Golmer Luch, schon mal gehört? Der Sonntag beginnt in dickem Nebel, es ist kalt und nichts hält einem zu haus. Kur z vor 8 fahren wir nach Golm. Wandert man durch die Wissenschaftsstandorte, bedauert man die vergammelnden Universitäten, MPI, Fraunhofer, An-Institute sind da Jahrzehnte besser ausgestattet. Niemand auf der Straße. Nach zwanzig Minuten verlassen wir die Durchfahrt und gehen ins Naturschutzgebiet nach Westen, Plattenweg, dann Erde. Vor Jahren waren wir schon einmal hier, ohne Hund, mit Rädern. Weiden, erst Felder dann wenig bearbeiteter Wald, alles hoch zugewachsen, das gehört ja zum Deponie- bzw. Abraumgebiet. Das Luch ist eine niedrige moorige Landschaft. Golmer Luch – Wikipedia. Besonders beeindruckend sind die überwachsenen Bäume, mit Schlingpflanzen bewuchert und bewusst nicht gepflegt, aber was das eigentlich Schöne ausmacht, muss man erlaufen, viele kleine Kanäle, hunderte Weiden, nur wenige geschnitten…Wenige Meter hinter dem Weg die Absperrungen zum Deponiewald. Nach einiger Zeit kommen wir auf den großen Wanderweg von Schloss Golm nach Norden. Schaut auf die Karte, Golmer Luch Karte – Brandenburg, Deutschland – Mapcarta, denn sonst sind die Informationen im Netz spärlich. Das erzähle ich, weil wir oft dort sind, auf den Hochwasserdämmen die Wublitz entlang, mit Wasser auf den Wiesen und erst bei Grube wieder wirklich besiedelt. Dazwischen eine alte Kirche, Nattbergen, auf dem Friedhof liegt durch vier Generationen eine schweizer Kolonistenfamilie Mauerhof, seit 1855, die das Umland besiedelten, der alte Hof steht noch heute, einige der umgebenden Gebäude haben die Verschandelung durch die DDR und danach überstanden…Weiter auf den Dämmen und im Nebel ist das schöner als bei Klarsicht. Kurz nach Grube gehen wir eine Güterweg ähnlicher Bepflanzung in Richtung Golm und kommen am Ausgangspunkt zurück auf den Wissenschaftscampus. Diesmal mit dem Bus zurück, grausige Einfamilienhaussiedlungen werden allmählich durch bessere, dichtere Bebauung ersetzt, aber das Thema bleibt aktuell. Warum schreibe ich das, und wozu? Nur ein dreistündiger Sonntagsausflug, wir haben genau einen Radfahrer und ein Auto gesehen, bevor wir Hauptstraße überquerten. Aber man kann neben den Erfreulichkeiten solcher Wanderung ja auch weiterdenken. * Abgesehen, dass man die Autobahn, die 5 km entfernt ist, überall laut hört, ist es ein gut bewahrtes Gebiet, dessen Deponiegeschichte und agrarische Beschränktheit man nicht unbedingt ständig aufrufen muss. Viele, auffällig viele Vogelstimmen, sogar eine Trappe, und vor dem Wissenschaftszentrum so gut wie keine baulichen Eingriffe. Das Zentrum selbst gibt zu denken, nicht nur die Dimensionen, sondern die für diese Vielzahl notwendigen Strukturen – viele der tausenden MitarbeiterInnen haben sich in der Umgebung angesiedelt, die meisten, auch Studis, reisen per Bahn und Bus an, aus Potsdam (7km) oder Berlin. Keine soziale Infrastruktur erkennbar, einkaufen, ja, aber sonst…Nun, als alter Unihase wäre ich gerne da gehoppelt, trotzdem. Schaut euch den Anblick an, von oben: Potsdam Science Park | Der Park (potsdam-sciencepark.de). Unsere Wanderung ging oben links davon ab. Man kann sich in die Wissenschaftsgeschichte nach der DDR einlassen, ich habe da viel nach 1990 gelernt und mir damals wie heute die Frage nach der relativen Vernachlässigung der Hochschulen gegenüber den Forschungsinstituten der großen Institutionen MPI, FhG, Leibniz usw. Gerade ist ja auch die Frage aktuell, wie kann wissenschaftlicher Nachwuchs für Lehre und Forschung auch sozial abgesichert werden und fliegt nicht nach ein paar Postdocjahren raus, wenn sie/er überhaupt dorthin kommt. Die Unigebäude der auf drei Campus verteilten U Potsdam sind hier nicht schlecht, aber ich kenne doch viele, die den Dreisprung regelmäßig machen, bis zum Griebnitzsee sind es 20 km. Soweit zur Hochschulsituation…Der Bahnhof Golm und die Busanbindung nach Potsdam sind für uns natürlich gut, man ist schnell am Charlottenhof und dann in 5 Minuten zuhause…ausnahmsweise kein ABER zur Bahn, weil das ja regional und im Windschatten der nationalen Verspätungspolitik ist. * Der Vormittag hat zu den notwendigen und empfohlenen Absenzen aus der düsteren Wirklichkeit beigetragen. In die kommt man automatisch, wenn man zu Mittag die Nachrichten einschaltet, gemildert durch lange Reportagen über die religiösen Feiern…anachronistisch, aber einfach erträgliches Schauspiel, solange nicht gepredigt wird. Es ist an diesen schwer, nicht an den Gauner Netanjahu mit seinen religiösen und landraubenden faschistischen Koalitionspartner zu denken. ABER hier gebietet es die eigene Bewusstseinsbildung nachfragen, wie es dazu kommen KONNTE. Kommen musste? Ich empfehle, auch wenn der Titel ambivalent ist, Joshua Cohens „The Netanyahus“ (Cohen 2021), da erfährt man zwischen den Zeilen Teile wirklichen Geschichte des Zionismus und der israelischen Wirklichkeit, die sich mit dem dogmatischen Gebot der Haltung zu diesem Land und zu seinen Unterstützern auseinandersetzt…und nebenbei ein lustiges Buch mit Tiefgang ist. Oder man liest Ha àretz. Das macht die Kritik an den Arabern und Palästinensern nicht weniger scharf. Aber die beiden hängen ebn nicht einfach kausal zusammen. Die Aufmerksamkeit zur Ukraine ist noch vorhanden, schwach geworden angesichts des Gasheizungsdisputs und Lindners versuchten Raubzügen am Sozialstaat. Die Aufmerksamkeit für Afghanistan, wo Deutschland Schuld und Verantwortung trägt, ist fast verschwunden. Wer Zeit hat, sollte Christoph Reuter hören und lesen: Buchvorstellung Donnerstag, 20. April, 19.30 – 21.30 Uhr (MESZ) Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin Erholt, kann man der Wirklichkeit besser ins Auge schauen als ermüdet. |
Cohen, J. (2021). The Netanyahus. New York, NYRB.