus Israel. In dem kleinen Land waren sie bisher mächtig stolz auf „ihren“ großen Star in Hollywood. Doch jetzt hat sich Portman erneut mit der israelischen Regierung angelegt. Sie lehnt es ab, im Sommer in Israel einen Preis entgegenzunehmen und begründet das mit ihrer Kritik an Premierminister Benjamin Netanjahu. Vor allem bei Politikern des rechten Spektrums trifft sie damit einen Nerv.

Natalie Portman in den israelischen Medien: ein Top-Thema, seit Tagen. Denn Portman ist nicht irgendeine US-Schauspielerin. Sie wurde in Jerusalem geboren, als Neta-Lee Herschlag. Als Kind wanderte sie mit ihrer Familie in die USA aus. Der einstige Stolz auf die jüdisch-israelisch-amerikanische Schauspielerin ist zumindest bei Politikern der rechts-nationalen Regierung in Israel verflogen. Eine der drastischsten Reaktionen kam von Oren Hasan, einem Parlamentsabgeordneten der Likud-Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu.

Wer den Premierminister boykottiert, der boykottiert auch uns, den Staat Israel. Kritik ist eine Sache, aber Portman hat sich von einem schwarzen Schwan, den sie in einem Film spielte, in ein rotes Tuch verwandelt. Und das werden wir nicht schweigend hinnehmen. Ich rufe daher den Innenminister auf, ihr die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Portman hat das Land mit vier Jahren verlassen und besitzt keine Verbindung mehr zu diesem Staat.“

  • Hervorhebungen von Michael Daxner. Siehe unten: „Kommentar“

Sie fühle sich nicht wohl, in Israel aufzutreten, schrieb Portman

Im Sommer sollte Portman in Israel der Genesis-Preis verliehen werden. Nach Aussage der Organisatoren so etwas wie der jüdische Nobelpreis. Portman habe mit ihrem Charisma die Herzen von Millionen berührt. Doch dann die Absage: Portman komme nicht, so der Veranstalter. Sie habe die jüngsten Ereignisse in Israel als extrem bedauerlich empfunden, sie fühle sich nicht wohl dabei, öffentlich in Israel aufzutreten. Später schrieb Portman auf Instagram:

„Ich komme nicht, weil ich nicht als Unterstützerin von Benjamin Netanjahu erscheinen will, der eine Rede auf der Preisverleihung halten wird. Die schlechte Behandlung jener, die heute leiden, deckt sich nicht mit meinen jüdischen Werten. Weil mir Israel so sehr am Herzen liegt, muss ich gegen Gewalt, Korruption, Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch meine Stimme erheben.“

Kommentar:

Was der Likud-Parlamentarier sagt, passt in Schablonen, die mit diesem Staat, mit Israel, das gerade Geburtstag hat, nichts zu tun haben dürfen. Wer den Premier boykottiert den Staat – hat den Oren Hasan noch seinen Verstand beisammen? Weder religiös noch aufgeklärt, weder patriotisch noch in Verteidigung der gesellschaftlichen Werte ist so ein Satz zulässig; unter keinen Umständen. Portmans Begründung geht zu Herzen,  ja, ihr Likkud und Besatzermarionetten, zu Herzen, nicht nur zu Verstand. Portman spricht zu Recht von jüdischen Werten (–> Vgl. Semitismus I und II von letzter Woche), und nicht von Juden. Und sie verteidigt Israel gegen die Politik von Netanjahu und Bennett. Wir sollten sie unterstützen und ihr den Rücken stärken. Eine Preisrede von Netanjahu, das ist wie ein Echo an Antisemiten.

Please read Natalie Portman‘s message on Instagram.

Lest auch https://www.tagesspiegel.de/politik/boykott-einer-preisverleihung-verbale-attacken-aus-israel-gegen-juedische-schauspielerin-natalie-portman/21204966.html

2.

ALS WÄRE DAS NICHT GENUG.

Die Meldung:

Die jüngsten Übergriffe auf zwei Kippa tragende Männer in Berlin haben auch den Zentralrat der Juden alarmiert. Dessen Präsident Schuster rät davon ab, als Einzelperson in Großstädten Kippa zu tragen.

