Gegen die Markttrottel

Auch wenn es zunächst so aussieht, dies wird kein Blog über Corona. Es fängt nur so an:

Die bisherigen Maßnahmen offenbaren eine weitere Tücke von Sars-CoV-2: Je erfolgreicher der Kampf gegen die Krankheit ist, desto länger wird er dauern. Stoppen lässt sich Corona nicht mehr. Das Ziel ist es, die Kurve flach zu halten, also die Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten unter der Kapazitätsgrenze der Intensivmedizin zu halten – Betten und Beatmungsgeräte sind nicht unbegrenzt verfügbar. Die Virusverbreitung zu verlangsamen, bedeutet deshalb auch, sie zu verlängern. Welche Folgen das für das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben hat, lässt sich nur ahnen„. (Tagesspiegel online 16.3.2020).

Mit einem Wort, der Prozess der NORMALISIERUNG einer anwesenden Krankheit, gegen die allmählich Therapien entwickelt werden, hat eingesetzt (HIV, Grippe und viele andere Infektionskrankheiten haben sich so normalisiert).

Noch ein Zitat:

„In einer globalen Krise wie der aktuellen Coronakrise müsse es eine Zusammenarbeit geben und nicht einen neuen Egoismus, sagte FDP-Chef Christian Lindner im Dlf zu Berichten, dass sich die USA einen Impfstoff exklusiv sichern wollten. So etwas verbiete sich, da dürfe keiner auf den eigenen kleinen Vorteil schauen“. (15.3.2020, DLF, FDP Lindner im Gespräch mit Klaus Remme).

Ausgerechnet Lindner, der sonst jede Einschränkung der Märkte bekämpft, wird plötzlich moralisch. Und die Wirtschaft leidet ja wirklich.  Der Staat als Stützstrumpf für die Unternehmen ist plötzlich wieder gefragt und anerkannt. Weg von der Pandemie, hin zur Weltpolitik:

Dass die wirklichen Probleme der Menschheit – Klima, Hunger, Krieg, Menschenrechte, Asyl, Umwelt – in den Hintergrund gedrängt werden, ändert auch das diskursive und kommunikative Verhalten der Menschen. Nicht klar ist, in welche Richtung, das ist eigentlich eine gute Botschaft. Die Aktivierung von Politik-Bewusstsein, Empathie, Wertekorrektur usw. kann Solidarität, kollektives Handlungsbe- wusstsein, Öffentlichkeit bewirken, – oder einen lange Zeit ungeahnten Nationalismus,  Abschottung etc. Hier liegt ein Paradox: einerseits muss man – das ist evident, aber nicht leicht zu machen – die globalen Lieferketten unterbrechen, diversifizieren, die Auslagerung von aufwändiger Produktion in Billiglohnländer zu regulieren;  andererseits muss man den globale Solidarität mit den Menschen in armen Ländern und die Hilfe für Menschen in schwächer ausgebauten Gesundheitssystemen stärken, und das betrifft Corona bestenfalls als Exemplar, aber nicht für die oben genannten wirklichen Probleme.

Die Markttrotteln kommen an nicht an ihre Grenzen, sondern an unsere. Gegenstrategien sind in der Tat global, also lokal. Glokaler Humanismus ist keine ganz neue Perspektive, im Gegenteil. Aber er reibt sich an den verinselten lokalen Egoismen oder an nationalistischen Begründungen – so einfach wie der Seehofer die Grenzschließungen darstellt, ist es eben nicht (und man muss sich gegen Gemeinheiten wappnen, wenn man das wagt).  Womit ich sage, dass oft nicht die Maßnahme, sondern ihre Begründung wirklich Verhaltensänderung bewirken kann und soll.

Wenn den Italienern nicht geholfen wird (kein Export von Schutzmasken, kein Eingriff in die kriminellen Budgetraubritter etc.), geht es nicht um die Pandemie (die alten Menschen in diesem Land werden bis auf weiteres hohe Mortalität zeigen). Sondern es ist ein Hinweis auf Systemprobleme innerhalb der EU, und die müsste man jetzt stärken und politisieren – endlich.

Markttrotteln wie Trump und seine kleinen Adepten hier wie dort sind Gegner, keine vom Weg abweichenden Verbündete. Das ist wichtig, weil die hohle globale Ordnung immer weniger als Kulisse unserer Selbstbeschreibungen taugt.  Früher hätte man nach Revolutionen gerufen, heute haftet diesem Begriff so wenig Hoffnung wie dem Gegenbegriff Reformismus; es ist wichtiger, die Politik daran auszurichten, was wirklich wichtig istKlima, Hunger, Krieg, Menschenrechte, Asyl, Umwelt – dann und nur dann werden wir auch bei CoVid19 und den nächsten Pandemien präventiv und sicher überleben.

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