Der Fall des Kippa-Trägers, der in Berlin von einem syrischen Flüchtling attackiert wurde, sorgt für Entsetzen und heftige Diskussionen. Alarmiert ist auch der Zentralrat der Juden in Deutschland. Präsident Josef Schuster rät Juden davon ab, sich in Großstädten öffentlich mit einer Kippa zu ihrer Religion zu bekennen.

„Trotzig bekennen wäre im Prinzip der richtige Weg“, sagte er dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Trotzdem würde ich Einzelpersonen tatsächlich davon abraten müssen, sich offen mit einer Kippa im großstädtischen Milieu in Deutschland zu zeigen.“ Stattdessen solle man lieber „eine Basecap oder irgendetwas als Kopfbedeckung tragen“.

Er habe jedoch das Gefühl, dass „man im Großteil der Gesellschaft verstanden hat, dass wir auch an einem gewissen Wendepunkt angekommen sind“.

Schuster sagte weiter, wenn es nicht gelinge, offenem Antisemitismus entgegenzutreten, sei die Demokratie in Gefahr.

https://www.tagesschau.de/inland/kippa-123.html 24.4.2018

Die erste Reaktion ist ermutigend:

Jüdisches Forum @JFDA_eV

Es reicht! Jüdische und nicht-jüdische Menschen sollten gerade jetzt die Kippa tragen. Wir dürfen den öffentlichen Raum weder islamistischen noch rechtsextremen #Antisemiten überlassen. #BerlinträgtKippa #WirsindauchJuden https://t.co/QjOKv4B0fl

24.04.2018 11:53 Uhr via Twitter

Aber es ist grundsätzlich und leider noch weiterreichend:

Die Kippa zeigt an, dass ihr (männlicher) Träger jüdisch sich versteht. Heißt „jüdisch“ hier „gläubig“? Nicht notwendig. Es heißt bloß, dass man bestimmte Rituale aus Respekt, Traditionsbewusstsein oder indikativ (–> seht her, ich gehöre zu „denen“) mitmacht. Da Kleidungsvorschriften – in allen Religionen – ebenso wie bestimmte Rituale zur Erkennbarkeit der Religion und zur Zugehörigkeitspolitik von Machthabern und Mitgliedern gehören, kann man sie nie ohne Kontext anwenden.

Mein Beispiel: aus den oben genannten Gründen trage ich eine Kippa nur, wenn ich eine Synagoge oder einen jüdischen Friedhof betrete. Wenn ich in Jerusalem durch das ultra-orthodoxe Viertel Mea Shearim gehe, trage ich die Kippa („natürlich“) nicht. Ich entscheide, wem oder was ich Respekt zolle. Wenn Christen, v.a. im Österreich meiner Kindheit, an einer Kirche vorbeikamen, haben sie sich bekreuzigt. Heute hat das abgenommen. Zum Bekreuzigen ein wichtiger Satz: zweierlei handzeichen ich bekreuzige mich vor jeder kirche ich bezwetschkige mich vor jedem obstgarten wie ich ersteres tue weiß jeder katholik ich ich letzteres tue ich allein. (In: Laut und Luise, Bd. 2). © Luchterhand Literaturverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, … Ja, das ist lustig. Oder aber sehr ernst.

Der Zentralrat spricht nicht für alle jüdischen Menschen, er spricht anstatt vieler jüdischer Menschen in Deutschland. Und er macht uns zu Opfern (das kommt gut, weil dann der Antisemitismus verkürzt wird auf die Reaktion gegenüber Erkennbarkeit, und Opfer muss man davor schützen, als Opfer in die Mangel genommen zu werden). Geht’s noch? Ich werde die Kippa dort tragen, wo ich erkannt werden möchte oder Solidarität zeigen kann. Der Zentralrat sollte sich einmal fragen, warum a) viele jüdische Israeli gerade nach Berlin kommen, Kippa hin oder her, b) warum die jüdische Erkennbarkeit immer nur mit der Opfergeschichte gekoppelt erscheinen kann. Nebeneffekt: beruhigend für viele, dass ein arabischer Flüchtling die Kippaträger angegriffen hat. Das freut die deutschen Antisemiten. Und erspart vielen die Auseinandersetzung, dass für die Verschleierung das gleiche gilt wie für die Kippa: nicht Gott, sondern die Machtausübung hat hier das Sagen.

 

 

 

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